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Der Heckethaler


Vor mehrern hundert Jahren, als eben einmal ein rother, herrlicher Sonnenuntergang die Einförmigkeit des Waldes mit mannichfachen Lichtern und Schatten belebte, kam ein junger Gesell des Weges, nahm grade da, wo die Straße auseinander ging, sein schweres Bündel vom Rücken, und setzte sich unter einem alten Tannenbaume nieder. Seine schwarze Trauerkleidung stand seltsam genug zu dem muntern, jugendfrohen Gesichte, das der heiße Tag zwar tüchtig in Schweiß gebracht, dennoch aber durchaus mit keinem unfreundlichen Zuge belästiget hatte. Wohlgemuth strich der junge Mann das hellglänzende Haar aus dem großen, blauen Auge, sah auf das Bündel neben sich, und dann nach dem Himmel hinaus, gleichsam als ob es diesem nicht genug Dank dafür sagen könne.

So saß er denn bis der rothe Sonnenglanz völlig verschwunden war, und das bläuliche Mondlicht ihm eine leichtere Wanderung verhieß. Nur hätte er zuvor noch gern einen Menschen gesehen, theils um ihm seine innige Freude an Erde und Himmel mitzutheilen, theils um zu hören, welches der rechte, und womöglich nächste, Weg nach Augsburg sei. Denn obgleich er dort schon gewesen war, so hatte er doch von dieser Seite die Reise noch niemals gemacht.

Wirklich bewegte sich jetzt durch das Dickicht etwas heran. Auch entdeckte sein gutes Auge bald, daß es ein menschliches Wesen war, was späterhin in Gestalt eines Köhlers an ihm vorüberging.

Guter Freund, so rief der Reisefertige ihn an, ohnfehlbar seid Ihr unter diesen Bäumen zu Hause, sagt mir daher doch, wie ich am schnellsten nach Augsburg kommen mag?

Da könnt Ihr mich auf diesem Fußsteige begleiten. Bei ganz gemächlichem Schritte müßt Ihr dann nach Tagesanbruch vor der Stadtmauer seyn.

Das war unserm Wanderer eine gar angenehme Post. Denn so gern er auch das schwere Bündel auf seinem Rücken trug, so fehlte ihm doch lange schon jemand, der ihm die Last seines Glückes tragen hälfe. Die theilnehmendste Miene hatte der Köhler freilich nicht. Sein Auge sah aus den Büschen der Augenbraunen so starr und lieblos über die Habichtsnase in die Welt hinein, als ob sein Herz längst mit zu Kohle verbrannt seyn müsse. Dazu klang seine Stimme so rauh und unerfreulich, daß es dem Reisenden auffiel. Doch schalt er sich selbst wegen seines anfänglichen Mißtrauens gegen den Alten. Ist er ja doch ein Mensch, dachte er. Was kann er dafür, daß ihm Gott kein einnehmender Gesicht verliehen und vielleicht der Kohlenstaub seine Stimme verdorben hat? Zudem sähe er auch wohl einnehmender aus, wenn die schwarzen Spuren eines traurigen Gewerbes seine Züge weniger entstellten! – Dabei ging des Jünglings Blick zum Himmel hinauf, dankend für Gestalt und Gewerbe, womit er sich dagegen so wohl versehen fühlte.

Führen Euch Geschäfte nach Augsburg? so fragte der Köhler, als sie den Weg schon angetreten hatten, und eine solche Frage war es eben, was der Erzählenslustige schon eine Welle erwartete, weil er so unter dem Vorwande einer erschöpfenden Antwort sein Herz besser, als ohne äußere Anregung, entschütten zu können glaubte.

Ja wohl, Geschäfte, versetzte er, und recht süße und liebe obendrein!

Hm, sagte der Andre, in dieser schlechten, nahrlosen Zeit wird es nicht jedem so gut. Laßt mich drum doch etwas von diesen Dingen und Euerm ganzen Treiben vernehmen.

Ich bin, so fing hierauf der Jüngling an, ich bin von Schwabmünchen, und meines Zeichens ein Schieferdecker, wie mein Vater seliger auch gewesen ist, heiße auch Franz Pilsner, wie er. Es gab große Noth in meiner lieben Eltern Hause, als ich das Handwerk ergreifen wollte. Die Mutter nämlich hatte viel dagegen. Mein Schatz, so sagte sie einsmals beim Frühstück zum Vater, als wieder die Rede darauf kam, ich habe ja Todesangst genug, wenn ich dich oben in den Lüften herumklimmen sehe, soll ich denn nun auch noch den einzigen Sohn deiner fährlichen, wenig lohnenden Handthierung abgeben?

Bei dieser Rede wurde mir so übel zu Muthe, daß ich den Löffel kaum zum Munde bringen konnte. Denn ich hatte ein gar zu großes Wohlgefallen an der Schieferdeckerkunst und wußte recht gut, daß der Vater der Mutter Bitten und Wünschen immer gern zu Gefallen lebte. Diesmal aber war es nicht so; vielmehr sagte er: das heißt nicht wie eine gute Christin sprechen, mein Schatz. Habe ich dir doch tausend- und aber tausendmal gesagt, daß ohne des Herrn Willen kein Sperling vom Dache fällt. Wie magst du denn noch immerfort glauben, daß ein Mann, den sein Beruf hinauf in die Luft führt, der dort die heiligen Häuser des Allerhöchsten vollenden muß, daß ein solcher Mann weniger unter seiner Obhut stehe, als ein geringer Vogel? Und was den schlechten Lohn anlangt, so frage ich dich, wann sind wir, ich, du und unser Franz, hungrig zu Bette gegangen? – Daß wir nicht Mammon zurücklegen können, ist wahrlich kein Unglück. Wenn nur unser Kind zu der Zucht und Vermahnung zum Herrn aufwächst, dann wird der, der die Lilien auf dem Felde kleidet, ihm seine Nahrung auch zukommen lassen. Hiermit hob er die Hände auf und betete: Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut, im Himmel und auf Erden, wer sich verläßt auf Jesum Christ, dem wird der Himmel werden. –

Aber, was ist Euch? so unterbrach der junge Schieferdecker hier seine Erzählung selbst, als sein Blick auf den Begleiter fiel, dessen Gesicht sich recht widerwärtig verzogen hatte.

Krämpfe, weiter nichts! antwortete der Alte, und Franz fuhr also fort: Schon glaubte ich, daß Ihr Anstoß nähmet an dem Verse, der freilich von einem lutherischen Probste, mit dem mein seliger Vater, wegen eines Kirchenbaues viel zu thun hatte, an ihn gekommen ist. Er hatte überhaupt manches von dem Probste angenommen, auch einige schöne Lieder bei Seite gelegt, und pflegte zu sprechen: Ob ich schon bei meinem wahren Glauben bis an's Ende verharren will, so scheint mir doch manches, was Luthers Anhänger sagen, recht gut und tröstlich. Auch würde ihnen ja die Obrigkeit sonst keine Kirchen zugestehen! – Doch auf meine Geschichte zurückzukommen: Als der Vater denn so betete, da faltete auch die Mutter ihre Hände andächtig mit. Dann aber weinte sie sehr und nahm mich beim Kopfe und herzte und küßte mich.

In Gottes Namen denn! sprach hierauf der Vater und sie machte keine Einwendung weiter. Doch war sie nicht immer so gefaßt, und in der Folge brannten mich ihre rothen Augen manchmal tief im Herzen, wenn ich Abends mit dem Vater seliger nach Hause kam. Ich hätte aber die Handthierung nicht aufgeben mögen, um aller Welt Wunder nicht. Denn Ihr könnt gar nicht glauben, wie köstlich es ist, da droben von der Spitze eines heiligen Gotteshauses herunterzusehen, auf die kleinen Städte und Dörfer und Menschen, denen schwindelt, wenn sie von der Erde, an der sie kleben, hinaufblicken und dort einen gewahr werden, der dem Himmel so nahe lebt. Nicht glauben könnt Ihr's, wie das Herz so weit und groß wird in den blauen Lüften, dicht unter dem Auge des Herrn, an dessen irdischer Wohnung man arbeitet! –

Die Krämpfe des Köhlers schienen zuzunehmen; denn sein Gesicht warf immer häßlichere Falten. Daher fragte der Schieferdecker wohlwollend, ob vielleicht das Sitzen ihm besser thun würde. Aber der Alte schüttelte den Kopf. Laßt Euch davon nicht irren, sagte er, und gebt mir nur mehr von Eurer Historie. Wo möglich, so behaltet den Ueberfluß an Bemerkungen und Nebendingen im Sinne, weil Manches davon wie gute Lehren aussieht, wogegen das Alter nicht sehr empfänglich ist.

Nach Euerm Gefallen! versetzte Franz weiter erzählend: Da ich sonach mein Werk mit Liebe trieb, so verging mir die Lehrzeit, ich wußte kaum, wie. Auch hatte ich die Freude, meine Mutter mit mir und meinem Stande zufrieden zu sehen, als sie von meiner Tüchtigkeit hörte, und am Tage, wo ich losgesprochen ward, die Meister meinen Kenntnissen das beste Zeugniß ertheilten.

Während meiner Gesellen- und Wanderjahre hatte ich Gelegenheit, manche schöne Arbeit zu fertigen, und wie ich zurück in der Aeltern Haus kam, war mein Vater schon so schwach geworden, daß er wenig mehr verrichten konnte. Ich ward daher Meister, und erhielt durch ihn gleich Anfangs eine schöne Kundschaft, so daß ohne mich in der Gegend so leicht keine Kirche gedeckt oder erneuert wurde.

Eine gar schlimme Zeit stand ich während seiner letzten Tage aus. Auch sie ging jedoch vorüber, und es gewährt mir noch immer Beruhigung, wenn ich seiner Todesstunde gedenke. Ach, er starb gar so schön! In der Entzückung sah er rings um sich einen Kreis frommer Heiligen und Wunderthäter, von deren Abglanz sein eigenes Gesicht schon wie im Sonnenlichte der Verklärung uns anlächelte. –

Weiter, nur weiter! rief der Köhler ungeduldig, und laßt den Alten in der Grube seyn. Weiß man doch schon, was es bei Begräbnissen für Umstände ohngefähr geben kann. Kommt zu dem, was nun mit Euch wurde, und ob ihr ledig bliebt, oder heirathetet. –

Wenn's meiner Mutter nachgegangen wäre, fuhr Meister Pilsner fort, so hätte ich sogleich nach der Trauerzeit dazu gethan. Aber ich hatte damals die Rechte noch nicht kennen gelernt und eine Andere stand mir nicht an. Und da ich in der Gesellen- und Wanderzeit mich immer gehütet hatte, ein vorschnelles Bündniß einzugehen, wie nahe mir's auch einigemal gelegt worden, so wollte ich als Meister nicht unbehutsamer verfahren. Ich hatte darüber fast tagtäglich meinen Streit mit der Mutter, bis ich eines Tages nach Augsburg wandern mußte, um einen dortigen sehr schadhaft gewordenen Kirchenthurm zu erneuen. Da lernte ich denn einen Steinmetz, den Meister Hans Holding, kennen, einen wackern, gottesfürchtigen Mann, der sein Handwerk aus dem Grunde verstand, und auch Gefallen daran hatte, wenn ich ihm von dem meinigen erzählte. Der Mann besaß eine Tochter, Aennchen mit Namen, eine Jungfrau von sechzehn Jahren, wie ich noch keine gesehen hatte. Da war es das erste Mal, daß ich mit Ernst an's Heirathen dachte, und der Gedanke ward immer fester und lebendiger in mir, denn eine frömmere Hausfrau und bessere Wirthin war wohl weit und breit nicht aufzufinden. Hätte ich nur gewußt, ob sie mich leiden möchte, dann wäre mein Erstes gewesen, bei Meister Hansen um ihre Hand anzuhalten. Aber das sittsame Kind war hierin durchaus nicht zu ergründen. Sie schlug bei meiner, wie bei jeder männlichen Anrede, die Augen nieder, und antwortete kurzweg. Daß sie dazu bisweilen roth wurde, das glaubte ich gar nicht mir zu Gunsten auslegen zu dürfen.

Ein Umstand, der mich jetzt einige Tage von dem Besuche des Steinmetzen abhielt, war mein Verdruß über einen Mann meines Handwerks, den ich, um den Thurm desto früher zu vollenden, mir weither verschrieben hatte. Ich war dem Rufe, dessen er in unserm Fache genoß, ganz allein nachgegangen, und fand nun, als er kam, einen verwilderten, von aller christlichen Demuth weit entfernten Gesellen, der, wo sich's thun ließ, das Heilige und Ehrwürdige mit seinem Spotte zu besudeln suchte.

So sollte denn an dem Werke, das ich mit Liebe und Andacht angefangen, ein Mann arbeiten helfen, in dessen hoffärtigem Herzen weder Liebe noch Andacht Platz nehmen konnte!

Ich machte mir um so mehr Vorwürfe darüber, da seine Anherokunft ganz allein mein Betrieb gewesen war und ich nun solchemnach selbst den Thurmbau verwahrloset zu haben glaubte.

Mein Unmuth über das alles war so groß, daß ich mich fürchtete, Andere damit anzustecken und deshalb mehrere Tage nach dem Feierabende in meiner Klause allein zubrachte.

Aber die Sache drohte nur schlimmer zu werden. Mein Mitmeister hatte die erste Zelt seines Dortseyns, ohne alle Noth und Ursache in benachbarten Wirthshäusern verloren, und kam jetzt eines Morgens plötzlich, um mich nach dem Thurme abzuholen und dort mit zu arbeiten. Schon auf dem Wege dahin hatte ich viel Aergerniß. Auf mein Ermahnen, als wir die Thurmtreppe hinaufgingen, daß es nun wohl Zeit werde, zu bessern, gottseligen Gedanken und Reden, gestand er unverholen, er habe dergleichen zu keiner Zeit.

Da wandelte mich ein Grauen an vor dem Manne. Ich fragte, ob ihn denn droben in der Luft kein Schwindel befalle, wenn er seine Arbeit ohne Andacht und Gebet anfange, welches mich ganz allein auf dem Gemsenpfade unseres Handwerkes sicher stelle.

Aber er lachte dergestalt, daß die engen Wände wiederhallten, und ich nothgedrungen war, ihm diese Ungebühr ernstlichst zu verweisen.

Das Strafgericht blieb nicht aus. Kaum hatte er sich oben zur Arbeit angeschickt, als sein Fuß ausgleitet, und er vom hohen Thurme auf den Platz hinunterstürzt.

Wie ich nun zitternden Schrittes die Treppe hinab und unten zur Kirche herauskomme, da ist bereits ein dicker Haufe Volks um den Todten versammelt und nicht weit von mir fragt eine Stimme: Um Gotteswillen, der Schieferdecker, ist's wahr?

Da wende ich mich eiligst um, denn ich kenne die Stimme, und ihr angstvoller Ton drang mir durch Mark und Bein. Und siehe da, es war wirklich Aennchen, des Steinmetzen liebliche Tochter, deren rothblühendes Gesicht der Schrecken in bleichen Schnee verwandelt hatte.

Aennchen! rief ich ihr zu. Da erblickte sie mich und sprach: Gott Lob und Dank, Ihr also nicht, Meister! Dazu reichte sie mir voll Freude die Hand und schöner als ihr Gesicht damals, kann der Cherub am Throne schwerlich leuchten.

Des Schieferdeckers Fall war ihr zu Ohren gekommen, und da sie von dem neuen Gehülfen nichts wußte, hatte sie mich für den Verunglückten gehalten.

Ob sie schon merkte, daß ihre Angst und die darauf folgende plötzliche Freude sie verrathen hatten und sich daher sogleich zurückziehen wollte, so wußte ich doch nun, wie ich mit ihr dran war und rief: Aennchen, liebstes Aennchen, der Augenblick will mir wohl, drum frage ich sogleich, darf ich bei Euerm Vater um Euch werben?

Da kehrte sich zwar ihr Auge zur Erde, aber ihr Herz, so fühlte ich, blieb doch bei mir. Dazu sagte mir, wie sie mich nun verließ, der halbe Abschiedsblick, daß mein Wunsch auch gewiß der ihrige war.

Je freundlicher mich das Glück ansah, desto eifriger ward nun mein Gebet für den Verunglückten und daß sein zeitlicher Tod ihn von der ewigen Strafe erlösen möchte. Zugleich bestärkte mich sein und mein Schicksal darin, daß alles mit Gott anzufangen sei, und ich arbeitete noch den ganzen Tag freudig und unverzagt an dem Kirchenbaue.

Abends machte ich mich bei Zeiten auf den Weg zu Meister Holdingen, den ich allein fand, und brachte, da ich sein Wohlwollen gegen mich kannte, mein Wort sogleich ohne Scheu und Rückhalt an. Aber zu meinem großen Erschrecken schüttelte der Mann den Kopf.

Ihr seid mir lieb und werth, Meister Pilsner, sagte er, doch weiß ich aus Euerm Munde, daß Ihr bis jetzt nichts habt erübrigen können. Mir ist es nicht besser gegangen; daher darf meine Tochter weder auf Mitgift noch auf Erbe rechnen. Was aber soll aus ihr werden, wenn ich todt bin, und Ihr vielleicht zu gleicher Zeit aus der Welt gehen solltet. Alle Ehre Euerm Handwerke, es ist schön und zwiefach schön, wenn man Euch davon reden hört. Aber es ist auch höchst gefährlich, wie der heutige Tag erst bewiesen hat. –

Hier unterbrach ich ihn und suchte ihm den Grund zu dem Unfalle in meines Mitmeisters Frevel zu zeigen. Doch er schüttelte abermals den Kopf und stellte Beispiele von – wie er sagte – sehr frommen Schieferdeckern auf, die ihren Tod also gefunden hatten. Vergebens waffnete ich mich mit den Gründen, die mein seliger Vater sonst immer gegen die Mutter zu Erhebung unserer Handthierung gebraucht hatte. Er könne, sagte er, mir seine Tochter nur dann geben, wenn ich etwas zurückgelegt haben würde, wovon sie ihr Witthum in Ehren hinzubringen vermöge.

Da nun sobald an ein solches Glück nicht zu denken war, so machte mich sein Starrsinn sehr traurig. Denn ich hatte zwar in meiner Heimath einen reichen Rechtsgelehrten zum Vetter. Der aber wollte mir übel wegen meines Gewerbes, das seinem hochmüthigen Sinne zu gering dünkte; weshalb er auch in früherer Zeit alles anwendete, mich davon abzuziehen, und mir, als nichts fruchten wollte, sein Haus gänzlich verbot.

Späterhin hatte ich mehrmals versucht, ihn mir wieder zu gewinnen. Doch alles umsonst. Er erklärte, daß er nichts von mir wissen, und daß ich, obschon sein nächster männlicher Verwandter, auf keinen Pfennig Erbe von ihm rechnen möchte.

Aennchen, als sie von ihres Vaters Gesinnung hörte, ward über alle Maßen betrübt, und da auch ihre Vorstellungen nicht anschlugen bei ihm, so entdeckte sie mir eines Tages, daß sie nach vielem Ueberlegen gefunden habe, ein Sprung in den Fluß würde ihr am besten von ihrem Unglücke helfen. Darüber entsetzte ich mich denn außerordentlich, stellte ihr vor, daß nur der böse Feind ihr diesen Gedanken eingegeben habe, von dem sie sagte, daß er gar nicht aus ihrer Seele weichen wolle. Meine Bitten und ihr Gebet brachten es aber endlich so weit, daß davon nicht mehr die Rede war. Ach, ich durfte ihr gar nicht sagen, daß mir selber oben auf dem Thurme die Verzweiflung manchmal eingab, meinem Leiden durch einen Sturz hinunter ein Ende zu machen! Aber das Gebet, das ich nie unterließ, stärkte auch mich gegen den bösen Satansrath, so daß ich den Kirchthurm glücklich zu Stande brachte.

Beim Abschiede, der, wie Ihr leicht denken könnt, gar bitter und schmerzhaft war, versicherte mir Aennchen von freien Stücken, sie werde mir treu bleiben, und nie einem Andern angehören. Ihr Vater machte zwar eine finstre Miene, doch sagte er weiter nichts dazu, drückte mir auch herzlich die Hand. –

Ihr werdet begreifen, daß ich allen Sinn und Witz anstrengte, um zu sparen und die Bedingung zum Glücke meines Lebens zu erfüllen. Allein meinem heißen Verlangen nach der Vereinigung mit Aennchen förderte es dennoch nur schlecht. Desto froher mußte mich die Nachricht machen, daß mein reicher Vetter, von der letzten Krankheit plötzlich überfallen, auf seinem Todbette endlich doch in sich gegangen war und mich zum Erben eingesetzt hatte. Da bin ich denn nun, trage das Erbtheil in schönen Goldstücken bei mir, und freue mich für's Erste auf nichts so sehr, als auf den Augenblick, wo ich das blanke Geld vor Meister Holdingen hinschütten werde. So verläßt doch Gott keinen, der ihm vertraut, und wer weiß, ob er nicht schon früher auch hierin auf irgend eine Weise an mich gedacht, hätte ich meinen Kleinmuth immer besser bezwingen wollen. –

Meister, so sagte der Köhler, als Franz inne hielt, Ihr habt noch ein gutes Zutrauen zum Leben und dessen zufälligen Geschenken. In meinen Jahren weiß man besser, wie viel darauf zu bauen ist. Warum seht Ihr mich so mißtrauisch an? Doch wohl, weil meine Rede Euch nicht wohlgefällt. Aber die Wahrheit ist stets ein bitteres Kraut gewesen. – Um nur bei Euch und Euerm Gelde hier stehen zu bleiben, gesetzt nun alles gelänge, und Ihr bekämt Aennchen wirklich; meint Ihr, daß Euch damit ein ewig heiteres Paradies aufgeschlossen sei? Wenn auch – was fast die Unmöglichkeit setzen hieße – alles mit der Frau nach Wunsche ginge, so werden andere Dinge, zum Beispiel das Geld, Euch nun zu schaffen machen. Zeither habt Ihr bloß von Euerm Verdienste gelebt, und wißt noch gar nicht, was Gold und Silber für gefährliche Metalle sind, und wie sie den Eigenthümer treiben und drängen, auf ihre Vermehrung auszugehen. Erst werdet Ihr zu thun haben, Euer Geld sicher unterzubringen. Es wird Euch, wenn es nicht sogleich möglich ist, Euren ruhigen Schlaf kosten, und, wenn es in fremde Hände übergeht, immer der Gedanke quälen, ob an der Sicherheit nicht noch etwas ermangele. Mit Einem Worte, wenn Ihr vorher durch das Entbehren der Braut unglücklich waret, so werdet Ihr Euch bald durch Eures Geldes Besitz noch unglücklicher fühlen. Es kommt dazu, daß Ihr mit Gelde überhaupt nicht umzugehen wisset und viel zu offenen Herzens seid, für einen begüterten Mann.

So meint Ihr wohl, versetzte Meister Pilsner, ich möchte meinen freien, frohen Sinn um so schlechten Metalles willen verläugnen oder aufgeben?

Eins oder das andere! antwortete der Köhler. Zu fremden Herzen ist Geld oft der Schlüssel, aber das eigne Herz des Geldbesitzers muß ewig verschlossen seyn, will er nicht stets in Gefahr kommen, jenes Hauptschlüssels verlustig zu gehen. So entdecket Ihr mir, einem Unbekannten, bei Nacht, im Walde, den Schatz, den Ihr mit Euch führt; wie unklug! Wenn ich nun jetzt wegginge, um mit Gehülfen zurückzukehren, und Euch des Schatzes, ja wohl gar des Lebens zu berauben? –

Der Fall, den der Köhler hier setzte, hatte Franzen wirklich stutzen gemacht. Er ward aufmerksam auf das Unbesonnene seiner Mittheilung und dankte dem Warner.

Seht mich an, fuhr dieser lächelnd fort. Unstreitig meint Ihr, daß unter so altem, abgenutztem Kittel schwerlich etwas von Geld und Gut verborgen seyn könne. Gleichwohl würde ich sehr anstehen, mit Euch zu tauschen, was auch Euer Schatz betragen mag. Auch könnte ich es nicht wohl, wenigstens nicht ohne Euch – was ferne von mir sei! – schändlich zu betrügen, weil das Geldstück, das ich besitze, nur in meiner Hand wucherliche, aber sehr wucherliche, Zinsen trägt.

Dabei zog er einen harten Thaler hervor und sagte: Betrachtet diese Münze und Ihr werdet nichts Auffallendes daran entdecken. Dennoch hat sie vor vielen ähnlichen das voraus, daß sie dem rechtmäßigen Besitzer in jeder Nacht ein gleichgroßes Geldstück zubringt.

Wohl also gar ein sogenannter Heckethaler? fragte Franz das Stück mit Verwunderung ansehend. Ich habe immer keinen rechten Glauben gehabt an die Wahrheit der Sache.

Von der könnt Ihr Euch bald überzeugen. Leert einmal eine meiner Taschen, und legt, damit keine Täuschung möglich sei, den Thaler mit eigener Hand hinein. Mit Anbruch des Morgens, dem wir entgegensehen, untersucht dann die Tasche wieder, und wenn hernach nicht Zwei, statt Eines Geldstücks, darinnen liegen, so mögt Ihr mich kurzweg einen Lügner schelten.

Auf des Köhlers nochmaliges Verlangen leerte Franz hierauf wirklich eine der Taschen desselben und that das Geldstück hinein. Darauf sprachen sie noch viel und mancherlei über den Gegenstand, bis endlich der Alte sagte: Wahrlich, Meister, solch ein Thaler wäre, so viel ich Euch kenne, für Euch besser, als jeder andere Schatz, weil der Stamm Eures Vermögens sich dann doch leicht verbergen ließe, überdieß dadurch die fremde Habsucht nicht sonderlich gereitzt werden kann, weil er in keines als des rechtmäßigen Erwerbers Hand solche Wunder verrichtet.

Hm, erwiederte der Schieferdecker, wo kann man zu dieser Art Geld gelangen?

Davon hernach, wenn Ihr die Wahrheit der Sache geprüft haben werdet. Doch da zeigt sich ja wohl der Morgen schon. Sehet zu in meiner Tasche und das Kunststück wird fertig seyn.

Erstaunt zog Franz hierauf wirklich zwei Thaler heraus, wovon der neue sich durch sein, wie eben erst aus der Münze kommende Gepräge auszeichnete.

Ei, so sagt mir doch, Lieber, wie solche Geldstücke erworben werden! sprach der junge Mann hastig.

Durch eine nicht allzuschwere Ceremonie, antwortete der Alte. Doch gehört eine andere Jahreszeit dazu. Habt Ihr auf künftigen Winter noch Lust, einen solchen Thaler zu besitzen, so kommt – aber kurz vor Weihnachten – dort in meine Hütte, da sollt Ihr durch mich die nöthige Anweisung erhalten.

Als nun jetzt die leichtschimmernden Vorboten der Sonne an dem Himmel heraufflogen, so verlor Franz mit Einem Male jeden Gedanken an Geld und Gut und sagte: Da hat mich mein seliger Vater noch ein schönes Lied gelehrt, das sich diesmal recht gewaltig nach meinen Lippen heraufdrängt. Und er fing mit reiner Stimme an: Wach auf mein Herz und singe den Schöpfer aller Dinge.

Halt, sprach der Köhler finster, den Singsang kann ich unmöglich abwarten. Lebt wohl und vergeßt meine Hütte nicht. Zugleich eilte er, was er konnte, auf diese zu.

Das nahm Franzen Wunder. Daß eine Stimme jemandem so recht im Grunde des Herzens zuwider seyn könne, das hatte er selbst an dem Köhler erfahren, bei dessen Tone ihm allezeit das Herz weh that. Aber sein Gesang war doch ein ganz anderes Ding und in der Vaterstadt so berühmt, daß man, wie er noch zu Hause lebte, ihn überall zum Singen veranlaßte, ja der Bischof ihn gern unter seinen Chorsängern gehabt hätte.

Indessen vollendete er sein Lied, und meinte, daß dessen lutherischer Ursprung das Ohr des altgläubigen Mannes verletzt habe.

Jetzt traten schon die Kirchthürme zu Augsburg hervor und ihre Glockentöne gingen ihm besonders freundlich zu Herzen. –

Im Holdingschen Hause gab es viel Jubel über Pilsners Glück. Der Alte, außer sich für Freuden, herzte und küßte den künftigen Schwiegersohn ohne Aufhören, und Aennchen sah erröthend in diesen Umarmungen ein holdes Bild ihrer eigenen Zukunft. Franz mußte indessen bis zur Heirath die Trauerzeit abwarten und am folgenden Tage wieder zurück, weil er in der Heimath zu thun hatte.

Nun, sagt mir nur, Meister Pilsner, sprach der Steinmetz, warum Ihr Euer Gold mit hierher gebracht? Meint Ihr, ich hätte, wenn Ihr mir von dem Besitze desselben bloß gesagt, Eurem ehrlichen Worte mißtrauen mögen?

Das nicht, antwortete der Bräutigam, aber eines Theils wollte ich Euch doch mit dem blanken Haufen ergötzen, andern Theils ihn hier gerne zurücklassen bis zur Hochzeit.

Nein, Meister, versetzte der Steinmetz, nur das nicht. Mein Haus ist zu ungewohnt, Gold zu beherbergen. Wie leicht könnte etwas damit vorgehen. Tag und Nacht fehlte mir die Ruhe, wenn es in meinen vier Pfählen bliebe.

Franz lächelte über den Scherz, wofür er's Anfangs hielt. Allein bald merkte er, daß es des Mannes völliger Ernst war, und da sich auch niemand Bekanntes sonst in der Stadt befand, wo er das Geld hätte unterbringen können, so sah er sich genöthigt, es am andern Morgen wieder mit zurückzunehmen.

Dieser Umstand wies ihn auf das Unbequeme des Besitzes von Schätzen und die Warnung hin, die ihm der Köhler neulich gegeben hatte. Daher sah er sich auf seiner Rückreise häufig und schüchtern um, und sie war im Ganzen bei weitem nicht so sorgenfrei, als der Hinweg gewesen war.

Wie, wenn der Köhler bloß, um mich vor ihm sicher zu machen, die Warnung gegeben hätte, dachte er, als er bei seiner Hütte vorüberkam, wie wenn er wirklich Anstalt träfe, einen Raub an mir zu verüben! Sein abschreckendes Gesicht, die widerwärtige Stimme, die Scheu vor frommen Gesängen, das alles bestärkte ihn nur mehr in dieser Vermuthung. Daher beschloß er denn auch die Nacht nicht unterweges, sondern in einem Wirthshause zuzubringen.

Aber sein Schlaf war nicht der beste. Bei jedem Geräusch im Hause und Hofe wachte er auf, einen Einbruch fürchtend, der seinem Eigenthume gälte. Dazwischen träumte er viel, unter andern auch vom Köhler und dessen Heckethaler, und die Vorzüge des letztern vor sonstigem Vermögen traten ihm immer mehr in's Licht.

Zu Hause, wo er am folgenden Tage glücklich anlangte, beruhigte er sich nach und nach, wegen der mit seinem Besitze verbundenen Gefahr. Auch verstärkten sich, je mehr der Eindruck von dem schlimmen Ansehen und der rauhen Stimme des Köhlers aus seinem Gedächtnisse verschwand, die schon früher von Zeit zu Zeit eingetretenen Vorwürfe über den Verdacht gegen den Mann, der ihm doch selbst seine Unterstützung zum Erwerb eines Heckethalers zugesagt hatte.

Der Todesfall seiner geliebten Mutter versetzte Franzen, als er die Trauerkleidung wegen des Vetters schon abzulegen gedachte, in eine zweite, schmerzlichere Trauer, und schob den Hochzeittermin bis in das neue Jahr hinaus.

Mit der Mutter Tode fing überdies Franzens Noth, wegen der Sicherheit seines Geldes von neuem an. Denn ein Grundstück, wie er zu erkaufen wünschte, fand sich damals grade nicht, eben so wenig wollte sich ein Mann finden, dem er sein Geld gern anvertrauet hätte. Da nun seine Geschäfte in der Gegend nicht abrissen, so mußte er das ganze Kapital auf Gerathewohl in der einsamen Wohnung zurücklassen, und die Sorgen deshalb begleiteten ihn überall. Er verfiel darum auch häufiger als zuvor auf den Gedanken an das große Glück eines Heckethalers.

Eines Tages, schon tief im Herbste, wo Meister Pilsner zu Deckung eines benachbarten Schlosses berufen war, fand er beim Mittagessen im Wirthshause einen Mann auf der Ofenbank sitzen, dessen Gesicht ihm sehr bekannt vorkam. Als jener zu sprechen anfing, erinnerte ihn die widerwärtige Stimme auch sogleich an den Köhler, dem die Züge des Fremden außerordentlich ähnelten. Nur schien dieser jünger, als jener, auch trug das Gesicht keine Spur vom Kohlenstaube.

Franz konnte sich nicht enthalten, seiner auffallenden Aehnlichkeit mit dem Waldbewohner gegen ihn zu gedenken. Da hörte er denn, daß dieser sein Bruder sei, und bald kam die Rede auf dessen erstaunliche Kenntniß der Naturkräfte und höhern Wissenschaften überhaupt.

Beim Glase traulicher mit dem Fremden geworden, erwähnte Franz endlich in Bezug auf diese Wissenschaften den Heckethaler, den der Köhler besaß.

Ja, sagte der Andere, das ist grade der Punkt, um deswillen ich mit ihm zerfallen bin. Während er nämlich, wie ich recht gut weiß, manchem Fremden das Geheimniß, dazu zu gelangen, ohne Umstände mitgetheilt hat, will er gegen mich, seinen leiblichen Bruder, nicht damit heraus, und bloß darum nicht, weil ich, seiner Meinung nach, kein rechter Hauswirth bin, und dergleichen Dinge nur der Ordnung zu gut kommen sollten. – Indessen weiß ich jetzt auch ohne ihn zu solch einem Kleinod zu gelangen, und denke es nächste Weihnachtsnacht in's Werk zu setzen. Zwar versteht mein Bruder die Sache unfehlbar leichter abzuthun, denn meine Art, den Heckethaler zu erwerben, hat allerdings ihre Schwierigkeiten. Aber, besser doch die größere Mühe nicht geachtet, als die Sache ganz aufgegeben. Und, wie gesagt, in kurzen sechs Wochen, denke ich, den Heckethaler in der Tasche, meinen werthen Herrn Bruder mit seinem großen Geheimnisse weidlich auszulachen.

Mit einiger Schüchternheit äußerte Franz den Wunsch auch etwas von der Sache zu erfahren.

Herzlich gern will ich Euch entdecken, was ich weiß, sagte der Andere, denn nichts ist mir verhaßter, als der leidige Geheimnißkram. Und probat, darauf verlaßt Euch, ist mein Mittel. – In der Christnacht nämlich findet man sich auf dem ersten, besten einsamen Kreuzweg ein. Sobald die Glocke eilf ausgeschlagen hat, fängt man hier an, einen Kreis von Thalern um sich herum zu legen. In diesen Kreis setzt man sich hinein. Dann zählt man das Geld, erst vorwärts, darauf wieder zurück, und fährt damit eine ganze Stunde fort. Mit dem Schlage zwölf erhaltet Ihr hierauf den Heckethaler. –

Das alles? rief Pilsner erstaunt und zweifelnd.

Nichts weiter!

Wahrlich eine kinderleichte Kunst! Gleichwohl spracht Ihr vorhin von Schwierigkeiten! –

Nun, ist denn die Herbeischaffung der Thaler, die zum Kreise gehören, nicht schon eine ziemliche Schwierigkeit?

Franz freute sich darüber, daß diese bei ihm so gut wie überwunden war.

Und dann – fuhr der Andere fort – gehört auch Muth und Hoffnung dazu. Denn während des Geldzählens ist es keineswegs so einsam und ruhig, wie jetzt hier im Wirthshause, wo weder Wirth noch Wirthin, noch sonst jemand zu erblicken ist. Vielmehr wird es gar mannichfach um Euch herum sausen, und schwirren und stöhnen und heulen und rasseln. Alle gräßliche Töne und alle scheußliche Gestalten werden auf Euren Kreis von allen Seiten eindringen. Besonders arg toben wird es Euch im Rücken, und immer seyn, als ob Euch jemand allaugenblicklich nach dem Nacken führe. Da müßt Ihr denn standhaft ausharren und ja nicht Euch danach umsehen wollen, auch beileibe nicht, im Zählen: eins, zwei, drei und so weiter, für Angst und Schrecken etwan eine Zahl übergehen. Denn sonst ist es um Euer Leben geschehen und Euch das Gesicht im Nu auf den Rücken gedreht! –

Und wer, so fragte Franz mit leiser, bebender Stimme, wer ist es, der so viel Schrecknisse erregt; wer verschafft mir den Heckethaler, wenn ich mich nicht irren lasse?

Ein Wesen höherer Art, einer, den sie im gemeinen Leben den Bösen nennen.

Da sprang der junge Meister tief erschüttert von der Bank auf und sprach: Ferne sei von mir solch eine Gemeinschaft. – Nein, nein, nein! Wenn es kein besseres Mittel giebt, den Heckethaler zu erlangen, so soll er Zeitlebens nicht mein werden. –

Hm, versetzte der Andere, Ihr seid auch gar zu bedenklich, Freund. Im Grunde ist es ja weiter nichts, als dem sogenannten Bösen eine nützliche Sache abtrotzen; ihn zwingen, Euch glücklich zu machen!

Nein, schon die bloße Gemeinschaft ist Frevel und Sünde! so sprach Franz, ein Kreuz schlagend und verließ den Mann, der ihm noch höhnisch nachrief: So wendet Euch denn an meinen saubern Bruder, der auch vom Teufel nichts wissen will! –

Pilsner fühlte sich herzlich froh, als die Thüre zwischen ihm und dem Manne war, dessen Züge mit jedem Worte tückischer zu werden schienen.

Wie erschrak er aber, als er am folgenden Abende, bei der Rückkehr in die Heimath, die Schlösser seiner Wohnung aufgebrochen und seine ganze Baarschaft nicht wieder fand. So erlosch denn auf Einmal der Glücksstern wieder, dessen er sich zu freuen kaum angefangen hatte! Alle Nachforschungen von seiner und der Obrigkeit Seite blieben vergebens, und sein Zustand war noch niemals schlimmer gewesen. Der Beruf ward ihm lästig, der Schlaf floh ihn, und nichts schien ihm ein besseres Loos wieder zu versprechen, als die Erlangung eines Geldstückes, das sich in jeder Nacht vermehrte. Zwar würde sein künftiger Schwiegervater den fortdauernden Besitz des Geldes bei ihm vorausgesetzt haben, wenn er ihm den Diebstahl nicht selbst entdeckte. Allein ein Verheimlichen der Sache dünkte ihm immer ein heimlicher Betrug, der Betrug um ein köstliches Kleinod, wie seine Tochter war, die der Mann nun einmal dem unbemittelten Werber nicht geben wollte. Und Betrug – im ganzen Leben hatte er sich dessen noch nicht schuldig gemacht; daher scheute er selbst sein Glück damit zu erkaufen.

Das beste Auskunftsmittel schien ihm noch der Gang zu dem bewußten Köhler, da, wie dessen Bruder doch selbst geäußert hatte, dieser eine bessere Art, den Heckethaler zu erwerben kannte, auch vom Teufel nichts wissen wollte.

Zwei Tage vor dem heiligen Weihnachtsfeste machte er sich daher auf den Weg. Ach, wie ganz anders war dieser in der kurzen Zeit geworden! Die Hoffnung, deren erfreuliche Farbe ihn und den ganzen Wald bekleidet hatte, war völlig aus seiner Brust verschwunden. Dazu lag in dem Schnee ringsum ein einziges, großes Leichentuch ausgebreitet, das seinen heißen Gefühlen schmerzliches Weh bereitete. Denn, wie sehr er auf die Hülfe des Köhlers rechnete, so lauerte doch dahinter immer auch eine Furcht, die ihn des Genusses seiner Erwartung nicht froh werden ließ. Der Köhler und dessen Bruder, wie ähnlich sahen sie einander. Wenn nun der Unterschied zwischen ihren Mitteln, zum Heckethaler zu gelangen, auch nicht wesentlicher war, als der zwischen ihrer Person? Wenn der Bruder des andern Abneigung vor dem Teufel ihm nur angedichtet hätte? Wenn beide vereint arbeiteten, ihn in ein trauriges Labyrinth zu verwickeln? –

Inzwischen langte er vor der verschneiten Hütte des Waldbewohners gegen Abend an. Auf des Wanderers Pochen öffnete der Schwarze.

Franzen schauerte bei dem Willkommen. Entweder war des Köhlers Stimme noch krächzender, dessen Züge noch widriger geworden, als im Sommer, oder des jungen Meisters damaliger Frohsinn hatte die häßliche Erscheinung ein wenig überglänzt; indessen brachte der Wanderer seine Worte an.

Habe ich's doch gedacht, erwiederte der Köhler, daß Euer Glück nicht lange Euer bleiben würde. Nun, wie ich versprochen, so stehe ich jetzt mit Freuden zu Dienste, um Euch etwas Dauernderes zu verschaffen.

Seufzend fragte Franz gradezu, ob auch die Erwerbung des Heckethalers seiner Seele keinen Nachtheil bringen könne.

Ihr seid ein Kind, antwortete der Köhler lächelnd. Zwar giebt es Mittel und Wege dazu, die etwas bedenklich sind. So macht man Kreise mit Geld auf Kreuzwegen um sich her, die besser unterbleiben würden. Meine Art aber ist höchst einfach, beruht auch auf eitel Ceremonien, ohne welche die Geister nun einmal ihre Dienste verweigern. Ihr lauft nämlich – aber noch in dieser Nacht, zwischen eilf und zwölf muß es geschehen – mit einem Sacke, worin eine schwarze Katze steckt, dreimal um die nächste Kirche herum. Ist dieses geschehen, so werdet Ihr einen Mann an der Hauptkirchenthüre wahrnehmen, auf den geht Ihr zu und gebt ihm das Thier mit der linken Hand, wofür Ihr in die rechte den Heckethaler erhalten werdet. Der Mann wird hierauf die Katze in tausend Stücken zerreißen. Während dies geschieht, müßt Ihr jedoch eilen, um unter Dach zu gelangen. Denn wird er früher mit der Katze fertig, so kommt er Euch nach und es ist um Euren Hals gethan. –

Franz schauderte zurück. Und wer ist der Mann? fragte er, mit kaum vernehmbarer Stimme.

Ein Wesen höherer Natur, das versteht sich, antwortete der Köhler unwillig. Wer mag die Namen der Geister wissen!

Aber doch ein feindseliges Wesen, wenn es so sein Absehen auf mein Leben richtet? versetzte der Schieferdecker. Wie möchte ich aus solcher Hand mein Heil erwarten!

Ei, fiel der Alte mürrisch ein, Grübler, wie Ihr, taugen wenig zum Verkehr mit Geistern. Wo es auf Unbegreifliches ankommt, muß man den Vorwitz bei Seite stellen. Da legt Euch nieder; denn Eure Fassungskraft wird allzuschwach. Nach zehn Uhr will ich Euch wecken. Mögt Ihr dann nach der Stadt gehen und thun, wie ich gerathen habe, oder die Zeit versäumen, mir kann das gleich gelten. Auf Dank leiste ich gerne Verzicht; nur muß niemand thun, als ob der Dienst, den ich ihm erweisen will, mir Vortheil brächte!

Franz wollte sich entschuldigen; allein ein Schlaf, wie durch Zauberkraft, bemächtigte sich seiner sogleich mit ganz unwiderstehlicher Gewalt.

Ihm träumte von Aennchen. Sie standen beide auf der Spitze eines Felsen, dessen eine Seite allmählig in das lieblichste Blumenthal, die andre hingegen schnurgrade hinab an furchtbar hervorstehenden Steinspitzen in einen Fluß führte. Aennchen beschwor Franzen bei Liebe und Leben, die Nacht nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, da er ihres Vaters Grundsatz kenne. Aber Franz war auch durch ihre Bitten und Thränen nicht zu bewegen. Und siehe, Aennchen, durch die Verzweiflung bis zu des Abgrunds äußerstem Rande hingezogen. Franz, von allen Furien verfolgt, ihr nach! Zu spät. Schon hängen zerrissene Kleidungsstücke an dem Felsen. Und drunten im Flusse erhebt sich die blutende, halb zerschmetterte Gestalt noch einmal, um dann nicht wieder gesehen zu werden. Franzens Entsetzen will sich in einem Schrei Luft machen. Es fehlt ihm die Stimme. Er will ihr nachstürzen. Da fühlt er sich zurückgehalten und erwacht in den Armen – des Köhlers, der ihm andeutet, daß es nun Zeit sei, dem Werke nachzugehen, oder solches aufzugeben.

Trotz dem schrecklichen Gesichte, das der Erwachte jetzt an dem Alten wahrnimmt, glaubt er doch in ihm seinen Rettungsengel zu erblicken.

Wo ist die Katze? ruft Franz.

Dort schläft eine im Winkel.

Im Nu ist das Thier genommen und ein Sack dazu.

Gelt, der Schlaf ist der Vernunft ein guter Lehrmeister? fragt der Köhler lachend, und Franz eilt, den sehr widerspenstigen Sack auf der Schulter, zur Hütte hinaus. –

Trotz der außerordentlichen Nachtkälte trieb ihm der Traum doch noch immer den Schweiß über das Gesicht. Aennchens letztes Aechzen beim Hinabfallen schien vor ihm herzugehen, und der Mond, die ganze weiße Schneefläche beleuchtend, in jedem Schatten seiner Schöpfung ihr Händeringen nachzubilden.

Da stieg der nächste, Franzen wohlbekannte Kirchthurm, zu Augsburg vor ihm auf. Als ob die Katze dessen Nähe merke und sich davor entsetze, so strengte sie jetzt plötzlich wieder alle Kräfte und Krallen an, um dem peinlichen Gefängnisse zu entkommen.

Franzen selbst hatte der Thurm diesmal etwas Riesenhaftes und Schreckliches, wie sein Vorhaben, dessen ganzen, unermeßlichen Umfang er jetzt zum erstenmale übersah. Er konnte sich nicht mehr verheimlichen, daß der Geist, mit dem er ein Geschäft abzuthun dachte, ein böser seyn müsse. Und ein Geschäft mit diesem in der nämlichen Nacht, in welcher der Heiland der Welt geboren war! Sein Schweiß gerann zu Eise bei diesem Gedanken. Schon in Begriff Sack und Katze von sich zu thun, tönte Aennchens Aechzen stärker als jemals um ihn her, und es war ihm, als höre er eben die Wogen des Flusses über ihr zusammenschlagen. Da jagte ihn die Verzweiflung plötzlich gleich einer reißenden Windsbraut in das Stadtthor hinein.

Zitternd blieb er wieder auf dem Platze vor der Kirche stehen, welcher das Zauberlicht des Mondes einen Heiligenschein umgegeben hatte. Die frommen Gefühle, mit denen er an diesem Gotteshause gearbeitet, der Schieferdecker, der hier seinen Frevel gebüßt hatte, alles drang zerstörend auf ihn ein. Aber dicht bei dem verunglückten Schieferdecker stand auch sein Glück, in Aennchens Entzücken über sein Leben vor ihm! Sollte er darum nicht alles thun, das übrige zu erhalten? Augenblicklich begann er seinen Lauf um die Kirche. Er sah, wie ein paar ungeheure Eulen, die ihn begleitet haben mochten, jetzt, als er dem Hauptthore der Kirche gegenüber stehen blieb, ebenfalls still über ihm hielten. Da wollte er auf die Knie fallen und beten. Aber sein Herz hatte keine Gefühle, sein Mund keine Worte für Gebet und Andacht. Er hatte schon wirklich mit dem Bösen zu unterhandeln angefangen und den Trost der Unterhaltung mit dem Himmel dadurch verscherzt.

Aennchens Verzweiflung ertönte von Neuem. Zugleich glaubte er ihr Händeringen auf einem benachbarten Berge zu erblicken. Und fast bewußtlos war dar zweite Drittheil seines Laufes bald ebenfalls vollendet.

Noch ließ sich kein Wesen in der Hauptthüre wahrnehmen. Da erwachte sein Gewissen abermals und rieth ihm zum Fliehen. Schon hatte die Katze sich los gemacht von seinem Arme und suchte auf der Erde des Sackes Ausgang. Da erscholl ein Hohnlachen, das ihm durch Mark und Gebein zitterte. Der Satan schien sich zu freuen, daß Franz den Himmel und Aennchen zugleich verlieren solle, und rasch ergriff er die Katze wieder und rannte, von dem Geschrei seiner Eulen begleitet, auch das dritte Mal um die Kirche. Jetzt fand er die Thüre besetzt und eilte darauf zu.

Es schien der Köhler selbst, der ihn hier erwartete, nur waren seine Augen zu Flammen geworden, wie der Hauch, der bläulicht aus seinem Munde quoll.

Der Handel war geschehen. Franz hielt den Thaler in seiner Hand und sah wie der Geist Sack und Katze zugleich zerriß.

Auf seiner Flucht nach der benachbarten Wohnung des Meisters Holding blickte er fast unverrückt hinter sich auf die Kirchenthüre. Schon war er dem Hause nahe und der Böse noch immer dort mit der Katze beschäftigt, als dieser furchtbar auflachte, dabei plötzlich groß wie die Kirche wurde und von ihr mit zwei ungeheuern Schritten so nah hinter Franzen stand, daß der nur durch eine glückliche Wendung in die Thüre dem Griffe entging, der nach ihm geschah. –

Meister Holding hatte Franzen erst am folgenden Tage erwartet und wunderte sich nicht wenig über seine plötzliche Ankunft in einer so strengen Winternacht, dabei auch über das Todtenähnliche seines ganzen, sonst gewöhnlich so muntern Wesens. Aennchen erschrak fast vor dem längst Ersehnten. Denn was auch seine Worte sagen mochten, so schien ihm doch die Liebe völlig aus den Zügen verschwunden.

Ihr müßt sehr krank seyn, Franz, klagte sie daher, und er schob alles auf die Eil, mit der er seine Reise betrieben habe.

So ruht Euch aus, Meister, sprach der Vater. Ich denke mit Aennchen die Christmetten zu besuchen, wozu es bald Zeit wird.

Da laßt mich Euern Begleiter seyn! sagte Franz, von der Kirche und den andächtigen Tönen darin die Heiligung wieder erwartend, deren Abgang ihn eben so niederdrückte.

Wenn Ihr so wollt, in Gottes Namen! rief Meister Holding, und nicht lange darauf schickte man sich zum Kirchgange an.

Aber Franz stand beim Wiedererblicken der Kirche wie vernichtet. Was konnte sie, was konnten die erfreulichen Glockenklänge einem für Trost geben, der sich zu so gottlosem Gaukelspiele herabgelassen hatte?

Zum noch größern Unglück ging es grade in die Hauptthüre, wo er erst kurz zuvor den Heckethaler eintauschte. Er schwankte die Stufen bebend hinan, die er während der Thurmerneuerung so oft frohen Muthes betreten hatte. Die frommen Gesänge schnitten, statt zu helfen, tiefer nur in sein blutendes Herz. Die reingestimmte Orgel beleidigte sein unreines Ohr, und der Segen, der nun ausgesprochen ward, schüttelte die Glieder des Sünders wie ein Fieberfrost zusammen. Es ward ihm auch nicht eher etwas besser, als bis er das Haus Gottes wieder im Rücken hatte.

Eine Krankheit, die noch an demselben Tage Meister Holdingen befiel, zog Aennchens Aufmerksamkeit und Sorge von Franzen ab und gänzlich nach ihrem Vater hinüber. Noch vor Sonnenuntergang entschlummerte dieser, um auf der Erde nicht wieder zu erwachen.

Aennchen hielt es für gerechten Schmerz, als Franz, die Hände vor die Augen gehalten, an dem Sterbebette zu Boden stürzte. Aber die frohen Hoffnungen auf dem Gesichte des Sterbenden waren es, die ihn niederwarfen, der Glanz der Augen schon trunken von dem künftigen Glücke, den er um so weniger ertragen konnte, je lebhafter er ihn an den nicht minder schönen Tod seines Vaters erinnerte.

Bis zur Beerdigung des Steinmetzen hatte Aennchen durchaus keinen Sinn, als für ihren eigenen Schmerz. Ach, wie viel Liebe ging ihr mit den Gebeinen des braven Mannes zu Grabe, und so gut und folgsam sie auch jederzeit gewesen war, so machte sie sich doch tausend Vorwürfe, daß sie für seine große Vatersorge ihn nicht Dankes genug abgetragen haben möchte.

Der Todesfall hatte Franzen von selbst nach dem Wirthshause verwiesen, doch brachte er den größten Theil seiner Zeit bei der Verlobten zu. Schon darum geschah dieses, weil er sonst fast überall auf den ihm so verhaßten Köhler oder dessen Bruder stieß, die, wie ihm jetzt vorkam, nur in Einer Person bestanden.

Nur zu bald ward Aennchen die große Veränderung inne, die mit ihrem Bräutigam vorgegangen war. Sie drang in ihn sich ihr zu entdecken, und kam durch die Gewährung dieses Wunsches fast von ihrem Bewußtseyn.

Sie bestand vor allem darauf, daß Franz den gefährlichen Thaler von sich thue. Nur dadurch, meinte sie, werde er Gemeinschaft und Umgang des Bösen abwerfen können, und Franz lieferte ihr sogleich nicht nur den Heckethaler, sondern auch das Geld aus, das durch ihn gewonnen worden war.

Man überlegte, ob letzteres wohl den Armen zu geben sei. Allein Aennchen hielt den Ursprung für allzuschlimm, als daß heilsame Folgen daraus zu hoffen stünden; daher ward es in den Fluß geworfen. Für den Heckethaler selbst schien diese Maaßregel beiden nicht genug. Zwar hatte Meister Pilsner gehört, daß er in anderer Hand, als der, für welche er ursprünglich bestimmt war, ohne alle Wirkung sei. Doch fragte sich dies um so mehr, da seine Quelle allen Verdacht der Lüge gegen sich hatte. Man legte daher eines Abends den Thaler auf einen Ambos, und Franz hieb so lange mit allen Kräften darauf los, bis die Münze in unzählige Stücke gegangen war; wobei es ihm und Aennchen schien, als ob sich, außer dem hierdurch erzeugten Schalle, auch noch ein Aechzen und Wimmern hören lasse. –

Beim Nachhausegehen fuhr Franz heftig zusammen, als ihm auf der Straße ein lautes Hohngelächter in's Ohr klang und bald nachher des Köhlers Gesicht, vom Monde beleuchtet, ihn über die Schulter herüber, mit seiner ganzen Häßlichkeit angrinzte.

Das heißt, sich dem Teufel umsonst ergeben! sprach der Köhler boshaft. Oder meinest Du Thor, mich könntest Du auch so bald los werden, wie meinen Thaler?

Franz, außer sich für Schmerz, beschloß während der völlig schlaflosen Nacht, den andern Morgen mit dem Frühesten Abschied von der Braut zu nehmen, und bei seinem Gewerbe, das ihn an eine ziemlich entfernte Kirche rief, Zuflucht gegen die Gesellschaft des Verderbers zu suchen. –

Aennchen beschwor ihn um Nachrichten, hauptsächlich wegen seines unglücklichen Verhältnisses mit dem Bösen. Er versprach ihr solche und hielt auch Wort damit. Aber die Nachrichten hatten nichts tröstliches. Wenn er, wie vormals, sein Tagewerk mit Gebet anfing, da hörte er gemeiniglich des Köhlers tückisches Lachen aus einem Winkel seiner Klause schallen, und da ward er irre in seiner Andacht und wagte nicht weiter fortzubeten. Daher ging er denn immer ohne allen Muth an die Arbeit. Saß er nun droben auf Dächern und Thürmen, so fiel ihm gewöhnlich der Meister ein, der ein so böses Ende genommen, und da erfaßte ihn oft ein Schwindel dergestalt, daß er sein Werk mußte liegen lassen; zumal wenn – wie nicht selten geschah – des Köhlers Gesicht aus einem benachbarten Dachfenster ihn anlachte.

Aennchens Kummer darüber war so groß, daß sie es nicht länger in der Heimath ertragen konnte.

Eines Morgens, als Meister Pilsner eben wieder im Gebete gestört worden war, sagte ihm der Hausknecht des nahen Gasthofes, daß ihn Jemand zu sprechen verlange. Schnell machte er sich auf den Weg und fand – Aennchen.

Franz, sprach sie, Euer Zustand nagt mir allzusehr am Herzen. Da nun mein Gebet zu Hause nicht kräftig genug ist, ihn zu lindern, so will ich es auf andere Weise versuchen. Auf meine inständigen Bitten hat mich meine Base der Aebtissin eines sehr strengen Klosters empfohlen. Dorthin gehe ich eben, um durch meine lebenslängliche Andacht und Bußübung Euch, wie ich gewiß hoffe, ein besseres Schicksal zu bereiten.

Liebstes Aennchen! rief Franz im höchsten Schmerze, denn bis dahin hatte er den Gedanken, sie zu heirathen, noch nicht aufgeben können, so wäre denn auch diese eine, einzige Hoffnung, der einzige Zweck jenes unseligen Frevels in der Christnacht, mir gänzlich verloren?

Wie anders? erwiederte Aennchen. Unsere Verbindung könnte uns beiden doch nur neuen Unsegen bringen!

Leider, sprichst Du wahr, gutes Aennchen. Solltest Du denn aber darum das Opfer seyn? Nein, ich, ich selbst will' den Weg in's Kloster einschlagen, und das noch heutigen Tages!

Mit nichten, werther Franz. Laß mir doch immer das kleine Verdienst, Deine Vergehung, wo möglich, abzubüßen. Wenn ich nun einmal Dich entbehren soll, so mag ich einen Andern auch nicht. Und wozu könnte denn ich, im ledigen Stande, der Welt sonderlich nützen? Mit Dir aber ist es ein Anderes. Der Männer, geschickt wie Du, sollen, so sagte mein seliger Vater oft, nicht viele seyn. Drum bleibe Du bei Deinem Gewerbe, und hilf ferner die Ehre Gottes durch den Bau an seinen Heiligthümern befördern. Bin ich doch ohnehin, leider! die erste Veranlassung zu Deinem Vergehen. Denn unfehlbar hat nur mein früherer, böser Gedanke den bösen Traum in Dir erzeugt, der die unselige That zur Reife brachte!

Umsonst versuchte Pilsner mehrere Gegenvorstellungen; Aennchen beharrte bei dem Entschlusse, ja sein vielfältiges Bitten konnte sie nicht einmal zu Nennung des Klosters bewegen. Doch versprach sie, ihm dann und wann Nachricht von sich geben zu lassen.

Der Abschied war so betrübt, daß Franz ihn nicht zu überleben glaubte. Da er dies gegen Aennchen äußerte, sagte sie: Denke wenigstens, in welches Unheil uns mein strafbares Vorhaben schon gebracht hat und vereitele mein Bestreben für Deine zeitliche und ewige Ruhe nicht dadurch, daß Du frevelhaft selbst Hand an Dein Leben legest.

Franz gab ihr hierauf seine Zusage, dies gewiß nicht zu thun, und schlich traurig hinweg. Aber er kam nicht weit. Vielmehr wartete er ihrer auf der Straße, ergriff, als sie kam, mit beiden Händen Aennchens Rechte, und rief ihr, die solche, unwillig über ein so auffallendes Benehmen, zurückzog, noch ehe er sich schnell entfernte, ein Lebewohl zu, wovon, so leise er's auch aussprach, doch die geheimsten Tiefen ihrer Seele wiederhallten. –

Wirklich nahm Franz nach einiger Zeit die Wirkung von Aennchens Bußübungen an sich wahr. Die Gestalten, die ihn zu erschrecken pflegten, so wie das zuweilen auch ohne sichtbare Ursache ihn anschmetternde Hohngelächter quälten ihn immer seltener und seltener. Schon fing er an, auf künftige vollkommene Befreiung von den bösen Dingen zu hoffen, und betrieb sein Handwerk zwar nicht mit dem Muthe und Frohsinne der frühern Zeit, aber doch wieder ziemlich getrost und sicher. Nur fehlte ihm lange alle Nachricht von der Büßenden, bis endlich eines Abends ein Bettelmönch ihm Grüße brachte, und sich nach seinem geistigen und leiblichen Befinden in ihrem Namen erkundigte.

Die freundliche Miene des Mönchs bei dem guten Ausfalle der Erkundigung gab Franzen Muth, ihn um Entdeckung von Aennchens Kloster zu beschwören. Allein der Mönch verweigerte ihm diese durchaus.

Nach einiger Zeit kam er wieder mit Nachrichten und Grüßen, verwies aber Meister Pilsnern ernstlich die fortdauernden Forschungen nach Aennchens Aufenthalte.

Als jedoch der Mönch zum dritten Male ihn aufsuchte, sprach er also zu ihm: Lieber, ich habe dem hochwürdigen Bischofe, der außer der Aebtissin ebenfalls allezeit um meine Botschaft wußte, Euer Verlangen nach Wissenschaft von dem Kloster mitgetheilt, und auf meine Bitten hat er endlich gestattet, Euch sogar mit dahin zu nehmen und Eure vormalige Liebste an ihrem geistlichen Ehrentage, der Einkleidung als wirkliche Braut des Heilandes, in seinem Gefolge zum letzten Male zu sehen.

Franzens Freude würde sich noch mehr geäußert haben, wenn nicht mit dem Hohnlachen, das in dem nämlichen Augenblicke erscholl, die noch immer nicht ganz bezwungene Macht des Bösen über ihn, sich zu erkennen gegeben hätte. Der Mönch ertheilte ihm indessen den Trost, daß diese Macht nach der Ablegung des Gelübdes der beispiellos frommen Jungfrau wahrscheinlich ganz aufhören werde. –

Sie traten hierauf ihren Weg gemeinschaftlich an, und kamen grade am Abende vor der Einkleidung in die Gegend des Klosters. Der Mönch verließ Franzen im Wirthshause, mit dem Versprechen, ihn am folgenden Morgen zum Bischofe, der da erwartet wurde, abzuholen.

Kaum aber hatte der müde Wanderer sich seiner Schlafstelle genähert, so trat auch der Köhler zur Thüre herein und sprach: Vergebens wähnst Du meiner los zu werden, Du Thor. Aber aus freiem Willen werde ich von Dir lassen, wenn Du versöhnlichen Gemüthes bist.

Als hierauf Franz beide Hände vorhielt, um seine Nähe abzuwehren, auch jedes Wort mit ihm vermeiden zu wollen schien, da fuhr der Alte fort: Wer ist denn Schuld an dem übeln Vernehmen zwischen uns, als Du selber? Nachdem ich Dir zu einem ungewöhnlichen Glücke verholfen hatte, warfest Du's auf die beleidigendste Weise von Dir und thatest, was nur der gröbste Undank zu thun fähig ist. Du und Deine Braut, Ihr suchtet alles hervor, mich zu reitzen, und schreibt nun mein selteneres Erscheinen Euern lächerlichen Bußübungen und Gebeten zu! Statt der Vernunft Gehör zu geben, und eines erworbenen Glückes ruhig zu genießen, laßt Ihr Euch von loser Pfaffenmeinung bethören und ein Band trennen, um deswillen Du einzig meinen Beistand benutztest! Schäme Dich so toller Widersprüche in Deinem Handeln. Schäme Dich zwiefach des Weges hierher. So willst Du denn so niederträchtig seyn, morgen dem feierlichen Raube Deiner Braut selber beizuwohnen, zu dem Dich die tückische Hohnbegier der Pfaffen herbeschieden hat? So willst Du ihnen das Entzücken an der Qual Deines blutenden Herzens vergönnen? –

Pilsner trat einen Schritt zurück. Denn wirklich fühlte er schon im Voraus die Pein des morgenden Festes an seinem Herzen wüthen.

Franz, sprach hierauf der Köhler freundlicher, als jemals, vertraue mir, und noch in dieser Nacht schaffe ich Dich mit Deiner Braut weit von hier, auch soll Euch nicht das mindeste Leid wiederfahren.

Aber Franz, so sehr er auch erschüttert war von dem seiner Sehnsucht so wohlgefälligen Erbieten, raffte sich dennoch auf und sprach: Hebe Dich weg von mir! – Und sogleich eilte der Köhler davon, erbot sich jedoch noch immer auf den ersten Ruf in der Nacht wieder zu kommen und ihm zu seiner Braut zu verhelfen.

Die böse Nacht wollte für unsern Meister kein Ende nehmen, auch stand er in der That mehrere Mal auf dem Punkte, den Köhler herbeizurufen, so groß war sein Verlangen nach Aennchen und seine Furcht vor dem morgenden Gelübde. Gleichwohl überwand er den bösen Drang und freute sich recht sehr, daß es geschehen war, als mit dem freundlichen Morgenlichte auch in seiner Seele ein Licht aufging, wobei ihm klar wurde, was zu seinem Heile diente.

Zwar erklang das bekannte Hohnlachen diesmal so stark, daß ihm die Wände davon zu dröhnen schienen, wie jetzt der Bischof angefahren kam. Aber in der Nähe dieses frommen Mannes irrte es ihn gar nicht.

Bald darauf erschien der Mönch ihn abzuholen. Sie gingen, wurden jedoch im Kloster beide zum Warten beschieden. Denn so eben war die Aebtissin mit der Einzukleidenden bei dem Bischofe. Dieser segnete sie und redete sie also an: Anna, an Deinem trefflich frommen Wandel hat sich das ganze Kloster erbaut und erfreut. Jetzt aber sprich, ob es Dein fester, unwiderruflicher Wille ist, nie in die Welt zurückzukehren, und einzig dem hohen Bräutigam zu leben, dem Du Dich aus eigenem Triebe gewidmet hast?

Aennchen drückte ihr Verlangen darnach zwar stumm und demüthig, aber kräftig und unzweideutig genug aus.

Sage zuvor, sprach hierauf der Bischof strenge, sage, ob auch die reine Liebe zu Gott, nicht Nebenabsichten, Dein Ergreifen des heiligen Schleiers veranlassen; sage, ob, wenn Dein vormaliger, irdischer Bräutigam schon befreit wäre von dem Bösen, Du eben so frohen Herzens, wie jetzt, die Braut Deines Erlösers werden würdest?

Da erbleichte die Büßende und die Thränen, die aus ihren Augen stürzten, bezeugten ihre Scheu vor der Beantwortung dieser Frage.

Anna, sprach nun der Bischof, ich lese in Deiner Seele. So fromm Du auch bist, so wenig bist Du doch des hohen Bräutigams würdig. In seinem Namen verwerfe ich Dich! –

Da sank die Tiefgebeugte mit lautem Schrei zu des Bischofs Füßen und umfaßte dann stumm und zitternd die Kniee des heiligen Mannes, und er neigte sich zu ihr und fuhr mit milder Stimme also fort: Aber, ich erhebe Dich auch. Denn ist auch nicht allen gegeben, schon hier, einzig des Herrn zu seyn, so bist Du doch vor vielen würdig, solches dereinst, nebst Deinem Bräutigam, zu werden.

Und nun hob er sie empor, drückte seinen Mund auf ihre Stirne und winkte nach der Thüre. Da brachte man Franzen herein, und nachdem der Bischof ihn eine Weile freundlich betrachtet, nahm er mit seinem heiligen Segen alles von ihm hinweg, was den Armen zeither gepreßt und geängstiget hatte. –

Von Stunde an hatte der Böse keinen Theil mehr an dem Neubeseelten, der seine geliebte Anna bald nachher ehelichte, und mit ihr ein langes gottseliges Leben führte, das in dem fröhlichen Kinderkreise, der um sie heranwuchs, immer neue, hoffnungsreiche Blüthen trieb.



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