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Geschichte, welche der Lieferant des Sultans von Kaschgar erzählt.

»Herr, eine sehr geachtete Person lud mich gestern zu der Hochzeit einer ihrer Töchter ein. Ich unterließ nicht, mich am Abend zur bestimmten Stunde einzufinden, und ich befand mich in einer Gesellschaft von Doktoren, Justizbeamten und andern höchst ausgezeichneten Personen der Stadt. Nach den Feierlichkeiten trug man ein prächtiges Mahl auf; man setzte sich zu Tische, und jeder aß, was ihm am besten mundete. Es gab unter andern Gerichten ein ganz vortreffliches mit Knoblauch zubereitetes, von welchem alle haben wollten; und da wir unter den Gästen einen bemerkten, der nicht von dem Gerichte aß, obgleich es vor ihm stand, so luden wir ihn ein, gleich uns zuzulangen. Er beschwor uns, ihn nicht zu nötigen. »Ich werde mich wohl hüten,« sagte er, »von einer Mengspeise zu essen, in welcher Knoblauch ist; ich habe nicht vergessen, was es mich gekostet hat, einst von einem solchen Gerichte gegessen zu haben.« Wir baten ihn, uns zu erzählen, was ihm denn eine so große Abneigung gegen den Knoblauch eingeflößt hätte. Aber der Herr vom Hause sagte, ohne ihn zur Antwort kommen zu lassen: »Ehrt Ihr meinen Tisch auf solche Weise? Das Gericht ist köstlich, Ihr dürft es nicht ungekostet lassen und müßt mir den Gefallen erzeigen, gleich den andern davon zu essen.« – »Herr,« versetzte der Gast, der ein Kaufmann aus Bagdad war, »glaubet nicht, daß ich aus falschem Zartgefühle mich so benehme; wenn Ihr es ausdrücklich verlangt, will ich Euch wohl gehorchen; aber ich kann es nur unter der Bedingung tun, daß ich mir nach dem Essen, mit Eurer Vergünstigung, die Hände vierzigmal mit Kali, vierzigmal mit der Asche der nämlichen Pflanze und ebensooft mit Seife wasche. Ihr werdet es mir nicht übel nehmen, wenn ich so verfahre, um einen Eidschwur zu halten, den ich abgelegt habe, eine Mengspeise mit Knoblauch nur unter dieser Bedingung zu essen.«

 

Einhundertundfünfundvierzigste Nacht.

Der Lieferant fuhr in seiner an den Sultan von Kaschgar gerichteten Erzählung fort: »Da es der Hausherr dem Kaufmann nicht erlassen wollte, von der Knoblauchspeise zu essen, so befahl er seinen Leuten, ein Becken mit Wasser und Kali, Asche von derselben Pflanze und Seife bereit zu halten, damit der Kaufmann sich so oft, als ihm belieben würde, waschen könnte. Nachdem er diesen Befehl gegeben hatte, wandte er sich an den Kaufmann und sagte zu ihm: »Folgt unserem Beispiele und eßt. An Kali, an Asche von derselben Pflanze und an Seife soll's Euch nicht fehlen.«

Der Kaufmann, der über die Gewalt, welche man ihm antat, unmutig schien, streckte die Hand aus, nahm einen Bissen, den er zitternd an den Mund brachte und mit einem Widerwillen aß, über welchen wir alle sehr erstaunt waren. Doch überraschte es uns noch mehr, zu bemerken, daß er nur vier Finger und keinen Daumen hatte, was bis dahin, obgleich er schon von anderen Speisen gegessen hatte, noch von niemand war bemerkt worden.

Der Hausherr nahm sogleich das Wort. »Ihr habt keinen Daumen,« sagte er zu ihm, »durch welchen Zufall habt Ihr ihn verloren?« – »Herr,« erwiderte er, »der Daumen fehlt mir nicht bloß an den rechten, sondern auch an der linken Hand.« Zugleich zeigte er uns die letztere und ließ uns sehen, daß er die Wahrheit gesagt hatte. »Das ist noch nicht alles,« fügte er hinzu, »mir fehlt noch an beiden Füßen die große Zehe, und Ihr könnt mir's glauben, ich bin auf diese Weise durch ein unerhörtes Abenteuer verstümmelt, welches ich Euch, wenn Ihr die Geduld haben wollt, es zu hören, wohl erzählen will. Es wird nicht minder Euer Erstaunen als Euer Mitleid erregen. Doch erlaubt mir, daß ich mir vorher die Hände wasche.«

Nach diesen Worten stand er vom Tische auf, und nachdem er sich hundertundzwanzigmal die Hände gewaschen hatte, setzte er sich wieder auf seinen Platz und erzählte uns seine Geschichte wie folgt:

»Ihr sollt wissen, meine Herren, daß unter der Regierung des Kalifen Harun Arreschid mein Vater in Bagdad, woselbst ich geboren bin, lebte und für einen der reichsten Kaufleute dieser Stadt galt. Da er aber ein sehr vergnügungssüchtiger Mann war, der das Schwelgen liebte und seine Geschäfte vernachlässigte, so hatte ich nach seinem Tode, statt ein großes Vermögen zu erben, alle erdenkliche Sparsamkeit nötig, um seine hinterlassenen Schulden zu bezahlen. Es gelang mir jedoch, sie alle zu tilgen, und durch meine Bemühungen fingen meine Umstände an, eine lachende Außenseite zu gewinnen.

Als ich eines Tages meinen Laden öffnete, ritt eine Dame, von einem Verschnittenen und zwei Sklavinnen begleitet, bei meiner Türe vorbei und hielt still. Sie stieg mit Hilfe des Verschnittenen ab, der ihr die Hand bot und zu ihr sagte: »Gnädige Frau, ich sagte es Euch wohl, daß Ihr zu früh kommen würdet; Ihr seht, daß noch niemand im Besasthan ist, und wenn Ihr mir geglaubt hättet, würdet Ihr Euch die Mühe des Wartens erspart haben.«

Sie sah sich nach allen Seiten um, und da sie gewahrte, daß wirklich noch kein anderer Laden als der meinige geöffnet war, so näherte sie sich ihm und bat mich um die Erlaubnis, sich dort auszuruhen, bis die anderen Kaufleute kämen. Ich erwiderte ihre Begrüßung geziemend.

 

Einhundertundsechsundvierzigste Nacht.

Die Dame setzte sich in meinen Laden, und da sie sah, daß außer dem Verschnittenen und mir noch niemand in dem ganzen Besasthan war, so entschleierte sie sich das Gesicht, um frische Luft zu schöpfen. Niemals habe ich etwas so Schönes gesehen: sie sehen und leidenschaftlich lieben, war eins für mich; immer hatte ich die Augen auf sie geheftet. Es schien mir, daß meine Aufmerksamkeit ihr nicht unangenehm war, denn sie ließ mir Zeit, sie nach Bequemlichkeit zu betrachten, und sie verschleierte das Gesicht erst, als die Furcht, bemerkt zu werden, sie dazu nötigte.

Nachdem sie sich wieder in den vorigen Zustand versetzt hatte, sagte sie zu mir, daß sie mehrere Gattungen der schönsten und reichsten Stoffe suchte, die sie mir nannte, und mich fragte, ob ich sie vorrätig hätte, »Ach, gnädige Frau,« antwortete ich ihr, »ich bin ein junger Kaufmann, der erst seit kurzem seinen Handel eingerichtet hat; ich bin nicht reich genug, um ein so bedeutendes Geschäft zu treiben, und es ist mir sehr schmerzlich, daß ich Euch von dem, was Euch auf den Besasthan geführt hat, nichts vorweisen kann; um Euch aber die Mühe zu ersparen, von Laden zu Laden zu gehen, werde ich, wenn Ihr es mir erlaubt, sobald die Kaufleute sich eingefunden haben, alles, was Ihr verlangt, bei ihnen holen: sie werden mir den genauesten Preis sagen, und Ihr könnt, ohne weiterzugehen, hier Eure Einkäufe besorgen.«

Sie willigte darein, und ich hatte mit ihr eine Unterhaltung, die umso länger dauerte, als ich sie glauben machte, daß die Kaufleute, welche die verlangten Stoffe hätten, noch nicht angelangt wären.

Ihr Geist bezauberte mich nicht minder als die Schönheit ihres Gesichts; aber ich mußte mich am Ende doch des Vergnügens ihrer Unterhaltung berauben. Ich eilte, die von ihr verlangten Stoffe zu holen; und als sie diejenigen, welche ihr am besten gefielen, ausgesucht hatte, so setzten wir den Preis auf fünftausend Drachmen gemünzten Silbers fest.

Sie stand sodann auf und ging fort, nachdem sie Abschied von mir genommen hatte. Ich begleitete sie mit den Augen bis an die Pforte des Besasthans und hörte nicht auf, sie zu betrachten, bis sie wieder auf ihrer Mauleselin saß.

Kaum war die Dame verschwunden, als mir einfiel, daß die Liebe mich hatte eine Torheit begehen lassen. Sie hatte mir so den Kopf verwirrt, daß ich nicht darauf geachtet hatte, daß die Dame fortgegangen war, ohne zu bezahlen, und daß ich nicht einmal danach gefragt hatte, wer sie wäre, und wo sie wohnte. Ich bedachte zugleich, daß ich nun mehreren Kaufleuten, die vielleicht nicht die Geduld haben würden, zu warten, eine beträchtliche Summe schuldig wäre. Ich ging, mich bei ihnen bestmöglichst zu entschuldigen, indem ich ihnen sagte, daß ich die Dame kennte. Ich kehrte hierauf ebenso verliebt, als wegen einer so großen Schuld verlegen in meinen Laden zurück.

 

Einhundertundsiebenundvierzigste Nacht.

Ich hatte,« fuhr der Kaufmann fort, »meine Gläubiger um eine achttägige Frist gebeten; da diese nun vorbei war, drängten sie mich, sie zu bezahlen. Ich bat sie, mir dieselbe Frist nochmals zu bewilligen: sie taten es, aber schon am folgenden Tage sah ich die Dame auf ihrer Mauleselin mit demselben Gefolge und zu derselben Stunde wie das erstemal ankommen.

Sie kam gerade auf meinen Laden zu. »Ich habe Euch ein wenig warten lassen,« sagte sie, »aber nun bringe ich Euch das Geld für die neulich mitgenommenen Stoffe; tragt es zu einem Wechsler, damit er untersuche, ob es von gutem Gehalt und richtig gezählt ist.«

Der Verschnittene, der das Geld hatte, ging mit mir zum Wechsler, und die Summe fand sich richtig und in gewichtiger Geldsorte. Ich kehrte zurück und hatte wieder das Glück, die Dame zu unterhalten, bis alle Läden des Besasthans offen waren. Obgleich wir nur von sehr gewöhnlichen Dingen sprachen, so wußte sie ihnen doch eine Wendung zu geben, welche dieselben neu erscheinen ließ und mir bewies, daß ich mich nicht geirrt hatte, als ich ihr schon bei unserer ersten Unterredung viel Verstand zuschrieb.

Als die Kaufleute gekommen waren und ihre Läden geöffnet hatten, brachte ich denjenigen, bei welchen ich Stoffe auf Borg genommen hatte, das schuldige Geld und erlangte von ihnen ohne Mühe, daß sie mir andere von der Dame verlangte anvertrauten. Ich nahm dergleichen für tausend Goldstücke, und die Dame nahm die Ware wieder mit, ohne sie zu bezahlen, ohne mir etwas zu sagen und ohne sich zu erkennen zu geben. Es wunderte mich sehr, daß sie mir nichts zurückließ, und daß ich ohne Bürgschaft und ohne die Gewißheit einer Entschädigung blieb, im Fall ich sie nicht wiedersähe. »Sie zahlt mir eine sehr ansehnliche Summe,« sagte ich zu mir selbst, »aber sie bleibt mir eine noch ansehnlichere schuldig. Sollte sie eine Betrügerin sein, und wäre es möglich, daß sie mich nur gelockt hätte, um mich umso tiefer ins Verderben zu bringen? Die Kaufleute kennen sie nicht und werden sich an mich halten.«

Meine Liebe war nicht mächtig genug, um mich an sehr trübseligen Betrachtungen zu hindern. Meine Unruhe vermehrte sich von Tage zu Tage einen ganzen Monat hindurch, welcher verfloß, ohne daß ich von der Dame irgend etwas erfuhr. Endlich wurden die Kaufleute ungeduldig, und ich war, um sie zu befriedigen, schon daraus gefaßt, alles, was ich hatte, verkaufen zu müssen, als ich sie eines Morgens in demselben Aufzuge wie früher wiederkommen sah.

»Nehmt Eure Goldwage,« sagte sie zu mir, »um das Gold zu wägen, welches ich Euch mitbringe.« Diese Worte zerstreuten meine Besorgnis und verdoppelten meine Liebe vollends. Ehe sie die Goldstücke aufzählte, legte sie mir mehrere Fragen vor; unter andern fragte sie mich, ob ich verheiratet wäre. Ich antwortete ihr, daß ich es nicht wäre und es auch niemals gewesen. Hierauf sagte sie zu dem Verschnittenen, indem sie ihm das Gold gab: »Leiht uns Euren Beistand, um unsere Angelegenheit zu Ende zu bringen!« Der Verschnittene lachte und ließ mich, nachdem er mich beiseite gezogen hatte, das Gold wägen, während ich wägte, sagte er mir ins Ohr: »Ich sehe es Euch wohl an, daß Ihr meine Gebieterin liebt, und ich bin erstaunt, daß Ihr nicht dreist genug seid, ihr Eure Liebe zu entdecken. Sie liebt Euch noch mehr, als Ihr sie liebt. Glaubt nur nicht, daß sie Eurer Stoffe bedarf; sie kommt bloß, weil Ihr ihr eine heftige Leidenschaft eingeflößt habt, und sie hat Euch auch nur deshalb gefragt, ob Ihr verheiratet seid. Ihr dürft nur sprechen, und es steht nur bei Euch, sie zu heiraten, wenn Ihr wollt.« – »Es ist wahr,« entgegnete ich ihm, »daß ich, seit ich sie zum ersten Male sah, Liebe für sie empfinde; aber ich wagte es nicht, auf das Glück, ihr zu gefallen, Anspruch zu machen. Ich bin mit Leib und Seele der Ihrige, und ich werde nicht unterlassen, Euch für den guten Dienst, den Ihr mir leistet, erkenntlich zu sein.«

Ich war endlich mit dem Abwägen der Goldstücke fertig, und während ich sie wieder in den Beutel tat, wendete sich der Verschnittene zu der Dame und sagte ihr, daß ich sehr zufrieden wäre; dies war das unter ihnen verabredete Wort. Sogleich stand die Dame von ihrem Sitze auf und entfernte sich, indem sie mir sagte, daß sie mir den Verschnittenen senden und daß ich nur tun möchte, was er mir von seiten ihrer sagen würde.

Ich brachte jedem Kaufmanne das ihm gebührende Geld und erwartete einige Tage hindurch den Verschnittenen mit Ungeduld. Endlich kam er.

 

Einhundertundachtundvierzigste Nacht.

Ich empfing den Verschnittenen sehr freundschaftlich und erkundigte mich bei ihm nach dem Befinden seiner Gebieterin. »Ihr seid,« sagte er, »der glücklichste Liebhaber von der Welt; sie ist krank vor Liebe. Es ist nicht möglich, daß man mehr Lust haben kann, Euch zu sehen, als sie hat; und wenn sie über ihre Handlungen gebieten könnte, so würde sie zu Euch kommen und gern alle Augenblicke ihres Lebens mit Euch zubringen.« – »Ihrem edlen Wesen und ihrem feinen Benehmen nach,« sagte ich zu ihm, »habe ich eine Dame von Stande vermutet.« – »Ihr habt Euch in dieser Vermutung nicht betrogen,« versetzte der Verschnittene; »sie ist der Liebling Sobeïdens, der Gemahlin des Kalifen, welche sie umsomehr liebt, da sie sie von Kind auf erzogen hat und sich bei allen Einkäufen auf sie verläßt. Da sie die Absicht hat, sich zu verheiraten, so hat sie der Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen erklärt, daß sie die Augen auf Euch geworfen habe, und hat sie um ihre Zustimmung gebeten. Sobeïde hat ihr gesagt, daß sie einwillige, daß sie Euch aber vorher sehen wolle, um sich zu überzeugen, ob sie eine gute Wahl getroffen habe, und daß sie in diesem Falle die Hochzeitskosten tragen würde. Ihr seht also, daß Euer Glück gemacht ist. Wenn Ihr der Günstlingin gefallen habt, so werdet Ihr der Herrin, die nur darauf bedacht ist, ihr Vergnügen zu machen, und die ihrer Neigung keinen Zwang antun wird, nicht minder gefallen. Es kommt also nur darauf an, daß Ihr in den Palast kommt, und Ihr seht mich deshalb hier. Entschließt Euch.« – »Ich bin völlig entschlossen,« erwiderte ich ihm, »und ich bin bereit, Euch zu folgen, wohin Ihr mich führen werdet.« – »Das ist gut,« sagte der Verschnittene; »aber Ihr wißt, daß in die Zimmer der Damen des Palastes keine Männer kommen dürfen, und daß man Euch nur durch Maßregeln, die eine große Heimlichkeit erfordern, einführen kann; die Lieblingin hat sichere genommen. Tut Eurerseits alles, was von Euch abhängt; seid jedoch vor allem vorsichtig und verschwiegen, denn es geht um Euer Leben.«

Ich versicherte ihn, daß ich alles tun würde, was man mir befehle. »Ihr müßt Euch also,« sagte er zu mir, »beim Eintritte der Nacht in die Moschee begeben, welche Sobeïde, die Gemahlin des Kalifen, am Ufer des Tigris hat erbauen lassen, und dort warten, bis man Euch abholt.« Ich willigte in alles, was er wollte.

Ich erwartete das Ende des Tages mit Ungeduld, und als es da war, machte ich mich auf den Weg. Ich wohnte dem Gebet anderthalb Stunden nach Sonnenuntergang in der Moschee bei, in welcher ich der letzte blieb.

Ich sah alsbald einen Kahn ankommen, dessen Ruderer lauter Verschnittene waren; sie stiegen ans Land und trugen mehrere große Kisten in die Moschee, worauf sie sich wegbegaben. Es blieb nur ein einziger zurück, den ich für denselben erkannte, der die Dame immer begleitet und am Morgen mit mir gesprochen hatte.

Ich sah nun auch die Dame eintreten, ging ihr entgegen und bezeigte ihr meine Bereitwilligkeit, ihre Befehle zu vollziehen. »Wir haben,« sagte sie zu mir, »keine Zeit zu verlieren.« Sie öffnete hierauf eine der Kisten und befahl, daß ich mich hineinlegen sollte. »Das ist,« setzte sie hinzu, »eine zu Eurer und zu meiner Sicherheit nötige Sache. Fürchtet nichts und laßt mich für das übrige sorgen.« Ich war schon zu weit gegangen, um wieder zurück zu können; ich tat, was sie verlangte, und sie verschloß sogleich die Kiste mit einem Schlüssel. Hierauf rief der Verschnittene, der ihr Vertrauter war, die andern Verschnittenen, welche die Kisten in die Moschee getragen hatten, und ließ sie alle in den Kahn zurücktragen. Da sich hierauf die Dame und ihr Verschnittener wieder eingeschifft hatten, so ruderte man fort, um mich in die Wohnung Sobeïdens zu bringen.

Während dieser Zeit stellte ich ernsthafte Betrachtungen an, und die Gefahr bedenkend, in welcher ich mich befand, bereute ich es, mich ihr ausgesetzt zu haben. Ich nahm meine Zuflucht zu Gebeten und Gelübden, zu welchen es eben nicht die rechte Zeit war.

Der Kahn landete an der Pforte des Palastes des Kalifen, man lud die Kisten ab, welche in das Zimmer des Befehlshabers der Verschnittenen gebracht wurden, der den Schlüssel zu den Zimmern der Frauen in Verwahrung hat und ohne strenge Durchsuchung nichts einläßt. Dieser Befehlshaber hatte sich schlafen gelegt; man mußte ihn wecken und aufstehen heißen.

 

Einhundertundneunundvierzigste Nacht.

Der Befehlshaber der Verschnittenen, unwillig darüber, daß man ihn so im Schlafe gestört hatte, zankte sehr mit der Günstlingin, daß sie so spät käme. »Ihr werdet nicht so leicht wegkommen, als Ihr es Euch einbildet,« sagte er zu ihr, »keine einzige dieser Kisten wird eingelassen, ohne daß ich sie geöffnet und sorgfältig durchsucht habe.«

Zugleich befahl er den Verschnittenen, sie insgesamt, eine nach der andern, vor ihn zu bringen und sie zu öffnen. Sie fingen mit derjenigen an, in welcher ich verborgen war, nahmen sie und setzten sie vor ihm hin. Ich wurde nun von einem unbeschreiblichen, tödlichen Schrecken ergriffen und glaubte, daß der letzte Augenblick meines Lebens da wäre.

Die Günstlingin, welche den Schlüssel hatte, bestand darauf, daß sie ihn nicht hergeben und nicht leiden würde, daß man die Kiste öffnete. »Ihr wißt wohl,« sagte sie, »daß ich nichts kommen lasse, was nicht für Sobeïden, Eure und meine Herrin, bestimmt ist. Diese Kiste ist insbesondere mit köstlichen Waren gefüllt, welche neu angelangte Kaufleute mir anvertraut haben. Es befindet sich überdies eine Anzahl Flaschen darin, die mit aus Mekka gesandtem Wasser der Quelle Semsem angefüllt sind. Sollte eine davon zerbrechen, so würden die Waren beschädigt und Ihr dafür verantwortlich werden, und die Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen würde sich wohl wegen Eurer Unverschämtheit zu rächen wissen.« Kurz, sie sprach mit so vieler Festigkeit, daß der Befehlshaber nicht die Dreistigkeit hatte, auf der Untersuchung sowohl derjenigen Kiste, in welcher ich mich befand, als auch der andern zu beharren. – »Weiter mit den Kisten!« sagte er zornig. Man öffnete die Wohnung der Frauen und trug alle Kisten hinein.

Kaum waren sie dort, als ich plötzlich schreien hörte: »Der Kalif, der Kalif!« Diese Worte vergrößerten meinen Schrecken auf einen Grad, daß ich nicht begreife, wie ich nicht aus der Stelle starb. Es war in der Tat der Kalif. »Was bringt Ihr denn in diesen Kisten?« sagte er zu der Günstlingin. »Beherrscher der Gläubigen,« antwortete sie, »es sind neu angelangte Stoffe, welche die Gemahlin Euer Majestät zu sehen gewünscht hat.« – »Öffnet, öffnet,« sagte der Kalif, »auch ich will sie sehen.« Sie wollte das abwenden, indem sie ihm vorstellte, daß diese Stoffe nur für Frauen geeignet wären, und daß er seiner Gemahlin dadurch das Vergnügen rauben würde, sie zuerst zu sehen. »Öffnet, sag' ich,« versetzte er, »ich befehle es Euch.« Sie stellte ihm noch vor, daß Seine Majestät, indem sie sie nötigte, gegen ihre Herrin zu fehlen, sie ihrem Zorn aussetzte. »Nein, nein,« sagte er, »ich verspreche Euch, daß sie Euch darüber keinen Vorwurf machen wird. Öffnet nur und laßt mich nicht länger warten.«

Man mußte gehorchen; und ich fühlte mich damals so sehr beunruhigt, daß ich noch immer schaudre, sooft ich daran denke. Der Kalif setzte sich, und die Günstlingin ließ alle Kisten, eine nach der andern, vor ihn hintragen und öffnete sie. Um die Sache in die Länge zu ziehen, entwickelte sie ihm die Schönheit jedes Stoffes insbesondere. Sie wollte seine Geduld ermüden, aber das gelang ihr nicht. Da ihr nicht weniger als mir daran lag, die Kiste, in welcher ich mich befand, nicht zu öffnen, so beeilte sie sich nicht, sie herbeibringen zu lassen, und sie blieb nur noch allein zu untersuchen übrig. »Laßt uns zu Ende kommen,« sagte der Kalif, »und noch sehen, was sich in dieser Kiste befindet.« Ich weiß nicht zu sagen, ob ich in diesem Augenblicke lebendig oder tot war; aber ich glaubte nicht, daß ich einer so großen Gefahr entgehen würde.

 

Einhundertundfünfzigste Nacht.

Als die Günstlingin Sobeïdens sah, daß der Kalif ausdrücklich die Öffnung der Kiste verlangte, in welcher ich mich befand, sagte sie: »Was diese Kiste hier betrifft, so wird, ich bitte darum, Euer Majestät die Gnade haben, mir das Vorzeigen ihres Inhalts zu erlassen; es sind Sachen, die ich ihr nur in Gegenwart ihrer Gemahlin zeigen kann.« – »Wohlan denn,« sagte der Kalif, »ich habe nichts dagegen, laßt Eure Kisten wegtragen.« Sie ließ sie sogleich weg und in ihr Zimmer tragen, wo ich wieder zu atmen begann.

Sobald die Verschnittenen, welche die Kisten hereingebracht, sich entfernt hatten, öffnete sie schnell diejenige, in welcher ich eingesperrt war. »Steigt heraus,« sagte sie zu mir, indem sie mir die Tür einer Treppe zeigte, welche zu einem oberen Zimmer führte. »Geht hier hinauf und erwartet mich.«

Sie hatte kaum die Tür hinter mir verschlossen, als der Kalif eintrat und sich auf die Kiste setzte, welche ich soeben verlassen hatte. Der Beweggrund dieses Besuchs war eine Anwandlung von Neugier, welche mich nicht betraf. Der Fürst wollte sie nur über das befragen, was sie in der Stadt gesehen oder gehört hatte. Sie unterhielten sich ziemlich lange, worauf er sie endlich verließ und sich in seine Wohnung zurückzog.

Als sie sich frei sah, kam sie in das Zimmer, in welches ich hinaufgestiegen war, und machte mir viele Entschuldigungen über die Beunruhigungen, welche sie mir verursacht hatte. »Meine Angst,« sagte sie zu mir, »ist nicht minder groß gewesen als die Eure, weil ich aus Liebe zu Euch gelitten habe und auch meinetwegen, da ich dieselbe Gefahr lief. Eine andre an meiner Stelle würde vielleicht nicht den Mut gehabt haben, sich ebenso gut aus einer so kitzlichen Lage zu ziehen. Es bedurfte nicht weniger Dreistigkeit noch Geistesgegenwart, oder vielmehr, es bedurfte nur aller der Liebe, die ich für Euch empfinde, um mich aus dieser Verlegenheit zu ziehen; aber beruhigt Euch, es ist nun nichts mehr zu fürchten.«

Nachdem wir uns einige Zeit mit vieler Zärtlichkeit unterhalten hatten, sagte sie zu mir: »Es ist Zeit, Euch zur Ruhe zu begeben; legt Euch schlafen! Ich werde nicht versäumen, Euch morgen zu irgend einer Stunde des Tages meiner Gebieterin Sobeïde vorzustellen; und das ist eine leichte Sache, denn der Kalif besucht sie nur in der Nacht.«

Durch diese Worte wieder ermutigt, schlief ich ziemlich ruhig; denn wenn mein Schlaf auch zuweilen durch Beunruhigungen unterbrochen wurde, so waren sie doch von angenehmer Art und durch die Hoffnung veranlaßt, eine Frau von so viel Geist und Schönheit zu besitzen.

Am folgenden Tage unterrichtete mich die Günstlingin Sobeïdens, ehe sie mich vor ihrer Gebieterin erscheinen ließ, über die Art, wie ich mich in ihrer Gegenwart zu benehmen hätte, und sagte mir ungefähr, was für Fragen die Fürstin mir vorlegen würde, und was ich darauf antworten sollte. Sie führte mich hierauf in einen Saal, in welchem alles von erstaunlicher Zierlichkeit und reicher Pracht war. Ich war noch nicht eingetreten, als zwanzig schon ältliche Sklavinnen, alle in reichen und gleichen Anzügen, aus Sobeïdens Gemache traten und sich mit großer Ehrbarkeit vor einen Thron in zwei gleiche Reihen stellten. Ihnen folgten zwanzig andre ganz junge und gleich jenen gekleidete Frauen, jedoch mit dem Unterschiede, daß ihre Kleidungen etwas Zierlicheres hatten. Sobeïde erschien mitten unter diesen mit majestätischem Ansehn und mit Edelsteinen und allen Arten von Juwelen so belastet, daß sie kaum gehen konnte. Sie setzte sich auf den Thron. Ich habe vergessen, Euch zu sagen, daß ihre Günstlingin sie begleitete, und daß sie ihr zur Rechten stehenblieb, während die Sklavinnen etwas entfernter in Haufen zu beiden Seiten des Thrones standen.

Sobald die Gemahlin des Kalifen sich gesetzt hatte, machten mir die zuerst eingetretenen Sklavinnen ein Zeichen, daß ich mich nähern sollte. Ich ging zwischen den beiden Reihen, welche sie bildeten, vorwärts und warf mich nieder, mit dem Kopfe den Teppich berührend, der unter den Füßen der Fürstin lag. Sie befahl mir aufzustehen und erzeigte mir die Ehre, sich nach meinem Namen, nach meiner Familie und nach meinen Glücksumständen zu erkundigen, worauf ich ihr zu ihrer Zufriedenheit antwortete. Ich merkte das nicht bloß an ihren Mienen, sondern sie gab mir es auch noch durch die Dinge zu erkennen, welche sie die Güte hatte mir zu sagen. »Es macht mir viel Freude,« sagte sie zu mir, »daß meine Tochter (so nannte sie ihre Günstlingin) – denn ich betrachte sie als eine solche, nach der Sorgfalt, mit welcher ich sie erzogen habe – eine mir gefällige Wahl getroffen hat: ich billige sie und willige in eure Verheiratung. Ich werde selbst die Vorbereitungen zu eurer Hochzeit anordnen. Doch ich bedarf vorher meiner Tochter noch auf zehn Tage; während dieser Zeit werde ich mit dem Kalifen reden und seine Einwilligung erhalten; Ihr bleibt hier; man wird Sorge für Euch tragen.«

 

Einhundertundeinundfünfzigste Nacht.

Ich blieb also zehn Tage in der Frauenwohnung des Kalifen. Während dieser ganzen Zeit war ich des Vergnügens beraubt, die Günstlingin zu sehen; aber ich wurde auf ihren Befehl so gut behandelt, daß ich übrigens alle Ursache hatte, sehr zufrieden zu sein.

Sobeïde sprach mit dem Kalifen von dem Entschlusse, den sie gefaßt hatte, ihre Günstlingin zu verheiraten; und dieser Fürst, der ihr hierbei völlige Freiheit ließ, nach Belieben zu schalten, bewilligte der Günstlingin eine beträchtliche Summe, um auch zu ihrer Einrichtung beizutragen.

Als die zehn Tage verflossen waren, ließ Sobeïde einen Heiratsvertrag aufsetzen, der ihr, gehörig abgefaßt, gebracht wurde. Die Vorbereitungen zur Hochzeit wurden gemacht; man rief die Spielleute, die Tänzer und Tänzerinnen herbei, und es gab neun Tage hindurch große Vergnügungen im Palaste. Da der zehnte Tag zu der letzten Hochzeitsfeierlichkeit bestimmt war, so wurde die Günstlingin auf der einen Seite und ich auf der andern ins Bad geführt. Abends setzte ich mich zu Tische; man trug mir alle Arten von Gerichten auf, unter andern eine Mengspeise mit Knoblauch, ganz derjenigen gleich, von welcher man mich hier zu essen zwingen wollte. Sie schmeckte mir so gut, daß ich die anderen Speisen fast nicht berührte. Aber zu meinem Unglücke begnügte ich mich, als ich vom Tische aufstand, damit, mir die Hände bloß abzuwischen, statt sie mir ordentlich zu waschen, und das war eine Nachlässigkeit, die mir bis dahin noch niemals begegnet war.

Da es Nacht war, so suchte man die Tageshelle durch eine sehr glänzende Beleuchtung der Frauenwohnung zu ersetzen. Die Instrumente ließen sich hören, man tanzte, man spielte tausend Spiele, und der ganze Palast hallte von Freudengeschrei wider. Man führte meine Braut und mich in einen großen Saal, woselbst man uns auf zwei Throne niedersetzen ließ. Die Frauen, welche meine Braut bedienten, ließen sie mehrmals die Kleider wechseln und kämmten ihr, wie es am Hochzeitstage gebräuchlich ist, die Haare auf verschiedene Weise; und sooft ihr eine andere Kleidung angezogen war, ließ man mich sie sehen.

Als nun endlich alle diese Feierlichkeiten vorbei waren, führte man uns in die Hochzeitskammer. Sobald man uns dort allein gelassen hatte, näherte ich mich meiner Gattin: aber statt meine Entzückungen zu erwidern, stieß sie mich heftig zurück und erhob ein schreckliches Geschrei, welches alsbald alle Frauen der Wohnung herbeizog, die dessen Veranlassung wissen wollten. Was mich betraf, so war ich, von einem tiefen Erstaunen ergriffen, unbeweglich geblieben, ohne nur die Kraft zu haben, meine Frau um die Ursache zu fragen. »Liebe Schwester,« sagten sie zu ihr, »was ist Euch denn seit der kurzen Zeit, daß wir Euch verlassen haben, begegnet? Erzählt es uns, damit wir Euch beistehen.« – »Schafft mir,« rief sie aus, »schafft mir diesen nichtswürdigen Menschen hier aus den Augen.« – »Aber, meine Teuerste,« sagte ich zu ihr, »wodurch kann ich so unglücklich gewesen sein, Euren Zorn zu verdienen?« – »Ihr seid ein Nichtswürdiger,« antwortete sie mir voll Wut, »Ihr habt Knoblauch gegessen und Euch nachher nicht die Hände gewaschen! Glaubt Ihr, daß ich es leiden mag, daß ein so unreinlicher Mensch sich mir nähert, um mich zu verpesten? Legt ihn auf die Erde,« fügte sie, sich zu den Frauen wendend, hinzu, »und holt mir einen Ochsenziemer.«

Sie warfen mich sogleich nieder, und während die einen mich bei den Armen und die andern bei den Beinen hielten, schlug meine Frau, die sehr schnell bedient worden war, mich unbarmherzig, bis die Kräfte sie verließen, hierauf sagte sie zu den Frauen: »Nehmt ihn mit und schickt ihn zum Polizeimeister, damit ihm dieser die Hand abhauen lasse, mit welcher er das Knoblauchgericht gegessen hat.« Bei diesen Worten rief ich aus: »Großer Gott! Ich bin von Schlägen gleichsam zermalmt, und zur Vermehrung meiner Trübsal werde ich noch dazu verdammt, daß mir die Hand soll abgehauen werden! Und warum? Weil ich eine Mengspeise mit Knoblauch gegessen und mir nachher die Hände nicht gewaschen habe! Welch ein Zorn um solch eine Kleinigkeit! Hol' die Pest das Knoblauchgericht! Verdammt sei der Koch, der es zubereitet, und der, welcher es aufgetragen hat!«

 

Einhundertundzweiundfünfzigste Nacht.

Alle die Frauen, welche zugesehen hatten, wie ich tausend Streiche mit dem Ochsenziemer bekam, hatten Mitleid mit mir, als sie davon hörten, daß mir die Hand abgehauen werden sollte. »Unsere liebe Schwester und gute Dame,« sagten sie zu der Günstlingin, »Ihr treibt Eure Rache zu weit. Es ist freilich ein Mensch ohne Lebensart, der Euren Stand und die Rücksichten mißkennt, welche Ihr verdient; wir bitten Euch jedoch, den von ihm begangenen Fehler nicht zu beachten, sondern zu verzeihen.« – »Noch habe ich nicht hinlängliche Genugtuung,« sagte sie; »ich will, daß er Lebensart lerne und so fühlbare Zeichen seiner Unreinlichkeit an sich trage, daß es ihm in seinem Leben nicht wieder einkommt, eine Mengspeise mit Knoblauch zu essen, ohne des Händewaschens zu gedenken.«

Sie ließen sich durch ihre abschlägige Antwort nicht abschrecken, warfen sich zu ihren Füßen und sagten zu ihr, indem sie ihr die Hand küßten: »Unsere gute Dame, im Namen Gottes, mäßiget Euern Zorn und gewähret uns die Begnadigung, um welche wir Euch bitten.«

Sie antwortete ihnen nichts; aber sie stand auf und verließ, nachdem sie tausend Schimpfreden gegen mich ausgestoßen hatte, das Zimmer. Alle Frauen folgten ihr und ließen mich in unbeschreiblicher Betrübnis allein.

Zehn Tage lang bekam ich niemand zu sehen als eine alte Sklavin, die mir zu essen brachte. Ich erkundigte mich bei ihr nach der Günstlingin. »Sie ist krank,« sagte die alte Sklavin zu mir, »von dem vergifteten Geruche, den Ihr sie habt einatmen lassen. Warum habt Ihr Euch aber auch die Hände nicht gewaschen, nachdem Ihr von dieser verdammten Knoblauchspeise gegessen hattet?« – »Ist es möglich,« sagte ich hier zu mir selbst, »daß der Zartsinn dieser Frauen so groß ist, und daß sie wegen eines so leichten Fehlers so rachsüchtig sind?« Ich liebte jedoch meine Frau ungeachtet ihrer Grausamkeit und unterließ nicht, sie zu beklagen.

Eines Tages sagte die Sklavin zu mir: »Eure Gattin ist genesen, sie ist ins Bad gegangen und hat mir gesagt, daß sie Euch morgen besuchen werde. Habt also noch Geduld und sucht Euch in ihre Launen zu fügen. Sie ist übrigens eine sehr verständige, sehr vernünftige und von allen Frauen, die unsere verehrungswürdige Gebieterin Sobeïde umgeben, sehr geliebte Person.«

Wirklich kam meine Frau am folgenden Tage und sagte mir: »Ich muß sehr gut sein, da ich nach der mir von Euch angetanen Beleidigung doch wieder zu Euch komme. Aber ich kann mich nicht entschließen, mich mit Euch zu versöhnen, ehe ich Euch nicht nach Verdienst bestraft habe, weil Ihr Euch die Hände nicht gewaschen habt, nachdem Ihr von einer Mengspeise mit Knoblauch gegessen hattet.«

Nach diesen Worten rief sie die Damen, welche mich ihrem Befehle gemäß auf die Erde legten; und nachdem sie mich gebunden hatten, nahm sie ein Schermesser und hatte die Unmenschlichkeit, mir die beiden Daumen und die beiden großen Zehen abzuschneiden. Eine der Frauen legte eine gewisse Wurzel auf, um das Blut zu stillen, was jedoch nicht hinderte, daß das schon in Menge vergossene Blut und der erlittene Schmerz mich ohnmächtig machten.

Ich kam wieder zu mir, und man gab mir Wein zu trinken, um mich wieder zu Kräften zu bringen. »Ach,« sagte ich damals zu meiner Gattin, »wenn es mir jemals wieder begegnen sollte, eine Mengspeise mit Knoblauch zu essen, so schwöre ich Euch, daß ich statt eines Males mir die Hände hundertundzwanzigmal mit Kali, mit Asche von derselben Pflanze und mit Seife waschen werde!« – »Nun wohl,« sagte meine Frau, »unter dieser Bedingung will ich das Vergangene wohl vergessen und mit Euch wie mit meinem Ehemanne leben.« –

Das, ihr Herren,« fügte der Kaufmann von Bagdad, sich zu der Gesellschaft wendend, hinzu, »das ist die Ursache, weshalb ich, wie ihr gesehen habt, es verweigerte, von der Mengspeise mit Knoblauch zu essen, welche vor mir stand.

 

Einhundertunddreiundfünfzigste Nacht.

Die Frauen wendeten, um mein Blut zu stillen, nicht bloß die erwähnte Wurzel an, sondern auch Balsam von Mekka, den man nicht in dem Verdacht haben konnte, verfälscht zu sein, weil er aus der Apotheke des Kalifen kam.

Durch die Kraft dieses Wunderbalsams wurde ich in wenig Tagen vollkommen geheilt; und meine Frau und ich, wir blieben zusammen, als ob ich niemals eine Mengspeise mit Knoblauch gegessen hätte.

Da ich sonst immer meiner Freiheit genossen hatte, so langweilte es mich sehr, stets in dem Palaste des Kalifen eingeschlossen zu sein; ich wollte jedoch meiner Gattin nichts davon merken lassen, aus Furcht, ihr zu mißfallen. Sie merkte es aber doch und wünschte selbst sehr, herauszukommen. Die Erkenntlichkeit allein ließ sie bei Sobeïden bleiben. Aber sie hatte Verstand und wußte ihrer Gebieterin so gut vorzustellen, welchen Zwang es mich kostete, nicht in der Stadt, wie ich sonst immer getan, mit Leuten meines Standes zu leben, daß diese gute Fürstin sich lieber des Vergnügens beraubte, ihre Günstlingin um sich zu haben, als das, was wir beide gleich sehnlich wünschten, nicht zu bewilligen.

Demnach sah ich einen Monat nach unserer Verheiratung meine Gattin nebst mehreren Verschnittenen erscheinen, von denen jeder einen Sack mit Geld trug. Als sie sich entfernt hatten, sagte sie: »Ihr habt mir nichts über die Langeweile geäußert, welche Euch der Aufenthalt am Hofe verursacht; aber ich habe sie wohl bemerkt und habe glücklicherweise ein Mittel gefunden, Euch zufriedenzustellen. Sobeïde, meine Gebieterin, erlaubt uns, den Palast zu verlassen; und hier sind fünfzigtausend Zechinen, welche sie uns zum Geschenke macht, um uns in den Stand zu setzen, daß wir bequem in der Stadt leben können. Nehmt zehntausend davon und geht, uns ein Haus zu kaufen.«

Ich fand sehr bald eins für diese Summe; und nachdem ich es prächtig hatte einrichten lassen, zogen wir hinein. Wir kauften eine große Anzahl Sklaven und Sklavinnen und sorgten für schöne Kleider. Kurz, wir fingen ein höchst angenehmes Leben an. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange: am Ende eines Jahres erkrankte meine Frau und starb in wenigen Tagen.

Ich hätte mich wieder verheiraten und nach wie vor anständig in Bagdad leben können; aber die Neigung, die Welt zu sehen, flößte mir ein anderes Vorhaben ein. Ich verkaufte mein Haus, und nachdem ich mehrere Arten von Waren eingekauft hatte, schloß ich mich einer Karawane an und zog nach Persien, von dort nahm ich meinen Weg nach Samarkand, von wo ich in diese Stadt gekommen bin und mich hierselbst niedergelassen habe.«

Dies, o Herr,« sagte der Lieferant zu dem Sultan von Kaschgar, »ist die Geschichte, welche in der Gesellschaft, in der ich mich gestern befand, der Kaufmann von Bagdad erzählte.«

»Diese Geschichte,« sagte der Sultan, »hat wohl etwas Außergewöhnliches; aber sie ist der des kleinen Buckligen doch nicht zu vergleichen.«

Hierauf warf sich nun der jüdische Arzt, der sich genähert hatte, vor dem Throne dieses Fürsten nieder und sagte, nachdem er wieder aufgestanden war: »Herr, wenn Euer Majestät die Güte haben will, auch mich anzuhören, so schmeichle ich mir, daß Ihr mit der Geschichte, die ich Euch erzählen will, zufrieden sein werdet!« – »Wohlan, erzähle!« sagte der Sultan, »wenn sie aber nicht erstaunenswerter ist als die des kleinen Buckligen, so hoffe nicht, daß ich dir das Leben schenke.«

Die Sultanin Scheherasade hielt inne, weil es tagte; in der nächsten Nacht aber fuhr sie fort wie folgt:

 

Einhundertundvierundfünfzigste Nacht.

»Herr,« sagte Scheherasade, »da der jüdische Arzt den Sultan von Kaschgar geneigt fand, ihn zu hören, so nahm er folgendermaßen das Wort:

 


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