Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

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Der große Kriegsrat

Das schöne Florida bewegte immer lebhafter die Gemüter der Amerikaner. Immer häufiger wurden in der Presse die Artikel, die auf die Greueltaten der Seminolen, dieser Unmenschen und Kannibalen, hinwiesen und zum Krieg hetzten. Die wenigen Stimmen, die Gerechtigkeit für die Indianer forderten und auf ihre angestammten Rechte hinwiesen, fanden kein Gehör.

Der Druck der weißen Siedler an den Grenzen und Küsten wurde immer stärker. Immer kleiner wurde der Raum, auf den die roten Stämme zusammengedrängt wurden. Während die Stämme an der nördlichen Grenze schon längst Ackerbau und Viehzucht trieben, lebten die im Innern der Halbinsel meist von der Jagd, hielten wohl auch Vieh und bauten hin und wieder etwas Mais. Sie widersetzten sich immer mehr, ihre roten Brüder, die von den Weißen zurückgedrängt wurden, in ihren Jagdgründen aufzunehmen. Es kam oftmals zu blutigen Streitigkeiten zwischen den Indianern, die schließlich aber immer damit endeten, daß man gemeinsam Rache an den weißen Eindringlingen nahm.

Besonders die Siedlungen der Amerikaner an den Küsten des südlichen Florida wurden täglich mehr von den Eingeborenen bedrängt, die Menschen gemordet, die Häuser niedergebrannt und Vieh und Pferde fortgetrieben. Hunderte von Weißen waren so auf die grausamste Weise getötet worden.

Es war das Häuptling Osmakohee, der dort als Siegesprophet von Stamm zu Stamm zog. Im Namen des Großen Geistes verkündete er, der Tag der Rache sei nahe, und bald werde man den Kriegsruf Tallihadjos in ganz Florida hören.

Immer dringender wurden die Hilferufe der Grenzer nach Washington. Schließlich landete die Regierung in der Tampa-Bai an der Südwestküste Floridas eine Truppenmacht, die dort das ehemalige Fort Brooks wiederherstellte und besetzte. Sie sollte die Ansiedler schützen.

Im Kongreß beriet man darüber, wie man das wertvolle Gebiet von Florida am leichtesten von den Wilden säubern könnte. Die meisten Anträge lauteten auf einen Vernichtungskrieg, der weniger Kosten bedingen würde als ein Ankauf des Landes und eine Übersiedlung der Wilden nach dem Westen. Die Opfer eines solchen Krieges, nicht einmal das Leben der Soldaten, brachten diese Edelmenschen in Anschlag.

Der alte Arnold unterrichtete Tallihadjo von den Beratungen in Washington. Auch in Georgia habe die freundliche Stimmung für die Seminolen durch die Bluttaten Osmakohees sehr abgenommen.

Ruhe wie vor einem Orkan lag über Florida. Die Weißen umgaben ihre Niederlassungen mit Palisaden, machten ihre Häuser kugelfest und versahen sie mit Schießscharten. Jede Familie zog möglichst viele Männer zu sich heran, man versorgte sich mit Waffen und Munition. Kein Weißer wagte sich mehr in die Gebiete der Indianer. Den Kaufleuten wurde streng verboten, Waffen, Pulver und Blei an die Indianer zu verkaufen.

Der Herbst hatte die Laubholzinseln, die sich zwischen den unabsehbaren Fichtenwäldern Floridas hinziehen, nach dem dürren Sommer mit frischem, saftigem Laub bedeckt. Ein kühlender Seewind strich über die blühenden Wiesen.

Vor Tallihadjos Hütte war das Lagerfeuer niedergebrannt. Seine Familie schlief. Nur der Häuptling selber saß mit Onahee am Ufer des Flusses unter ein Zypresse.

»Der Tag naht, an dem die Seminolen aufhören werden, ein Volk zu sein«, sagte Tallihadjo nach langem Schweigen. »Uneinigkeit und Selbstsucht gräbt ihnen das Grab. Vergebens habe ich die Häuptlinge im Innern des Landes aufgefordert, sich zum großen Kampf zu rüsten.«

Beim Tagesgrauen verließ der Häuptling mit Tomorho und einer Anzahl Krieger das Lager.

Eilboten durchzogen Florida in allen Richtungen. Von Stamm zu Stamm erging die Aufforderung Tallihadjos an Häuptlinge und Krieger, sich zu einer großen allgemeinen Volksberatung am Ahapopka-See zu sammeln. Wälder, Berge und Sümpfe tönten wider vom Jubel und Kriegsgeschrei der Seminolen.

Gegen viertausend Krieger waren versammelt, aber kein lauter Ton unterbrach die feierliche Ruhe, die auf der von Menschenhand noch nicht entweihten Natur lag. Ernst und schweigend wie die hundertjährigen Baumriesen des Urwaldes am See lagerten die Indianer.

Als der Tag der Beratung erschien, begab sich zuerst Tallihadjo mit den ältesten seiner Leute unter das große Sonnendach von Palmblättern. Ihm folgten die anderen Häuptlinge mit ihren greisen Beratern. Sie nahmen schweigend Platz. Rundherum lagerten sich die Krieger.

Tallihadjo zündete sich die Pfeife an. Von Mund zu Mund ging sie in der ernsten Versammlung, bis der letzte den Rauch gekostet hatte. Wie aus Stein gehauen saßen die braunen Gestalten, die dunklen Augen erwartungsvoll auf Tallihadjo geheftet.

Dieser erhob sich. Sein Blick wanderte über die Versammlung. Dann begann er: »Lange habt ihr vergebens gewartet, Tallihadjos Stimme zu hören. Lange hat Tallihadjo gezögert, seinem Volk den Abgrund zu zeigen, dem es blind zueilt. Ihr Häuptlinge, die ihr von eurem Lager aus die Fußtritte der Bleichgesichter erkennen könnt, die ihr von euren Jagdgründen Stück auf Stück habt abtreten müssen, ihr seht schon mit bangem Herzen nach den Sümpfen hin, wohin die Fremden den roten Kindern nicht folgen können, wo aber auch die Seminolen elend untergehen werden. Ihr Häuptlinge dagegen aus dem Innern Floridas, deren Jagdgründe heute noch reich und ungeschmälert sind, die ihr noch sorglos bei euren Feuern schlaft, ihr habt die Gefahr noch nicht erkannt! Seht dorthin, wo sich die grünen Wellen des Alabamaflusses mit der salzigen Flut mischen! Vor nicht allzu vielen Jahren brannten dort noch die Feuer der Seminolen und Creek, und kein Bleichgesicht wagte sich ihnen zu nahen. Die Weißen sandten Feuerwasser und Uneinigkeit unter uns. Mit schwachem Arm und schlaffem Bogen wichen wir vor ihnen zurück. Ihr Feuerwasser und unsere Uneinigkeit werden den Fremden auch diese Wälder, Berge und Sümpfe öffnen. Ihr Sorglosen und Unbekümmerten werdet bald die Wigwams der Bleichgesichter sehen und in die grundlosen Moräste fliehen! Euer Name wird dann von der Erde verschwinden! Denn kein Seminole wird seine freien Brüder in den Grasländern des fernen Westens erreichen und ihnen Kunde vom Schicksal seines Volkes bringen.«

Beschwörend hob der Häuptling die Arme: »Schon fahren die feuerspeienden Kanus der Weißen auf euren Flüssen und Seen! Schon sammeln sich die Krieger der Weißen in der Tampa-Bai! Der große Weiße Vater in Washington hat beschlossen, daß der letzte eures Volkes sterben soll!

Öffnet jetzt eure Ohren der Stimme Tallihadjos! Verlaßt dieses Land! Tallihadjo wird euch führen! Der Tag der Vergeltung naht, die Schuld der Weißen ist groß! Blut für Blut, Leben für Leben! Wie ein Orkan werdet ihr über sie stürzen, durch ihre Länder dringen, euch bereichern mit ihrem Vieh, ihren Pferden, ihren Weibern und euch schmücken mit den Skalpen ihrer Männer! Ihr habt die Wahl! Hier allmählich von den Weißen vernichtet zu werden oder kämpfend nach dem fernen Westen zu euren roten Brüdern zu ziehen! Nun bestimmt euer eigenes Schicksal!«

Tallihadjo setzte sich auf seine Pantherhaut nieder. Schweigend und starr saßen die Häuptlinge, Totenstille herrschte in der Versammlung. Zu überraschend war der Vorschlag Tallihadjos gekommen. Wohl waren sie alle bereit zu einem Krieg gegen die Bleichgesichter, um ihr Land zu verteidigen. Aber daran, dieses aufzugeben und sich im fernen Westen eine neue Heimat zu suchen, hatten sie nicht gedacht.

Endlich erhob sich Osmakohee und erklärte sich in eindringlicher Rede bereit, Tallihadjo zu folgen. Andere Häuptlinge, deren Land unmittelbar von den Weißen bedroht war, stimmten ihm ebenfalls zu. Auch die Creek schlossen sich ihnen an.

Doch die Häuptlinge aus dem Innern des Landes wollten für ihr Eigentum kämpfen und es nicht freiwillig aufgeben. Die Meinungen gingen hin und her. Ohne Unterbrechung wurde den ganzen Tag beraten. Tallihadjos Vorschlag, nach dem Westen auszuwandern, drang nicht durch, doch faßte man endlich einstimmig den Beschluß, zu rüsten und auf den Ruf Tallihadjos die Weißen anzugreifen.


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