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Die Hausehre.


In der bischöflichen Stadt Basel lebte um das Jahr funfzehnhundert und zwanzig ein junger Bürger, Namens Johann Wipper, seines Handwerks ein Schneider. Der fand viel Unlust an seinem Gewerbe und wäre wohl mit in den Krieg gezogen, wenn es darinnen mehr Sicherheit für Kopf und Leben gegeben hätte. Am liebsten wäre er ein reicher und vornehmer Herr gewesen, um die Hände in den Schooß legen und eines fröhlichen Treibens ohne Mühe und Arbeit genießen zu können.

Eines Tages, als eben ein festlicher Zug des Herrn Bischofs mit Pauken und Zimbeln durch die Straße ging, da überfiel den Meister Wipper der Unmuth dergestalt, daß er flugs Nadel und Scheere von sich that, und dabei also ausrief: Welch ein elender Mensch ich bin! Indeß die Thiere im Walde und die Vögel in der Luft sich gemächlich an dem schönen Himmelsblau da draußen ergötzen und die Erzbischöfe mit ihres Gleichen gar darinnen herumkutschen und sich auf tausendfältige Weise erlustiren, muß ich in solcher räuchrigen Klause sitzen und schwitzen und am Kummertuche nagen! Alles, bis auf das Hochzeitkleid, das hier fertig werden soll, mahnet mich an die glücklichen Tage der Andern und an mein erbärmliches Schicksal. Ade, Hochzeitkleid, ich mag nichts weiter mit dir zu schaffen haben.

Hiermit legte er denn die Arbeit völlig bei Seite und gerieth obendrein auf den Gedanken an's Heirathen, der ihm je zuweilen den Kopf ebenfalls warm machte. Denn er war noch ein Junggeselle, der aber viel Neigung zum heiligen Ehestande in sich verspürte. Er war sogar einmal schon recht nahe daran gewesen. Wie er nämlich noch als Geselle lebte, verplemperte er sich mit Hedchen, der Tochter des Meisters, bei dem er arbeitete. Hedchen war auch wirklich ein hübsches, rühriges Kind, dazu nicht ganz bloß; denn ihre Aeltern hatten ein Häuschen mit einem Garten, und wohl noch ein zweites in ihrem Geldkasten liegen. Allein weil Hedchen Wippern zu Zeiten seinen Müßiggang und Hang zur Unordnung vorrückte, so dachte er eines Tages: Wahrlich, die Dirne zur Frau zu nehmen, das hieße sich eine Ruthe für Zeitlebens aufbinden! Und da brach er denn ohne allen weitern Vorwand mit dem armen Hedchen, das sich die Sache recht zu Gemüthe zog.

Oho, dachte er jetzt, es giebt noch andere und reichere Mädchen in Basel, als Hedwig ist, ich darf mir nur die Mühe nehmen auf eine auszugehen. Er schalt sich nun selber, daß er's nicht früher gethan hatte, da ihm wohl bekannt war, wie schon mancher faule Zeisig durch eine reiche Heirath zu Ruhe und Wohlstand gekommen. Er putzte sich auch auf der Stelle dazu so viel möglich heraus, und ging in der Stadt umher, was ihm schon allein viel besser, als das anhaltende Sitzen behagen wollte.

Meister Johann klopfte bei mehrern ehrsamen Bürgern an, deren Töchter gute Mitgiften zu hoffen hatten. Allein einige davon waren schon mit Liebsten versehen; andere hatten von seiner Geschichte mit Hedchen gehört; andere wollten mit ihren Gedanken höher, als bis zur Schneiderwerkstatt hinaus und noch andern war etwas von dem unfleißigen Temperamente des Freiers zu Ohren gekommen. Denn wenn auch die jungen Töchter das über dem schmucken Ansehen des Meisters vergaßen, so wußten doch gemeiniglich die alten Väter ihrem Gedächtnisse darinnen nachzuhelfen, und so ging es zu, daß Johann Wipper überall mit einer langen Nase abziehen mußte.

Ei, dachte er da, muß es denn grade eine Stadtdirne seyn? Das Land hat wohl kernhaftere Hauswirthinnen, als jene sind, und wem der Spiegel so freundlich thut, als mir, der braucht wegen einer Hand voll Körbe noch nicht in's Wasser zu springen! –

Aber gar bald war er in den benachbarten Dörfern auch so weit gekommen, wie in der Stadt. Ueberall hatte er angefragt, wo Mädchen mit harten Thalern wohnten. Die Ursachen, die ihm in der Stadt die Körbe zugezogen hatten, galten auch auf dem Lande, und überdies mochten die hiesigen rothen und stammhaftigen Dirnen den schlanken Schneidermeister für ihre Umstände zu blaß und zerbrechlich finden.

Er kam daher einmal Abends gar wild und übel aufgeräumt in sein Dachstübchen zurück. Die letzte Zeit über hatte er, im Vertrauen auf eine baldige, reiche Heirath, das Arbeiten für Ueberfluß gehalten und deshalb seine ganze Kundschaft eingebüßt. Da stand der Schneidertisch, der ihm sonst wenigsten die Nothdurft geliefert hatte, und nichts darauf, als papierene Maaße, die ihn höhnisch zu fragen schienen, was er nun mit ihnen und mit sich selber anzufangen denke?

Doch wohl endlich wieder eine Bestellung! brummte er, als er zuletzt einen Brief auf dem Tische entdeckte. Aber der Brief war von seinem Hauswirthe, der ihn darinnen sehr unfein um den schuldigen Miethzins mahnte, und den folgenden Morgen mit dem Frühesten da seyn und das Geld in Empfang nehmen, wo nicht, den saumseligen Zahler aus dem Hause werfen, und das schlechte Geräth nebst Werktisch zurückbehalten wollte. Auch hatte er hinzugefügt: Was hälfe mir alle Nachsicht bei einem liederlichen Wirthe, der statt seinem Gewerbe obzuliegen, den ganzen Tag in der Irre herumläuft und am Ende wohl gar noch als ein Dieb oder Mörder, nebst seinem Bischen Habe eingezogen wird? Denn ein Handwerk hat goldenen Boden, aber Müssiggang ist aller Laster Anfang! –

Meister Wipper war darüber so aufgebracht, daß er den Brief sogleich mit den Zähnen zerriß, und schon seine Scheere zur Hand nahm, um zu sehen, ob es wohlgethan sei, an ihr zu sterben. Allein, das kam ihm fast noch schwerer vor, als von ihr zu leben, da er schon kein fremdes Blut sehen konnte, geschweige sein eigenes. Ein Seil, das aus einem Winkel hervorlugte, würde ihm solchen Anblick erspart haben. Doch dachte er dabei an die Halsschmerzen, welche es verursachen möchte und verwarf auch diesen Ausweg.

Endlich fiel ihm noch eine Hoffnung ein, es war die auf Entdeckung eines Schatzes. Der ernste Wille, sagt man, soll so viel, ja alles können, rief er aus, und ich habe wahrlich den allerernstesten Willen, einen Schatz baldmöglichst aufzufinden! – Zwar wendete ihm sein Gedächtniß ein, daß er die reiche Heirath gleichfalls sehr ernstlich gewollt habe. Indessen wo nichts zu verlieren ist, da ist auch nichts zu wagen, und weil seine betrübte Lage und der Gedanke an den Gast, der sich so ungestüm für den folgenden Morgen ankündigte, ihm nicht einmal auf einen leidlichen Schlaf Aussicht gaben, so nahm er seinen Wanderstab wieder zur Hand und verließ abermals Haus und Stadt.

Im freien Felde fiel ihm zuerst ein, daß er auch gar reine Muthmaßung habe, wo eigentlich der Schatz, auf den er so blindlings losgehe, zu finden sei. Zwar hatte er gehört, daß dergleichen gemeiniglich unter solcher Erde liege, die weder Thau noch Regen treffen könne. Doch gesetzt, daß er nun auch ein solches Stück Boden fand, nach dem er überall vergebens umhersah, womit den Schatz heben, da er nicht einmal ein Grabscheit bei sich hatte, überdies, wie ihm nun erst in die Gedanken kam, dazu gewisse, besondere Gebräuche gehörten, die ihm gänzlich unbekannt waren?

Jetzt fiel es ihm wie ein Mühlstein auf's Herz, daß er wieder einmal etwas ohne Ueberlegung angefangen habe, und da er eben den Rheinstrom dicht neben sich sah, so würde er ohnfehlbar hineingesprungen seyn, wenn er nicht gedacht hätte, daß es ein erstaunlicher Unterschied wäre, Rheinlachse zu essen, oder sich von ihnen wohl gar essen zu lassen.

Die Furcht vor letzterm Ereignisse kam ihm aber grade zur rechten Zeit. Denn wie er jetzt in die Höhe blickte, so stand plötzlich ein Berg neben ihm. Der Berg hatte auch einen Eingang, doch war dieser mit einer großen, eisernen Thüre wohlverwahrt.

Meister Wipper erstaunte immer mehr, je länger er alles das betrachtete. Er konnte nämlich die Gegend, so zu sagen, auswendig, aber den Berg mit der eisernen Thüre gewahrte er heute zum ersten Male. Das, meinte er, gehe nicht mit rechten Dingen zu, glaubte auch bereits, daß der Berg vielleicht bloß seinethalben hingestellt sei. Er verzweifelte indessen schon, daß sein Scharfsinn den Weg hinein finden werde, als auf Einmal die eiserne Thüre sich von selber aufthat.

War aber guter Rath schon zuvor theuer gewesen, so war er's nun erst recht. Wenigstens gab es tausend und mehr Fragen, worauf Meister Wipper vor dem Hineingehen gern Antwort gehabt hätte, z. B. wer wohl den Berg hingestellt habe, wie die Gäste darinnen behandelt würden und so weiter. Doch die mit unzähligen Kerzen erhellten Gewölbe, die er jetzt entdeckte, waren so schön und sauber, daß er ausrief: Nein, ein häßlicher, unsauberer Geist kann hier unmöglich hausen, und daß er meine Wenigkeit nicht verschmäht, davon zeugt wohl das Aufspringen der Thüre, weil ich ja, so hell der Vollmond auch scheint, in der ganzen Gegend keinen Menschen weiter erblicke. In des Himmels Namen denn!

Gleichwohl sah er sich bei jedem Schritte weiter in die Höhle hinein auf allen Seiten um, ob vielleicht irgendwo etwas Unheimliches im Anzuge sei. Auch wäre das bange Klopfen seines Herzens gewiß weit hinaus in die Nacht erklungen, wenn das Schlottern seiner Knie solches nicht überboten hätte.

Wohl sechs Gewölbe mochte er bereits im Rücken haben, als er in einen von künstlichen Sonnenstrahlen beleuchteten Garten gelangte, den kein Maler so schön zu malen vermocht hätte. Da gab es Blumen und Früchte aller Jahreszeiten und aller Welttheile, und schon hatte er, fast ohne zu wissen, daß es geschah, seine Taschen mit Aprikosen, Kokusnüssen, Ananas und andern köstlichen Eßwaaren ziemlich vollgefüllt, als er erst daran dachte, daß ihm Niemand Erlaubniß dazu gegeben. Indem er aber noch in Zweifel stand, ob das Beste sei, das Hasenpanier zu ergreifen, oder nicht, da fiel ihm ein großer Marmorpallast in's Auge, und aus diesem heraus trat eine Jungfrau, so wunderschön, daß er wie bezaubert dastand, und schwerlich von der Stelle gekonnt hätte, wenn auch die unbeschreibliche Milde ihres Angesichts nicht gewesen wäre. Die Jungfrau trug eine goldene Krone auf ihrem Haupte, deren Glanz von dem hellgelben Haare ringsherum noch weit übertroffen wurde.

Meister Wipper war schon im Begriff, ihr zu Füßen zu fallen, als er mit tausend Schrecken bemerkte, daß sich dergleichen nicht thun ließ, maßen die Jungfrau keine Füße hatte, sondern ihr Leib, was ihm zeither von der gewaltigen Schönheit des Antlitzes entgangen war, in eine häßliche Schlange ausging, und sich in mehrere Ringel aufrollte.

Sein Schrecken verschwand jedoch, als jetzt ihre Stimme, lieblich wie der Klang einer Harfe, ihn also anredete: Gott zum Gruß, Fremdling! Allem Ansehen nach bist Du wenig bemittelt. Da mir's nun an Gütern nicht ermangelt, so nimm ein kleines Willkommen von mir an. Dazu faßte sie ihn bei der Hand und führte ihn vor eine große eiserne Truhe.

Fürchte nichts! sagte sie, als bei dem Lärm, den ein Paar daneben liegende schwarze Ungeheuer erhoben, der Schneider sich mit aller Gewalt loszureißen suchte.

Still! rief sie den Ungeheuern zu und im Augenblicke wurden Lämmer aus ihnen, und schwänzelten um den Meister herum, der sich jedoch, trotz dem guten Anscheine, den Rücken frei zu halten suchte.

Als nun die Jungfrau den Deckel der Truhe aufhob und ein unübersehlicher Vorrath von funkelnagelneuen harten Silberthalern vor dem Schneider lag, da dachte der in seinen Gedanken: Wollte doch der Himmel, daß ich mir davon nach Gefallen einraffen dürfte! Und kaum gedacht, bekam er auch schon Erlaubniß hierzu.

Da war denn der Meister nicht faul und stopfte alle seine Taschen voll; wobei er sich nicht wenig ärgerte, daß die Früchte, mit denen er sich beladen hatte, schon den größten Theil des Raumes einnahmen, den er, weit vortheilhafter, mit Silber hätte anfüllen können. Gleichwohl scheute er sich, dieselben von sich zu thun und so zu zeigen, was er ungebührlicher Weise abgebrochen hatte.

Als nun seine Taschen schon übervoll waren, und er immer noch sich bemühte, Thaler hinein zu pfropfen, da sagte die Jungfrau: Mit Maße, mein Freund, damit wenigstens noch ein Plätzchen überbleibe.

Allein Meister Wipper versetzte mit Lachen: Wenn Ihr weiter keine Sorge habt, so laßt auch die. Gern will ich allen Raum in meinen Taschen Euern köstlichen Silbermünzen abtreten!

Nach Gefallen! sprach die Jungfrau, nur hüte Dich etwas von dem aus meinem Hause und Garten genommenen wieder mit Vorsatz wegzuthun, oder zu verlieren. Denn die Erdgeister, die in diesen Räumen ärger als sonst wo schalten, legen dergleichen für Verachtung oder Vernachlässigung aus und könnten Dir leicht alles wieder abnehmen, ehe Du mein Gebiet verlassen hast. –

Hierauf führte sie ihn zu einer andern Truhe, vor der abermals schwarze, schnaubende Unthiere lagen, die jedoch, wie die ersten, flugs durch sie zahm und demüthig gemacht waren.

Aber wie erschrak Meister Wipper, als der Deckel aufging und eitel Goldmünzen ihm entgegen glänzten, auch die Jungfrau ihm dieselbe Erlaubniß, wie bei den silbernen, ertheilte. Der arme Schneider! Sein Lebelang hatte er das Gold nur dem Namen und Ansehn nach gekannt, und vorhin gar nicht daran gedacht, am allerwenigsten aber, daß es für ihn gewachsen seyn könne. Nun hatte er doch die Warnung, sich mit Silber nicht allzusehr zu übernehmen, in den Wind geschlagen. Seine Taschen faßten durchaus nichts mehr; daher er denn, was er konnte, in die Fäuste nahm.

Gräme Dich nicht, sagte hierauf die Jungfrau, die seine Gedanken aus der Miene errathen mochte. Vielleicht können noch alle diese Schätze nächstens Dein werden.

Mein? rief der Schneider aus, und die Freude brachte ihn so zur Vergessenheit seiner selbst, daß er seinen Arm um den Leib der Gönnerin legte. Aber ein Hieb mit dem Schlangenschwanze und er schrie sogleich vor Schmerz laut auf, ließ auch die Goldstücke dazu aus der Hand fallen.

Da kribbelte und wibbelte auf Einmal ringsum alles von kleinen Erdgeistern, die mit den grimmigsten Geberden auf ihn zurannten, doch durch einen gebieterischen Wink der Jungfrau augenblicklich wieder davon gejagt wurden.

Sie gebot ihm hierauf die verlorenen Goldstücke sorgfältig zu sammeln, damit nicht in ihrer Abwesenheit die Kleinen ihre Gewalt doch noch an ihm auslassen möchten. Uebrigens fügte sie, indeß er den Befehl ausrichtete, hinzu, giebt es vielleicht ein Mittel für Dich, auch, gleich mir, dieses Gesindels Meister zu werden. Du mußt wissen, daß ich die Tochter eines gewaltigen Königs bin. Ein fremder Prinz warb um meine Hand, allein ich erfuhr, daß er andere Liebeshändel hatte, und mit Trug und List gegen die Weiber umging, daher schlug ich ihm alles rund ab. Zum Unglück aber ist er ein Zauberer, und da hat er mich hierher entführt und durch seine Verwünschung die untere Hälfte meines Leibes in ein abscheuliches Unthier umgewandelt. In dieser Gestalt soll ich Elende so lange verweilen, bis ich mich entschließe, ihm die Hand zu geben oder bis ein reiner Junggeselle mich dreimal geküßt hat. Die Nacht nach dem Vollmonde stellt sich zu diesem Ende gewöhnlich ein Berg hinaus, dessen eiserne Thüre in mein Haus führt und jedes mal aufgeht, sobald ein Unverheiratheter sich ihr nahet. Ach, schon sind der jungen Leute viel hier gewesen! Aber theils machten sie den Versuch, ohne dazu berechtigt zu seyn; theils haben sie sich davor warnen lassen. Denn solltest Du ebenfalls Lust zu Lösung meines Zaubers bezeigen, so muß ich Dir, wie jedem, voraussagen, daß wenn Du die Reinheit und Ehrlichkeit Deines Junggesellenstandes nicht gehörig in Obacht genommen hast, Du besser alle Versuche vermeiden magst, weil sie Dir dann nur große Ungelegenheit zuziehen könnten. – Dagegen verspreche ich Dir Hand und Herz falls damit alles seine Richtigkeit haben sollte. Von welch einem Stande Du seyn mögest, mein Purpur deckt alles Niedere auf immer zu, da ich die Erbin eines ungeheuern Reiches bin, und sogleich nach erfolgter Entzauberung Dich zu meinem Gemahl erheben werde.

Der Schneider war außer sich für Freude, denn schon war es ihm, als ob die Prinzessin mit allen ihren Kisten und Kasten und Kronen und Thronen sein eigen wäre. Er glaubte nämlich, die erforderliche Reinheit zu besitzen, machte auch sogleich Anstalt zum ersten Kusse. Doch verbat er sich zuvor alle Einmischungen des Schlangenschweifes.

Besorge nichts, antwortete die Prinzessin. Was vorhin geschah, war Bestrafung des Vorwitzes. Jetzt aber, wo es ernste Dinge gilt, jetzt magst Du ganz getrost zum Werke schreiten und Dich nicht abschrecken lassen, wie viel Widriges Du auch während des Kusses an mir wahrnehmen solltest.

Hierauf neigte denn Meister Wipper in aller Demuth und Bescheidenheit seine Lippen nach ihrem Munde hinüber. Aber als ob die ganze Natur des untern, thierischen Theils ihres Leibes, plötzlich auch in den menschlichen oberen Theil übergehe, so verzog sich bei dem Kusse das Gesicht der Prinzessin. Ihr Mund ging so weit auf, daß er sich gar nicht mehr ähnlich sah, und die Augen schossen Tigerblicke; dabei schlugen sich die Hände gleich Krallen in die Schultern des Küssenden, so daß dieser seine Zuflucht zu einem andächtigen Vater unser nahm, damit er wenigstens die Seele sichere, wenn es auch um seinen Leib geschehen seyn sollte.

Nach vollbrachtem Kusse war jedoch die Dame ganz das vorige liebenswürdige Wesen wieder. Sie freute sich eine Station bis zu ihrer Erlösung zurückgelegt zu haben, und äußerte nur noch mit Seufzern den Wunsch, daß die andern beiden ebenfalls bald und glücklich überstanden seyn möchten.

Meister Wipper, indem er jetzt die sanften, holden Züge ihren Gesichtes betrachtete, schalt sich nicht wenig wegen seiner Furchtsamkeit und machte hierauf zum zweiten Kusse alle Vorbereitungen.

Hatte sich aber schon das erste Mal der Geist des Ungeheuers auch über die menschliche Hälfte der Dame verbreitet, so war dies jetzt noch viel mehr der Fall. Die zwei Perlenreihen in ihrem Munde schienen dreimal so lang geworden zu seyn und fletschten über das ganze Gesicht herüber. Dazu rissen ihre Hände den armen, todtenbleichen Schneider dergestalt hin und her, als wäre er ein Pflaumenbaum gewesen, den ein Riese schütteln wollte, so daß er dasmal auch gar nicht wußte, ob der Kuß vorüber sei und er das Zeitliche bereits mit dem Ewigen verwechselt habe, denn er fiel in eine tiefe Ohnmacht.

Als er darauf wieder zu sich kam, ergötzte ihn zwar der Anblick des lieblichen Angesichtes auf's Neue. Aber der kaum überstandene Schreck zuckte noch allzu heftig durch seine Glieder und es fiel ihm die Ungelegenheit ein, mit der ihm die Dame gedroht hatte, wenn er ein Unwürdiger seyn sollte. Da dachte denn unser Schneider also: Beim ersten Kusse war es schon schlimm genug, beim zweiten kam ich durch den fürchterlichen Anblick ihres Rachens und der Wuth, mit der sie mich zusammenrüttelte, in Gedanken bereits um's Leben. Wenn nun ihre Wuth das dritte Mal wiederum steigt, was bleibt ihr dann noch übrig, als mich wirklich zu zerreißen? Da hätte sie denn wegen der Ungelegenheit wirklich recht gehabt; denn ungelegener könnte mir schwerlich etwas kommen, als ein so böser, schneller Tod!

Zugleich übersann er sein zeitheriges Leben noch einmal und jetzt fand er, daß das Erforderniß, ein reiner, ehrlicher Junggeselle zu seyn, verschiedene Auslegungen erleiden könne. Im Fall man nämlich die Reinheit der Gesinnung in Anschlag brachte, so war es mit ihm nicht ganz richtig. Denn Hedchen hatte er das gegebene Wort wirklich nicht gehalten. Freilich bloß aus Furcht vor der Ordnungsliebe und den gewöhnlich sehr gerechten Vorwürfen des Mädchens. Die Sache blieb indessen immer, mochte der Grund auch seyn, welcher es wollte.

Zwar kränkte es ihn tief in der Seele, daß er das große Glück von der Hand lassen sollte. Aber besser ist doch besser! dachte er, sah die Prinzessin wehmüthig an und sagte: Ade, Allerschönste! Mit Eurer Ungelegenheit habt Ihr mir einen allzuargen Floh in's Ohr gesetzt.

Als er nun wirklich davon ging, so begann die Prinzessin zu weinen und zu wehklagen und sprach: Warum, Du loser Knecht, hast Du meine fürstlichen Lippen zwei Mal entweiht, wenn Du Dich zu schlecht fühltest, das große Werk auszuführen? Warum hast Du mich, die Dich so hoch zu erheben dachte, also tief erniedriget? Warum – –

Doch der Schneider aus Furcht, die Thränen und Vorwürfe der Schönen könnten ihn wohl noch zum dritten Kusse verleiten, eilte so schnell hinweg, daß ihre letzte Frage gar nicht bis zu seinem Ohre drang.

Will froh seyn, sagte er, daß ich Taschen und Hände voll habe; will damit eine hübsche Einrichtung anfangen und Gesellen halten, die statt meiner arbeiten, und mir's auf der Welt recht wohl seyn lassen.

Kaum aber hatte er's ausgeredet, als auch schon um ihn herum ein erschreckliches Getümmel von kleinen, höchstens einer Spanne langen, Leutchen entstand, deren einer ihm ein Goldstück, das der Meisters vorhin beim Wiederaufsammeln des Verlorenen übersehen hatte, vor Augen hielt, und ihn der Verachtung der unterirdischen Schätze zieh und deshalb zur Rede setzte.

Dagegen wollte denn Meister Wipper freilich vernünftige Vorstellungen machen. Allein diese gingen den Bürschchen zu einem Ohre hinein, zu dem andern wieder heraus. Sie bestanden darauf, daß er Baarschaft und alles aus dem Garten Genommene zurücklasse, und weil er sich hierzu nicht gutwillig verstehen wollte, so arbeiteten sie sich von allen Seiten an ihm hinauf; als ob er eine Kletterstange gewesen wäre. Einige knippen ihn in die Waden, indeß andere nach Taschen und Schultern krochen und kratzten und stießen. Und wenn er einige abgeschüttelt hatte, so saßen gar bald noch einmal so viele an ihm und drückten und zwickten und krallten und hämmerten dermaßen auf den armen Kreuzträger los, daß er vor Schmerzen laut aufschreien mußte. Und je mehr er schrie, desto mehr von dem kleinen Geschmeiß rannte herbei, um an dem Spaße Theil zu nehmen. Sie waren von allen Ständen und Altern und ganz wie die Menschen aus der Oberwelt beschaffen, nur daß sie eine überaus kleine, zum Theil winzige, Statur hatten. Besonders peinigte ihn einer in ritterlicher Tracht, der auf seiner Nase ritt und dazu von beiden Seiten mit den Sporen einhieb, als ob er in Einem Tage bis an's Ende der Welt zu reisen gedachte. Mochte auch Meister Wipper schütteln soviel er wollte, das Kerlchen war sattelfest wie kein Anderer und schien Zeit seines Lebens diese Art zu reiten betrieben zu haben.

Der Schneider, der seiner Angst kein Ziel mehr wußte, warf endlich in der höchsten Verzweiflung sämmtliche Goldstücke aus den Händen, leerte auch seine Taschen völlig.

Da ließen denn auf Einmal die kleinen Leute von ihm ab, machten große Krahfüße, wünschten wohl zu leben und schlugen dazu ein so durchdringendes Gelächter auf, daß Meister Wipper es noch hörte, als er schon athemlos und erschöpft in die gewöhnliche Welt zurückgelangt war, wo der Mond der Sonne bereits Platz gemacht hatte.

Zu Hause bekam der Schneider einen harten Kampf mit dem Wirth, der sich jedoch am Ende auf einige Wochen vertrösten ließ, weil er wohl einsah, daß aus dem Geräthe des Schuldners nur wenig oder nichts zu lösen seyn würde. Wovon aber die Zahlung dann machen; wovon bis dahin leben? In der Verzweiflung über die Pein durch die kleinen Leute hatte er, nebst dem geschenkten Gelde, auch zugleich sein ganzes Bischen noch übriger, eigener Baarschaft weggeworfen. Dieser Verlust, verbunden mit den Merkmalen der ausgestandenen Marter an seinem ganzen Körper und besonders an den von den Sporen aufgerissenen Backen überzeugte ihn auch, daß die Begebenheit kein bloßer Traum gewesen war, wofür er sie sonst wohl gehalten hätte.

Ach, wenn er seinen trostlosen Zustand bedachte, so verwünschte er's tausendmal, den dritten Kuß nicht gewagt zu haben. Traun, so rief er aus, jetzo möchte ich mich selber zerreißen von wegen des Hasenherzens, das mir zugefallen ist. Wollte doch Gott, daß ich niemals auf den Gedanken gerathen wäre, das trübselige Schneiderhandwerk zu erlernen! Denn zwischen Nadel, Scheere und Bügeleisen scheint der Fluch groß gewachsen zu seyn, der mir den Weg zu meinem Glücke vertreten hat. Ich könnte der Mann einer wunderschönen Fürstin werden! Und da steht der feige Schelm an, ein Leben daran zu wagen, das er entweder gar nicht mehr, oder doch nur in Schande, Elend und Kerker behaupten kann?

Der Gedanke machte den Meister ganz tiefsinnig und der nächste Vollmond war noch seine einzige Hoffnung, wo er sich ein Herz fassen, den Berg wieder aufsuchen und den dritten Kuß zu Stande bringen wollte. Inzwischen sah er, wie er seinen Mund theils mit Borgen, theils bei Bekannten durchbrachte. Das Bild der schönen Prinzessin stand mit ihm auf und ging mit ihm zu Bette, bis endlich die Nacht anbrach, in der die leidhafte Prinzessin selbst an die Stelle des Bildes treten sollte.

Um ja nicht noch einmal unverrichteter Sache abzuziehen, predigte er seinem starkklopfenden Herzen ohne Aufhören von der Tugend des Muthes und dem Laster der Feigheit vor. Trotz dem aber rieselte ihm, als er ausging, um die Höhle aufzusuchen, ein ziemlich starker Schauer durch alle Glieder. Von den kleinen Leuten besorgte er zwar nicht, weil sie auch neulich, sogleich nach Empfange der unterirdischen Güter, ihrer Wege gegangen waren, desto fürchterlicher aber stellte er sich die Geberde der Prinzessin beim dritten Kusse vor. Er überwand jedoch alle Scheu und ging auf die ihm wohlbekannte Gegend grade zu.

Aber wer nicht da war, das war der Berg mit der eisernen Thüre. Nirgends entdeckte er ihn; so daß er glauben mußte, die Prinzessin sei ihm völlig verloren und habe in der Verzweiflung über ihre trostlose, hülfsbedürftige Lage doch noch den Zauberer geheirathet, der ihr die Schlangenhälfte angehext hatte.

Meister Wipper stand jetzt wiederum auf dem Flecke, worauf er seit Kurzem schon verschiedentlich sich befunden. Eine benachbarte Buche streckte ihren stärksten Nebenast so tief zur Erde herab, als ob sie ihm zu einem bessern Leben den Arm reichen wolle. Wirklich hatte er auch bereits sein Schnupftuch zur Hand genommen und es um den Hals geschlungen, als sein banges Herz den Entschluß wie gewöhnlich entzweischlug.

Vielleicht war ihm dasmal unter andern auch der Umstand hinderlich, daß er in einiger Entfernung das Lachen der kleinen Leute zu vernehmen glaubte, worin er sie durch seinen Tod nicht bestärken wollte.

Ohne zu bedenken, daß dergleichen leichtfertiges Gesindel im Schlafe der Menschen oftmals den stärksten Einfluß auf diese äußert, legte er sich daher in's Gras nieder und gerieth gar bald vor Ermüdung in ziemlich tiefen Schlummer. Da träumte ihm denn, daß die unterirdische Prinzessin wer weiß durch welchen Zufall statt des Schlangenschwanzes, vor der Hand vermuthlich nur erst zum Scheine, wieder Beine bekommen und aus Liebe zu ihm ihre Höhle verlassen habe, und sich in Hedchens Anzuge zeige, um ihm den dritten, gefürchteten Kuß zu erleichtern.

Obschon die Sache im Garten von Hedchens Aeltern vorfiel, auch das Mädchen der Prinzessin Züge nicht verläugnen konnte, bezeigte sie doch großen Unwillen, als der Meister sie bei ihrem vornehmen Namen nannte und sagte: Ich bin nicht mehr, als wofür ich mich ausgebe, und wer etwas anders in mir sieht, der mag mich mit seiner Anrede ungehudelt lassen.

Aha, dachte da der Schneider, vermuthlich will sie dich prüfen, ob du auch sie selber und nicht ihren hohen Stand allein liebest, und that daher von nun an ganz, als sei es Hedwig, vollbrachte den Kuß glücklich, und drang dann auf recht baldige Trauung.

Das größte Räthsel fand er darin, wie sie grade an Hedchens Aeltern gekommen war, und daß diese sich die Sache so gutmüthig gefallen ließen und die Komödie so ohne Anstoß mitspielten, als ob die Prinzessin wirklich kein Mensch anders, als ihre Hedwig sei.

Das Hochzeitfest ging auch vor sich und Meister Wipper führte die Braut am Abend in seine geringe Wohnung. Am folgenden Morgen aber, als er erwachte, da sah er plötzlich alles verwandelt und die Prinzessin in Fürstenpracht neben sich, aus dem ebenfalls ein reicher Anzug einen ganz andern Menschen gemacht hatte. Die hohen, weithinlaufenden Wände glänzten von Gold und Elfenbein, und das erste Wort der Prinzessin war: Nun, Hänschen, bist Du mit mir zufrieden?

Die Antwort ward ihm jedoch durch das in demselben Augenblicke erfolgende Aufwachen erspart.

Nach so köstlicher Aussicht fand er sich unter der Buche, deren Leitung in ein besseres Leben er vorhin beinahe angenommen hätte, noch immer liegen, und seinen Zustand nur in so fern geändert, als immittelst der Morgen angebrochen war.

Der Traum war indessen dem Meister viel zu bedeutsam, um sich seiner sofort zu entschlagen. Wie manchem, so tröstete er sich, hat das Glück nicht schon im Traume den Weg gezeigt, worauf es ihn zu finden denkt, und einen Versuch ist der Wink schon werth.

Mit Hedchens Aeltern war er freilich zerfallen, so daß sie sicher große Augen machten, wenn er ihre Schwelle wieder betrat.

Meinetwegen! Hat der Traum nicht gelogen, so sind sie auf alles vorbereitet, sagte er, und ging graden Weges auf den ihm gar wohlbekannten Garten zu.

Durch ein Astloch in der Bretwand sah er sofort, daß sich alles nach Wunsche verhielt. Er sah die leibhafte Prinzessin in Hedwigs Anzuge vor einer Laube sitzen und stricken. Da ihm noch in frischem Andenken war, wie übel es ihm die hohe Person im Traume genommen hatte, als er sie nicht sogleich für Hedchen selbst hatte halten wollen, so nahm er sich vor, ihr diesen Verdruß im Wachen zu ersparen, ging hinein und sagte: Guten Morgen, schönes Hedchen! Alte Liebe rostet doch nicht, und ich komme jetzt, Dich wegen des Vergangenen um Vergebung zu bitten.

So, versetzte das Mädchen, nun Du allerwärts herum gefragt hast und überall mit langer Nase abgezogen bist, nun soll Hedchen doch wieder gut genug seyn? Nein, mein Schöner, daraus kann nimmermehr etwas werden.

Ei, dachte Meister Widder, die spielt ja Hedchen so ohne Anstoß, daß, kennte ich ihr Gesicht nicht allzugut, ich selber irre daran werden würde! Je fester er aber überzeugt war, die Prinzessin vor sich zu haben, desto leichter wurden ihm die süßen Worte, so daß auch das Mädchen, trotz der gegebenen abschlägigen Antwort, gar bald anderes Sinnes ward, ihn selbst bei den Alten einführte, und diesen vorschlug, der frühern Unbilden keine Erwähnung zu thun. –

Lange war Meister Wipper nicht so wohlgemuth zu Hause angekommen, als dasmal. Ade, du Dachstübchen, ade, du trauriger Schneidertisch! rief er aus. Endlich sehe ich mich doch am Ziel meiner Wünsche, endlich werden meine Hände einmal die verhaßten Nadeln und Scheeren entrathen können –

Um dieses Ziel noch mehr zu beschleunigen, ließ er auch gar nicht eher nach, als bis das Aufgebot in der Kirche geschah und alle andere Vorbereitungen getroffen wurden.

Hedwigs Aeltern schienen übrigens wirklich, so wenig als ihre Verwandten und Bekannten, zu wissen, daß sie ein ganz anderes Mädchen, als ihre Tochter vor sich hatten, die nach des Bräutigams Vermuthung unfehlbar durch Zauberkräfte einstweilen aus dem Hause geführt worden war. Uebrigens nahm es Meister Wippern um so mehr Wunder, da die Prinzessin doch ganz anders als die Abwesende aussah. Im Betragen wußte sie sich übrigens der Schneiderstochter völlig gleich zu zeigen und hielt dem Bräutigam gar oft seinen Unfleiß vor, behauptend, daß er als ihr Ehemann ein ganz anderer Mensch werden müsse.

Freilich ein ganz anderer Mensch! pflegte er da lächelnd zu sagen, und konnte die Zeit kaum erwarten, wo er bis dahin gekommen seyn würde. –

Bei der Hochzeit ging es für die Kräfte der Schneiderfamilie gar hoch her, und als Wipper Abends mit der Braut in seiner Behausung anlangte, da freute er sich schon kindisch auf das Erwachen und die Verwandlung am folgenden Morgen. –

Desto größer war sein Erstaunen, als er, wie es schien, von einem Gelächter aus dem Schlafe aufgeschreckt wurde, und zwar die Morgendämmerung aber auch Dachfenster und Schneidertisch, mit einem Worte: das ganze alte Elend um sich herum erblickte.

Das Gelächter schien sogar zuzunehmen und draußen vom Dache hereinzukommen. Sogleich sprang er aus dem Bette und nach dem Fenster. Allein ob er schon in den Worten: Prosit, Ew. fürstliche Gnaden! die ihm von draußen entgegenschollen, die Stimme des nämlichen kleinen Mannes, dessen Ritt auf seiner Nase ihm ewig in Andenken blieb, deutlich von den Uebrigen unterscheiden konnte, so gewahrte er doch nicht das Mindeste. Ohnstreitig waren die kleinen Leute in Nebelkappen, worin kein sterbliches Auge sie entdecken konnte, auf das Dach geklettert.

So lacht und schwatzt Euch meinetwegen satt! rief Meister Wipper, warf das Fenster zu und legte sich wieder zu Bette, in der Meinung, daß das neckische Gesindel ihn zu früh aufgeweckt habe, und das glücklichere Erwachen schon noch folgen werde.

Allein kaum mochte er wieder eingeschlafen seyn, als ein heftiges Rütteln ihm durch den ganzen Körper fuhr. Nun, Siebenschläfer, so rief seine Frau ihm zu, der Festtag ist vorüber, jetzt wird es endlich Zeit zum Arbeiten!

Da raffte sich Meister Wipper jähnend auf und rieb sich die Augen immer mehr und mehr, und der Mund blieb ihm offen stehen und die Schlafmütze fiel ihm vor Schrecken aus der Hand, als aller Zweifel verschwunden war, daß er, statt der Prinzessin, Hedchen selber zur Frau bekommen hatte.

Jetzt begriff er das Lachen der Kobolde, das sich auf's Neue draußen vernehmen ließ, völlig. Erst hatten sie ihm den Traum zugeschickt, und dann auch im Wachen sein Auge so in der Bethörung gehalten, daß ihm Hedchen, die alle andere in ihrer wahren Gestalt sahen, fälschlich wie die verwünschte Prinzessin vorgekommen war.

Nun mußte er sich wohl in Alles ergeben, so sauer es ihm auch wurde. Für Arbeit hatte Hedchens Vater schon gesorgt und die Neuverehelichte ruhte und rastete nicht, bis er sich darüber hermachte und bis er nach und nach überhaupt die alte Arbeitsscheu ganz aufgegeben hatte.

Ein strenges Hausregiment führte sie freilich. Als Meister Wipper aber in der Folge einsah, daß er sich weit besser, als zuvor, dabei befand, und daß er ohne einen solchen Arzt schwerlich zur Ordnung hätte gebracht werden können, da vergab er's den kleinen Leuten recht gern, daß sie ihn mit der Prinzessin so zum Besten gehabt hatten, pflegte auch seine Frau am liebsten seine Hausehre zu nennen, weil durch sie wirklich ganz allein die Ehre seines Hauses und seines Lebens gerettet worden war.



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