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Nacherzählt von Ludwig Tieck
im Jahr 1800
Wie oftmals durch Gunst der Frauen Männer zu hohem Glück und Ehre gelangt sind, davon findet man in der Geschichte viele Beispiele, unter andern auch in folgender sehr wunderbaren Historie, die vielen nur ein Mährchen dünken möchte, weil einige Umstände zusammen treffen, die fast an das Unwahrscheinliche gränzen.
Zu alten Zeiten lebte in Frankreich ein Graf von Forst, er hatte viele Kinder, war arm und lebte in einem anmuthigen Walde. Dieser Graf hatte viele Noth seine Kinder adelich und nach ihrem Stande zu erziehn, weil es ihm am Vermögen fehlte. Sonderlich that ihm dieses um seinen jüngsten Sohn Reymund leid, der schon früh ein hochstrebendes Gemüth in sich spüren ließ, denn er sprach am liebsten von Rittern, die sich durch wunderbare Begebenheiten und große Thaten und den höchsten Ehren empor geschwungen hatten, auch ließ er sich vom Vater gern alte Geschichten erzählen, von solchen Leuten, die aus Armuth Fürsten und Könige geworden und wünschte sich ein gleiches Schicksal. Darüber wurde der Vater oft betrübt und führte ihm zu Gemüth, daß es nicht mehr die Zeit sei, an derlei Wunderwerke zu glauben und er möchte sich nur früh in seinen beschränkten Stand finden lernen. Reymund aber sagte: lieber Herr Vater, es ist noch nicht aller Tage Abend, so können wir auch nicht wissen, was aus mir noch werden möchte. Worauf der Vater antwortete: Nun, Gott möge Dich segnen, mein Kind, denn ich sehe wohl, Dein Sinn steht nach hohen Dingen.
Nicht weit vom Walde hatte der Graf Emmerich seine großen, weitläuftigen und reichen Güter; dieser war der Mutter Bruder des armen Grafen von Forst und also sein naher Vetter und Verwandter. Dieser Herr war neben seinem Reichthum in vielen Wissenschaften wohlerfahren, sonderlich in der Kunst der Astronomie, denn er wußte alle Abtheilungen des Jahrs, Mondwechsel, auch Sonnen- und Mondfinsternisse, konnte alles daraus wahrsagen und die schwersten Rechnungen machen: auch war ihm durch astrologische Weisheit das Firmament mit seinen Sternen nur wie ein lieber Freund, den er um Rath fragen durfte, wußte auch genau anzugeben, wo die Planeten standen und wann sie auf- und wann sie untergehn, in Summa er war von allen Leuten im Lande wegen seiner Kenntnisse und großen Reichthums sehr hochgeachtet. Dieser Mann hatte nur zwei Kinder, einen Sohn, welcher Bertram hieß, und eine Tochter. Er rechnete mit seiner Kunst aus, und wußte es auch schon vorher, daß seinem armen Vetter, dem Grafen von Forst, die Erziehung seiner vielen Kinder zur Last falle, nahm sich also in seinem großmüthigen Herzen vor, eins davon zu sich zu nehmen. Machte also ein großes Gastmahl und lud dazu auch seinen Herrn Vetter ein, der auch mit drei von seinen Söhnen kam, unter welchen sich Reymund, der jüngste, befand. Graf Emmerich sah, daß sich alle höflich betrugen und alle in guter Kleidung zu ihm kamen und war damit sehr zufrieden. Während der Mahlzeit warf er eine besondre Liebe auf Reymund, der sehr geschickt und artig sein Hütlein beim Beten vor das Gesicht zu halten wußte, wie wohl die andern sich auch andächtig bezeigten, nachher zierlich und sauber aß, seinem Herrn Vetter in allen Dingen aufwartete und sich überhaupt als ein feiner Gesell betrug.
Nachdem alle abgespeist hatten, gingen der Graf Emmerich und Graf Forst beiseit und Emmerich sagte zu seinem Vetter: ich danke Euch vielmals, mein Herr Vetter, daß Ihr zu meinem Gastgebot habt erscheinen wollen, auch alle so höflich und in neuen Kleidern gekommen seid, welches suchen werde, bei einer andern Gelegenheit zu vergelten. Ihr habt außerdem viele und wackre Kinder, und viele wohlerzogene Kinder besitzen, ist von je an für einen Segen des Himmels gerechnet worden; doch giebt es einen Fall, wo man sich lieber deren einige mit Freuden abthun möchte, wenn man nämlich sehr viele hat und sich selber dabei in Armuth befindet, denn alsdenn müssen die Kindlein der ihnen zukommenden Erziehung entbehren, wodurch sie nicht nur kein Vermögen, welches nicht sonderlich zu achten, bekommen, sondern selbst ihren zukünftigen guten und tugendhaften Lebenswandel verlieren. Will dieses übrigens nicht von Euch, Herr Vetter, gesagt haben, denn mir ist nicht unbekannt, daß einem so verständigen Manne fast alles möglich zu machen ist, wie Ihr es denn auch mit der That beweiset; wollte Euch dennoch höflichst und inständigst um Euer jüngstes Söhnlein Reymund gebeten haben, mir solchen zur Erziehung zu überlassen, denn er hat mir doch gar zu artlich gedünkt, sowohl mit Beten, als saubern Mundwischen, auch allem übrigen gottgefälligen Betragen, will ihn wie meinen eignen Sohn halten, ihm auch Vermögen hinterlassen.
Als der Graf von Forst diese Rede seines Herrn Vettern verstanden hatte, überkam er eine große Freude und antwortete: mein Herr, Euer edles Herz, wie Eure weltbekannte große Wissenschaft leuchten gleich sehr aus dem, was Ihr gesagt, herfür, und so geschieht es denn auch zu meiner grösten Zufriedenheit, daß ich Euch mein jüngstes Söhnlein, den Reymund, ob er mir gleich das allerliebste Kind, übergebe und ausliefere, denn bei mir hat er, wie Ihr wißt, kein großes Glück zu hoffen, darum will ich ihm mit meiner väterlichen Liebe nicht im Wege stehn. Nehmt ihn hin, und möge er Euch nur am letzten Tage noch eben so gut gefallen, als am ersten, möge er in der Gottesfurcht aufwachsen, damit Euch Eure Wohlthätigkeit und Liebe zu ihm nicht dermaleinst gereut.
So gaben sie sich die Hände und waren mit einander einverstanden. Der Reymund wurde von dem Handel unterrichtet und weinte viel, welches dem Grafen Emmerich wieder sehr gefiel, weil er daraus seine Liebe zum Vater erkannte und sich auch dergleichen versprechen durfte. Endlich schieden sie und der Graf von Forst reiste nach seinem Walde zurück.
Der Reymund war von nun an immer in Gesellschaft seines Herrn Vetters, der Grafen Emmerich, bei dem er alle adlichen Sitten, auch reiten und stechen lernte. Der Graf war ihm wegen seiner Tugenden so zugethan, daß er ihn fast seinem Sohne vorzog, worüber dieser aber auch nicht neidisch war, weil Reymund ihm höflich und freundlich begegnete, und überhaupt der Liebling des ganzen Hauses wurde. Wo er konnte, diente er jedermann, dabei war er niemals trotzig und hochmüthig, mit keinem zänkisch, sondern immer nachgebend. So wuchs er auf und der junge Graf Bertram war mit ihm von einem Alter.
Graf Emmerich war ein großer Freund von der Jagd und Reymund mußte ihn fast immer auf allen seinen Zügen begleiten. So waren sie auch eines Tages mit großer Gesellschaft in den Wald hinaus gezogen, mit Jägern und Hunden und allem Zubehör. So kam ein wildes Schwein daher, das sie alsbald niederlegen wollten, dieses aber haute viele von den Hunden zu Schanden, eilte wieder fort und zog die ganze Jagdgesellschaft nach sich in den Wald, so daß der Graf und Reymund allein zurück blieben. Es war schon Mondschein und Nacht in demselben Walde und nicht lange währte es, so waren sie verirrt, worauf Reymund zu seinem Herrn Vetter sagte: wir sind in der Nacht von unsern Leuten gekommen, haben auch die Hunde verloren, uns selber verirrt, darum wäre es wohl gut, einen Ort zu finden, wo wir unterkommen möchten. Worauf der Graf zur Antwort gab: Du rathest wohl, können wir es doch versuchen, denn der Himmel ist gestirnt und der Mond scheint helle genug. Darauf ritten sie im Holze hin und her, um einen geraden Weg zu finden, fanden ihn aber nicht und wurden verdrüßlich; endlich geriethen sie auf eine schöne Straße und Reymund sagte: dieses dürfte wohl die Straße nach unserm Schlosse sein; jetzt wollen wir nur einige von unsern Leuten aussuchen, die die Wege besser kennen: worauf der Graf mit den Worten erwiederte: es kann sein, ich will Deinem Rathe folgen.
Indem sie noch so ritten, betrachtete der Graf mit Aufmerksamkeit das Gestirn am Himmel, seufzte bei sich und sprach: O Gott, wie sind doch deine Wunder so groß und mannichfaltig, wie hast Du die Natur in solcher Gestalt zugerichtet und wie magst Du es zulassen, daß ein Mann durch seine Missethat zu so großem zeitlichen Glück und hohen Ehren gelangen möge? Komm hieher, mein Sohn, fuhr er gegen Reymund fort, und betrachte einmal die Gestalt des Himmels, sieh jenen röthlichen Stern, der herauf kommt und sich dem weißen nähert, sie machen zusammen ein wunderliches Licht und seltne Stellung und bedeuten, daß in dieser Stunde ein undankbarer Diener seinen Herrn und Wohlthäter erschlägt, und dadurch zu allem zeitlichen Glücke gelangt.
Wie ist dieses möglich, antwortete Reymund, daß Ihr es aus den Gestirnen erkennen mögt?
Die Natur, sagte Emmerich, ist wunderseltsam mannichfaltig und auch wieder sehr einfach, der Himmel ist ein Spiegel der Erde, die Erde des Himmels, ja ein jedes Ding spiegelt sich im andern wieder, erschafft jenes und wird erschaffen, dieselben Kräfte in vielen Gestalten, dieselben Bildungen aus verschiedenen Kräften, wie tausend Ströme die durcheinander fließen, sich verwirren und in schöner Ordnung regieren, wie tausend Geister, die sich spielend einer im andern bewegen und so die Welt im Wechsel darstellen und festhalten; mir und meinesgleichen ist die Kunst gegeben, den Abgrund an der Höhe des Firmamentes zu erkennen, ich finde die Gestirne in mir und im Abgrunde wieder, unser Herz zieht die Liebe der Geister an sich und so mögen wir im großen Spiegel Vergangenes und Künftiges wahrnehmen.
Dieses ist zu verwundern, sagte Reymund; worauf sie weiter ritten und ein Feuer fanden, das die Hirten im Holze angezündet hatten. Sie stiegen von den Pferden ab, suchten Holz zusammen und legten es auf das Feuer, weil es in der Nacht sehr kalt war, um sich an der Flamme zu wärmen. Als sie noch damit beschäftigt waren, sich zu wärmen, hörten sie durch das Holz etwas kommen, mithin ergriff Reymund sein Schwert, und der Graf seinen Spieß, und sie konnten nicht damit geschwinde genug sein, denn es kam ein großes Schwein, klopfete mit seinen Zähnen an den Bäumen und schnaubete sehr. Da schrie Reymund seinem Vetter zu und sprach: O Herr Vetter, schont Euer Leben und steigt lieber in aller Eile einen Baum hinauf. Der Graf aber that dieses nicht, sondern sagte: Solches ist mir noch nie vorkommen noch widerfahren, soll mir auch, wenn es Gott will, niemals fürgehalten noch bewiesen werden, daß ich vor einem Schweine so schändlich fliehe, oder mich auf die Bäume begebe. Dem Reymund that es Leid, daß sein guter Rath nicht befolgt wurde; der Graf hielt hierauf den Spieß vor, das Schwein lief daran, schlug aber den Stich ab, indem es sich nur wenig verwundete, und den Grafen zur Erden niederwarf. Darauf nahm Reymund seines Herrn Vetters Spieß, wollte damit das Schwein niederlegen, fehlte aber und stieß damit in seines Herrn Vetters Leib, zog ihn aber gleich wieder heraus und brachte das Schwein um, kehrte sich wieder zu seinem Herrn Vetter, fand ihn in Todesnöthen liegen und sah, wie er alsbald verschied.
Wie nun Reymund das jämmerliche Unglück, so er angerichtet, recht bedachte, fing er eine laute und bittere Klage an, raufte seine Haare aus, rang die Hände und weinte von Herzen, indem er ausrief:
Ach Glück! wie hast Du mich so arg belogen,
Reich machst Du arm, und Arme oft zu Reichen,
Dem magst Du Trost, dem andern Jammer reichen,
Dem bist Du Feind, und jenem dort gewogen.
Bös Glück! welch Leid hast Du mir zugewogen?
Ist noch ein Jammer meinem zu vergleichen?
Muß so der edle Vetter mein erbleichen?
Wollt' ihn erretten, wurde schlimm betrogen.
Ich stieß ihn undankbar in sein Verderben,
Das Auge mußte, so die Hand auch fehlen,
Der eigne Speer von seinem Blut geröthet:
O könnt' ich doch an seiner Seite sterben,
Denn so wird der Verdacht mich ewig quälen,
Ich habe gar mit Vorsatz ihn getödtet.
So klagte er in der Nacht und alle seine Sinne kamen in Verwirrung, er wußte nicht mehr, ob er die Mordthat mit Fleiß begangen hatte, und klagte sich selber auf das härteste an. Dann setzte er sich in Leid und Betrübniß wieder auf sein Pferd, wußte nicht wohin und ließ es ohne Lenkung und Führung freiwillig dahin gehn, wohin es nur wollte.
Es befand sich ein Brunnen im Walde, auf einem schönen freien Platz, der aus einem Felsen entsprang und den man gewöhnlich nur den Waldbrunnen nannte; hieher ging das Pferd mit Reymund, und beim Brunnen standen drei schöne Jungfrauen, die aber Reymund in seiner tiefen Betrübniß nicht bemerkte. Die jüngste und schönste von den dreien ging ihm entgegen, und sagte: nie ist mir ein solcher Ritter vorgekommen, der vor Damen vorbei reitet, ohne sie anzureden. Reymund aber trieb sein Klagen und Jammern weiter, so daß er gar nicht hörte, was sie sagte, worauf sie das Pferd beim Zügel fing und sprach: Ihr müßt wohl nicht aus adelichem Blute sein, denn sonst würdet Ihr uns nicht so stillschweigend vorüber reiten.
Nun erwachte Reymund erst aus seiner Betäubung und erschrak, als er ein so schönes Fräulein vor sich sah: er wußte nicht, war er lebend oder todt, oder war sie ein Gespenst, oder ein Fräulein. Er stieg aber alsbald mit der größten Behendigkeit von Pferde herunter und sagte: ich bitte, Ihr wollet mir verzeihen, denn ich bin wohl ein Ritter und aus adelichem Blut, aber meine Unglücksfälle haben mich dermaßen erschüttert, daß ich vor tiefster Betrübniß Artigkeit gegen Damen aus den Augen zu setzen mich genöthigt sehe.
Sie antwortete: lieber Reymund, Euer Klagen und Euer Unglück thun mir sehr leid. Worüber er sich verwunderte, daß sie seinen Namen wußte und sagte: Wie könnt Ihr doch meinen Namen wissen, da ich Euch nicht kenne? Wie ist es denn möglich, daß Ihr Euch mit dieser großen Schönheit, edlem Leibe und trefflichen Angesichte hier allein im Walde befindet? Und wie kömmt es, daß mir mein Gemüth sagt, es würde mir durch Euch einiger Trost zukommen, ja daß ich schon, indem ich mit Euch rede, den süßen Klang der Stimme von diesen holdseligen Lippen vernehme, in zauberischer Gegenwart Eurer Lieblichkeit, meine Leiden gelindert fühle?
Das Fräulein sagte hierauf: theurer Reymund, habt Ihr gleich Euren Herrn Vetter und das Schwein umgebracht, und seid dadurch in große Noth gerathen, so ist dieses doch gegen Euren Willen geschehn und ich sage Euch hiermit, daß Euch Glück, Reichthum und Macht wird zu Theil werden, wie noch keinem jemals in Eurer Familie geschah, denn was Euer Herr Vetter geweissagt hat, das muß an Euch selber in Erfüllung gehn und es wird auch mit göttlicher Hülfe vollbracht werden.
Wie Reymund hörte, daß sie von göttlicher Hülfe sprach, wurde er noch beherzter, weil er nun glaubte, daß das Fräulein kein Gespenst, auch keine Heidin, sondern eine Christin sei, und sagte daher: aber mein schönstes Fräulein, wie wißt Ihr doch meinen Namen, oder welch ein Unglück mir begegnet ist, da ich Euch vorher niemals mit Augen gesehn habe, denn Ihr wart nicht zugegen, als das Unglück geschah, noch habe ich Euch vorher jemals bemerken können.
Sie sagte: tröstet Euch nur und seid allerdings unbekümmert, denn ich bin eben diejenige, durch welche das in Erfüllung gehn muß, was Euer Herr Vetter kurz vor seinem Tode geweissagt hat: zweifelt auch nicht daran, daß ich eine gute Christin sei, wie ich denn in der That merke, daß Ihr daran zweifelt, denn ich glaube alles, was einem guten Christen zu glauben zukommt, als daß Christus für unser Heil gestorben und an das bittre Kreuz genagelt ist, daß er nach dreien Tagen auferstanden, item, daß er der eingeborne Sohn Gottes ist, und so weiter, gen Himmel gefahren, nebst allen Dingen, die zu unsrer heiligen Religion gehören. Darum vertraut mir nur, und Ihr sollt so weise, reich und mächtig werden, wie es noch keiner je in Eurem Geschlechte gewesen ist.
Als Reymund dies gehört hatte, bekam er seinen Muth und auch seine Farbe wieder, denn alle Zweifel waren nun bei ihm verschwunden; er antwortete daher: holdseligstes und schönstes Fräulein, nunmehr bin ich bereit, alles das zu thun, was Ihr mir gebieten werdet, denn ich sehe wohl, daß es eine Schickung Gottes ist, und nichts anders: darum sagt mir nur, was ich thun soll, und wenn es nicht mein Vermögen oder meine Kräfte übersteigt, soll es gewiß in Erfüllung gesetzt werden.
Worauf das Fräulein antwortete: Reymund, Ihr sollt mir schwören, daß Ihr mich zum ehelichen Gemal nehmen wollt, aber an keinem Sonnabend weder nach mir fragen dürft, noch Euch sonst um mich bekümmern, sondern diesen Tag muß ich ganz ausdrücklich für mich behalten, worauf ich Euch aber wieder schwöre, nichts zu thun, noch mich an selbigem Tage irgend an einen Ort zu verfügen, der Eurer Ehre nachtheilig sein könnte.
Reymund schwur sogleich und sie fuhr fort: wenn Ihr diesen Euren Schwur jemals brecht, so wird es Euch selbst zum Nachtheil gereichen, denn Ihr werdet dadurch an Gut und Ehre, an Land und Leuten merklich abnehmen; auch werdet Ihr mich selbst verlieren. Reymund schwur noch einmal und versprach, ihr in allem zu gehorchen, worauf sie ihm sagte, daß er nach dem Schlosse zurück reiten möge, und sagen, daß er seinen Herrn Vetter im Walde verloren habe und nicht wisse, wohin der gekommen sei, man werde diesen hierauf suchen, finden und mit vielen Wehklagen begraben. Dann würden alle Vasallen erscheinen, den jungen Grafen Bertram für ihren Lehnsherrn erkennen, und die Lehn von ihm begehren, zu diesen solle er sich auch begeben und zum Lohn für seine Dienste nur so viel Landes bitten, als man mit einer Hirschhaut umschließen könne, welches ihm jener gewiß nicht versagen würde; er solle aber nicht vergessen, sich hierüber eine schriftliche Versicherung mit allen Siegeln ausfertigen zu lassen. Reymund würde hierauf einem Manne mit einer Hirschhaut begegnen, dem er sie abkaufen müsse, ohne zu handeln, diese müsse er in die dünnsten Riemen schneiden lassen, sie in einem Büschel zusammenlegen, und sich am Tage der Vergabung damit nach dem Waldbrunnen begeben, hier solle er mit dem Riemen dann so viel Land umfassen, als ihm nur möglich wäre. Nach allem diesen zeigte sie ihm noch den rechten Weg nach dem Schlosse und bestimmte ihm einen Tag, an welchem er sie wieder am Brunnen im Walde sprechen könne.
Reymund empfahl sich ihr, versprach alles auszurichten, wie sie es ihm befohlen und eilte alsdann nach dem Schlosse zurück. Als er des Morgens dort ankam, fragte ihn jedermann nach dem Grafen seinem Herrn; er aber sagte, er habe ihn im Walde verloren, wisse nichts von ihm, könne also auch keine Nachricht ertheilen. Endlich kamen des Grafen Diener alle von der Jagd wieder zurück, keiner von allen wußte vom Grafen. Da entstand im Hause ein großes Wehklagen, besonders von den Kindern und der Gräfin ihrer Mutter. Die Diener wurden ausgeschickt, das Holz wurde durchsucht und endlich fand man auch den Leichnam neben dem todten Schwein. Sie brachten ihn in das Schloß und das Wehklagen und das Jammern vermehrten sich noch um ein Großes: wurde dem todten Grafen hierauf ein köstliches und ehrliches Begräbniß angestellt, die Glocken geläutet, alt und jung versammelt und in Thränen, der Mann allgemein bedauert, und Männer und Frauen, Geistliche und Weltliche in schönen Trauerkleidern zugegen, alle hoch und tiefbetrübt, vorzüglich Reymund, wie es ihm das Fräulein im Walde gerathen hatte.
Als der Graf begraben war, kamen alle Vasallen und Lehnsleute zu seinem Sohne, um die Lehn von ihm zu empfangen, unter diesen auch Reymund, der so, wie ihn Melusina unterwiesen hatte, nur um so viel Landes beim Waldbrunnen bat, als er mit einer Hirschhaut umschließen könne. Dem Bertram schien dies für seine langen und getreuen Dienste eine geringe Belohnung, hielt ihn überhaupt für im Kopfe verwirrt, und sagte ihm also mit verbißnem Lachen dieses Erdreich zu. Ließ hierüber auch ein Dokument mit seinem Siegel und Petschaft ausfertigen, so daß nachher kein Streiten darüber möglich war. Denselben Morgen noch kaufte Reymund die Hirschhaut, die er in einen langen und ganz dünnen Riemen schneiden ließ und als dies gethan war, ging er wieder zum Grafen Bertram, ihn zu bitten, ihm nunmehr die versprochne Gabe durch einige seiner Räthe überantworten zu lassen.
Sogleich wurden einige von den Räthen mit ausgeschickt, und Bertram lachte innerlich, daß jener sein Besitzthum einer Hirschhaut so eifrig betrieb. So kamen die Räthe mit Reymunden zum Waldbrunnen, und verwunderten sich über die maßen als sie sahn, daß er die Hirschhaut zu einem ganz dünnen Riemen geschnitten hatte. Zwei unbekannte Männer nahmen hierauf den Riemen, steckten einen Pfahl in die Erde, und umzogen nun mit den Faden viel Holz, Wiesen und Felsen, den Waldbrunnen und eine große Weite des Thals, in welchem ein angenehmer Bach floß. Die Räthe waren gar sehr erstaunt, mußten aber den Vertrag halten, welchen Graf Bertram mit seinem Wappen untersiegelt hatte. Die Räthe kamen hierauf zum Grafen zurück und erzählten ihm, was vorgefallen, die Hirschhaut sei ganz in einen dünnen Riemen zerschnitten, zwei unbekannte Männer hätten damit viel des Gebiets beim Waldbrunnen umschlossen, es habe geschienen, als wenn der Riemen sich immer mehr auseinandergezogen, je weiter sie gegangen, auch sei ihnen das ganze Revier viel größer vorgekommen, als es ihnen wohl ehemals geschienen. Worauf der Graf antwortete: Es ist eine fremde Sache und mag wohl ein Gespenst sein, denn ich habe oft sagen hören, daß fremde Wunder bei dem Waldbrunnen geschehn sein, gebe Gott nur, daß es zu seinem Besten ausschlage, denn er ist doch unser Vetter und naher Verwandter, ist immer besser, als wenn er im Haupte verwirrt wäre, wie ich anfangs gedachte, so ist er aber klüger, als man von ihm denken mochte, dürfen es ihm auch nicht mit Gewalt wieder nehmen, weil er unsre Unterschrift und Siegel hat. Reymund ging hierauf selber noch zum Grafen, um ihm für die empfangene Gabe Dank zu sagen, der ihn auch sehr freundschaftlich empfing.
An dem bestimmten Morgen ging Reymund ganz in der Frühe wieder zum Waldbrunnen, wo er auch schon seine geliebte Melusina, seiner wartend, antraf, die ihm mit den Worten entgegen kam: sei mir gegrüßt, Reymund, Du bist ein weiser und vernünftiger Mann, denn Du hast alles so ausgerichtet, wie ich es Dir gerathen habe. Hierauf gingen sie in eine Kapelle, wo sie viel schönes Volk, Frauen, Ritter, Knechte, Priester und kostbar gekleidete Leute sahen. Reymund verwunderte sich und fragte, wo alles das Volk hergekommen sei? Melusina antwortete: wundere Dich nicht darüber, denn es ist alles das Deinige und sie sollen Dir auch ihre Ehrerbietung bezeigen. Hierauf wendete sie sich zu den Leuten und befahl ihnen, den Reymund als ihren Herrn anzuerkennen, und ihm Treue, Gehorsam und Liebe zu geloben, welches sie auch alle sogleich mit großer Freude und aller Unterwürfigkeit thaten.
Reymund wollte noch immer nicht seinen Augen trauen, dachte: wo krieg' ich all dergleichen Volk her? wobei er innerlich zu Gott betete, weil er meinte, es dürfte das ganze Wesen nur ein schlimmes Gespenst sein. Melusina weckte ihn bald aus diesen Gedanken, indem sie zu ihm sagte: Reymund, nicht eher sollst Du ganz meinen Stand und mein Wesen erkennen und erfahren, bis ich Dein ehliches Gemal bin. Worauf Reymund sagte: ich bin bereit, Euren Willen zu allen Zeiten zu erfüllen. Nun wohlan, sprach Melusina, so wollen wir unsre Hochzeit auf künftigen Mondtag ansetzen, doch muß es dabei eine ganz andere Gestalt haben und ehrlich zugehn, so daß wir alle Gebräuche erfüllen, die dabei üblich sind; lade daher Gäste und Zeugen ein, und sorge nicht, daß es an Speis und Trank, oder irgend einer Ergötzlichkeit fehlen dürfte, denn ich will alles besorgen.
Reymund ritt hierauf wieder nach dem Schlosse seines Vetters, des Grafen Bertram, zurück, er fand ihn bei seiner Frau Mutter, trat vor beide hin, machte einen zierlichen Reverenz und sagte: Gnädiger Herr Vetter, auch gnädige Frau, es ist billig, da ich Euer Verwandter und Diener bin, Euch meine Geheimnisse nicht länger verborgen zu halten, muß Euch also sagen, daß ich mir eine Frau nehmen will, und die Hochzeit am nächsten Mondtage beim Waldbrunnen zu feiern gesonnen bin, bitte Euch also beiderseits demüthig, mir die Ehre zu gönnen und dabei Eure persönliche hohe Gegenwart zu schenken.
Der Graf antwortete hierauf: Mein lieber Herr Vetter, Euch zu Ehren und zu Liebe will ich herzlich gern dahin kommen, auch mit anständigem Gefolge, hoffe auch, daß meine Frau Mutter mit mir gehen wird; doch muß ich fragen: wer ist Dero Frau Gemalin, oder von wannen ist sie, denn es wäre nicht gut, wenn sich mein Herr Vetter durch eine zu schnelle Heirath unglücklich machte. Aus welcher Gegend und von welchem Geschlechte ist sie? denn ich möchte auch gern wissen, ob sie denn wohl adlich sei, da ich Euch zu Ehren mit Gefolge und meiner Frau Mutter auf Eure Hochzeit kommen will.
Reymund antwortete: Herr Vetter, es kann nicht geschehn, es jetzt zu sagen, denn ich weiß es dermalen selber noch nicht, ich weiß auch nicht von wannen sie ist, oder was sonst ihr Wesen sein mag, begnügt Euch damit, sie Mondtags in ihrem Stande zu sehn.
Der Graf antwortete: Herr Vetter, das ist ziemlich wunderlich, daß Ihr ein Weib nehmt, welches Ihr selbst nicht kennt, ich fürchte, daß Ihr angeführt werdet, wie es schon so manchem ergangen ist, und komme fast auf meine erste Vermuthung zurück, daß Ihr im Haupte verwirrt sein mögt. Ihr nehmt mir diesen meinen guten Rath nicht zum übeln, denn es geschieht nur deswegen, weil ich zu Eurer Hochzeit kommen soll und da fiele die Schande nachher auch mit auf mich.
Reymund antwortete: Herr Vetter, Eure Warnung nehme nicht sonderlich übel, weil Ihr meine Gemalin nicht kennt, die so schön und klug ist, daß sie ohne Zweifel von hoher Abkunft sein muß, bin übrigens im Haupte recht gescheidt, trotz dem Besten im ganzen Lande und zu jeder Probe erböthig, will übrigens die Frau selber heirathen und keinen andern dazu überreden, steht sie mir an, so ist es gut, ist sie mir schön und edel genug, so hat Niemand weiter etwas darnach zu fragen, gräme mich auch nicht übermäßig, wenn Ihr nicht zu meiner Hochzeit kommen wollt, denn ich werde schon andre und nicht minder gute Gäste zu finden wissen.
Es war nicht so gemeint, mein lieber Herr Vetter, antwortete hierauf der Graf behende, denn er furchte sich; ich und meine Frau Mutter und die meinigen wollen zur Hochzeit kommen, und rechnen es uns zu sonderbarer Ehre dazu geladen zu sein. Wofür sich denn Reymund mit vielen und höflichen Worten bedankte.
Am Mondtag Morgen ritt der Graf Bertram mit seiner Mutter und seinem Hofgesinde aus, nach dem Waldbrunnen zu; man unterredete sich unterwegs davon, wie man wohl keine Herberge finden dürfte, weder für Pferde noch Menschen, noch auch Speise und Trank in gehörigem Maaß, oder andre Ergötzlichkeit, indessen tröstete sich der Graf und meinte, ein schlimmer Tag würde bald vorübergehn. So zogen sie durch den Wald und als sie auf den offnen Platz zu den Felsen kamen, zeigten sich zwischen den Bäumen viele schönen Zelter auf dem grünen Boden aufgebaut, allenthalben sah man einen großen Rauch aufsteigen vom Kochen und vom Braten, eine Menge Volks in schönen Kleidern war zugegen, die Zelter prangten mit Fähnlein und buntgemalten Wappen, liebliche Musik erscholl, die Köche waren bei den Backöfen und in den Küchen geschäftig, adliche Herrn und Damen sah man auf dem reizenden Plan hin und wieder spazieren. Alle dachten, es möchte wohl ein Gespenst sein, was sie sahen, als ihnen sechszig treffliche Ritter entgegen kamen und sie im Namen des Bräutigams und der Braut begrüßten, worauf sie sie zu Reymunden selber brachten, der ihnen vor allen übrigen Gästen die zugegen waren, die größte Ehre erwies.
Die Pferde wurden ihrerseits an die Krippen gezogen, wo man ihnen schönen Haber vorlegte, Frauen und Jungfrauen kamen der Gräfin entgegen, um sie zu empfangen, worüber sich diese nicht genug verwundern konnte, da sie sich an diesem seltsamen Orte dergleichen Aufnahme nicht versehn hatte. Reymund führte hierauf die Gäste in seine Wohnung, wo auch eine Kapelle war, reich mit mancherlei Kleinodien ausgeziert. Nun wurde zur Brautmesse geläutet, und das schöne Fräulein Melusina trat in allem ihrem Schmucke herfür, so daß aller Augen von ihrem Glanze wie von ihren Reizen geblendet wurden; ein feines Gewand schloß sich an den edlen Wuchs der Glieder, und wie die Sommerlüfte spielend um sie wehten, flossen in zarten Wellen die Falten des Gewandes, als wenn die Göttin aus dem Meere gestiegen wäre und so eben die letzten Wogen von ihr niedergleiten wollten: ein Blumenkranz verschönte das Haupt, und den Busen trug sie frei, auf dessen Glanz die reichen Kleinodien mit unterschiedlichen Farben schimmerten. Nun erhoben sich auch die fröhlichen Saitenspiele, auch Musik mit Flöten und Posaunen, alle Sinne der Gäste waren geblendet und in Entzücken und der Graf Bertram sagte in seinem Herzen: dieses ist warlich eine Hochzeit, die sich sehen lassen darf.
Hierauf wurd Reymund in der Kapelle von einem vornehmen Bischoffe mit seiner geliebten Braut vermält. Dann verfügte man sich an die Tafel, wo die köstlichsten Speisen und die schönsten Weine für alle im Ueberflusse da waren. Allen gefiel das und es war keiner, der nicht mit Appetit das Essen zu sich genommen, denn es war überdies vortrefflich zubereitet. Nach der Tafel wurde man erst fröhlich, da fing auf dem Plan ein Stechen und Thurnieren an, bei welchem sich Reymund mit seiner Geschicklichkeit vorzüglich auszeichnete. Hier wurden viele köstliche Kleinodien gewonnen, welche die edle Melusina zu Preisen ausgesetzt hatte; die Damen empfanden über die Uebungen der jungen Ritter ein großes Vergnügen.
Am Abend war wieder ein herrliches Mahl zubereitet, man setzte sich wieder zu Tische, aß und trank und machte mit schönen Worten Spas, der selten ist. Darnach wurden die Tänze angefangen, die bis tief in die Nacht währten.
Als nun die Zeit gekommen war, daß die Braut zu Bett gebracht werden sollte, so wurde sie von schönen Frauen in das Schlafgemach geführt. Hier stand ein prächtiges Bett, das mit Lilien besteckt war, schöne Teppiche und Vorhänge von der seltensten Stickerei zierten das Gemach, nicht minder treffliche Mahlereien. Hier sah man in den lebhaftesten Farben die nackte, badende Leda und den schneeweißen Schwan, der sich liebkosend an sie schmiegte, indeß sie verwundert und entzündet mit durstenden Lippen in der Luft nach erwiedernden Küssen suchte: hier entsprang die Göttin der Liebe aus der Flut und schwimmende Najaden brachten ihr Korallen und Lobgesänge entgegen. Dort war Mars im Netze mit der Venus in einer Stellung festgehalten, die die Blicke der lüsternen Götterschaar entzückte. Hier badete Galatea und die Wellen schmiegten sich zärtlich zu ihren Füßen und ein schelmischer Widerschein fing das Bildniß der lieblichen Gestalt auf. So waren noch andre treffliche Gemälde und Darstellungen und das Zimmer war außerdem reich und kostbar verziert. Die edlen Frauen entkleideten die Braut, wobei sie sich selber über ihre Schönheit verwunderten und dem Bräutigam Glück wünschten, worauf sie sie in das Bett legten. Nun wurde auch Reymund hereingeführt, der sich alsbald zu seiner Melusina begab, worauf der Bischoff hereintrat, um sie beide einzusegnen. Er erstaunte über die Trefflichkeit des schönen Gemachs und sagte: Ihr habt da gar herrliche Schildereien, edler Herr, es ist ein wahres Wunder für die Augen. Als er dieses gesagt hatte, segnete er sie ein und betete viele schöne Gebete über ihnen.
Einige von den ältern Gästen begaben sich nunmehr auch zur Ruhe, die jungen aber blieben beim Tanzen munter, andre lustwandelten einsam mit ihrer Geliebten in dem grünen Labyrinth der Büsche, andre Damen und Ritter versammelten sich in der Nähe des Brautgemachs, um den Neuvermälten einige süße Lieder zu singen. Eine Stimme begann bei einem leisen Klang der Instrumente:
Wann die Rosenzeit gekommen,
Spielt um sie die warme Luft,
Ihnen ist die Furcht benommen,
Sie ergießen süßen Duft.
Winde buhlen mit den Rosen,
Willig bricht die Knospe los,
Eilt entgegen süßem Kosen,
Oeffnet lachend ihren Schoos.
Hierauf sang eine andre Stimme:
Zarte Arme zum Umarmen,
Lippen für den süßen Kuß,
Busen daran zu erwarmen,
Leib zum herrlichen Genuß.
Rosen, Lilien, sind verstreuet
Auf den wundersüßen Leib,
Und der Liebe Gunst erfreuet
Bräutigam und junges Weib.
Das Chor der Frauen sang lieblich, indessen die Instrumente ihre Töne erhoben:
Du bist nun ohne Hülfe eingefangen,
Und mußt dich, Braut, dem stärkern Mann ergeben,
Drum sei zufrieden, unterlaß dein Bangen,
Geküßt gieb Küsse wieder ohne Beben,
Die Zeit des Mädchenstandes ist vergangen,
Du lernst ein liebend und geliebtes Leben,
Drum magst du dich wohl seiner Weisung fügen,
Anfangs besiegt wirst du am Ende siegen.
Das Chor der Männer stimmte an:
Nein, keiner wird den Sieg von beiden haben,
Und beide werden schönen Sieg gewinnen,
Sie theilen ohne Neid die süßen Gaben,
Und jeder reißt des andern Geist von hinnen,
Sie kriegen nun, am Frieden sich zu laben,
Indessen sie auf neue Tücke sinnen,
Doch keiner hat des Friedens Ruh verschworen,
Aus Zwietracht wird die Eintracht hold geboren.
Nun vereinigten sich die verschiedenen Stimmen in einen einzigen Chor und sangen frohlockend:
Es streift die Liebe durch den Duft der Linden,
Der Glanz der Sterne küßt die Blum' im Stillen,
Sehnsucht und Lieb' des Himmels Räum' erfüllen,
Innbrünst'ger Wunsch seufzt in den nächtgen Winden.
In einen Kuß müßt ihr all' Sinne binden,
In einen durstgen Blick Begier und Willen,
Nun gilts nicht Seel' und Leib mehr zu verhüllen,
Und wundersüße Gaben sollt ihr finden.
Ein süß Erstaunen fesselt Herz und Sinnen.
Die Liebe brennt in Augen, Lippen, Händen,
Die Küsse küssen sich, nicht mehr verschieden.
Ungleiche Waffen? Wer wird da gewinnen?
Der Sieg will sich nach keiner Seite wenden,
Sie sind im Kämpfen einger als im Frieden. –
Dergleichen Lieder wurden noch mehr gesungen. Melusina lag indessen beim Reymund und sagte zu ihm mit lieblicher Stimme: ich bin nun ganz die deinige, mein herzliebster Gemal und Freund, und muß mich in allen Dingen deinem Willen fügen, nur mußt du deinen Schwur, den du mir gethan, niemals brechen, sonst kommst du von Glück in Unglück, von Ehre in Elend. Reymund bestätigte ihr seine Treue noch einmal, worauf sie in dieser Nacht von ihm mit einem Sohne schwanger wurde, den sie nachher Uriens nannten.
Diese Hochzeit währte mit allen ihren Festlichkeiten zwei Wochen hindurch, nach welcher Zeit Melusina aus einem helfenbeinernen Schranke eine Menge kostbarer Kleinodien nahm und jedem der anwesenden Gäste ein herrliches Stück verehrte, vorzüglich aber dem Grafen und seiner Frau Mutter, auch die Dienerschaft wurde mit Geschenken bedacht, worauf sich denn alle Gäste wieder unter vielen Danksagungen entfernten. Auch der Graf Bertram und die Seinigen nahmen freundlichen Abschied, welche Reymund mit vielen von seinen Leuten zu Pferde begleitete. Der Graf hätte den Reymund gern nach dem Stande der Melusina gefragt, aber er furchte sich vor ihm, von wegen seiner neulichen Antwort; Reymund dankte ihnen nochmals für die erwiesene Ehre, beurlaubte sich mit aller Höflichkeit und ritt zurück.
Reymund kam zurück zur Melusina, küßte sie freundlich und sagte: Allerliebste Gemalin, womit sollen wir uns nunmehr die Zeit vertreiben? Melusina antwortete: ich hoffe, Gott wird uns mit allem dem versehn, was wir nur bedürfen.
Nach einigen Tagen fing Melusina einen großen und prächtigen Bau an, über welchen sich die ganze Nachbarschaft verwunderte, denn noch niemals hatte man ein so mächtiges Kastell und in so geringer Zeit aus seinem Fundamente heraufsteigen sehen. Sie bezahlte die Arbeiter reichlich und auch gleich baar, wodurch sie alle die Lust zum Baue behielten. In weniger als einem Jahre stand ein großes und festes Schloß mit seinen Zinnen, Wällen, Zugbrück und sehr tiefen Gräben da, welches nach seiner Festigkeit fast für unüberwindlich gehalten wurde, und welches sie Lusinia nannte, wodurch sie gleichsam auf ihren eignen Namen anspielend deutete.
Nach neun Monaten gebar Melusina einen Sohn, der Uriens genannt wurde, und der sonst wohlgestaltet war, nur befand sich sein Angesicht seltsam eingerichtet, denn dieses war kurz und breit, mit einem rothen und einem grünen Auge, einem sehr weiten Mund, und hatte darneben noch große herabhangende Ohren: sonsten war seine übrige Gestalt adelich und fein und er wuchs nachher zu einem schönen und tapfern Ritter auf.
Im folgenden Jahre gebar Melusina wieder einen Sohn, der Gedes getauft wurde; dieser hatte eine solche Röthe in seinem Antlitze, daß sie ordentlich einen Widerschein gab, sonst war er übrigens von edler Bildung. Hierauf wurde von der Melusina ein anderes Schloß, Favent, gebaut, hernach legte sie der Mutter Gottes zu Ehren ein Kloster aus Andacht an, welches sie Malliers nannte; zuletzt aber baute sie eine ganze Stadt, Portenach.
Darauf gebar sie wieder einen Sohn, der war zwar schön, doch stand ihm das eine Auge höher als das andre, und wurde Gyot genannt. Worauf sie wieder ein Schloß bauen ließ, mit einer sehr schönen und kunstreichen Brücke über den Strom allda. Dann brachte sie wieder einen Sohn zur Welt, der Antoni geheißen wurde und der eine Löwenklaue auf dem Backen mit auf die Welt brachte, auch war er sehr wild und ganz rauch von Haaren, und als er größer wurde, mußte sich jedermann vor ihm fürchten, welcher ihn sah.
Dann gebar sie wieder einen Sohn, den Reinhardt, der nur ein Auge mitten auf der Stirne hatte, damit aber so viel sah, wie andre mit zweien und nachher sehr brav und tapfer wurde. Nicht lange gebar sie wieder einen andern Sohn, den Geoffroy; dieser kam mit einem großen Zahn zur Welt, der ihm fast wie ein Eberzahn aus dem Munde heraus stand, dieser wurde nachher ein sehr tapfrer Ritter, hatte aber einen mehr wunderlichen Sinn, als alle seine Brüder zusammen genommen. Reymund sagte bei dieser Gelegenheit zu seiner liebsten Gemalin: werthe Frau, was bringst du mir doch für seltsame Kinder zur Welt? soll denn kein einziger ohne einen Makel erfunden werden? Sonderlich betrübt mich dieser Geoffroy mit dem Zahn, denn er erinnert mich an mein ehemaliges Unglück mit meinem Herrn Vetter und an das Schwein; ich fürchte immer, daß uns durch diesen Sohn irgend ein Leid zustoßen wird. Melusina antwortete: wir wollen ihn in der Furcht des Herrn erziehn und er wird ein wackrer Ritter werden.
Darnach gebar sie wieder einen Sohn, den Freymund, der von schöner Leibesgestalt war, aber auf der Nase einen haarigen Fleck, fast wie ein Stück Wolfshaut, hatte. Nicht lange, so bekam sie noch einen Sohn, Horribel, derselbe hatte drei Augen und war von bösen Sitten und argem Gemüth. Dann kam der Dietrich zur Welt, der ein großer Ritter wurde, und zuletzt ein Sohn, den sie Reymund nannten. So hatte Melusina nun zehn Söhne, als:
Als der älteste Sohn Uriens, der mit dem schlechten Antlitz und langen Ohren, zu seinen erwachsenen Jahren gekommen war, begehrte er ein berühmter Ritter und Kriegsmann zu werden und sein Glück in der weiten Welt zu versuchen. Da ihm nun sein Sinn darnach stand, so rüstete er ein Schiff aus, welches er eine Galeere nannte, nahm viel Volks mit, von seinen Eltern Abschied, und ihn begleitete sein jüngerer Bruder Gyot, dem ein Auge höher, als das andere stand. So begaben sie sich auf das hohe Meer, und versahen sich auch mit Gold und Silber, von dem Segen Reymunds, wie der Melusina begleitet.
Sie richteten ihre Seefahrt nach Famagusta, der Hauptstadt des Königreichs Cypern, wo sie Anker warfen und an das Land stiegen. Hier vernahmen sie, daß ein heidnischer König diese Stadt mit einer großen Menge Volks belagert hielt und den christlichen König von Cypern hart bedrängte, worauf sie sich vornahmen, diesem beizustehn. Schlugen also ihr Lager im Angesicht der Feinde in der Nähe der Stadt auf, und erwarteten eine günstige Gelegenheit, ihre Tapferkeit zu zeigen; die Heiden aber waren ungewiß, ob sie dieses fremde Volk für Heiden oder für Christen halten sollten. Der Heide zog daher aus Vorsichtigkeit sein Volk zusammen, ob er etwa überfallen werden möchte, worauf der König von Cypern, der dieses aus der Stadt wahrnahm, meinte, jener wolle sich zur Flucht bereit machen, daher er die Thore aufmachen, Fahnen vortragen und die Trompeten fröhlich blasen ließ, indem er mit aller Macht in das heidnische Lager einbrach. Die Heiden aber wehrten sich tapferlich, und brachten viele der Christen um, der König von Cypern selbst wurde von einem vergifteten Pfeile getroffen, so daß er augenblicklich spürte, die Wunde würde tödtlich sein. So mußten sie sich alle mit großem Verlust in die Stadt zurück begeben.
Der König hatte eine schöne Tochter, Hermina genannt, welche heftig erschrak, als sie ihren Herrn Vater auf diese Weise zurück kommen sah, von dem vergifteten Pfeile verwundet, besonders, da sie hörte, daß er von dieser Wunde nicht wieder aufkommen könne; sie klagte und weinte, aber ihrem von dem vergifteten Pfeil getroffenen Vater war damit nicht geholfen, sondern seine Leiden wurden dadurch nur vergrößert.
Indessen der König auf dem Kranken- und Sterbelager klagte, griff Uriens nebst seinem Bruder die Heiden mit solcher Tapferkeit an, daß sie bald erschraken und nicht wußten, wie ihnen geschah, so daß sie sich genöthigt sahen, zurück zu weichen, weil ihnen eine solche Tapferkeit bis dahin noch nicht vorgekommen war. Uriens aber that noch mehr, er drang bis zu dem Heidenkönig hindurch, schwang sein Schwert, und hieb ihm ohne weiteres den Kopf herunter, so daß der übrige Leib ebenfalls gezwungen wurde, aus dem Sattel zu fallen. Wie die Heiden dergleichen Beginnen wahrnahmen, verloren sie vollends gar den Muth und suchten ihr Heil in einer unordentlichen und übereilten Flucht; damit war ihnen aber wenig geholfen, denn nun schlugen die Christen dermaßen unter sie, daß die meisten auf dem Platze blieben und nur die wenigsten mit dem Leben davon kamen. Nachdem so der Streit geendigt war, ruhte Uriens mit seinem Bruder Gyot im Lager der Feinde von dem vielen Fechten aus, denn die Helden waren von dem Erschlagen der Heiden müde geworden.
Als der König diese Thaten und die Niederlage seiner Feinde vernahm, freute er sich, ob er gleich dem Tode so nahe war, schickte also seine Abgeordneten nach den beiden Brüdern, die um Entschuldigung bitten mußten, daß er nicht selber komme, um ihnen seine persönliche Aufwartung zu machen, er liege aber an einer Wunde von einem vergifteten Pfeile dermaßen darnieder, daß es ihm unmöglich falle; sie möchten daher von der Güte sein, ihn in seinem königlichen Pallaste zu besuchen, bevor er gar gestorben wäre. Die beiden Brüder antworteten: daß sie ihre Schuldigkeit nicht unterlassen würden, vor der hohen Gegenwart seiner königlichen Majestät zu erscheinen, worauf sich die Abgeordneten zurück begaben, und Uriens sich mit seinem Bruder Gyot alsbald in die Stadt Famagusta verfügte. Als sie in die Stadt anlangten, verwunderte sich das cyperische Volk sehr über das seltsame Aussehn des Uriens und daß er, ohnerachtet seines Angesichtes, solche Wunder der Tapferkeit zu verrichten im Stande sei: er merkte, daß sie über ihn erstaunten und begab sich in den Pallast des Königs, wo er diesen übel zugerichtet und von dem vergifteten Pfeile am ganzen Leibe geschwollen im Bette liegend antraf. Er grüßte den König und beklagte ihn wegen seines Unfalls, worauf ihm der König dankte und sagte, daß ihm die ganze Christenheit Preis, Lob und Verbindlichkeit schuldig sei, indem er auf solche Weise unter die Heiden gewüthet, daß sie es auf lange empfinden würden. Zugleich fragte der König, von wannen sie beiden gebürtig wären? Uriens sagte, wie er Uriens heiße und in Lusinien geboren sei. Worauf der König wieder antwortete: da ich nun meines tapfern Herrn Namen und Geschlecht so umständlich weiß, so will ich nicht länger eine Bitte zurück halten, die ich vorzutragen habe: ich bin nämlich des Willens, Euch, mein edler Ritter, ein großes Glück, viel Ehre und Reichthum zuzufügen; ich habe nur eine einzige Tochter, Hermina genannt, an welche mein Reich, so wie mein ganzes Vermögen fällt, wenn ich, will's Gott bald, an meiner vom vergifteten Pfeil empfangenen Wunde gestorben sein werde, dabei wünschte ich, mein Reich in den Händen eines tapfern Ritters zu wissen, weil es dem Heidenthum so nahe liegt, daß es durch dieses täglich beschädigt werden kann; ich weiß keinen bessern Ritter als Ihr seid, darum bin ich gesonnen, Euch mein Reich so wie meine Tochter zu übergeben.
Uriens bedankte sich höflich, sagte: er wäre es zwar durchaus nicht würdig, wolle sich aber nicht weigern, die königlichen Befehle zu vollführen. Ueber diese Antwort war der König sehr froh und zufrieden, er ließ alsbald seine Tochter zu sich kommen und auch die Räthe seines Reichs vor sich versammeln, zu welchen er sprach: Ihr wißt, wie ich bisher mein Reich mit bewaffneter Hand gegen die Heiden beschirmt habe, doch dieses kann von nun an nicht mehr geschehn, indem ich durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet bin, ich verlange also von Euch, daß Ihr meine Tochter Hermina als Eure Oberherrschaft in meiner Gegenwart, bevor ich sterbe, anerkennt, denn sie ist meine einzige und rechtmäßige Erbin. Die Räthe und Landesherren thaten, was er begehrte, worauf der sterbende König also fortfuhr: ein Weib aber kann unmöglich durch ihre eigene Kraft ein Königreich beschützen, welches eine so gefährliche Lage hat, indem es fast zu nahe an das wilde Heidenthum gränzt, ich verlange daher, daß meine einzige Tochter Hermina sich mit einem Ehegemal verbinde und da wüßte ich keinen tapfrern, und bessern, wenn ihm gleich die Schönheit des Angesichts abgeht, als den unvergleichlichen Ritter Uriens aus Lusinien, der die Heiden so trefflich bezwungen, ja ihrem Könige das Haupt heruntergeschlagen hat, ob ich gleich diese Freude nicht lange genießen werde, da ich auch durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet: Ich verlange also meine Tochter Hermina, daß Du diesem Ritter als Deinem Gemale die Hand reichest, und daß alle meine Räthe und Landesherren ihm als ihrem zukünftigen Könige huldigen sollen.
Die Landesherren thaten solches sehr gern, auch gab Hermina dem Uriens freiwillig ihre schöne Hand, worüber dieser im Herzen ungemein erfreut war. Das Volk in Cypern, als es diese Neuigkeit erfuhr, war sehr froh und vergnügt, denn Uriens gefiel ihnen allen, sie folgten ihm daher alle in die Hauptkirche, wo er mit seiner Braut Hermina vermält wurde. Zugleich ließ sich der verwundete König das heilige Sakrament geben, worauf er selig verschied, so daß die Hochzeit ohne Tanz und Saitenspiel gefeiert werden mußte; doch wurde der verstorbene König herrlich und mit aller Pracht in seinem Begräbnisse beigesetzt. Dann wurde Uriens zum Könige gekrönt.
Um diese nämliche Zeit fügte es sich auch, daß der König von Armenien sterben mußte, welcher ein naher Verwandter des Königs von Cypern war. Er hinterließ eine einzige sehr schöne Prinzessin, welche den Namen Florie führte; die hinterlassenen Räthe beschlossen, diese mit dem tapfern Gyot, dem Bruder des Uriens, zu vermälen, worein die Prinzessin selber auch gern einwilligte. Als es so weit gekommen war, schickte man eine Abgesandtschaft zum Könige Uriens von Cypern, die ihn ersuchen mußte, dem Reiche Armenien seinen Bruder Gyot als einen Herrscher zu überschicken, welches dieser auch sehr gern that, weil er dem Glücke seines Bruders nicht im Wege sein wollte. Worauf Gyot nach Armenien ging, sich mit der Prinzessin Florie verheirathete und zum König gekrönt wurde.
Beide Brüder unterließen es nach diesen glücklichen Vorfällen nicht, Boten mit Briefen zu ihren Eltern nach Lusinien zu schicken, wodurch diese alles erfuhren, was ihren lieben Söhnen begegnet war und sich von Herzen freuten, so daß auch Melusina, um sich gegen Gott dankbar und gefällig zu bezeigen, eine neue Kirche stiftete, nachdem sie schon viele andre gebaut hatte. Um die Zeit verheiratheten sie auch ihren Sohn Gedes, den mit der hohen Röthe im Angesichte, mit einer vornehmen Gräfin aus dem dortigen Lande.
Es währte nicht lange, so nahm auch Reinhardt, der nur ein Auge hatte, von seinen Eltern Abschied, um sein Glück in der Welt zu versuchen. Ihn begleitete Antoni, der zum Zeichen eine Löwenklaue auf der Wange trug; sie nahmen ebenfalls viel Volks mit sich. Diese tapfern Ritter gelangten auf ihrem Zuge nach Lützelburg, welches damals eben der König von Elsaß mit einer ansehnlichen Armee belagert hielt und schon im Begriff stand, die Stadt gar zu gewinnen. Dieser König hielt die Stadt aus bloßem Muthwillen belagert, denn er wollte durchaus die Herzogin von Lützelburg, die in der Stadt regierte, zu seiner Gemalin haben, sie aber war nicht dieser Meinung und deshalb suchte er ihre Stadt zu erobern, um sie selber dadurch zu gewinnen. So war also diese Prinzessin eine arme verlassene Waise und in größter Bedrängniß, welches die beiden Brüder von Lusinien nicht sobald gehört hatten, als sie, von Mitleid ergriffen, den Entschluß faßten, dieser unglückseligen Prinzessin mit ihrer ganzen Macht beizustehn. Sie wickelten also die Fahnen auf, stellten ihre Völker in eine gute Schlachtordnung, und griffen nun mit der Loosung Lusinien die Elsasser so beherzt an, daß viele von diesen in die Pfanne gehauen wurden. Antonius kam im Treffen mit dem Könige von Elsaß in ein einzeln Gefecht, worauf dieser entwaffnet wurde, und sich der König dem Antonius gefangen geben mußte. Reinhardt that hierauf noch dem übrigen Volke großen Schaden, so daß die Brüder eine herrliche und glänzende Schlacht gewonnen hatten.
Die Brüder ließen hierauf den gefangenen König durch sechs von ihren Rittern der Prinzessin von Lützelburg überantworten, welche sich über ein solches Präsent höchlich erfreute und dem Himmel, so wie den beiden tapfern Helden den besten Dank abstattete; sie erkundigte sich auch nach den Namen, Herkommen und Geschlechte der beiden Brüder und war sehr zufrieden, als sie solches alles erfahren hatte, denn sie faßte nun den Entschluß, in ihren Staatsgeschäften nichts ohne Mitwissen und Beistimmung der beiden Herren zu thun oder zu unternehmen. Sie ließ hierauf diese beiden tapfern Ritter nebst den vornehmsten aus ihrem Gefolge zu sich in die Stadt bitten, welche sich auch sogleich fertig machten, ihr in Lützelburg aufzuwarten. In der Stadt empfing sie das Volk in schöner Fröhlichkeit mit auserlesener Musik und trefflichem Klang von Instrumenten, Jubelgeschrei und dergleichen, weil sie durch die Brüder von dem Elsassischen Könige erlöst waren, der ihnen viel zu schaffen gemacht hatte. Zwei vornehme Landesherren aus Lützelburg erschienen hierauf und führten die beiden Herren auf das Schloß, wo die Fürstin ihnen mit den schönsten Damen, Fräulein, Pagen und Gefolge höflich entgegen kam und ihnen in den wohlgesetztesten Redensarten ihren Dank abstattete, außerdem aber eine prächtige und überaus köstliche Mahlzeit zurichten ließ, so daß nicht genug zu sagen ist, wie vergnügt die beiden Brüder waren.
Am Tische wurde der gefangene König von Elsaß oben an gesetzt, dann folgten die beiden Herren Antonius und Reinhardt, dann die vornehmsten Landesherren und die übrigen Gäste nach ihren Würden, den Brüdern aus Lusinien gegen über saß die schöne Fürstin, und so war man beim Essen und Trinken ausnehmend vergnügt, ausgenommen der gefangene König, der den großen Verlust seiner Leute und seiner Reichthümer nicht verschmerzen konnte.
Nach dem Essen wurde gebetet und darauf fing der gefangene König zu den Brüdern an: tapfre Ritter, bitte, mir nunmehr zu sagen, um welche Ranzion ich der Gefangenschaft entledigt sein soll, die ich gern entrichten will, um meine Freiheit nur wieder zu gewinnen. Antonius antwortete: Ew. Königliche Majestät ist nicht unser Gefangener, dieselben sind der Fürstin Durchlauchtigkeit von Lützelburg als ein Präsent übermacht, so daß wir nicht mehr über Euch schalten können, sondern Ihr gänzlich in die Willkühr dieser hohen Fürstin gestellt seid. Darüber erschrak der König über die maßen, denn er wußte, daß er durch sein Betragen die höchste Ungnade der Fürstin verdient hatte, fürchtete also gar, als ein gottloser Mann und unverschämter Liebhaber sein Leben zu verlieren. Da die Fürstin seine Verlegenheit sah, wandte sie sich wieder zu den beiden Brüdern, und sagte, daß die Ranzion des Königs gänzlich in ihrem Belieben stehe; sie hätten ihn gefangen, möchten daher auch seinen Preis bestimmen, gebe ihnen also hiemit ihr Präsent wieder zurücke. Worauf die Grafen antworteten: sie wollten ihn aller Ranzion entledigen, er solle fußfällig die Fürstin um Verzeihung bitten, versprechen, ihr nie in Zukunft mehr zur Last zu fallen, und allen ihrem Lande zugefügten Schaden zu ersetzen. Wie das der König hörte, wurde er froh und that sogleich freiwillig alles, was von ihm verlangt wurde.
Als dies geschehn und in Richtigkeit gebracht war, überlegte der König von Elsaß bei sich selber, wie fromm die beiden Brüder aus Lusinien wären, und wie edelmüthig sie sich gegen ihn bezeigt hätten, erinnerte sich auch, wie nach dem Boethius Undankbarkeit eins der größten Laster sei, nahm sich daher in seinem Gemüthe vor, nicht für undankbar zu gelten und sagte daher öffentlich im Beisein aller Landesherren: Wollte Gott, daß diese beiden Brüder die Stützen und Anführer des Fürstenthums wären, so würde weder ich noch ein andrer Feind jemals sich unterstehn, dieses Land feindlich zu überziehn; wenn ich rathen sollte, so möchte die durchlauchtige Prinzessin einem von diesen tapfern Brüdern ihre Hand und ihre Liebe reichen. Als die Landesherren dies hörten, freuten sie sich und waren derselben Meinung, redeten auch der Fürstin von Herzen zu, solches auszurichten, sie aber antwortete, daß sie dergleichen Vorschläge erst überlegen müsse.
In der Nacht erwägte die Fürstin alles bei sich, was sich zugetragen hatte, und da sie genau auf ihre Gedanken achtete, merkte sie, daß sie eine sonderliche Neigung zum Grafen Antonius in sich habe, dieses offenbarte sie auch am folgenden Tage und Antonius gab ihr seine Liebe zu erkennen, die er gleich im ersten Augenblicke zu ihr gefaßt hatte; so wurden sie dann einig und nach weniger Zeit mit einander getraut. Die Hochzeit währte unter vielen Ergötzlichkeiten eine ganze Woche hindurch und that sich beim Stechen der König von Elsaß ganz besonders hervor.
Als die Hochzeit vorüber und man eben unter vielen Danksagungen von einander scheiden wollte, erschien am Hofe ein schnellreitender Bote, der sogleich nach dem Könige von Elsaß fragte. Als dieser sich gemeldet, empfing er von dem Boten Briefe, über deren Inhalt er sehr erschrak und schmerzlich seufzte, worauf sich Antonius erkundigte, was in den Briefen enthalten sei. Der König sagte. ach Gott! mein Herr Antonius, mein Bruder, der König von Böhmen, schreibt mir hier, daß ihn der Türkische Kaiser mit einer gewaltigen Macht in seiner Hauptstadt Prag belagert halte, und daß er sich keiner Hülfe oder Entsatzes zu versehn habe, drum wende er sich in seiner Bedrängniß an mich und beschwöre mich bei meiner brüderlichen Liebe, zu seinem Beistande herzu zu eilen, denn sonst sei es gewiß um ihn, wie um sein Reich geschehn. Und nunmehr, fuhr der König von Elsaß fort, ist es meine eigne Schuld, daß fast alle mein Volk durch Euch, tapfre Fürsten, in die Pfanne gehauen ist, so weiß ich nun in der Eile meinem Bruder nicht sonderlich zu helfen.
Graf Antonius antwortete hierauf: Ew. Königliche Majestät kann sich versichert halten, daß die Türken aus dem Lande Eures Herrn Bruders herausgeschlagen werden sollen, denn mein Bruder Reinhardt soll mit Euch ziehn, mit der ganzen Macht, die wir aus Lusinien mit uns genommen; dazu will ich ihm noch Hülfsvölker aus meinem neuerworbenen Reiche geben, so daß es Euch beiden mit Gottes Hülfe gelingen soll, den König von Böhmen von seinen Feinden zu befreien. Sollte dieses aber noch nicht hinreichend sein, so laßt es mich nur durch einen schnellen Boten wissen, und alsbald will ich Euch selbst mit einer neuen Macht zu Hülfe ziehn.
Hierauf dankte der König mit sehr freundlichen Worten, und sagte: Sollte es uns gelingen, wie ich denn nicht zweifle, den Türken zu besiegen, so hat mein Bruder, der König von Böhmen, eine einzige Tochter, die er ohne meinen Rath und meine Einwilligung nicht verheirathet; diese verspreche ich hiemit, sie dem Grafen Reinhardt, Eurem Bruder, zu einer ehlichen Gemalin zu geben, wodurch er dereinst nach meines Bruders Tode König von Böhmen wird, da mein Bruder kein andres Kind hat.
Beide Grafen dankten hierauf dem Könige für seinen guten Willen, und Antonius war sehr vergnügt darüber, daß sein Bruder Reinhardt eine Aussicht auf ein Königreich hatte, welches er ihm von Herzen gerne gönnte. Er beschloß daher, um die Sache noch gewisser zu machen, sogleich mit seinem Bruder und dem Könige nach Böhmen dem Türken entgegen zu ziehen. Es wurde hierauf von ihnen eine große Macht zusammen gebracht und sie zogen damit durch Deutschland bis vor die Stadt Prag, welche der Türke eng belagert hielt.
Es war gerade an dem, daß der König von Böhmen einen kühnen und tapfern Ausfall gegen die Ungläubigen that, um sie von der Stadt abzutreiben, da wurde von beiden Seiten sehr tapfer gefochten, viele Heiden, aber auch viele Christen erschlagen und endlich mußten die Christen der türkischen Uebermacht weichen. Ja, was noch schlimmer war, der König von Böhmen, der sich sehr tapfer hielt und ungern den Rückzug anstellte, wurde mit einem Pfeile dergestalt durch den Leib geschossen, daß er sogleich todt zur Erden niederfiel. Wie die Böhmen ihren König gefallen sahn, wurden sie völlig sieglos und die Türken triumphirten, die Böhmen zogen sich in die Stadt zurück und die Ungläubigen blieben Meister vom Felde, worauf sie der Stadt Prag noch härter mit Belagern zusetzten.
Die heidnischen Türken nahmen hierauf in ihrem Uebermuthe den Leichnam des Königs von Böhmen, legten ihn vor den Augen der böhmischen Landesherren, die auf der Mauer standen, auf einen Scheiterhaufen und brannten ihn zu Pulver, welches jene nicht ohne Thränen ansehn, aber dennoch nicht verhindern konnten. Am meisten aber war die königliche Prinzessin Eglantina betrübt, als sie diese kläglichen Neuigkeiten vernommen hatte; sie rang die Hände, seufzte und sprach: ach! was soll ich arme, Vater- und Mutterlose Waisin doch wohl anfangen? Meine Mutter ist gestorben, so haben mir die Türken meinen Herrn Vater gar zu Pulver verbrannt, verderben mir Land und Leute, nehmen mein Königreich weg, und ich muß am Ende noch, ich Unglückseligste, den christlichen Glauben verläugnen und zum Heidenthume übergehn, um nur beim Leben zu bleiben, vielleicht muß ich gar einen Sohn oder Anverwandten des türkischen Kaisers heirathen, um nur bei Ehren zu bleiben.
Dergleichen Klagen verführte die Prinzessin Eglantina sehr viele und häufige, und es kam beinah so weit, daß sie sich in die Verzweiflung ergab, als ein Bote kam, der ihr zu ihrer größten Freude die Nachricht überbrachte: daß sich der König von Elsaß mit zwei Brüdern aus Lusinien in Frankreich und einem großen Heere der Stadt nahe, um sie zu entsetzen. Da dankte sie Gott von Herzen und hörte wieder auf den Trost, den ihr ihre Freunde zusprachen, brachte auch ihre Kleider und Haare wieder in Ordnung, die sie zuvor zerrissen hatte.
Die Türken waren eben dabei, im Sturm die Stadt gar zu ersteigen, als sie die Nachricht durch einen andern Boten erhielten, ein großes christliches Heer sei im Anzuge; darauf verwunderten sie sich, ließen vom Stürmen ab, beriefen die Trompeter zur Schlacht zu blasen, stellten sich in Ordnung, und wehrten sich gegen den tapfern Angriff der christlichen Heerschaaren. Das Treffen war sehr blutig, doch behielt endlich die gerechte Sache die Oberhand, sonderlich durch das großmüthige Betragen der beiden Brüder Antonius und Reinhardt, die unglaublich viel heidnisches Volk mit eignen Händen todtschlugen. Der türkische Kaiser wurde wüthend, da er seine Armee verlieren sah, und brachte wieder viele der Christen um, doch ersah ihn endlich Graf Reinhardt, stürzte sich auf ihn und hieb ihm nach einem kurzen Kampfe und einiger Verwundung seinen Kopf völlig herunter. Als das die Türken wahrnahmen, wurden sie ganz sieglos und begaben sich auf die Flucht; so behielten die christlichen Fahnen das Feld, und der König von Elsaß ließ hierauf auch einen großen Scheiterhaufen errichten, den türkischen Kaiser sammt allen getödteten Ungläubigen darauf legen und sie zur Wiedervergeltung ebenfalls zu Pulver verbrennen.
Der König von Elsaß zog hierauf in die Stadt Prag, wo ihm die Prinzessin traurig und weinend entgegen kam; der König aber tröstete sie und sagte: gieb Dich nur zufrieden, liebste Muhme, das Geschehene ist nicht mehr zu ändern, Dein Vater ist zwar mit Tode abgegangen und Dein Land ist Dir von den Feinden einigermaaßen verderbt worden, indessen haben wir doch auch durch Gottes Gnade unsre Rache erhalten, denn ich habe den türkischen Kaiser und die Seinigen wieder zu Pulver brennen lassen. Die Prinzessin antwortete: somit habe ich doch immer meinen Herrn Vater verloren, und um ihn muß ich klagen und trauern. Das geziemt sich, sagte der König, indessen ist es auch vernünftig, Trost anzunehmen, war er doch mein Bruder und ich muß mich darin finden, so magst Du es denn auch thun, wir wollen ihm ein ehrliches und schönes Begräbniß zurichten, mehr kann er nicht verlangen.
Bei dem Begräbniß beschaute das Volk von Böhmen die beiden Brüder aus Lusinien, und es dünkte ihnen wunderbar, daß der Graf Antonius eine Löwenklaue auf der Wange und der Reinhardt nur ein Auge habe, doch gefielen sie den Leuten sehr wegen ihres edlen Anstandes und weil sie wußten, daß diese Brüder sie meistentheils von den Türken erlöst hatten. Nach dem Begräbnisse versammelte der König von Elsaß alle Landesherren des böhmischen Reichs und stellte ihnen vor, wie sie nunmehr ihren guten König verloren, so daß sie sogar sein Leichenbegängniß ohne Leiche hätten feiern müssen, das Königreich sei nun an die Prinzessin Eglantina, seine Tochter, gefallen, aber ein Weib sei zu schwach, das Land auf die gehörige Weise zu beschützen, sie möchten sich daher nach einem frommen Könige umthun, dem sie alle gern gehorchten, und dem die Prinzessin ihre Hand und Liebe schenken möchte.
Die Landesherren antworteten, daß sie alles in sein eignes hohes Belieben stellen wollten, er möchte nach seiner trefflichen Vernunft alles einrichten und das Reich entweder selber als König in Besitz nehmen, oder ihnen einen andern tugendhaften Mann vorschlagen, dem sie dann alle gern dienen wollten. Hierauf wandte sich der König gegen die beiden Brüder aus Lusinien und sagte: nun ist die Zeit gekommen, daß ich mein Wort halten kann, Euch, tapfrer Reinhardt, zum Könige von Böhmen zu machen; hier, Ihr Landesherren ist der Fürst, den ich Euch ausgesucht habe und der Euch gewiß immer gut beschützen wird, denn er hat sich schon dermalen gut erwiesen, indem er dem türkischen Kaiser den Kopf herunter gehauen und sein Volk zerstreut und erschlagen hat.
Die Landesherren waren mit der Wahl des Königs vollkommen zufrieden, worauf sich die beiden Brüder, insonderheit Reinhardt bedankten. Die Prinzessin war vergnügt, einen so tapfern Helden zum Gemal zu bekommen, der ihren Herrn Vater so schön gerochen, indem er den heidnischen Kaiser und die Seinigen zu Pulver verbrannt. Man feierte die Hochzeit prächtig, aber ohne Tanz und Saitenspiel, weil man noch den gestorbenen König betrauerte, doch wurde ein großes Thurnier gehalten, wo sich beim Stechen Reinhardt sonderlich hervorthat, so daß die Böhmen wahrnahmen, welch einen tapfern und in Waffenübungen geschickten König sie erhalten hatten. Antonius zog hierauf in sein Herzogthum, zu seiner Gemalin zurück, und der König von Elsaß begab sich ebenfalls in sein Königreich, nachdem alle herzlich von einander Abschied genommen hatten.
Indessen war Geoffroy mit dem Zahn auch zu einem starken und mächtigen Ritter herangewachsen und spürte auch die Lust in sich, große Thaten zu thun, um seinen Namen berühmt und unsterblich zu machen. Die Gelegenheit, einigen Ruhm zu erwerben, zeigte sich bald, denn an den Gränzen des Landes ließ sich ein gewaltiger Riese spüren, der ein ziemliches Unwesen trieb mit Morden und Rauben, auch Leute Beschädigen und Plündern, so daß selbst die Schlösser nicht sicher waren, die die edle Melusina in dortiger Gegend gebaut hatte und sich jedermann vor ihm furchte. Diesen Riesen beschloß Geoffroy anzugreifen, und auch mit Gottes Hülfe umzubringen, über welchen Entschluß sich aber sein Herr Vater Reymund heftig entsetzte und ihn von seinem gefährlichen Vorhaben abzumahnen suchte, stellte ihm das Beispiel seiner Brüder vor Augen, welche auch Ruhm gesucht und durch ihre Thaten sogar Könige geworden, aber doch nie daraufgefallen waren, sich mit Riesen einzulassen. Aber der Geoffroy bestand auf seinem festen Sinn und sagte: wird dem Riesen nicht Einhalt gethan, so verübt er immer mehr Schaden an den Ländereien, und das soll nicht sein. Reiste mithin ab, ohne sich sonderlich an die Bitten seines Vaters Reymund und die Thränen seiner Mutter Melusina zu kehren.
Der Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen war nun auch zu seinen erwachsenen Jahren gekommen, und schien sich fast gänzlich den Wissenschaften zu ergeben, denn er las sehr viel, trieb auch keine Waffenübung, wie seine übrigen Brüder von ihrer frühen Jugend gethan hatten. Es währte nicht lange, so zeigte sich seine Begierde zum geistlichen Stande, denn er lag seinen Eltern dringend an, ihm zu erlauben in dem Kloster Malliers, welches die Melusina aus Andacht gestiftet hatte, ein Mönch zu werden. Als sein Vater Reymund diese Bitte verstanden hatte, wurde er einigermaßen unwillig und sagte: Freymund, alle Deine Brüder haben nach Ehren und Würden gestrebt, und sind tapfre und berühmte Ritter geworden, und ich sollte nun noch unter meinen Kindern einen Pfaffen haben? Solches will mir gar nicht gefallen; Du sollst auch nach Tapferkeit und nach Ritterschaft streben.
Nach Ritterschaft will ich nicht streben, antwortete Freymund, auch will ich Zeit meines Lebens keinen Harnisch an meinem Leibe tragen, oder ein Pferd besteigen, sondern hier im Kloster Malliers Gott als Mönch dienen. Sind alle meine Brüder edle und tapfre Herren und verrichten große Thaten, so ist es auch nicht unrühmlich, wenn sie einen andern Bruder haben, der für alle betet, da ihnen oft die Zeit dazu in ihren verwirrten Händeln gebrechen mag. Ich bitte Euch daher um Gottes Willen, Ihr wollet mir in meinem Verfahren nicht hinderlich, sondern beförderlich sein, denn mein Sinn ist so darauf gerichtet, daß ich auf andre Weise keine Ruhe für meine Seele finde.
Da Reymund diese große Begierde seines Sohnes sah, Gott zu dienen, ging er seinetwegen mit seiner Gemalin Melusina zu Rath, was sie wohl über ihn beschließen möchten. Diese sagte, daß sie es gänzlich in Reymunds Wohlgefallen stelle, doch sei es ihr gar nicht zuwider, unter ihren Kindern auch einen geistlichen Herrn zu haben.
Darauf wandte sich Reymund wieder zu seinem Sohn und sagte: mein Freymund, ich und Deine Mutter haben es nun überlegt, daß wir Dir in Deinem gottseligen Vorhaben nicht wollen hinderlich, sondern vielmehr beförderlich sein, aber überlege Du, daß der Orden in Malliers sehr strenge ist; ich kann Dich ja leicht zu einem Domherrn machen, so hast Du es besser, oder ich habe es auch wohl um unsern allerheiligsten Vater, den Pabst, verdient, daß er Dir ein Bisthum ertheilt, wenn ich darum bei ihm nachsuche, so hast Du doch mehr Ehre und kein so hartes und strenges Leben.
Aber Freymund sagte: nein, ich will sonst nichts weiter, als zu Malliers im strengen Orden ein Mönch werden.
Wie bist Du nur von diesem Gedanken so eingenommen? fragte Reymund.
Freymund sagte: liebster Herr Vater, die Welt mit ihren Händeln ist sehr verworren, so fürchte ich, wenn ich mich da hinein begebe, gar meine Seele darüber zu verlieren, denn hinter Ehre und Ruhm, Wohlleben und Pracht lauert der Satan, wie er den Schwachen überrasche, und ihn von sich selber abtrünnig mache. Bin ich im Kloster zu Malliers, so bin ich keiner dergleichen Gefahren ausgesetzt, meine zeitlichen und weltlichen Sorgen sind mir entnommen, ich kann unaufhörlich an Gott denken, und mir seine Wunderwerke recht lebendig vorstellen, dabei weiß ich, in diesen Stunden schläfst du, in diesen issest du, in diesen wird Handarbeit gethan, oder im Garten gegraben und Blumen und Gemüse auferzogen, so viele Stunden dienst du Gott, und daß das jeden Tag wiederkommt und keine Aendrung leidet, daß keine Störung und Irrsaal in diesem schönen einfachen Lebenslaufe vorfällt, seht, das hat mir so überaus wohlgefallen, daß ich gar zu gern im Kloster Malliers, im strengen Orden, Mönch werden möchte.
Reymund sah ein, daß sein Sohn weise war und Recht hatte, darum gab er seiner Bitte nach, und freudig begab sich Freymund zu den Patribus, und wurde alsbald Mönch in dem Kloster Malliers, welches seine Mutter gestiftet hatte, in dem strengen Orden.
Jetzt erhielten auch Reymund und Melusina Nachrichten von ihren Söhnen Antonius und Reinhardt, wie der eine König von Böhmen, der andre Herzog zu Lützelburg geworden sei, durch ihre Ritterschaft und ihre kühnen Thaten: darüber dankten sie Gott sehr und freuten sich über ihr eignes und ihrer Kinder großes Glück, denn drei von den Söhnen waren zu Königen gekrönt, der vierte ein Herzog geworden, und der fünfte ganz nahe bei ihnen im Kloster zu Malliers ein Mönch, um für alle übrigen Gott zu bitten.
Es fügte sich, daß Reymund an einem Sonnabend wieder die Melusina vermißte, denn sie pflegte an diesem ganzen Tage nicht zu erscheinen, doch gedachte er seines Eides, sich nie um sie zu bekümmern und sie ungestört gewähren zu lassen. Der Vater des Reymund, der alte Graf von Forst, war damals schon gestorben, und sein ältester Sohn, der jetzt Graf von Forst genannt wurde, legte einen Besuch bei seinem Bruder Reymund ab. Reymund ließ dieses Besuches wegen viele und vornehme Gäste zu sich einladen, die alle dem Reymund ihren ergebensten Respekt bezeigten; doch als sich Melusina den ganzen Tag nicht zeigte, sagte der Graf von Forst zu seinem Bruder: Bruder, laß doch Deine Gemalin erscheinen, damit sich Deine vielen und vornehmen Gäste nicht darüber verwundern, daß sie so lange außen bleibt. Reymund antwortete: lieber Bruder, heute kann solches nicht geschehn, aber morgen sollst Du sie zu sehn bekommen.
Als die Mahlzeit geendigt war, gingen die beiden Brüder beiseit, und der Graf sagte zu Reymund: lieber Bruder, ich muß Dir ein Ding eröffnen, welches mir schon seit lange auf dem Herzen liegt. Man sagt allgemein im ganzen Lande, daß Du mit Deiner Gemalin übel angekommen seist, sie sagen, Du seist bezaubert, daß sie sich alle Sonnabend abseitiget, und Du an solchem Tage gar nicht einmal nach ihr fragen darfst; wunderlich ist es immer, daß Du nicht weißt, was ihr Thun und Lassen sei, als ein redlicher Bruder seh ich mich gezwungen, Dir zu sagen, daß Du davon große Schande haben kannst, denn die meisten Leute meinen, sie treibe an diesen Tagen Hurerei, welches doch gegen deine Ehre liefe, andre sagen wieder, sie möchte überhaupt wohl ein Gespenst und alles mit ihr nur ein ungeheures Wesen sein, darum ist es mein demüthiger Rath, Du erkundigst Dich etwas mehr um ihr wahres Befinden und suchst es zu erforschen, damit Du nicht Gefahr läufst, für einen Narren gehalten zu werden.
Als Reymund diese Rede verstanden hatte, wurde er vor Zorn ganz bleich und dermaßen wüthig, daß er sich und seinen Schwur gänzlich vergaß; die Worte seines Bruders schienen ihm recht und gut, in der größten Grimmigkeit lief er fort und griff ein Schwert, womit er sich in die Kammer begab, in die er noch nie gekommen war, weil er sie der Melusina zu ihrem heimlichen Aufenthalte absonderlich hatte erbauen lassen. Hier kam er an eine fest verschlossene eiserne Thür und er besann sich nun, was er thun sollte; es fielen ihm wieder die Worte seines Bruders ein, daß seine Gemalin in Unehren lebe. Darüber beschloß er, alles selber zu sehn, und dann, nachdem er es befinden würde, seine Schmach zu rächen. Er nahm also das Schwert, und bohrte mit der Spitze desselben ein kleines Loch in der eisernen Thür, wo er hindurch sehn mochte.
Als Reymund nun stand, und durch die Oeffnung schaute, verwunderte er sich über die maßen, denn er sah Melusina im Bade, wie sie von oben bis auf den Nabel ein schönes Weib sei, dann aber in den Schweif einer bunten gesprengten Schlange endigte, der azurblau war und mit Silberfarben darunter gesprengt, so daß diese Farben wundersam in einander schimmerten. Das Zimmer war eine tiefe Grotte, die Wände waren mit allerhand seltsamen Muscheln ausgeziert und ein Springbrunnen, in welchem sich Melusina befand, war in der Mitten. Von oben ergossen sich auch Wasserstrahlen und tröpfelten wie Perlen durch einander, bei welchem wunderbaren Getöse Melusina sang, indem sie eine Zitter in der Hand hielt:
Rauscht und weint ihr Wasserquellen
In der stillen Einsamkeit,
Die Erlösung ist noch weit,
Meine Thränen mehren eure Wellen.
Ach! wann wirst du, Trauer, enden,
Von mir nehmen meine Schmach?
Immer ist die Strafe wach,
Keiner kann das bös Verhängniß wenden.
Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Thränen und Reymund war auf das innigste bewegt und erschüttert. Nun fiel ihm auch bei, wie er seinen Eid gebrochen und eine Untreue gegen seine tugendvolle Gemalin begangen habe, dabei konnte er ihre seltsame Verwandlung nicht begreifen und furchte sich auch, daß nun sein Elend anfangen würde, da er seinen Schwur nicht gehalten, wie sie ihm vor der Hochzeit prophezeit hatte, denn er glaubte, daß sie nach ihrer verborgenen Wissenschaft recht gut um seine Untreue wissen würde. Endlich aber verstopfte er die gemachte Oeffnung wieder mit Wachs, und ging im höchsten Zorne zu seinem Bruder zurück. Da dieser ihn also wüthend kommen sah, glaubte er, Reymund habe die Melusina auf einer Unehre betroffen, und sagte zu ihm: siehe, mein Bruder, es hat sich also bestätigt, daß Deine Gemalin Dir und ihrer Ehre ist abtrünnig geworden.
Reymund aber sagte: Du hast mir Unwahrheit vorgebracht und bist mir ein schädlicher Bruder, Du bist zu einer unglücklichen Stunde in mein Haus gekommen, denn deinetwegen bin ich nun in Elend gerathen, daß ich meinen allertheuersten Eid gebrochen habe, darum geh, verweile Dich nicht länger hier, sonst möchte es Dein Leben kosten, und komme mir auch niemalen wieder in mein Haus, oder vor mein Angesicht!
Ueber diese unvermuthete Anrede erschrak der Graf, so daß er sich eilig zu Pferde satzte, und schnell wieder nach Hause ritt; auch die übrigen Gäste wußten nicht, was sie aus Reymund machen sollten, denn er geberdete sich, als wenn er ohne Sinnen wäre, weshalb sie sich auch wieder fort begaben.
Reymund aber war im allergrößten Jammer, er glaubte, daß er seiner Untreue halber nun seine geliebte Melusina nimmermehr wieder sehn würde, und daß er sie auf Zeitlebens verloren habe, er schrie und klagte: ach, du unglückselige Stunde, in welcher ich armer Mann geboren bin, daß ich nun mein allerliebstes Gut entbehren soll! In seiner großen Betrübniß zog er seine Kleider aus und legte sich zu Bett, denn er fühlte sich matt und krank, er beschloß, als ein Einsiedler sein künftiges Leben zuzubringen, wenn er Melusina verlieren sollte. So trieb er die ganze Nacht sein Klagen, indem er sich von einer Seite nach der andern wendete, indem eröffnete Melusina mit einem Schlüssel die Kammer und trat zu ihm, zog sich nackt aus und legte sich neben ihm in das Bett, sie fühlte, daß er kalt und krank war, umfing ihn zärtlich mit ihren Armen und fragte ihn: was fehlt Dir, mein liebster Gemal? Er klagte ihr, daß ihn ein Fieber überfallen habe, war aber doch froh, daß Melusina wieder da sei und sich gegen ihn freundlich bezeigte, worauf er auch wieder von ihren Küssen und liebreichen Umarmungen besser wurde.
Indessen war Geoffroy mit dem Zahn nach dem Lande geritten, wo man ihm gesagt hatte, daß sich der große Riese aufhielte und seinen Unfug triebe. Er ritt hin und her und fragte die Leute nach der Wohnung des Riesen, weil er gekommen sei, ihn umzubringen. Die Leute sagten: das wolle Gott, Herr Ritter, daß ihr dieses in's Werk setzt, denn er ist ein ungeschlachter Mann und fügt uns so viel Leides zu, daß es nicht zu sagen ist; worauf sie ihm auch das Schloß des Bösewichts zeigten. Geoffroy kam hierauf an einen steilen Berg, auf welchem ein festes Schloß lag, in welchem der Riese seinen Aufenthalt hatte Hier stieg Geoffroy von seinem Rosse ab, legte den Harnisch an, hängte den stählernen Streitkolben an seinen Sattelbogen, gürtete das Schwert um sich, nahm die Lanze in seine Hand, hielt seinen schönen mit Gold ausgezierten Schild vor sich, setzte den Helm auf und stieg wieder zu Pferde, worauf er gegen das Schloß ritt und den Riesen mit kühner und lauter Stimme ausfoderte, indem er sprach: wo bist Du nun, Bösewicht, der mir mein Land verdirbt, und den Meinigen so großen Schaden zufügt? komm nur schnell heraus, damit ich Dir den Garaus mache. Der Riese war oben im Schloß und fuhr mit seinem Kopfe heraus, welcher so groß wie ein Ochsenhaupt war, um zu schauen, wer da sei, der ihn so kühnlich ausfodre. Er erstaunte, als er nur einen einzigen Mann gewahr wurde, und däuchte ihm, es sei kaum der Mühe werth, ein Gefecht mit ihm anzufangen; doch zog er seinen Harnisch an, trat vor das Schloß heraus, und brachte einen stählernen Schild mit sich, und drei eiserne Stangen, und drei Hämmer in seinem Busen.
Als der Riese hervor kam, sah Geoffroy, daß er wohl bei funfzehn Schuh lang war, worüber er sehr erstaunte, aber dennoch den Muth nicht verlor, sondern jenen mit erschrecklicher Stimme anschrie. Der Riese aber sprach: Wer, und von wannen bist Du? Worauf Geoffroy ausrief: ich bin Geoffroy mit dem Zahn, wehre Dich, denn Du sollst allhier Dein Leben lassen. Der Riese sagte: kleines Kerlein, mich jammert Deiner, geh nach Hause, Du scheinst mir ein guter junger Mensch, aus dem mit der Zeit wohl noch etwas werden kann. Gehst Du aber nicht, so schlage ich Dich mit einem einzigen Streich zu Tode. Geoffroy aber achtete nicht darauf, sondern schrie immer fort: wehre Dich, Hollunke, wenn Dir Dein Leben lieb ist! Zugleich ritt er zurück, um Feld zu gewinnen, legte seine Lanze ein, und rannte mit solcher Gewalt auf den Riesen, daß dieser von diesem einzigen Stoße zur Erden niederfiel. Die Erde bebte unter dem gewaltigen Fall des Riesen, aber er stand schnell wieder auf, und war sehr erbost, daß ihn ein einziger Stoß eines Ritters dermaßen hatte umwerfen können, er nahm daher seine stählerne Stange und schlug gegen Geoffroy, der schon das zweite Rennen gegen ihn vornahm, womit er dessen Pferd traf, und ihm beide Vorderbeine abhieb. Das Pferd fiel zu Boden, und Geoffroy sprang plötzlich aus dem Sattel, zuckte sein Schwert, lief den Riesen an, und gab ihm einen so harten Schlag, daß dieser seinen Schild aus der Hand fallen ließ. Hierauf nahm der Riese die stählerne Stange und schlug so auf den Geoffroy ein, daß dieser vom Schall des Schlages ganz betäubt wurde, er erholte sich aber schnell, nahm den Streitkolben vom Sattelbogen und schlug damit dem Riesen die Stange aus der Hand. Da ergriff der Riese einen von seinen Hämmern, und schmiß ihn so mächtig nach Geoffroy, daß dieser den Streitkolben auch mußte fallen lassen. Der Riese bückte sich nach dem Kolben, aber Geoffroy nahm sein Schwert wieder zur Hand und hieb damit dem Riesen einen Arm von Leibe herunter: darüber erschrak der Riese und faßte seine Stange mit der andern Hand und schlug nach Geoffroy, der aber sprang diesem Schlage behende aus dem Wege, der Riese fiel wieder auf die Knie und Geoffroy gab ihm nun einen solchen Hieb auf das Bein, daß er völlig zu Boden stürzte, entsetzlich schrie und seine heidnischen Götter um Hülfe anrief. Nun blieb dem tapfern Ritter nichts weiter übrig, als ihm den Kopf nur völlig herunterzuhauen, welches er auch in aller Schnelligkeit that, und so über den ungeheuren Mann den Sieg davon getragen hatte.
Geoffroy nahm hierauf das Horn des Riesen und blies so lange darein, bis sich viele Leute aus den umliegenden Gegenden versammelten, die sich alle entsetzten, daß er den großen Heiden mit seiner Kraft hatte umbringen können. Bald breitete sich im ganzen Lande und auch in den andern Reichen die Nachricht aus, wie Geoffroy den Riesen bezwungen habe; er aber schickte einen Boten zu seinen Eltern, der auch diesen die erfreuliche Nachricht bringen mußte.
Weil die Rede von seinem Siege schnell weit herum gekommen war, so gelangten Boten aus dem entfernten Lande Norhemen an Geoffroy, die ihn im Namen der dortigen Landesherren demüthig ersuchten, zu ihnen zu kommen, und ebenfalls einen ungeheuren Riesen umzubringen, von dem sie so sehr geplagt würden, daß sie sich nicht zu lassen wüßten; wenn er ihn mit Gottes Hülfe bezwänge, so wollten sie ihn auch gern für ihren Oberherrn erkennen, und ihm das ganze Land übergeben. Geoffroy antwortete: er wolle kommen und den Riesen umbringen, nicht aber um Land und Leute zu gewinnen, sondern er thue dieses nur aus Barmherzigkeit, und weil er es für seine Pflicht halte, alle Riesen umzubringen, so weit er sie nur erreichen möchte. So rüstete er sich, um zu Schiffe nach dem Lande Norhemen zu fahren, voll von hohem Muth und feuriger Begier, Wittwen und Waisen zu beschützen, allen Unterdrückten beizustehn, und alle Unglaubigen vom Angesichte der Erde zu vertilgen, so daß alle über seinen hohen Eifer und treffliche Vorsätze in Verwunderung geriethen.
Als Geoffroy abreisen wollte, kam ein Bote zu ihm mit einem Brief von seinen Eltern, worin sie ihm meldeten, daß sie gesund wären, auch Nachrichten von ihren Söhnen hätten, die sehr erfreulich, dabei sei ihr Sohn Freymund im Kloster Malliers, nahe bei ihnen, ein Mönch geworden, um Gott für alle zu bitten. Wie Geoffroy las, daß sein Bruder Freymund ein Mönch geworden sei, ward er so zornig und wüthend, daß er nicht anders, wie ein wilder Eber schäumte, und alle die zugegen waren, vor Furcht schwiegen und nicht wußten, was sie sagen sollten. Er rief aus: die schelmischen und nichtswürdigen Mönche haben meinen Bruder bezaubert und betrogen, daß er nicht, wie wir alle gethan haben, die Ritterschaft ergreifen will; muß ich mich mit Riesen herumschlagen, und soll er indessen ein Mönch werden? Nun warlich, es soll ihnen und dem Abte übel gerathen, denn ich will sie alle zusammen verderben und verbrennen!
Ueber diese Rede entsetzten sich alle; den Boten aus dem Lande Norhemen aber befahl er seiner an dieser Stelle zu warten, denn er werde bald wieder kommen. So ritt er im Grimme fort und kam bald auf seinem Wege nach dem Kloster Malliers. Wie der Abt und die Mönche ihn kommen sahn, gingen sie ihm höflich entgegen, um ihn zu begrüßen und ihm Willkommen zu sagen, aber Geoffroy fuhr sie gleich zornwüthig an und schnaubte ihnen entgegen: Ihr bösen Mönche, warum habt Ihr meinen Bruder also verführt, daß er ein Mönch geworden und die Ritterschaft verläugnet hat? Daran habt Ihr übel gethan und ich will Euch bestrafen, denn Ihr sollt alle Euer Leben hergeben.
Ueber diese Rede erschraken der Abt und die Mönche; der Abt erwiederte: wir haben mit nichten Euren Bruder verführt, er ist aus freiem Willen und aus Andacht in unser Kloster gekommen, hier steht er gegenwärtig und Ihr könnt ihn selbst darum fragen.
Freymund sagte hierauf: lieber Bruder, ich schwöre Dir, daß mich Niemand überredet hat, sondern daß ich hierin bloß meinem eigenen Triebe gefolgt bin, so ist es meine eigne Schuld, daß ich bin ein Mönch geworden, denn ich tauge nicht zum Ritter, ich habe in mir ein Verlangen zum gottseligen Leben gespürt, so habe ich denn nichts bessers gewußt, als mich hieher zu begeben, wo ich für alle und auch für Dich beten will.
Geoffroy aber blieb in seinem Zorn und kein Zureden und Bitten vermochte etwas über ihn; er stieg von seinem Pferde ab, besetzte das Kloster mit seinen Leuten, ließ einen großen Haufen Heu, Stroh und Holz auf einen Platz bringen, zündete dieses gegen den Wind an, und verbrannte so seinen leiblichen Bruder nebst hundert Mönchen, die alle in die Kirche geflohen waren.
Als die That vollbracht war, sah Geoffroy ein, daß er Unrecht gethan hatte; er bereute sie heftig, weil er glaubte, sich an Gott versündigt zu haben, schalt und fluchte auf sich selber, und verwünschte sich in den Abgrund der Erden hinein, daß er niemals mehr das Tageslicht erblicken möchte, doch war es nun zu spät mit seiner Reue und seinem Wehklagen. Setzte sich deshalb wieder zu Pferde, und ritt nach der Stelle in größter Eile zurück, wo er den Boten aus dem Lande Norhemen gelassen hatte, fuhr mit ihm in einem Schiffe ab, der Wind war günstig und so ging die Fahrt nach dem Lande Norhemen glücklich von Statten.
Reymund und Melusina saßen bei Tische und nahmen eine fröhliche Mahlzeit in schöner Häuslichkeit und Freundlichkeit zu sich, als ein Bote mit verwirrten Mienen und thränenden Augen zu ihnen hereintrat, und ihnen sagte, er habe eine erschreckliche Neuigkeit zu sagen, wolle sie aber nicht gerne vorbringen. Reymund sagte: er solle sie sagen, denn er habe sich nun schon in Gottes Namen auf etwas Betrübtes gefaßt gemacht; so sprach auch Melusina, denn sie wußten noch nicht, was vorgefallen war. Drauf sagte der Bote: so muß ich Euch nur Meldung thun, daß eins von Euren Kindern nicht mehr am Leben. So segne ihn der Herr, antwortete Reymund, doch welcher von meinen Kindern ist es? Der Bote sagte: es ist Freymund. Reymund war sehr betrübt, doch sprach er weiter: Gott hat ihn zu sich genommen; doch ist er selig gestorben, sind ihm alle christlichen Rechte widerfahren? Der Bote antwortete. Nein, er konnte kein christliches Recht bekommen, denn er ist mit allen andern Mönchen im Kloster zu Malliers verbrannt worden.
Darüber entsetzte sich Reymund und rief aus: Bote, nimm Dich in Acht, daß Du keine Lügen vorbringst, denn dergleichen sollte Dir übel gelohnt werden; wer hat sich unterstehn dürfen, ihn und das Kloster zu verbrennen?
Der Bote sagte demüthig: gnädiger Herr, es sei ferne von mir, daß ich mit Lügen umgehn sollte, dergleichen habe ich in meinem ganzen Leben nicht gethan, und werde nun nicht mit Euch den Anfang machen. Nein, Geoffroy mit dem Zahn hat in seiner Bosheit das Kloster sammt allen Mönchen verbrannt, dazu seinen leiblichen Bruder, weil er erzürnt gewesen, daß er ein Mönch geworden und geglaubt, der Abt und die Mönche hätten ihn mit List dazu überredet. Hierauf erzählte er den ganzen Vorgang, was Geoffroy gesprochen und was ihm der Abt erwiedert, und wie der Geoffroy sich nicht daran gekehrt, sondern in seinem Zorn das ganze Kloster sammt allen Mönchen verbrannt habe.
Da entsetzte sich Reymund recht in seinem innersten Herzen, wurde auch voll Grimms und im ganzen Gemüthe bewegt, deshalb stieg er plötzlich zu Pferde, um selbst nach der Brandstelle des Klosters Malliers hinzureiten. Unterwegs hörte er von allen Leuten ein großes Klagen über den Geoffroy, daß er das schöne Kloster also verderbt habe, sammt allen Mönchen. Er kam selber an den Ort, wo das herrliche Gebäude gestanden hatte, und sah nun die betrübten rauchenden Trümmern vor sich. Er wurde hierauf sehr zornig und schwur, daß, wenn er den Geoffroy habhaft werden könne, er ihn auch eines gewaltsamen Todes wolle sterben lassen. So ritt er wieder im allerheftigsten Zorne nach seinem Hause zurück.
Er stieg vom Pferde ab, ging in seine Kammer, schloß sich ein, setzte sich in höchster Betrübniß nieder, seufzte, weinte und klagte:
Ach Gott! so hat Geoffroy im bösen Muthe
Den eignen Bruder Freymund umgebracht,
Der wollte Mönch sein, dienen Gott, der Gute,
Doch starb er bald, und ruht in schwarzer Nacht.
Ich selber habe mich befleckt mit Blute
Und meinen eignen Vetter todt gemacht,
Ich wollte damals nur das Schwein verderben,
Und ließ am eignen Spieß den Vetter sterben.
Drum hat der mit dem Zahne dies verbrochen,
Der wüthete so wie ein wildes Schwein,
Ich hatte erst den Vetter mein erstochen,
Und ein Meerwunder muß meine Gattin sein;
Sie hat mir Reichthum, Ehre, Glück versprochen,
Ich zeugte Söhne, zehne nannt ich mein,
Davon ist mir der liebste nun verbrannt,
Das that des eignen wilden Bruders Hand.
Und wie Geoffroy nun wüthend angefangen,
So wird er auch niemals das Gute thun,
Hätt' ich ihn hier, so müßt' er warlich hangen,
Nie könnt' ich eh, bis er gestorben, ruhn;
Den Bruder morden! frevles Unterfangen!
Nein, strafen muß ich ihn, hin fahr' er nun,
Boshafter wird er stets, gottloser werden,
Am besten man vertilgt ihn von der Erden.
Als Reymund in diesen schweren Klagen war, schloß Melusina mit einem Schlüssel die Kammerthür auf, und ging mit ihren Rittern, Frauen und Jungfrauen zu ihm hinein, um ihn zu trösten, worauf sie ihn auf dem Bette liegend fanden, indem seine Grimmigkeit noch durch den plötzlichen Anblick seiner Gemalin vermehrt wurde. Melusina trat lieblich auf ihn zu und sagte: Nicht, Reymund, mußt Du Dich über Dinge also sehr betrüben, die Du nicht verschuldet, und welche Du nicht mehr ändern kannst, betrübe Dich, aber sei geduldig in Deinem Gram und empfiehl Gott Dich und Deinen Schmerz, der wird alles nach seinem Willen vollbringen und er verlangt vielleicht jetzt, daß wir auf unsre Sünden und schlimmen Leidenschaften achten und sie ablegen sollen. Unser Sohn Geoffroy hat gesündigt, aber er wird seine Missethat beweinen und Buße thun, und Gott wird ihm nach seiner unendlichen Barmherzigkeit vergeben, denn er will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er leben bleibe.
So vernünftig und schön Melusina sprach, so schaute sie Reymund doch mit boshaften Augen an, war seiner selbst im Zorn nicht mächtig und sagte laut und vor allen Gegenwärtigen: O Du Schlange und giftiger Wurm, kömmst Du hieher, mir eine solche Rede zu halten und bist nur ein liederlicher Fisch? Ja, ich habe gesehn, daß Du ein Meerwunder bist und kein menschliches Geschöpf, darum müssen die Kinder von Dir Bösewichter werden, es ist Deine Schlangenart, die in ihnen zum Vorschein kommt, sieh nur, welchen schönen Anfang der Geoffroy mit dem Zahne gemacht hat! hat er nicht meinen liebsten Sohn, und den Abt, und dazu alle Mönche verbrannt?
Während dieser Worte verwandelte Melusina ihre schöne Farbe und wurde ganz todtenblaß; mit einer Stimme, die allen durch das Herz drang, sprach sie hierauf: Ach Reymund! wie lässest Du Dich so sehr von der Unvernunft dahinreißen! welche Worte hast Du gesprochen? Ist mein Schmerz nicht so groß, wie der Deinige? Mein Leiden nicht dem Deinigen gleich? O wie hielt ich Dich lieb und werth! wie vertraute ich Dir mein Heil und meine Wohlfarth! aber Du hast Dein Gelübde gebrochen und so muß nun auch eintreffen, was ich Dir dazumal vorhergesagt, daß Du mich verlieren würdest. O Reymund, Deine Wohlfarth, Dein Glück, alle Deine Freude und Ehre muß leider nun ein Ende nehmen.
Mehr konnte sie nicht sprechen, sondern sie fiel nach diesen Worten ohnmächtig zur Erde nieder. Die Herren und Diener erschraken sehr und liefen eilig hinzu, ihr beizustehn, worauf sie auch wieder zu sich kam und mit höchstkläglicher Stimme sagte:
Ach Gott! ach! Herr! o Reymund! wehe mir!
Die Zeit ist da, ich scheide nun von Dir,
Wie mußt' ich doch von Deinem Werth, Geberden
Also im Herzen mein bezaubert werden?
O weh! mein Leiden sei Gott angesagt!
O weh! es sei dem höchsten Herrn geklagt!
O wehe mir, daß ich beim Bronnen rein und kalt,
Dich fand, mein Reymund dort im grünen Wald!
O weh, daß ich gefühlt nach Dir Verlangen,
Weh mir, daß ich den schönen Leib umfangen!
Der Stunde weh, da ich mein Leib und Leben
In Deine Macht Dir gänzlich übergeben!
Ha Deine Falschheit und Verrätherei,
Dein Unverstand bricht alles nur entzwei,
Dein zornger Grimm, Dein boshaft schlimmer Mund
Richt' mich und Dich, mein Wohlfarth ganz zu Grund,
Ich komme nun in Arbeit, Angst und Noth,
Und kann nicht hoffen, daß der bald'ge Tod
Von meinen Quaalen mich befreien mag,
Sie währen fort bis an den jüngsten Tag.
Gottloser Schalk! untreuer Bösewicht!
So weiß Dein Herz nicht, was Dein Mund verspricht?
Wie hältst Du mir Dein heiliges Versprechen?
Wie magst Du so Dein Wort und Schwören brechen?
Gern wollt' ich Dir, untreuer Mann, verzeihn,
Wenn Du nur noch verschwiegen konntest sein,
Du hattest mich am Bade schon gewahrt,
Es war verziehn, denn keinem offenbart
Als Dir, war noch mein Schmach und großes Leid,
Nun ist es offenbar, nun kommt die Zeit
Der Angst, der Pein, der Quaal und Herzenswehen,
Wo Glück, Lieb, Heil und Wohlfarth muß vergehen.
Hätt'st Du den Eid gehalten treu und wahr,
So blieb ich bei Dir, Reymund, immerdar,
Bis endlich uns der bittre Tod geschieden,
In Erde ruhte dann mein Leib im Frieden,
Die Seele wär' aus Leid im Freud gekommen,
Aus Fegefeur in Himmelslicht genommen.
Nun aber bleiben Leib und Seel beisammen
Bis glüht der jüngste Tag in seinen Flammen,
In Dir nimmt seinen Anfang schweres Leiden,
Auch Du nimmst Abschied nun von Deinen Freuden,
Vermindert und zertheilet wird Dein Land,
Kommt niemals wieder unter eine Hand,
Unglück trifft manche, die von Dir abstammen,
Und auch wir beide bleiben nicht beisammen,
Ich muß von Dir, von Schloß und Kindern scheiden,
Und künftig Mann und Schloß und Kinder meiden.
Die trauernde Melusina wandte sich hierauf zu drei Landesherren, führte sie zu Reymund und fuhr in ihrer Rede fort:
Reymund, bei Dir ist meines Bleibens nicht,
Doch nimm in Acht, was, wenn ich fort, geschicht,
Horribel, unser Sohn mit dreien Augen,
Ist bös und kann in dieser Welt nicht taugen,
Erwächst er groß, wird er das Land verderben
Mit Krieg und Hunger, laßt ihn vorher sterben.
Daß Geoffroy hat den Abt, die Mönch verbrannt,
Erfahre, daß auch hierin Gottes Hand,
Sie schlugen ihre Regel in die Schanz
Und hielten nicht des Klosters Observanz,
Auch wird den Geoffroy schwere Reue plagen
Er wird alsdann frommüthig in sich schlagen,
Ein neues Kloster baun, das schöner ist,
Worauf er auch zum Dienste Jesu Christ
Mehr Mönche wird zum frommen Werk einsetzen,
Sie unterhalten auch von seinen Schätzen.
Es wird mir schwer von meinem Schloß zu scheiden,
Das ich gebaut anmuthig und mit Freuden,
Ich möchte fast in Thränen drum vergehn,
Doch kann's nicht anders sein, es muß geschehn.
Ach Reymund! wars nicht Lust und Freudigkeit
Als wir so schön beisammen allezeit?
Aus Freud wird Leid, aus Scherzen wird nun Schmerz,
Aus Stärke Ohnmacht, das zerbricht mein Herz.
Wie hatten wir so schönes Wohlgefallen,
Das wandelt sich nunmehr in Mißgefallen,
Wohlfarth wird Gram, zu Sorge Sicherheit,
Zu Unglück Glück, Freiheit wird Dienstbarkeit.
So dreht sich denn des Glückes Kugel rund,
Kehrt all in's Gegentheil in einer Stund,
Doch ist es Reymund Deine eigne Schuld,
Daß Du verleurst des Glückes Lieb' und Huld.
Ich muß zu meinen Leiden von Dir scheiden,
Doch mag Dir Gott die Missethat verzeihn,
Daß ich aus Lust in Gram, in Schmerz aus Freuden
Bis an den jüngsten Tag muß immer sein;
Nun muß ich wieder fort, in Angst eingehen,
In der ich, Arme, einmal schon gewesen,
Und wieder muß die Quaal an mir geschehen,
Und niemand darf und kann mich nun erlösen.
Wie Reymund diese Klagen anhörte und sah, daß sich seine geliebteste Gemalin zum Hinscheiden fertig machte, überfiel ihn eine solche innerliche Angst, daß er nicht ein Wort zu sprechen vermochte; er meinte, das Herz im Leibe müßte ihm vor großem Weh zerspringen und er würde sterben, begehrte auch nicht länger zu leben und wünschte sich den Tod. Er stand auf und ging mit kläglichen Geberden zu Melusina, küßte sie mit höchster Betrübniß und weinte bitterlich. Vor großem unaussprechlichen Herzeleid, das sie beide des Scheidens halber hatten, fielen sie nieder auf die Erde. Die Landesherren und Hofbediente, Frauen und Jungfrauen waren ebenfalls sehr traurig, huben sie beide auf, weinten und alles Volk mit ihnen. Reymund fiel vor Melusina nieder auf die Knie, und bat sie unter Schluchzen und Herzensangst um Vergebung, daß er seine Gelübde so böslich gebrochen hätte. Melusina antwortete: ich kann dem Verhängniß nicht Einhalt thun, welches es nun so beschlossen hat, darum müssen wir uns drein ergeben. Vergiß nun Deinen Sohn Freymund, aber gedenke Deines Sohnes Reymund, der einst an Deines Bruders statt Graf zu Forst werden soll. Auch Deines jüngsten Sohnes, Dietrich, nimm Dich an, der noch an der Brust der Amme liegt, denn er soll einst ein tapfrer Ritter werden.
Nachdem Melusina diese Worte gesprochen hatte, schwang sie sich auf das Fenster, wandte sich noch einmal um und sagte:
Gesegn' Dich Gott, mein Herz und wahrer Freund:
Gesegn' Dich Gott, holdseligster Gemal!
Gesegn' Dich Gott, Du liebstes Kleinod mein!
Gesegn' Dich Gott, Du schöne Kreatur!
Gesegn' Dich Gott, Du meine schönste Freude!
Gesegn' Dich Gott, Du Lust in dieser Welt!
Ach segn' Dich Gott, mein liebster Trost und Hort!
Auch Euch gesegne Gott, mein liebes Volk!
Gesegn' Dich Gott, Lusinia, schönes Schloß,
Das ich gebaut und selbst gestiftet hier!
Gesegn' Dich Gott, Du Preis von dieser Welt!
Gesegn' Dich Gott, Reymund, mein liebster Freund,
Leb' ewig wohl, zu tausend gute Nacht!
Mit diesen letzten Worten schoß Melusina zum Fenster hinaus und verwandelte sich vor den Augen alles Volks, denn sie wurde von den Hüften an wiederum ein feindlicher, langer und ungeheurer Wurm. So umfuhr sie in der Luft das Schloß, indem sie aus der Höhe herunter ein entsetzliches Geschrei ausstieß, das so seltsam und unerhört klang, daß allen das Herz im Leibe bebte, und sie sich vor nichts so furchten, als diesen Ton noch einmal zu hören, so zerschmetternd und zerreissend klang es, so tiefbetrübt, als sollte nun gar die ganze Welt vergehen, als wär alle Lust erstorben und sollte der Jammer nun auf Erden auf immer einheimisch sein. Dreimal ließ sie dieses entsetzliche Geschrei von sich hören, dann vernahm man nichts mehr und sie war verschwunden.
Reymund stand bei den Seinen in großen Leiden und schwerer Quaal, er schrie und weinte bitterlich, raufte sich die Haare aus und wünschte niemals geboren zu sein; da er wieder vor seinem großen Herzeleid sprechen konnte, rief er ihr die Worte nach:
Nun so gesegn' Dich der allmächt'ge Gott,
Mein schönes Weib und Freundin, Ehrenkrone!
Gesegn' Dich Gott, mein Reichthum, meine Freude!
Gesegn' Dich Gott, Du meine liebste Lust!
Gesegn' Dich Gott, mein einziges Verlangen!
Gesegn' Dich Gott, Du Frau von hohem Preis!
Gesegn' Dich der allmächtge, ewge Herr
Und unser theurer Heiland Jesus Christus!
Ach alle meine Tage sind vergangen,
Da ich Dich ferner nicht erblicken soll.
Reymund klagte so sehr, daß alle die Seinigen mit ihm klagen und weinen mußten. Doch gab es einige ältre Leute, die sehr redlich waren und ihn zu trösten suchten, weil sie auf das Wohl des Landes ihre Absicht gerichtet hatten. Sie hielten ihm herrliche Beispiele vor, von andern großen Männern, die vieles Unglück erlitten, sich aber nachher getröstet hatten. Einer von den allerredlichsten aber erinnerte ihn an den Befehl seiner abgeschiedenen Gemalin Melusina, seinen Sohn Horribel mit den drei Augen nicht leben zu lassen, weil dieser sonst das ganze Land verderben würde. Reymund antwortete: lieben Freunde, überlaßt mich nur meinem Schmerze und thut übrigens nach Eurem Wohlgefallen und wie Euch meine edle Gemalin Melusina befohlen hat.
Hiemit entfernte sich Reymund und verschloß sich in einer einsamen Kammer, wo er trauerte und weinte und ein solches Wehklagen trieb, daß es nicht zu sagen ist. Die Herren und Diener aber nahmen den kleinen Sohn Horribel, der schon als Knabe ein sehr böses Gemüth in sich spüren ließ, und sperrten ihn zum Besten des ganzen Landes in einen abgelegenen Keller, worauf sie so viel brennendes Stroh hineinwarfen, daß der junge Bösewicht ersticken mußte; so war das Land für die Zukunft gerettet. Nachdem sie dieses vollbracht hatten, nahmen sie den Leichnam und legten ihn heimlich in ein Bette, sagten er wäre todt, und begruben ihn öffentlich nach einigen Tagen, als wenn er eines ordentlichen Todes gestorben wäre.
Reymund hatte noch zwei junge Kinder, die ihre Ammen hatten und die Brust sogen. In der Nacht sahen die Ammen oftmals, wenn es finster war, daß Melusina in die Kammer kam, in welcher die Kinder schliefen, eins nach dem andern aufhub, nämlich den Reymund und den Dieterich, sie am Feuer wärmte und lieblich säugte und dann wieder sie liebkosend in ihre Wiegen legte. Darnach war Melusina wieder verschwunden, und die Dienerinnen wagten es aus Furcht nicht, zu ihr zu gehn, wann sie zugegen war, doch nahm das Kind Dieterich so sehr zu, daß alle Menschen, die es nur sahen, darüber erstaunen mußten.
Geoffroy war indessen mit dem Schiffe und seinem Boten glücklich in das Land Norhemen angelangt. Gleich beim Schiffaussteigen kamen ihm die betrübten Landesherren entgegen, empfingen ihn sehr freundlich, bewillkommten ihn mit größter Höflichkeit, und erzählten so grausame Thaten von dem Riesen, die der ungeheure Wüthrich an jedem Tage verrichtete, wohl oft an einem Tage an die hundert Ritter erwürge, das Volk nicht anders als nach tausenden umbringe, das Land verwüste, das Vieh verderbe, und so weiter, daß Geoffroy antwortete: ei, meine Herren, dieses ist ja kein Mensch, sondern ein rechter eingefleischter Teufel, doch wenn ich ihn anders nur finde, so hoffe ich ihn mit Gottes Hülfe zu überwinden, bin auch deswegen ausdrücklich hergekommen, denn ich habe schon vorher, obgleich nicht so umständlich, von seinen Freveleien gehört. Gebt mir deshalb nur einen Boten mit, der mir den Weg zu diesem Unmenschen zeigt.
Die Landesherren schafften ihm bald einen Boten, der des Wegs kundig war und auch die Wohnung des Riesen wußte, worauf Geoffroy sehr kurz, aber doch mit seiner möglichsten Höflichkeit von den Landesherren Abschied nahm. So ritten sie beide, er und der Bote nach dem Berge zu, wo der Riese seine Wohnung hatte. Da sprach der Bote: Hier auf diesem Berge hat nun der Riese seine Wohnung. Du mußt mich zu ihm führen, antwortete Geoffroy, denn dazu bist Du mir mitgegeben, und so ritten sie auch den Berg hinan, und als sie oben waren, sah sich der Bote um, und erblickte den großen und mächtigen Riesen, der an einem Baume, auf einem Marmorsteine saß.
Als der Bote sah, daß der Riese so gar nahe bei ihm war, zitterte er vor Furcht an Händen und Füßen, wobei er ohne Unterlaß die Farbe verwandelte. Geoffroy, der sich nicht umgesehn hatte, merkte daraus, daß der Riese etwa in der Nähe sein müsse, er sagte daher lächelnd zum Boten: fürchtet Euch nur nicht, mein lieber Freund, denn ich bin gekommen, diesen Riesen umzubringen und Euch alle zu erlösen. Der Bote sagte: Herr, ich bin Euch als ein Bote mitgegeben worden, denenselben den Riesen zu zeigen, da ist er nun vor uns gegenwärtig, und sitzt auf einem Marmorsteine, nun verleihe Euch Gott der Herr Kraft und Stärke, denn hier kehr' ich um, und möchte um alle Schätze in der Welt, um alles Gold und Silber nicht weiter mit denenselben hinauf reiten; also, Gott befohlen, denn ich war bloß dafür gedungen, Euch den Riesen zu zeigen, und da ist er.
Der Riese Grimhold sah, daß zwei Leute zu ihm den Berg hinan ritten, blieb also sitzen, um zu sehn, was es geben solle, denn er dachte wohl, daß sie sich an ihn machen und eins mit ihm wagen wollten. Geoffroy bat den Boten lächelnd, daß er doch noch bleiben und ihrem Gefechte zusehn möchte, indem er bald wahrnehmen würde, welcher unter ihnen beiden der beste sei. Der Bote aber sprach: was seh' ich doch an Dero Fechten, will lieber wieder nach Hause gehn, indem ich das nunmehr vollbracht habe, was mir ist anbefohlen worden. Geoffroy aber redete ihm wieder zu und sagte nochmals: lieber Freund, laß es Dir nicht leid sein, noch eine kleine Weile zu verziehn, denn Du wirst alsbald gewahr werden, welchen Ausgang es nimmt, worauf Du dann dem übrigen Volke sagen kannst, wie es sich begeben hat, und wer oben oder unten gelegen; willst Du dieses aber nicht thun, so denke ich Dir selber eins zu versetzen, daß Du wohl hier bleiben mußt.
Der Bote antwortete und sprach: gnädiger Herr, Ihr bittet so, daß man Euch nichts abschlagen kann, doch wollte ich gebeten haben, das Ding nicht lang zu machen, weil ich mich gar zu sehr vor dem Riesen fürchte, denn er kommt mir nicht wie ein Mensch, sondern wie der leibhaftige Teufel vor. Wenn Ihr so dächtet, wie ich, so würdet Ihr gegen den großen ungeheuren Riesenkerl nicht so unbedachtsam Euer junges Leben wagen. Geoffroy aber sagte: sorgt für mich nicht, denn ich will dem Leben des Riesen bald ein Ende machen.
Geoffroy schied nun von dem Boten und kam an den Berg. Da ihn Grimhold ganz allein herauf reiten sah, verwunderte er sich sehr, daß sich ein einzelner Mann dergleichen unterstehn sollte, doch gedachte er wieder, es werde vielleicht ein Unterhändler zwischen ihm und dem Lande sein, daher stand er auf, ging ihm an dem Berge auf einer schönen Wiese entgegen und nahm eine lange hölzerne Stange in seine Hand, mit der er wie mit einem Stäblein spielte. Wie nun Geoffroy nahe genug gekommen war, so schrie ihn der Riese an: Wer, oder von wannen seid Ihr, daß Ihr es wagt, so gegen mich den Berg herauf zu reiten? Was habt Ihr hier zu schaffen und zu suchen? Geoffroy schrie ihn wieder an: Du großer Schreihals, mein Gewerbe ist ganz kürzlich dieses, daß ich Dir Deinen gottlosen Kopf vom Leibe herunter hauen will, weiter habe ich hier nichts zu suchen, darum halte Dich bereit, solches in Gottes Namen zu erleiden.
Da fing der Riese an zu spotten und sagte: ei, mein kleiner Herr, laßt mir doch noch mein armes Leben, nehmet mich lieber gefangen und verkauft mich für Geld, damit ich doch nur meinen Leib behalte. Wie Geoffroy merkte, daß er seiner spottete, schrie er ihn wieder an: Nun warte, Du großer Hund, alsbald sollst Du für Dein Spaßmachen den Lohn bekommen. Plötzlich ergriff er seinen Schild, legte die Lanze ein und rennte mit solcher Gewalt auf den Riesen los, daß, wenn dieser nicht von seinem stählernen Harnisch wäre geschützt worden, er ihn durch und durch gestoßen hätte; aber der Stoß traf den Riesen doch so gewaltig, daß er zur Erden fiel und den Hintern und die Beine dem Himmel zukehrte. Er sprang aber geschwinde wieder auf und wollte nach Geoffroy mit seiner Stange schlagen; wie dieser das merkte, sprang er schnell vom Pferde herunter, in Besorgniß, er möchte ihn und das Pferd zu gleicher Zeit zu Tode schlagen. Der Riese betrachtete hierauf den Geoffroy und verwunderte sich sehr über dessen Stärke, und sagte zu ihm: ich weiß nicht, wer oder von wannen Ihr seid, Ihr habt mir einen so starken Stoß gegeben, daß ich meine Füße und meinen Hintern dem Himmel habe zukehren müssen, solches ist mir zuvor in meinem Leben noch nicht begegnet, wenn Ihr also ein frommer Ritter seid, so begehre ich von Euch, mir Euren Namen nicht zu verschweigen.
Geoffroy antwortete: ich heiße Geoffroy mit dem Zahn und bin weit und breit bekannt. Der Riese sagte: ich habe schon viel von Euch gehört, Ihr seid also derselbe, der einen andern Riesen, meiner Mutter Bruder, erschlagen hat, und nun hieher zu mir gekommen seid, um Euren Lohn dafür zu empfangen, den ich Euch auch alsobald richtig auszahlen will. Damit nahm der Riese die Stange und schlug mit großer Gewalt gegen Geoffroy, in der Meinung, ihn zu treffen, Geoffroy aber sprang geschwind zurücke und die Stange fuhr einen Schuh tief in den Felsen hinein. Zu gleicher Zeit gab Geoffroy dem Riesen mit seinem Schwert einen solchen Hieb durch seinen stählernen Harnisch, daß die Ringe davon fielen und das rothe Blut durch den Harnisch abwärts stoß. Darauf wurde der Riese über die maßen wüthig, er nahm seine Stange und holte damit einen mächtigen Hieb aus, aber Geoffroy sprang wieder zurücke, und der Streich war so gewaltig, daß die Stange drei Schuhe tief in den Felsen hinein fuhr, wovon ihm auch der Arm heftig erschütterte und seine Stange in Stücke zersprang. Darüber ward Geoffroy sehr froh und lief wieder gegen den Riesen, und führte einen so starken Hieb auf dessen Helm, daß er ihn davon betäubte. Wie der Riese nun wehrlos war, so brauchte er seine Faust und versetzte damit dem Geoffroy einen so harten Schlag auf seinen Helm, daß er ihn damit beinah von Sinnen brachte, doch erholte er sich bald und gab dem Riesen noch einen Hieb, daß ihm der Panzer versehrt wurde, er ihm eine tiefe Wunde beibrachte und das Blut zu seinen Füßen niederströmte. Darüber fing der Riese an gräßlich zu fluchen und seine heidnischen Götter zum Beistand herbeizurufen. Dann sprang er auf Geoffroy zu und packte ihn um den Leib, hierauf rangen die beiden aus allen Kräften und Geoffroy war so mächtig, daß dem Riesen der Athem verging, ihn seine Wunden sehr schmerzten und er beinahe ohnmächtig geworden wäre. Hierauf wollte Geoffroy wieder nach seinem Schwerte laufen, um ihm vollends den Rest zu geben, aber der Riese nahm dieses Augenblickes wahr und nahm mit großer Schande die Flucht in den Felsen hinein.
Der Riese war hinter dem Felsen in ein finstres Loch gesprungen und Geoffroy konnte ihn nicht wiederfinden, so sehr er auch suchte, er setzte sich also wieder zu Pferde und ritt zu seinem Boten zurück, der seiner in großen Aengsten erwartet hatte. Dieser freute sich sehr, als er ihn sah, und Geoffroy erzählte ihm den ganzen Verlauf des Zweikampfs, denn jener hatte sich doch aus Furcht entfernt, als er gesehn, wie der Riese zu handthieren angefangen. Er sah nun auch, wie dem Geoffroy sein Helm voll Beulen und sein guter Schild zerschlagen war, woraus er wohl abnehmen konnte, daß er nicht leichte Arbeit gehabt hatte. Indem sie noch mit einander sprachen, kamen die Landesherren und eine große Menge Volks herbei, die sich über den Sieg Geoffroy's höchlich erfreuten; doch wurden sie wieder bekümmert, als sie hörten, daß der Riese nicht ganz todt, sondern in den Felsen entronnen sei, und wenn er von seinen Wunden wieder aufkäme, so möchte er hernach schlimmer werden, als er zuvor gewesen.
Einer von den Landesherren fragte ihn hierauf, ob sich der Riese bei ihm etwa erkundigt habe, wer, oder von wannen er sei. Geoffroy antwortete: ja, er hat recht eigentlich darnach gefragt und ich habe ihm solches auch nicht verschwiegen. Darauf sagte dieser Herr: tapfrer Ritter, Ihr könnt versichert sein, daß dieser Riese nicht wieder aus seinem Berge hervor kommt, so lange Ihr hier gegenwärtig bei uns bleibt, denn er hat es durch eine Weissagung, daß er von Eurer Hand sterben werde. Darauf schwur Geoffroy einen Eid, nicht eher von dem Lande zu weichen, bis er den Riesen wieder gefunden und ihn vollends getödtet hätte.
Ein andrer Landesherr fuhr hierauf fort: Herr Ritter, in jenem Berge sind überhaupt viele Gespenster, und fremde Dinge, die man wohl recht seltsam nennen könnte. Wir sind ehedem von einem Könige Helmas regiert worden, derselbe hatte eine schöne und weise Gemalin Persina genannt, welcher er einen Eid schwören mußte, sie in ihrem Wochenbette nicht zu besuchen, er brach aber diesen Eid und sah nach der Frau im Kindbette, worauf er auf sonderbare Weise von ihr und von den Kindern plötzlich getrennt wurde. Die drei Prinzessinnen haben darauf ihren Vater in diesem Felsen verschlossen, und wohin nachher die Mutter mit den Töchtern gekommen, hat Niemand erfahren können, seitdem aber der König im Felsen verschlossen, hat sich hier immer ein Riese aufgehalten und den Berg gehütet. Dieser ist der fünfte und alle haben uns unsägliche Drangsal angethan, das Land verwüstet und alle Menschen so sie nur erwischt, jämmerlich erschlagen, dabei hat es keiner gewagt, sich ihnen zu widersetzen. Jetzt aber hoffen wir, daß Euer tapfrer Arm uns von der Furcht erlösen wird. Geoffroy schwur ihnen nochmals, nicht vom Lande zu weichen, bis er den Riesen gar umgebracht, und hiemit ritten sie alle nach Hause.
Die Sonne war kaum aufgegangen, als Geoffroy sich wieder auf den Weg nach dem Gebirge machte. Er kam an den Felsen, wohinein der Riese geflohen war, suchte lange die Schluft, und fand sie endlich, worauf er von seinem Pferde stieg, und mit seinem Spieß in die Oeffnung hinunter langte. Er sagte: daß er nun hinab steigen wollte, um den Riesen umzubringen, weil er überdies ein Heide und Ungläubiger sei. Die Landesherren wünschten ihm Glück und den Beistand des Himmels: Geoffroy machte hierauf ein Kreuz für sich und ließ sich an seinem Speer in den finstern Felsen hinunter. Unten ging er lange herum, fand aber den Riesen nicht, endlich ersah er einen Schein, nahm seinen Spieß und fühlte damit so lange, bis er auf eine Thür traf, in diese ging er hinein und trat in einen kostbaren Saal, wo er viele Reichthümer fand, die Wände waren mit Gold und allen Arten von Edelgesteinen ausgeschmückt, in der Mitte aber stand ein erhabenes Grabmal, welches auf sechs güldenen Pfeilern ruhte, und mit den köstlichsten Edelsteinen, die in demselben Berge reichlich wuchsen, häufig besetzt war. Auf dem herrlichen Grabmal lag die Gestalt eines Königs aus Chalcedonen gearbeitet, der auch von Edelsteinen glänzte, neben ihm war das Bildniß seiner Gemalin, welche eine Tafel in ihren Händen hielt, worauf geschrieben stand:
Dies ist der König Helmas, hier begraben,
Der mich zu seiner Gattin einst erwählte,
Doch mußt' ich einen Eid zuvor noch haben,
Den er treulos des Wortes brach, dann fehlte,
Statt Lieb' und Treu, um mein Gemüth zu laben,
Er mich und meine Kinder lange quälte;
Er schwur, so ihm es sollte wohlergehen,
In meinem Wochenbett mich nie zu sehen.
Als er mir diesen hohen Eid geschworen,
Ich mich durch Himmels Huld gesegnet fühlte,
Drei schöne Töchter hatt' ich mir geboren,
Doch der Gemal den theuren Eid nicht hielte,
Drauf ging ich ihm, die Kinder auch verloren,
Die ich zu meinem Trost bei mir behielte,
Ich habe sie an meiner Brust gesogen
Und sie nachher zur Weisheit auferzogen.
Als sie gekommen zu Verstand und Jahren,
Sprach ich zu ihnen von der Treue Bruch,
Die ich vordem von dem Gemal erfahren,
Die jüngste, Melusina, fein und klug,
Sprach gleich von Rache, und die Schwestern waren
Behende zu bestrafen den Betrug,
Worauf sie ihren Vater unverdrossen
Hieher in diesen wüsten Felsen schlossen.
Er hat sein Leben endlich hier gelassen,
Worauf ich ihn hier in sein Grab bestellt,
Auch hab' ich dieses Bildniß fert'gen lassen,
Das diese Tafel in den Händen hält,
Damit ein jeder weiß, der kömmt, wasmaßen
Er vordem war ein mächtger Fürst der Welt,
Ich weiß, daß keiner hieher kommen möchte
Es sei er stammt von unserem Geschlechte.
Den Riesen hab' ich auch zur Wacht gegeben,
Damit kein Fremder dieses Grab betritt,
Ein jeder büßt sogleich mit seinem Leben
Wer frechen Muthes das Gebirg beschritt.
Nur einem unsers Stamm's ist es gegeben,
Zu kommen unversehrt, er führet mit
Im Innern eine Macht und Eigenschaft,
Der nichts vermag des Riesen große Kraft.
Mit Straf' hab' ich die Töchter heimgesucht,
Weil sie sich an dem Vater so vergangen,
Die jüngste, Melusin, ward so verflucht,
Daß sie den Schweif von einer großen Schlangen
Sonnabends führt; wer sie zum Weibe sucht,
Muß schwören, sie des Tags nie zu verlangen,
Zu lassen sie in ihren stillen Zimmern
Und sich nicht um ihr Wesen zu bekümmern.
Wenn ihr Gemal den Schwur ihr treu gehalten
So sollte sie in Glücke wie in Freuden
Recht lange froh auf dieser Erden walten,
Im Tode endlich spät nur von ihm scheiden;
Die zweite konnt' ich nicht so umgestalten,
Doch mußte sie auch die Verwünschung leiden,
Meliora heißt sie, sie ist schön gebaut,
Wie jeder sieht, der einst ihr Wesen schaut.
Ich habe sie in das Armensche Land,
Um dort auf immer ein Gespenst zu sein,
Ein hoch und steil Gebirg hinauf gebannt,
Dort sperrt' ich sie in festen Schlössern ein,
Ein Sperber ist ihr dorten zuerkannt,
Den muß ein jeder, den das Glück führt ein,
Bewachen fort drei Tag und auch drei Nächte,
Ohn' daß ein Schlaf ihn überraschen möchte.
Kömmt einer nun zu sehn die seltnen Sachen,
Der vornehm ist, geborner Rittersmann,
Muß er drei Tag' und Nächt' beim Sperber wachen;
Doch kömmt der Schlaf ihm nur ein Stündchen an,
So wird er nie im Leben wieder lachen,
Er ist alsdann wohl ein verlorner Mann,
Er bleibt alldort zum jüngsten Tag gefangen,
Verschlossen unter Pein und Angst und Bangen.
Doch wer drei Tag' und auch drei Nächte wacht,
Kann von der Fürstin eine Gab' begehren,
Und wenn er sich als weiser Mann bedacht,
Wird sie ihm selbst das Größte gern gewähren,
Nur nehme sich der Rittersmann in Acht,
Nicht ihres schönen Leibes zu begehren,
Es sind ja dorten Gold und Edelstein,
Rubin und Perlen, alles ist wohl sein.
Auf einem Berge wohnt das ältste Kind,
Plantina ist mit Namen sie genannt,
Und auf dem Fels gar große Schätze sind,
Es liegt der Berg im Arragonschen Land,
Bis einer unsern Stamms den Schatz gewinnt,
Dann ist der Zauber von ihr abgewandt;
Ein solcher Mann erobert auch zugleich
Jerusalem, das ganze heil'ge Reich.
Die Buße mußt' ich auf die Kinder legen,
Weil sie zu großer Ding' sich unterfingen,
Und ihrer ungezähmten Thorheit wegen,
Daß sie so schwer am Vater sich vergingen,
Ihn durften sie in diesem Berge hegen
Bis er gestorben, also bösen Dingen
Folgt alsbald auf dem Fuß die Strafe nach,
Und Gott's Gerechtigkeit bleibt immer wach.
Mein Name ist Persina, der Gemal
Hat sich an mir wohl groß und schwer vergangen,
Doch blieb die Lieb' im Herzen doch zumal,
Zu ihm gerichtet Sehnsucht und Verlangen,
Drum gab ich auch die Kinder in die Quaal,
Weil sie ihn schmerzlich hielten eingefangen:
An Eltern darf kein Kind die Hände legen,
Es folgt der Fluch, wer also sich verwegen.
Als Geoffroy diese außerordentlichen Dinge auf der Tafel gelesen hatte; konnte er sich nicht genug darüber verwundern, denn er sah ganz deutlich, daß die Melusina, von welcher in der Schrift gesprochen wurde, seine leibliche Mutter, mithin der König Helmas sein Großvater, und Persina seine Großmutter gewesen sei. Doch ging er wieder aus der Kammer heraus und suchte den Riesen allenthalben; er kam an einen großen Thurm, wo er hineinging, und unten ein Gefängniß gewahr wurde, wo mancher redliche Mann gefangen lag, und sich alle Gefangenen über Geoffroy's Ankunft sehr verwunderten. Einer darunter sagte: mein sehr werther Herr, geht ja fort von hier und verbergt Euch in einer Höhle, damit Euch der Riese nicht sieht und gewahr wird, denn wenn Euch der ungeheure Riese findet, so müßt Ihr Euer Leben verlieren und erschlagen werden.
Geoffroy fing aber hierüber an zu lachen und sagte: ich suche eben diesen Riesen, denn ich möchte mich gar gerne mit ihm schlagen. Da sagte ein andrer Gefangener: nun, Ihr werdet ihn bald sehn, denn er wird gewiß gleich kommen, und dann wird es Euch gereuen, Ihr müßt umkommen, denn er ist gar zu erschrecklich.
Indem sie noch sprachen, kam der Riese, eilte geschwind in eine Kammer und schlug die Thür sehr eilig hinter sich zu. Geoffroy sah ihn, sprang nach und trat so stark wider die Thür, daß sie in Stücke zersprang. Der Riese hatte einen Hammer bei sich, mit welchem er so heftig auf Geoffroy's Helm schlug, daß, wenn der Helm nicht so gar gut gewesen wäre, er damit den Geoffroy erschlagen hätte. Geoffroy aber besann sich schnell, und gab ihm mit dem Schwerte einen so gewaltigen Hieb, daß der Riese sogleich zur Erde fiel. Darauf that der Riese einen so erschrecklichen Schrei, daß der ganze Thurm erbebte und er sogleich todt war. Hierauf steckte Geoffroy sein Schwert ein, ging wieder zu den Gefangenen und fragte sie: ob sie aus dem Lande Norhemen gebürtig wären. Sie sagten: Ja. Er fragte ferner: warum sie dorten gefangen säßen. Sie sagten: um Schatzung und Tribut, die wir dem Riesen schuldig sind. Geoffroy sagte: so danket Gott, daß er es mir vergönnt hat, diesen Riesen ganz und gar umzubringen. Ueber diese Nachricht wurden die Gefangenen sehr froh und lobten Gott, wobei sie Geoffroy baten, ihnen doch aus dem Gefängnisse zu helfen. Geoffroy wollt' es von Herzen gern thun, aber keiner wußte, wo die Schlüssel lagen; endlich fand sie der tapfre Ritter, nachdem er allenthalben gesucht, schloß alsbald die Thüren auf, und ließ die Gefangenen heraus, deren mehr als zweihundert waren. Geoffroy erlaubte ihnen von den Edelgesteinen und dem Silber und Golde zu nehmen, welches im Berge sei, denn er begehre nichts davon für sich selber, wofür sie ihm noch mehr dankten.
Sie beschlossen darauf, den Riesen aus der unterirrdischen Schluft hervor an das Tageslicht zu ziehn, und ihn allen Leuten im Lande zu zeigen, welches sie auch sogleich in's Werk richteten: die Gefangenen nahmen einen großen Karren, schroteten den ungeheuren Riesen darauf, banden ihn so, daß er aufrecht saß, gleich als wenn er lebte, und fuhren ihn so durch das ganze Land. Als das Volk im Lande den ungeheuren Riesen sah, konnten sie sich nicht genug verwundern, sie dankten alle laut Gott von Herzen, daß er sie durch Geoffroy von einem solchen ungeschlachten Bösewicht erlöst hatte. Bei diesem bedankten sich auch die Landesherren höflich für den ihnen und dem Reiche erwiesenen Dienst, auch das Volk erzeigte ihm die größte Ehre und alle baten ihn inständigst, bei ihnen als ihr König und Herr zu bleiben, welches er aber nicht annahm, sondern bald darauf von dannen zog, denn er trug ein Verlangen, seinen Vater und seine Mutter wieder zu sehn.
Er setzte sich also zu Schiffe und fuhr nach seinem Vaterlande. Als sein Vater Reymund seine Zurückkunft erfahren hatte, ritt er ihm entgegen; denn es war schon bekannt geworden, welche große Thaten er in dem Lande Norhemen ausgeübt hatte, deswegen legte Reymund seinen Kummer um seine geliebte Melusina ein wenig bei Seite. Als er mit seinem Sohn allein war, erzählte er ihm sein ganzes gehabtes Unglück unter Vergießung vieler Thränen. Als Geoffroy das hörte, erschrak er heftig und merkte, daß alles dies von seiner Missethat hergekommen sei, indem er seinen Bruder Freymund im Kloster Malliers verbrannt habe; doch sammelte er sich wieder und erzählte, welche Tafel, Schrift und Nachrichten er in dem bezauberten Berge gefunden habe, woraus Reymund merkte, von welchem hohen Geschlechte seine Gemalin Melusina abgestammt sei. Geoffroy erfuhr nun zugleich von seinem Vater, daß sein Bruder, der Graf von Forst, ihn zuerst dahin vermocht habe, die Melusina an einem Sonnabend zu belauschen und so sein theures Gelübde zu brechen, worauf Geoffroy einen hohen Eid schwur, daß der Graf von Forst dafür sterben solle. Ritt auch eilig hinweg, und Reymund blieb in größter Betrübniß zurück, da sein Sohn Geoffroy wieder eine neue Missethat begehn wollte.
Geoffroy kam bald vor dem Schlosse des Grafen von Forst an, er stieg sogleich von seinem Pferde und ging in das Schloß hinein, ohne daß ihn einer gewahr wurde, worauf er in den Saal kam, wo sein Vetter war. So wie ihn Geoffroy sah, schrie er ihn ungestüm an und zog sein Schwert: Bösewicht, Du mußt hier Dein Leben lassen, weil ich durch Dich meine Mutter verloren habe. Der Graf war sich wohl bewußt, was er gethan hatte, erschrak also und wollte ihm entfliehen, sprang auch zum Fenster hinaus, fiel aber auf die harten Felsen und war todt. So hatte Geoffroy das Unrecht gerochen, welches jener an seiner Mutter verübt hatte. Zugleich kam dadurch die Grafschaft an seinen jüngern Bruder Reymund.
Sein Vater hörte den Tod seines Bruders, und grämte sich sehr, daß sein Sohn von neuem eine solche Missethat begangen hatte; er nahm sich vor, nicht mehr zu regieren, sondern nach Rom zu wallfahrten, seiner Sünden wegen Buße zu thun, sich alsdann von der Welt abzusondern, in ein Kloster zu gehn und dort sein bekümmertes Leben zu beschließen. Geoffroy kam zurück, und sah die große Traurigkeit seines Vaters, fiel auf seine Kniee, bekannte seine Missethaten und bat um seines Vaters Vergebung. Reymund verzieh ihm und ertheilte ihm seinen Segen, worauf er zu ihm sagte: doch, mein Sohn, mußt Du vor allen Dingen das Kloster Malliers wieder auferbauen, und mehr Mönche darein setzen und stiften, als vorher gewesen sind, sonst kann Dir Deine Schuld nicht verziehn werden. Welches Geoffroy versprach und sich Reymund darauf zu seiner Reise nach Rom rüstete; doch berief er noch vorher alle Vasallen und ließ sie seinem Sohne Geoffroy huldigen. Darauf schied Reymund auch von seinen übrigen Kindern, setzte sich zu Schiffe und fuhr nach Rom.
Geoffroy baute indessen das Kloster Malliers wieder auf und machte es schöner, als es zuvor gewesen war, stiftete auch mehr Mönche zum Gottesdienst, worüber sich alles Volk im Lande sehr verwunderte, daß er das Kloster erst verbrannt hatte und nun wieder so herrlich neu errichtete.
Reymund kam in Rom an und beichtete vor dem allerheiligsten Vater Pabst, welcher ihm eine gelinde Buße auferlegte. Dann nahm er Abschied, nachdem er dem Pabste vorher gesagt, er wolle nach unsrer lieben Frauen zu Montserrate in Arragonien gehn, und dort ein Einsiedler werden, weil daselbst ein schöner Gottesdienst sei. Er kam in Montserrate an, ließ sich Kleider eines Einsiedlers machen und diente allhier Gott in strenger Andacht und vielen Bußübungen.
Geoffroy reiste nun auch nach Rom, um seine Buße vor dem allerheiligsten Vater abzulegen, auch zugleich von ihm zu erfahren, wo sein Vater Reymund geblieben sei, welcher nicht wieder kam. Der Pabst berichtete ihm: daß sein Vater zu Montserrate, im Gebirge, ein Einsiedler geworden; dabei legte er ihm eine harte Buße auf, weil er so schwere Missethaten begangen hatte, verordnete auch: daß er im Kloster Malliers hundert und zwanzig Mönche einsetzen und stiften müsse, wenn er für seine Sünden Vergebung von Gott erlangen wolle. Geoffroy versprach alles zu thun, ließ sich die Absolution ertheilen und reiste hierauf ab, um seinen alten betrübten Vater in der Einsiedelei im fernen, seltsamen Gebirge zu Montserrate aufzusuchen.
Geoffroy reiste zu seinem Vater, um ihn zu bewegen, in die Welt zurück zu kehren, aber der alte Reymund wollte in seiner Einsiedelei bleiben, und so schied Geoffroy ungern von ihm, nachdem er einige Tage bei ihm gewesen, und seinen Gottesdienst mit angesehn hatte. Es währte nicht lange, so fühlte sich Reymund zum Tode matt, darum kam Geoffroy noch einmal zu ihm, wartete sein Ende ab und ließ ihn dann herrlich und mit großem Gepränge zur Erden bestatten. Nachher machte Geoffroy das Kloster Malliers zu dem schönsten im Lande und setzte auch die Anzahl Mönche hinein, die ihm der Pabst vorgeschrieben hatte.
Im Königreiche Armenien hatte Gyot indessen lange regiert, war alt geworden und hatte nach seinem Tode das Reich seinem jungen und tapfern Sohne hinterlassen, welcher auch Gyot genannt wurde.
Ein steil und hohes Schloß
Lag in demselben Land,
Und drinnen Schätze groß
Wie jedermann bekannt.
Im Schloß war ein Gesichte,
Gar schön und wundersam,
Das manchem armen Wichte
Zu Leid und Unheil kam.
Wer gern die Schätze wollte,
Die auf dem Schloß da lagen
Von Gold und Stein, der sollte
Ein seltsam Ding drum wagen.
Ein Sperber saß wohl dorten,
Den er bewachen soll,
An einsam hohen Orten
Drei Tag und Nächte wohl.
Und keiner durfte schlafen
Bei Tag' und in der Nacht,
Sonst folgten harte Strafen,
Daß er so schlecht gewacht.
Wem dieses mocht gelingen,
Der konnte wohl begehren,
Von allen seltnen Dingen,
Man mußte sie gewähren.
Beim Sperber war in Ehren
Ein trefflich schönes Weib,
Konnt einer all's begehren,
Nicht ihren schönen Leib.
Gyot, der junge König
Rüst sich im kecken Muth,
Er dünkte sich nicht wenig
Zum Abentheuer gut.
Er sprach zu sich im Herzen:
Gelingt der Zeitvertreib,
So fodr' ich ohne Scherzen
Doch nur das edle Weib.
Zog aus mit vielen Leuten
Und mit Gefolge groß,
Da sahen sie von weiten
Das wundersame Schloß.
Auf grüner Wiese milde
Ließ er die Diener sein,
Und ging mit Schwert und Schilde
Keck in's Burgthor hinein.
Da kam ein alter Mann,
Gar klein und krumm und bleich,
War schneeweiß angethan,
Sein Bart war licht zugleich.
Der sprach: was sucht ihr hier?
Still blieb der König stehen,
Und sprach: ich komme schier
Um die Gesicht' zu sehen.
Der Alte ernsthaft sprach:
Kommt ihr zu diesen Dingen,
So folgt mir kecklich nach
Will euch zu ihnen bringen.
Der Alte ging voraus,
Der junge hinterdrein,
Sie treten in das Haus
Und in den Saal hinein.
Es glänzt der Saal von Pracht,
Von Gold und Edelstein,
Wo ihm entgegen lacht
Der grün' und rothe Schein.
Es war im schönen Zimmer
Von tausend Farben Glanz
Wie nur ein einzger Schimmer,
Es war ein Kleinod ganz.
Der König sprach: zu Hause,
Hab' ich viel Säle licht,
Doch gegen diese Klause
Ist alles nur ein Wicht.
Auf einer güldnen Stangen
Sah er den Sperber dann.
Tragt ihr nun noch Verlangen,
So sprach der alte Mann,
Das Abentheu'r zu wagen,
Der Sperber sitzet hie,
In Nächten und drei Tagen,
Dürfet ihr schlafen nie.
Könnt ihr nicht Schlaf vertreiben,
Und euch erhalten wach,
So müßt ihr allhier bleiben
Bis an den jüngsten Tag.
Doch könnt ihr es vollbringen
So steht euch dafür frei,
Zu nehmen von den Dingen,
Was es auch immer sei.
Doch eins ist untersaget,
Das ist der Fürstin Leib.
Nun geht mein Herr und waget
Den edlen Zeitvertreib.
Der König sprach: ich habe
Zum Wachen mich gestellt,
Ich bitte um die Gabe,
Die meistens mir gefällt.
Er dacht' in seinem Sinne
Nur an das schöne Weib,
Und wenn ich die gewinne,
Bitt' ich um ihren Leib.
Der Alte ging zurücke,
Es blieb der Junge da,
Und wagte nun sein Glücke,
Er blieb dem Sperber nah.
Er schaut bei Tag wie Nachte,
Nur diesen Sperber an,
Und unermüdet wachte
Der übermüth'ge Mann.
Nie ward es Nacht und dunkel
Beim Sperber im Kastell,
So glänzte der Karfunkel
Roth durch die Zimmer hell.
Darzu erklangen schöne
Gesänge durch den Saal,
Es sangen in die Töne
Auch Vögel drein zumal.
Und Speise war zugegen
Und auch der süße Wein;
Nur durft' er sich nicht legen,
Mußt' immer wachend sein.
Noch waren viele Zimmer,
In die ging er hinein,
In allen glänzt der Schimmer
Von Gold und Edelstein.
Gold waren alle Wände
Und bunte Blumen drauf,
Es rankten aller Ende
Sich Zweig' und Kränz' hinauf.
Und Rubin und Smaragden,
Demant und auch Sapphir
Sah man erschimmernd prachten,
Als Blumen herrlich hier.
Auch war in Farben schöne
Dort in dem Glanz und Schein,
Die sangen zarte Töne,
Wohl tausend Vögelein.
Auch Ritter abgebildet
Im wahren Conterfei,
Gehelmt und auch beschildet
Und wer ein jeder sei.
Darneben war geschrieben,
War keiner blieben wach,
Drum waren sie geblieben
Bis an den jüngsten Tag.
Drei andre Bilder standen,
Von Rittern, und dabei
Die Schrift von welchen Landen
Und Namens jeder sei.
Die hatten Tag und Nacht
Und ohne zu ermüden
Den Sperber wohl bewacht,
Drum waren sie geschieden.
Und hatten Gaben viele
Mit sich hinweggenommen,
Gar mannlich bis zum Ziele,
Glücklich zurück gekommen.
Wie er dies all betrachtet,
Ging er zum Sperber wieder,
Den er drauf wohl beachtet,
Und stark sind seine Glieder.
Drei Tage sind vergangen,
Der vierte Morgen kam,
Worauf die Angst und Bangen,
Sein Amt ein Ende nahm.
Mit lächelnden Geberden
Mit Schmuck in schöner Seide
Tritt nunmehr zu dem werthen
Im allerschönsten Kleide
Die Fürstin in den Saal,
Das überschöne Weib,
Er sieht der Augen Stral
Und ihren schlanken Leib.
Sie sprach: ein schön Gelingen
Hat euch das Glück bescheert,
Erwählt nun von den Dingen
Was euer Herz begehrt.
Der sah nur ihre Schöne
Und stand in sich entzückt,
Er sprach: das Ende kröne
Was mir so wohl geglückt.
Drum mag ich keine Steine,
Was frommte mir das Gold,
Ich wünsche nur das eine,
Das seid ihr Fürstin hold.
Drum will ich nichts begehren,
O wunderschönes Weib,
Doch sollt ihr mir gewähren
Den schlanken süßen Leib.
Mit zornigen Geberden,
Sprach drauf die Prinzessin:
Mein Leib kann euch nicht werden,
Wählt anderen Gewinn.
Der König sprach: an Schätzen,
An Edelstein und Gold,
Mag jeder sich ergötzen,
Ich hab' es nie gewollt.
Drum will ich keine Gabe,
Als nur den zarten Leib,
Ihr seid die schönste Habe,
O edles holdes Weib.
Sie sprach: ihr seid vermessen
Und redet wie ein Thor,
Habt alle Punkt vergessen,
Die man euch sagt' zuvor.
Verändert euren Sinn,
Kein Mann darf meine werden,
Ihr habt des nicht Gewinn,
So lang ihr lebt auf Erden.
Es schadet eurem Glücke,
Es schadet eurer Macht,
Drum kehrt, mein Freund, zurücke,
Seid witzig und bedacht.
Was ist die Weisheit nütze?
Verderben mag mein Leib,
Sprach jener drauf in Hitze,
Ich will euch, goldnes Weib.
Sie sprach: ihr habt gesprochen,
Und gleicht dem Reymund sehr,
Der auch den Schwur gebrochen,
Zu Kränkung seiner Ehr.
Ihr habt die Gab' verloren
Wie er das Weib verlor,
Er hatte falsch geschworen,
Ihr seid ein junger Thor.
Und was ich nunmehr sage,
Das trifft gewißlich ein,
Von heut soll Gram und Plage
Nur euer Erbtheil sein,
Dein Vater, Gyot hieß er,
War meiner Schwester Sohn,
Und als er starb, da ließ er
Dir seinen mächtgen Thron.
Der Schwestern waren drei,
Und Melusina eine,
Sie machte Reymund frei,
Und wurde drauf die seine.
Wir hatten uns verbündet,
Am Vater uns zu rächen
Und haben schwer gesündet,
Ich mag davon nicht sprechen.
Die Mutter hieß Persina,
Sie straft das Unterfangen,
Samstag's wird Melusina
Zu einer wüsten Schlangen.
Sie den Tag nie zu sehn
Hat Reymund ihr geschworen,
Er bricht den Eid, die Wehn
Sind da, sie geht verloren.
So sind wir alle drei
Gespenster für das Wüthen,
Ich muß im Schlosse frei
Den schönen Sperber hüten.
Die dritte ist Plantina,
Sie ward wie wir verflucht,
Wie ich und Melusina
Von Strafe heimgesucht.
Weil sie wie wir gewüthet,
Ist Arragon ihr Land,
Wo sie die Schätze hütet
Auf einen Berg gebannt.
Von unserm Stamme ihr
Habt euch nun schwer vergangen,
So daß euch für und für
Folgt Angst und Pein und Bang
Der König sah die Schöne,
In seinem jungen Muth
Hört er nicht ihre Töne,
Er fühlt nur seine Gluth.
Er schaut die zarten Glieder,
Den edlen schönen Bau,
Und ihn entzündet wieder
Das holde Bild der Frau.
Er springt und will sie fassen
Um ihren schlanken Leib,
Doch schnell muß er sie lassen,
Es schwand das süße Weib.
Gespenster stehn im Saal,
Die schlagen auf den dreisten
In wilder Wuth zumal
Mit ihren grimmen Fäusten.
Der König rief: Erbarmen,
Ihr schlagt mich ja zu todt!
Sie hörten nicht den Armen,
Und brachten ihn in Noth.
Sie stießen ihn wohl mächtig
Hinaus dann vor das Thor,
So daß er lag ohnmächtig
In bitterm Schmerz davor.
Halb todt schleicht zu den Seinen,
Der Fürst, im Antlitz bleich,
Die Herrn und Diener weinen,
Sie fragen ihn zugleich:
Ist euch bei Tag und Nacht,
Das schwere Amt gelungen?
Habt ihr dort gut gewacht,
Den großen Schatz errungen?
Er sprach: zu bösem Glück
Hatt' ich es unternommen,
Bin hin zum Schloß, zurück
Zu meinem Leid gekommen.
Er ging, sein Regiment
Nahm nun von Stund' an ab,
Der Feind das Reich zertrennt,
Jung geht er in sein Grab.
Es hatte auch Persina,
Im Arragoner Land
Die Tochter, hieß Plantina,
Auf einen Berg verbannt,
Die mußten ob Schätzen theuer
Dort wohnen und sie hüten,
Und Wurm und Ungeheuer
Lief um den Berg mit Wüthen.
Es waren grause Schlangen,
Unthier und wilde Drachen,
Die trugen all Verlangen,
Die Schätze zu bewachen.
Es kamen viele Ritter,
Den'n nicht der Weg gelungen,
Sie wurden allsammt bitter
Von dem Gewürm verschlungen.
So kam von Engelland
Auch einst ein tapfrer Mann,
Er war als Freund verwandt
Dem herrlichen Tristan,
Mitglied der Tafelrunde,
Von König Arturs Leuten,
Er wollt zu guter Stunde
Die reichen Schätz' erbeuten,
Mit Kraft und kühnem Muthe
Hinauf zum Berge gehen,
Er wollt' mit Leib und Blute
Das Abentheur bestehen.
Der Bote ritt im Zagen
Mit ihm den Berg hinauf,
Allein im schnellen Jagen
Nahm er rückwärts den Lauf.
Der Degen blieb alleine
Und war in großer Noth,
Er sprach: ich seh das eine,
Das ist mein naher Tod.
Wo ich die Augen wende
Ist Dampf und wildes Wüthen
Und Würmer ohne Ende,
Die diesen Berg behüten.
Frisch auf und sei gerüstet,
Behalt den Muth, du Schwert,
Weil mich des Kampfs gelüstet,
Die Sache ist es werth.
So ging er ohne Zagen,
Ihm sprangen Würm entgegen,
Doch kein Thier durfte wagen
Zu stehn dem tapfern Degen.
Er schlägt sie alle nieder
Und dringt den Berg hinauf,
Es kommen andre wieder
Und sperren seinen Lauf.
Ein schmaler Pfad sich wandte
Zum steilen Berg hinan,
Wo manche wilde Bande
Bedroht den werthen Mann.
Er ging auf lauter Schlangen,
Auf Natter und Skorpion,
Er hat sich's unterfangen
Und spricht dem Grausal Hohn.
Schmal sind und steil die Wege,
Kaum Platz für seinen Schritt,
Weit hallen seine Schläge,
Laut klingt sein erzner Tritt.
Da woll'n zwei wilde Drachen,
Im Sprung her zu ihm dringen,
Der zahnbewehrte Rachen
Klafft weit, ihn zu verschlingen.
Es rasseln ihre Flügel,
Und scharf sind ihre Klauen,
Womit sie in den Hügel
Und harten Felsen hauen.
An seinem Schild sie klirren,
Nicht bebt der tapfre Mann,
Er läßt sich gar nicht irren
Und schreitet risch hinan.
Der Drachen Auge blicket
Ihn an mit rother Glut,
Doch bleibt sein Schwert gezücket,
Im Busen scharf der Muth.
Mit zwei gewaltgen Schlägen
Haut er die Häupter runter.
Drauf stößt der wackre Degen
Zum Abgrund sie hinunter.
Den Weg ging er nun weiter
Zum steilen Berg hinan,
Der wurde nirgends breiter
Nur enger wird die Bahn.
Ein Bär kam ihm entgegen
Gar groß und ungeheuer,
Auf engen Felsen-Wegen,
Ein schlimmes Abentheuer.
Der Bär hat scharfe Klauen,
Und ist im Grimme wild,
Die in den Harnisch hauen
Ihm zerren ab den Schild.
Der Ritter muß sich wehren,
Er kämpft mit Mannes Muth,
Er trifft das Maul des Bären,
Weit spritzt das dunkle Blut.
Der Bär aufbrüllt im Grimme
Und richtet sich empor,
Weit tönt die rauhe Stimme,
Er springt zum Ritter vor.
Der schreitet keck entgegen,
Und gab ihm manchen Schlag,
Bald vor dem kühnen Degen
Die große Tatze lag.
Der Bär thut auf ihn dringen
In allergrimmster Wuth,
Es mußte mit ihm ringen
Der edle Ritter gut.
Der Harnisch reißt und trennet
Sich ab dem Ritter werth,
Mit Schrecken das erkennet,
Verliert zugleich sein Schwert.
Der Dolch muß ihn bewehren,
Den nimmt er tapferlich
Und giebt damit dem Bären
Gar manchen scharfen Stich.
Worauf des Bären Stimme
Noch einmal brüllt empor,
Er zuckt in seinem Grimme,
Das Leben er verlor.
Der Held sucht seinen Degen,
Er faßt ihn freudig an,
Und höher steigt verwegen,
Der wunderkühne Mann.
Ein jeder Schritt war Kämpfen,
Streit jeder Athemzug,
Die Ungeheur zu dämpfen,
Fand er da Kampf genug.
Er hört ein fern Getöse
Und tritt beherzt hinzu,
Da hielt der Wurm, der böse
Im Schatten seine Ruh.
Vor einer Thür von Stahl,
Lag breit das schlimm Gewürm,
Drinn war der Schatz im Saal,
Der Wurm der letzte Schirm.
Er schlief, sein Athem brauset,
Er selber ein Gebirge,
Der Ritter sieht, ihm grauset,
Tritt zu, daß er ihn würge.
So wie er schnarcht geht Feuer
Aus seinem offnen Schlund,
Es glänzt das Ungeheuer
Von vielen Farben bunt.
Die Zähne große Steine,
Den'n keine Waffen halten,
Die scharfbeklauten Beine,
Können wohl Felsen spalten.
Mit Brüllen thut er wachen
Und grimmt den Ritter an,
Sperrt seinen grausen Rachen
Thorweit dem tapfern Mann.
Das Schwert thut kühnlich blitzen,
Ihn schirmt das Schild zugleich,
Doch mag es ihm nicht nützen,
Das Thier fühlt keinen Streich.
Es faßt mit seinem Munde
Das Schwert im Augenblicke,
Zerbeißt es auch zur Stunde,
Speit wieder aus die Stücke.
Drauf schrie's, es bebt der Wald,
Und an den Mann sich drang,
Den es im Schlund alsbald
Mit leichter Müh verschlang.
Den Freunden bracht der Bote
Die Kund nach Engelland,
Von dieses Ritters Tode,
Der sich dem unterwand
Plantina zu erlösen,
Die auf dem Schlosse harrt,
Doch leider von dem bösen
Gewürm verschlungen ward.
*
Geoffroy erhielt von diesem Thiere, auch von dem Tode des Ritters aus Engelland Nachricht, wunderte sich, daß es ein solches Ungeheuer in der Welt geben könne und nahm sich vor, es zu bekämpfen, und das wunderliche Abentheuer zu bestehn. Er rüstete sich, zog aus, ward aber unterwegs so gefährlich krank, daß ihm kein Arzt helfen mochte: als er dieses merkte, sagte er: ich habe zwei Riesen umgebracht, aber dieses wilde Thier wird meinem Schwert entgehen, will mich daher zu Gott wenden, und alle weltlichen Gedanken fahren lassen.
Legte sich hiemit auf sein Sterbebette, beichtete, machte sein Testament, bezahlte seine Schulden, und empfing alle Christliche Rechte, worauf der tapfre Mann selig und in dem Herrn verschied.
Dieses ist die Geschichte von der Melusina, die wohl recht ein Spiegel alles menschliches Glückes genannt werden kann.