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Ein gestrenger Vater und ein gütiger Kalife

Junker Abdallah Ibn Tâhir war ein eleganter junger Mann und ein lustiger Zeisig. Er verkehrte viel bei Hofe und erfreute sich der besonderen Gunst Seiner Majestät des allmächtigen Kalifen Mamûn, unter dessen Augen er erzogen war und von dem er geliebt wurde wie ein eigenes Kind.

Nun war eines Tages, oder vielmehr in einer Nacht ein großes Fest bei Hofe. Der Kaiserpalast erstrahlte in Tausenden von Flammen, Gesang und Tanz der ersten Künstler und Künstlerinnen erhitzte die Gemüter der Gäste, die erlesensten Weine kreisten in goldenen Pokalen und bald wurde die ganze Gesellschaft schwer betrunken, unter ihnen auch unser Abdallah.

Gegen Morgengrauen brachten ihn einige Diener nach Hause in den Palast seines Vaters Tâhir, in einen herrlichen Kuppelbau, wo sie ihn auf einem Diwan niederlegten. Nun wollte das Unglück, daß ein Stück einer Gardine Feuer fing an einer brennenden Kerze. Bald stand der ganze Bau in Flammen, aber der sinnlos betrunkene Abdallah schlief und wäre ohne Zweifel umgekommen, wenn nicht ein Paar treue Diener seines Elternhauses ihn gepackt und aus dem brennenden Hause getragen hätten.

In Kürze gelangte die Kunde davon zu seinem Vater, dem gestrengen Kriegsobersten Tâhir, der wenige Tage vorher mit großem Heere nach Chorasan abmarschiert war, um die östlichen Grenzen des Reiches zu verteidigen. Dieser schrieb ihm von unterwegs in herben Worten: »Hätte ich erfahren, daß du gestorben wärst, so hätte mich das weniger bekümmert als zu erfahren, daß du dich in so schmachvoller Weise benommen hast. Wenn du so sinnlos betrunken wirst, daß du selbst dann Nichts merkst, wenn der Raum, in dem du schläfst, in Flammen steht, dann ist es hohe Zeit, daß du einen neuen Lebenswandel beginnst. Darum pack deine Sachen und komm sofort mir nach. Du sollst nun Dienst tun im kaiserlichen Heere.«

Nun war Junker Abdallah in großer Not. Er verbarg den Brief seines Vaters vor seinen Leuten, versiegelte ihn wieder und legte ihn unter seinen Betteppich, aber die Angst war ihm vom Gesicht zu lesen. Da fragte ihn der Kalif, warum er so elend aussehe, was mit ihm los sei. Er sagte, es sei nichts los. Indessen, der Kalif ließ sich damit nicht beruhigen, sondern befahl Abdallahs Leibdiener herbeizubringen, und dieser sagte aus: Er wisse weiter nichts als daß sein Herr einen Brief bekommen habe, was aber in dem Brief stehe, wisse er nicht. Darauf befahl der Kalif dem Abdallah, ihm den Brief zu zeigen, und so erfuhr er den wahren Sachverhalt.

Der Kalif wollte sich durchaus nicht von seinem Liebling trennen. Er schrieb also an seinen Vater Tâhir, machte ihm milde Vorwürfe, daß er ihm den Abdallah, den er lieber habe wie ein eigenes Kind, entreißen wolle, daß er wegen einer einfachen Betrunkenheit nicht so strenge mit ihm sein dürfe, und anderes mehr.

Was sollte der alte Feldmarschall machen? Er mußte natürlich einen devotesten Brief an Seine Majestät richten, ihr submissest danken für die hohe Gnade, welche Allerhöchst dieselbe ihm und seinem Geschlechte zuteil werden lasse, daß Majestät nur zu befehlen habe, und so weiter.

So kam es denn, daß Junker Abdallah noch manches Jahr sein lustiges Leben mit Weib, Wein und Gesang am Kalifenhofe und in Bagdad fortsetzen konnte.


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