Sagen aus dem Salzburger Land
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Der Mooshamer im Lungau

Auf dem alten Schloß zu Moosham im Lungau lebten vor langen Jahren zwei Brüder, die ein Herz und ein Gedanke waren. Was sie einander von den Augen ablesen konnten, tat einer dem anderen zu Gefallen. Nichts schien dieses traute Verhältnis stören zu können.

Da geschah es einmal, daß beide Brüder an einem Turnier teilnahmen, bei dem der eine einen goldenen Ring als Preis davontrug, während der andere leer ausging. Dieses an sich geringfügige Ereignis hatte die schlimmsten Folgen. Neid und Haß keimten im Herzen dessen, der beim Turnier übergangen worden war, und bittere Feindschaft trat bald an die Stelle brüderlicher Liebe. Hatten sie bisher gemeinsam im oberen Schloß gewohnt, so trennten sie sich nun, indem der eine oben wohnen blieb, während der andere im unteren Schloß seinen Wohnsitz nahm. Sie wichen sich aus, wo sie nur konnten, und ließen schließlich alle Fenster und Türen vermauern, so daß keiner den anderen zu sehen oder ihm zu begegnen brauchte.

Jahre vergingen, nichts änderte sich im Verhalten der Brüder. Da kam einmal ein fahrender Sänger vor das Schloß und ließ zur Harfe seine Lieder erklingen. Er sang von Liebe und Freundschaft und fand so herzliche Worte und rührende Töne, daß sich die in Zorn erstarrten Herzen der Brüder zu erweichen begannen. Sie blickten einander freundlich ins Auge, sie neigten sich schon, um den Versöhnungskuß zu geben, als der Glanz des goldenen Ringleins, das an der Hand des einen Bruders blitzte, den kaum erstorbenen Haß des andern von neuem und heftiger als vorher erweckte. Wütend griffen sie zu den Schwerten, wild schlugen sie aufeinander ein, und nach kurzem Kampf sanken beide, einer von des anderen Hand getroffen, sterbend zu Boden. Noch im Tode verzerrte unauslöschlicher Haß die erstarrenden Züge.

Seit jener schrecklichen Stunde steht das verfallene Schloß leer, kein Lachen dringt mehr aus seinen Mauern, niemals sind Frieden und Glück dort wieder eingekehrt. Des Nachts aber, wenn finsteres Dunkel das Land einhüllt, steigen zwei unheimliche Gestalten aus ihren Gräbern auf, ein feuerrotes Ringlein schwebt über ihnen, jener Ring, der die brüderliche Liebe getötet. Drohend starren sie einander an und schlagen mit den Schwertern los, daß die Funken sprühen. Der nächtliche Wanderer, der das schaurige Tosen hört, sucht schnell das Weite.

Niemand wagte das verrufene Schloß wiederaufzubauen. Erst in einiger Entfernung erhebt sich tapfer über dem Tal ein neues Grafenschloß.

 


 


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