Sagen aus Schleswig-Holstein
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Der Schimmelreiter vom Eidelstedter Deich

Vor langen Jahren setzte in Friesland nach einem strengen Frost im Februar plötzlich warmes Tauwetter ein. Dazu gesellte sich ein furchtbarer Nordwest, der grimmige Wogen und gewaltige Eismassen gegen den Eiderstedter Deich trieb. Die Küstenbewohner; sahen voll Angst dem kommenden Unglück entgegen.

In der Nacht war der Deichgraf auf seinem Schimmel mit den Deichleuten zu einer gefährdeten Stelle am Deich geritten und gab ruhig und wohlüberlegt seine Befehle. Aber wenn auch viele fleißige Menschen rastlos arbeiteten, um einen Deichbruch zu verhindern, so mußte der Deichgraf schließlich doch erkennen, daß alle Mühe auf die Dauer vergeblich sein werde. Er befahl, in einiger Entfernung den Deich zu durchstechen und die Wogen einzulassen, damit größeres Unheil verhütet werde.

Die Deichleute waren starr vor Entsetzen und weigerten sich, seinem Befehl nachzukommen. Da fuhr sie der Deichgraf zornig an: »Ich trage die Verantwortung, ihr habt zu gehorchen.«

Mürrisch führten die Leute nun den Befehl aus; als aber die See brausend durch den Deich brach und immer größere Landflächen bedeckte, flammte der Zorn der Menge auf, und man bedrohte den Deichgrafen mit schrecklichen Verwünschungen. Dieser aber gab seinem Schimmel die Sporen, Roß und Reiter stürzten in die Flut und wurden nicht mehr gesehen. Bald schlossen mächtige Eisschollen den Durchstich, auch legte sich der Sturm, und die Wasser traten langsam zurück.

Später haben nächtliche Wanderer einen Reiter auf einem Schimmel aus dem Bruch hervorkommen sehen. Das ist der Deichgraf, der noch immer in stürmischen Nächten den Deich entlang reitet, als wolle er die Menschen vor einem nahen Unglück warnen.

 


 


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