Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

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Habgier und Niedertracht

Die sinkende Sonne vergoldete den Spiegel des urwaldumschlossenen stillen Sees, an dem Hallemico wohnte, als Ralph Norwood an seinem Ufer hinritt. Er sah Rauchsäulen, die unbewegt zum Himmel aufstiegen, dann erkannte er glimmende Lagerfeuer vor hölzernen Hütten. Er wußte, daß er bereits beobachtet wurde, doch unbefangen ritt er weiter.

Der Häuptling hockte mit Frauen und Kindern um ein hellflackerndes Feuer. Mit finsterem Gesicht trat er Ralph entgegen.

»Ich bin der Sohn von Tom Norwood!«

Des Indianders Miene hellte sich auf, er nahm Ralphs dargebotene Hand.

»Tom Norwood war ein Freund der roten Kinder, und sein Sohn hat das Blut der Seminolen in den Adern. Mein Feuer soll dich wärmen, meine Weiber sollen dir das zarteste Fleisch und die süßesten Früchte reichen! Ruh dich aus auf dieser Bärenhaut!«

»Was bringst du Neues?« fragte er nach einer Weile. »Sind die Bleichgesichter gesättigt oder gelüstet sie wieder nach unserm Land?«

»Zur Zeit sind sie zufrieden und denken nicht daran, weiter in euer Gebiet einzudringen.«

»Das gebe der Große Geist! Wenn der nächste Schlachtruf der Seminolen gegen die Weißen ertönt, werden sich die Flüsse rot von Blut färben, und die Geier und Wölfe können nicht alle Leichen vertilgen!« Die dunklen Augen Hallemicos erglänzten, doch dann wechselte er das Thema und fragte: »Wohin führt dein Pfad?«

Ralph nannte ihm sein Ziel.

»Dann reitest du durch das Land Osmakohees, mit dem ich in Blutfeindschaft lebe«, sagte der Häuptling.

Hallemico war früher ein mächtiger Häuptling gewesen, aber im letzten Krieg mit den Weißen hatte sein Stamm schwere Verluste gehabt. Er zählte nur noch einige dreißig rüstige Krieger. Trotzdem besaß Hallemico noch großes Ansehen unter den Seminolen, denn er war sehr wohlhabend. Er besaß über fünfzig Negersklaven, die für ihn arbeiteten, seine Herden waren zahlreich, sein Jagdgebiet reich an Wild und der See mehr als ergiebig an Fischen und Schildkröten.

Ruderschläge lenkten die Aufmerksamkeit der Männer nach dem See hin. Über die dunkle Flut, in der sich zitternd der Mond spiegelte, glitt ein Kanu auf das Ufer zu. Eine Indianerin sprang heraus und machte den Nachen fest.

»Das ist Olviana, meine Tochter, sie war fischen«, sagte Hallemico.

Die Frauen eilten zu ihr und beluden sich mit den Fischen, die an Strängen aufgereiht, an beiden Seiten des Kanus herabhingen. Hallemico rief das Mädchen herbei und machte sie mit dem Gast bekannt.

Olviana mochte sechzehn Jahre zählen. Ihr ebenmäßiges Gesicht war von großem Liebreiz und beseelt von tiefbraunen Augen. Ein buntschillernder Federnquast hielt ihr blauschwarzes Haar zusammen, das ihr über die Schultern herabfiel. Ihre Haut war hellbraun getönt. Ein Schmuck von weißen Perlen hing um ihren Nacken bis auf ihre jugendliche Brust. Um die schmalen Hüften trug sie ein schön bemaltes und befranstes kurzes Lederröckchen.

Olviana bediente den Vater und den Gast auch beim Essen, sie holte Honigbier und brachte ihnen zum Nachtisch Bananen, Feigen und Orangen. Als beide sich ihre Pfeifen anzündeten, begab sie sich zu den anderen Frauen und Kindern, um mit diesen zu essen.

Die Frauen und Kinder begaben sich bald zum Schlafen in die Hütte, Hallemico und Ralph blieben am Feuer liegen. Es war eine milde Nacht.

Als Ralph am anderen Morgen erwachte, hatte Olviana bereits das Lagerfeuer aufgefrischt, Milch von den Kühen geholt und das Frühstück bereitet.

Nach einem herzhaften Imbiß nahm Ralph Abschied von Hallemico und den Seinen. Noch einen Blick warf er zurück auf den in der Morgensonne gleißenden See, dann tauchte er im Urwald unter.

Zwei Tage später. Über eine wüste, von Dorngestrüpp durchzogene Sandfläche floh ein weidwunder Hirsch. Hinter ihm drein hetzte Osmakohee, der Seminolenhäuptling, mit zwanzig jungen Jägern, die teils beritten, teils zu Fuß waren. Schon näherte sich das ermattete Tier dem Walde, als die Hunde es faßten und niederrissen.

Der erlegte Hirsch wurde auf ein Pferd gebunden. Der Häuptling stieß einen langgedehnten, gellenden Schrei aus, der im Walde widerhallte. Aber vergebens lauschte Osmakohee auf eine Antwort. Wartend stand der Jägertrupp. Immer länger wurden die Schatten des Waldes. Die Sonne versank. Rot glühte der Himmel im Westen.

Da brach ein weißes Pferd aus dem Dunkel des Waldes hervor. Der Reiter darauf war vornüber gesunken und klammerte sich in der Mähne fest. Dann fiel er in den Sand und blieb dort regungslos liegen, während der Schimmel wiehernd auf seine Kameraden zulief. Sein Rücken war blutgefärbt.

»Mein Sohn!« schrie Osmakohee auf und rannte nach dem Gestürzten.

Zu spät! Der junge Indianer war eine Leiche. Ein Pfeil war ihm in die linke Seite gedrungen und sah mit der Spitze aus der rechten Brust heraus. Die Klagerufe des Häuptlings wurden zu einem Wutgeheul. Er hob seine Hände und schwur den Untergang des ganzen Stammes, dem der Mörder angehöre. Nicht eher wolle er wieder bei einem Feuer schlafen, bis er diese Rache ausgeübt!

Dann nahm er die Leiche hoch und trug sie auf sein Pferd. Mit dem toten Sohn im Arm ritt er langsam seinem Lager zu. Stumm folgten ihm die Jäger.

Der Anblick des Toten brachte das ganze Lager in furchtbarste Aufregung. Man untersuchte den Pfeil, um seine Herkunft festzustellen. Aber die Meinungen gingen auseinander. Die Wahl der Federn deutete auf diesen, die Form der Eisenspitze auf jenen und die Blutrinne im Holz wieder auf einen anderen Stamm. Bald wurden auch Stimmen gegen den alten Feind Hallemico laut, den man der Meucheltat verdächtigte.

Während die Todeswaffe noch von Hand zu Hand ging, schlugen die Hunde an und verkündeten das Nahen eines Fremden. Es war Ralph Norwood, der herangeritten kam. Der Bote, der seinerzeit Tallihadjo von dem Unternehmen Homathlans gegen den Leuchtturm unterrichtet hatte, erkannte ihn sofort wieder.

So hieß Osmakohee den Freund Tallihadjos an seinem Feuer willkommen. Nicht lange, und Ralph hatte erfahren, was geschehen war. Noch einmal wiederholte der Häuptling seinen fürchterlichen Racheschwur.

Aus Hallemicos Munde wußte Ralph von der Feindschaft der beiden Stämme. Er hatte immer wieder an die Negersklaven des Seminolen denken müssen. Dem Wilden nutzten sie nicht viel, aber ihn hätten sie reich machen können. Er hatte gehofft, von Hallemico billig einige Sklaven kaufen zu können. Das war ihm abgeschlagen worden, aber vielleicht bot sich ihm nun die Gelegenheit, doch zu den Sklaven zu kommen.

Ein niederträchtiger Einfall kam Ralph, so teuflisch, daß er anfangs vor sich selbst erschrak. Aber es bohrte und bohrte in ihm, die Habgier war stärker als sein Gewissen.

»Was gibst du mir, wenn ich dir sage, wer den Mörder gegen deinen Sohn abgeschickt hat?« fragte er Osmakohee leise.

Der Häuptling fuhr zurück und stierte ihn an. Krampfhaft zuckten seine Lippen.

»Alles, was du verlangst!« stieß er hervor. »Nimm, was ich besitze!«

»Ich muß auf deine Verschwiegenheit rechnen!«

»Nenne mir den Namen! Die finsterste Nacht ist nicht so verschwiegen wie die Zunge Osmakohees, die eher vermodern wird, als verraten, was du ihr anvertraust!«

»Auf meiner Reise hierher ruhte ich eine Nacht am Feuer eines Seminolenhäuptlings. Er glaubte mich im Schlaf und redete mit seinen Kriegern, forderte sie auf, deinem Sohn aufzulauern, und versprach dem Mörder Sklaven, Vieh und Pferde.«

»Wer war es?« Osmakohee schüttelte erregt Ralphs Arm.

»Hallemico!« flüsterte Ralph.

Der Häuptling ließ seinen Arm los.

»Bis auf das kleinste Kind werde ich seinen Stamm vernichten«, sagte er in kalter Ruhe.

»Er besitzt viele Neger, ihnen darfst du nichts tun!« wandte Ralph ein. »Es ist mein Wunsch, daß du sie mir überbringst. Ich wohne auf der Farm meines Vaters.«

»Das Wigwam des alten Tom ist mir bekannt. Ehe der Mond zum zweiten Mal rund wird, bringt dir Osmakohee die Sklaven Hallemicos dorthin.«

Dumpf vor sich hinbrütend, starrte der Häuptling in die flackernden Flammen des Lagerfeuers.


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