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Geschichte Aminens.

»Beherrscher der Gläubigen,« sagte sie, »um nicht Dinge zu wiederholen, von welchen Euer Majestät schon durch die Erzählung meiner Schwester unterrichtet ist, sag' ich Euch nur, daß meine Mutter, nachdem sie ein Haus gemietet hatte, um in ihrem Witwenstande für sich zu leben, mich einem der reichsten Erben dieser Stadt zur Frau gab.

Das erste Jahr unserer Ehe war noch nicht verflossen, als ich Witwe wurde und zum Besitz des ganzen Vermögens meines Gatten kam, welches sich auf achtzigtausend Zechinen belief. Die bloßen Zinsen dieser Summe reichten übrigens zu meinem sehr anständigen Lebensunterhalt vollkommen hin. Ich hatte mir jedoch, sobald die ersten sechs Monate meiner Trauer um waren, zehn verschiedene Anzüge von so großer Pracht machen lassen, daß jeder auf zehntausend Zechinen zu stehen kam, und ich fing an, sie am Ende des Jahres zu tragen.

Als ich eines Tages mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt war, wurde mir gesagt, daß eine Frau mich zu sprechen verlange. Ich befahl, sie vorzulassen. Es war eine schon sehr bejahrte Person. Sie grüßte mich, indem sie die Erde küßte, und sagte zu mir, auf den Knieen bleibend: »Meine gute Frau, ich bitte Euch, mir die Freiheit zu verzeihen, die ich mir nehme, Euch zu belästigen; das Zutrauen, welches ich zu Eurer Menschenliebe habe, macht mich so dreist. Wißt, verehrte Frau, daß ich eine vaterlose Tochter habe, die sich heute verheiraten soll, daß wir beide hier fremd sind und in dieser Stadt nicht die geringste Bekanntschaft haben. Das setzt uns sehr in Verlegenheit; denn wir möchten gern der zahlreichen Familie, mit welcher wir uns verbinden sollen, zeigen, daß wir keine Unbekannten sind und hier etwas gelten. Wenn Ihr nun, meine gütige Frau, die Gefälligkeit haben wolltet, diese Hochzeit mit Eurer Gegenwart zu beehren, so würden wir Euch umsomehr verpflichtet sein, da die Frauen unsers Landes daraus folgern würden, daß wir hier nicht als Fremde angesehen sind, wenn sie erfahren, daß eine Person von Eurem Range es nicht verschmäht hätte, uns eine so große Ehre zu erweisen. Aber ach! wenn Ihr unsere Bitte unerfüllt laßt, welche Kränkung für uns! Wir wissen dann nicht, an wen wir uns wenden sollen.«

Diese Rede, bei welcher die arme Frau Tränen vergoß, bewegte mich zum Mitleiden. »Meine teure Mutter,« sagte ich zu ihr, »betrübt Euch nicht; ich will Euch gern die gewünschte Freude machen, sagt mir nur, wohin ich kommen soll, und laßt mir Zeit, mich ein wenig festlich zu kleiden.« Die alte Frau war über diese Antwort vor Freuden außer sich und schneller, mir die Füße zu küssen, als ich, es abzuwehren. »Meine liebreiche Frau,« versetzte sie, als sie aufstand, »Gott wird Euch für die Güte belohnen, die Ihr Euren Dienerinnen erweist, und Euer Herz ebenso mit Freude erfüllen, wie Ihr das unsrige damit erfüllt. Noch ist es nicht nötig, daß Ihr Euch so bemüht; es genügt, daß Ihr gegen Abend zu der Stunde, zu welcher ich Euch abholen werde, mit mir kommt. Lebt wohl, verehrte Frau,« fügte sie hinzu, »auf die Ehre, Euch wiederzusehen.«

Sobald sie mich verlassen hatte, wählte ich dasjenige von meinen Kleidern, das mir am meisten gefiel, mit einem Halsband von großen Perlen, Armbändern, Ringen und Ohrgehängen von den schönsten und glänzendsten Diamanten. Ich hatte eine Ahnung von dem, was mir begegnen sollte.

Es begann Nacht zu werden, als die alte Frau mit freudigem Gesicht zu mir kam. Sie küßte mir die Hand und sagte zu mir: »Meine liebe Frau, die Verwandtinnen meines Schwiegersohnes, welche die ersten Damen der Stadt sind, haben sich bereits versammelt. Beliebt's Euch, so kommt: ich bin bereit, Euch zu geleiten.« Wir machten uns sogleich auf den Weg; sie ging vor mir her, und ich folgte ihr mit einer großen Anzahl mir angehöriger wohlgekleideter Sklavinnen. In einer sehr breiten, frisch gekehrten und besprengten Straße hielten wir vor einer großen Türe an, die von einer großen Laterne erleuchtet war, deren Licht mich über der Türe folgende aus goldenen Buchstaben bestehende Inschrift lesen ließ: »Hier ist die ewige Wohnung der Ergötzungen und der Freude.« Die alte Frau klopfte an, und man öffnete sogleich.

Man führte mich ans Ende des Hofes und in einen großen Saal, in welchem ich von einer jungen, unvergleichlich schönen Dame empfangen wurde. Sie kam mir entgegen, und nachdem sie mich umarmt und genötigt hatte, mich auf ein Sofa zu setzen, wobei sich ein mit Diamanten besetzter Thron von kostbarem Holz befand, sagte sie zu mir: »Verehrte Frau, man hat Euch hierher geladen, um einer Hochzeit beizuwohnen; aber ich hoffe, daß diese Hochzeit eine andere sein wird, als Ihr Euch einbildet. Ich habe einen Bruder, welcher der wohlgebildetste und vollkommenste aller Männer ist; er ist von dem Bild, das er von Euren Reizen hat entwerfen hören, so entzückt, daß sein Schicksal von Euch abhängt, und daß er sehr unglücklich sein wird, wenn Ihr nicht Mitleiden mit ihm habt. Er kennt den Rang, den Ihr in der Welt behauptet, und ich kann Euch versichern, daß der seinige einer Verbindung mit Euch nicht unwürdig ist. Wenn meine Bitten etwas über Euch vermögen, so füge ich sie zu den seinigen und bitte Euch, sein Anerbieten, Euch zu seiner Gattin zu machen, nicht zu verwerfen.«

Seit dem Tode meines Mannes hatte ich noch nicht daran gedacht, mich wieder zu verheiraten; aber ich hatte nicht die Kraft, einer so schönen Person eine abschlägige Antwort zu geben. Sobald ich durch ein Stillschweigen und ein errötendes Gesicht in die Sache eingewilligt hatte, klatschte die junge Dame mit den Händen, und sogleich öffnete sich ein Kabinett, aus welchem ein junger Mann von so majestätischem und dabei so anmutigem Aussehen trat, daß ich mich glücklich schätzte, eine so schöne Eroberung gemacht zu haben. Er nahm neben mir Platz, und ich erkannte aus der Unterhaltung, die wir miteinander hatten, daß seine Verdienste noch die Schilderung übertrafen, welche mir seine Schwester davon gemacht hatte.

Als sie nun sah, daß wir miteinander zufrieden waren, klatschte sie zum zweitenmal mit den Händen, und es trat ein Kadi ein, welcher unsern Heiratskontrakt aufsetzte, ihn unterzeichnete und ihn auch von vier Zeugen, die er mitbrachte, unterzeichnen ließ. Das einzige, was mein Mann von mir verlangte, war, daß ich mich nicht sehen lassen und mit keinem Mann außer ihm sprechen sollte, und er schwor mir, daß ich, wenn ich diese Bedingung erfüllte, alle Ursache haben sollte, mit ihm zufrieden zu sein. So wurde unsre Heirat beschlossen und vollzogen, und ich war die Hauptschauspielerin bei der Hochzeit, zu welcher ich nur als Gast war eingeladen worden.

Einen Monat nach unserer Verheiratung, als ich eben einigen Stoff brauchte, bat ich meinen Mann um die Erlaubnis, ausgehen und den Einkauf machen zu dürfen. Er gab dazu seine Einwilligung, und ich nahm zu meiner Begleitung die alte zum Hause gehörige Frau, von welcher ich schon gesprochen habe, und zwei meiner Sklavinnen mit. Als wir auf der Straße der Kaufleute waren, sagte die alte Frau zu mir: »Meine teure Gebieterin, da Ihr einen seidenen Stoff sucht, so muß ich Euch zu einem jungen Kaufmann führen, den ich kenne; er hat dergleichen von allen Gattungen, und ohne Euch damit zu ermüden, daß Ihr von Laden zu Laden lauft, kann ich Euch versichern, daß Ihr bei ihm finden werdet, was Ihr nirgends anders findet.« Ich ließ mich führen, und wir traten in den Laden eines jungen, recht wohlgebildeten Kaufmannes. Ich setzte mich und ließ ihm durch die alte Frau sagen, er solle mir seine schönsten seidenen Stoffe zeigen. Die Alte wollte, daß ich ihm das selbst sagen sollte; aber ich erwiderte ihr, daß es eine meiner Heiratsbedingungen sei, mit keinem andern Mann als mit dem meinigen zu sprechen, und daß ich nicht dagegen handeln dürfte.

Der Kaufmann zeigte mir mehrere Stoffe, und ich ließ ihn nach dem Preise des einen fragen, der mir am besten gefiel. Er entgegnete der Alten: »Er ist mir weder um Gold noch um Silber feil; aber ich will ihr ein Geschenk damit machen, wenn sie mir erlaubt, sie auf die Wange zu küssen.« Ich befahl der Alten, ihm zu sagen, daß es sehr dreist von ihm wäre, mir diesen Vorschlag zu machen. Aber statt mir zu gehorchen, stellte sie mir vor, daß das, was der Kaufmann verlange, keine wichtige Sache sei, daß ich ja nicht zu sprechen, sondern bloß die Wange hinzuhalten brauchte, und daß es schnell abgemacht sein würde. Ich hatte so große Lust, den Stoff zu besitzen, daß ich einfältig genug war, diesen Rat zu befolgen. Die alte Frau und die Sklavinnen stellten sich vor mich, damit man mich nicht sehen könnte, und ich entschleierte mich; aber statt mich zu küssen, biß mich der Kaufmann bis aufs Blut. Mein Schmerz und mein Erstaunen waren so groß, daß ich ohnmächtig niedersank und dem Kaufmann Zeit genug ließ, seinen Laden zu schließen und die Flucht zu ergreifen. Als ich wieder zu mir selbst gekommen war, fühlte ich, daß meine Wange ganz mit Blut bedeckt war. Die alte Frau und meine Sklavinnen hatten Sorge getragen, sie alsbald mit meinem Schleier zu bedecken, damit die Leute, die herzuliefen, nichts gewahr werden und glauben möchten, es sei nur eine Ohnmacht, die mich befallen hätte.«

Indem Scheherasade diese letzten Worte sprach, sah sie das Tageslicht und schwieg. Der Sultan fand das, was er eben gehört hatte, sehr außerordentlich und stand auf, sehr neugierig, die Folge zu hören.

 

Zweiundsiebenzigste Nacht.

Scheherasade richtete am frühen Morgen das Wort an Dinarsaden. »Höre,« sagte sie zu ihr, »meine Schwester, wie Amine ihre Erzählung fortsetzte:

»Die Alte, welche mich begleitete,« erzählte sie weiter, »war im höchsten Grade über den Unfall bestürzt, den ich erlitten hatte, und bemühte sich, mich zu beruhigen. »Meine Gebieterin,« sagte sie zu mir, »ich bitte Euch um Vergebung, ich bin schuld an diesem Unglück; ich habe Euch zu diesem Kaufmann geführt, weil er mein Landsmann ist und ich ihn niemals eines so boshaften Streiches fähig gehalten haben würde; aber betrübt Euch nicht; verlieren wir keine Zeit, kehren wir nach Hause zurück; ich werde Euch ein Mittel geben, welches Euch in drei Tagen so vollkommen heilen wird, daß man nicht die geringste Spur sehen soll.« Meine Ohnmacht hatte mich so geschwächt, daß ich kaum gehen konnte. Ich gelangte jedoch bis in meine Wohnung, aber ich wurde zum zweiten Male ohnmächtig, als ich in mein Zimmer trat. Inzwischen wendete die Alte ihr Mittel an; ich kam wieder zu mir selbst und legte mich ins Bett.

Als es Nacht geworden war, kam mein Mann. Er sah, daß ich den Kopf verhüllt hatte, und fragte mich, was mir fehle. Ich antwortete ihm, daß es ein Kopfschmerz sei, und glaubte, daß er nun nicht weiter forschen würde; aber er nahm ein Wachslicht, und da er sah, daß ich an der Wange verwundet war, fragte er mich, woher diese Wunde käme. Obgleich ich eben kein großes Verbrechen begangen hatte, so konnte ich mich doch nicht entschließen, ihm die Sache zu gestehen; solch ein Geständnis einem Manne zu machen, schien mir die Schicklichkeit zu verletzen. Ich sagte ihm, daß, als ich mit seiner Erlaubnis ausgegangen wäre, um einen Seidenstoff zu kaufen, ein mit Holz beladener Lastträger in einem engen Gäßchen so nahe bei mir vorbeigegangen sei, daß mir ein Scheit Holz eine Schramme geritzt hätte, die aber wenig bedeute.

Diese Ursache versetzte meinen Mann in Zorn. »Solch eine Handlung,« sagte er zu mir, »soll nicht unbestraft bleiben. Ich werde morgen dem Polizeimeister Befehl erteilen, alle die flegelhaften Lastträger festzunehmen und sie alle hängen zu lassen.«

In der Furcht, die ich hatte, den Tod so vieler Unschuldiger zu verursachen, sagte ich zu ihm: »Herr, es würde mir sehr leid tun, wenn eine so große Ungerechtigkeit begangen würde; hütet Euch ja, sie zu begehen; ich würde mich der Vergebung unwert achten, wenn ich dieses Unglück veranlaßt hätte.« – »Sagt mir also aufrichtig,« versetzte er, »was ich von Eurer Verwundung denken soll.«

Ich erwiderte ihm, daß ich durch die Unachtsamkeit eines auf seinem Esel reitenden Besenverkäufers dazu gekommen wäre; daß er hinter mir geritten sei, den Kopf auf eine andere Seite gewendet und sein Esel mich so heftig gestoßen hätte, daß ich auf die Erde und mit der Backe auf Glas gefallen wäre. »Wenn das ist,« sagte nun mein Mann, »so soll die Sonne morgen früh nicht aufgehen, ohne daß der Großwesir Giafar von dieser Unverschämtheit benachrichtigt ist. Er wird alle diese Besenverkäufer töten lassen.« – »Im Namen Gottes, Herr,« unterbrach ich ihn, »ich bitte Euch, ihnen zu vergeben, sie sind nicht strafbar.« – »Aber, Frau,« sagte er, »was soll ich denn glauben? Redet, ich will durchaus aus Eurem Munde die Wahrheit erfahren.« – »Herr,« entgegnete ich ihm, »es ist mir eine Betäubung zugestoßen, und ich bin gefallen; so ist die Sache.«

Bei diesen letzten Worten verlor mein Mann die Geduld. »Ha!« rief er aus, »nun hab' ich lange genug Lügen angehört.« Indem er dies sagte, klatschte er mit den Händen, und es traten drei Sklaven herein. »Reißt sie aus dem Bette,« sagte er zu ihnen, »und legt sie ausgestreckt mitten ins Zimmer.« Die Sklaven erfüllten seinen Befehl, und als mich der eine beim Kopf, der andere bei den Beinen hielt, befahl er dem dritten, einen Säbel zu holen, und als dieser ihn gebracht hatte, sagte er zu ihm: »Hau zu, schlag' ihr den Kopf ab und wirf ihn in den Tigris. Er soll den Fischen zur Nahrung dienen; dies ist die Bestrafung, welche ich diejenigen Personen erleiden lasse, denen ich mein Herz geschenkt habe, und die treulos gegen mich sind.« Da er sah, daß der Sklave nicht zu gehorchen eilte, fuhr er fort: »So hau doch! Wer hält dich auf? Was erwartest du?« – »Gnädige Frau,« sagte hierauf der Sklave zu mir, »der letzte Augenblick Eures Lebens ist ganz nahe; bedenkt, ob Ihr noch irgend etwas vor Eurem Tode anzuordnen wünscht.«

Ich bat um die Erlaubnis, ein Wort sagen zu dürfen. Sie wurde mir bewilligt. Ich erhob das Haupt und sagte, indem ich meinen Gatten sehr zärtlich betrachtete: »Ach, in welchen Zustand seh' ich mich versetzt!« Ich wollte mehr sagen; aber meine Tränen und Seufzer hinderten mich daran. Das alles rührte meinen Gatten nicht. Im Gegenteil, er machte mir Vorwürfe, auf welche jede Erwiderung unnütz gewesen wäre.

Er sagte mir folgende Verse vor:

»Wenn ich bei der, die ich liebe, einen Mitgenossen (Nebenbuhler) habe, so wird meine Seele die Liebe meiden, sollte ich auch vor Sehnsucht vergehn.

Mein Trost würde sein, daß ich eines edlen Todes stürbe; denn es ist ohnedem kein Heil bei einer Liebe, bei welcher ein Gegner (Nebenbuhler) ist.

Sage der, die meine Verbindung verschmäht, mich betrogen und einen andern Geliebten außer mir erwählt hat: ich bin deiner überdrüssig geworden, ehe du meiner satt wurdest, und was zwischen uns vorgefallen, ist hiermit genug.«

Als ich dieses hörte, o Beherrscher der Gläubigen, weinte ich bitterlich, sah ihn schmerzlich an und sang folgende Verse:

»Du hast in mir Liebe erweckt, während du ruhig bliebst: du verursachst meinen tränenwunden Augen schlaflose Nächte, und du genießest den Schlaf.

Du hast dich zwischen meine Augen und den Schlaf gestellt; denn mein Herz kann dich nicht vergessen, und meine Tränen lassen sich nicht verbergen.

Du hast mir heilig Treue gelobt; als du aber mein Herz besaßest, hintergingst du mich.

Ich liebte dich, weil ich ein unverständiges Mädchen war, ich kannte noch nicht die Liebe; strafe mich also nicht mit dem Tode, denn ich bin erst ein Lehrling.«

Dann fügte ich noch folgende Verse hinzu:

»Mit der ganzen Last der Sehnsucht hast du mich belagert, und ich bin kaum fähig, meine Gewande zu tragen!

Ich würde mich nicht wundern, wenn der Schmerz mich tötete: aber erstaunen muß ich, daß mein Körper, seitdem ich dich sah, noch zu erkennen ist.«

Als er mich angehört hatte, redete er mich zornig an, überhäufte mich mit Vorwürfen und sang:

»Die Liebe zu einem andern hat dich von mir abgewandt, und du bist zuerst erkaltet; wahrlich, so war ich nicht.

Wohlan, ich werde von dir gehen, da du mein Bleiben verabscheust, und werde das Leben ohne dich ertragen können, wie du es ohne mich erträgst.

Statt dir werde ich ein Wesen finden, das mich lieben kann, aber unsern Bruch schreibe ich dir allein zu, nicht mir.«

Ich nahm nun zum Bitten meine Zuflucht: aber er hörte nicht darauf und befahl dem Sklaven, seine Schuldigkeit zu tun. In diesem Augenblick trat die alte Frau, welche die Amme meines Mannes gewesen war, ins Zimmer und warf sich ihm zu Füßen, um zu versuchen, ob sie ihn besänftigen könnte. »Mein Sohn,« sagte sie zu ihm, »zum Lohn dafür, daß ich Euch gesäugt und erzogen habe, beschwöre ich Euch, mir ihre Begnadigung zu bewilligen. Bedenkt, daß, wer da tötet, getötet wird, daß Ihr Euren Ruf beflecken und die Achtung der Menschen verlieren werdet. Was werden sie nicht von einem so blutdürstigen Zorne sagen?« Sie sprach diese Worte auf eine so rührende Weise aus und begleitete sie mit so vielen Tränen, daß sie einen starken Eindruck auf meinen Gatten machten. »Nun wohl,« sagte er zu der Amme, »dir zu Liebe schenke ich ihr das Leben. Aber sie soll Zeichen tragen, die sie an ihr Verbrechen erinnern.«

Nach diesen Worten gab mir auf seinen Befehl ein Sklave aus allen Kräften mit einem biegsamen Röhrchen, welches Haut und Fleisch wegriß, so viel Schläge auf die Rippen und die Brust, daß ich davon die Besinnung verlor. Hierauf ließ er mich von denselben Sklaven, den Dienern seiner Wut, in ein Haus bringen, woselbst die Alte mich sehr sorgfältig pflegte. Ich mußte vier Monate lang das Bett hüten. Endlich genas ich, aber die Narben, welche Ihr gestern saht, sind mir wider meinen Willen geblieben. Sobald ich imstande war, auszugehen, wollte ich in das Haus zurückkehren, welches ich von meinem ersten Manne ererbt hatte, aber ich fand nur die leere Stelle. Mein zweiter Gatte hatte sich im Übermaß seines Zornes nicht damit begnügt, es niederreißen zu lassen, er hatte sogar die ganze Straße, auf welcher es stand, auf gleiche Weise vernichtet. Diese Gewaltsamkeit war ohne Zweifel eine unerhörte; aber gegen wen sollte ich klagen? Der Urheber hatte Maßregeln genommen, sich zu verbergen, und ich konnte nicht herausbringen, wer er wäre. Überdem, wenn ich es auch herausgebracht hätte, sah ich nicht, daß die mir widerfahrne Behandlung von einer unumschränkten Gewalt kam? Hätte ich's wagen können, mich darüber zu beklagen?

Trostlos, aller Habe beraubt, nahm ich meine Zuflucht zu meiner lieben Schwester Sobeïde, welche Euer Majestät ihre Geschichte erzählt hat, und unterrichtete sie von meinem Unglück. Sie nahm mich mit ihrer gewöhnlichen Güte auf und ermahnte mich, mein Leiden standhaft zu ertragen. »So ist die Welt,« sagte sie, »sie nimmt uns gewöhnlich unsre Güter oder unsre Freunde oder unsre Liebhaber und oft alles zusammen.« Um mir zugleich zu beweisen, was sie mir sagte, erzählte sie mir den durch die Eifersucht ihrer Schwestern verursachten Verlust des jungen Prinzen. Sie berichtete mir hierauf, auf welche Weise sie in Hündinnen verwandelt worden wären. Endlich, nachdem sie mir tausend Zeichen ihrer Freundschaft gegeben hatte, stellte sie mir meine jüngste Schwester vor, die nach dem Tode meiner Mutter zu ihr gezogen war.

So beschlossen wir nun, Gott dafür dankend, daß er uns alle drei zusammengeführt habe, frei zu leben, ohne uns jemals zu trennen. Seit langer Zeit führen wir dieses ruhige Leben, und da ich die Hauswirtschaft besorge, so mach' ich mir ein Vergnügen daraus, selbst die nötigen Vorräte einzukaufen. In dieser Absicht ging ich gestern aus und ließ das Eingekaufte durch einen Lastträger tragen, der ein Mann von Geist und angenehmer Laune war, und den wir zu unsrer Belustigung bei uns behielten. Nun fanden sich noch beim Einbruch der Nacht drei Kalender ein und baten uns, ihnen bis diesen Morgen ein Obdach zu gewähren. Wir nahmen sie unter einer Bedingung auf, die sie eingingen, und nachdem wir sie an unsrer Tafel hatten niedersetzen lassen, bewirteten sie uns mit einem Konzert nach ihrer Weise, als wir an unsre Haustür klopfen hörten. Es waren drei Kaufleute aus Mossul von sehr gutem Aussehn, die von uns dieselbe Begünstigung verlangten wie die drei Kalender, und denen wir sie unter derselben Bedingung bewilligten. Sie wurde jedoch weder von den drei Kalendern noch von den Kaufleuten erfüllt; obgleich wir nun aber sowohl imstande als berechtigt waren, sie zu bestrafen, so begnügten wir uns damit, von ihnen die Erzählung ihrer Geschichte zu verlangen, und beschränkten unsere Rache darauf, sie sodann fortzuschicken und sie des von uns verlangten Obdaches zu berauben.«

Der Kalif Harun Arreschid war sehr zufrieden, erfahren zu haben, was er wissen wollte, und gab laut die Bewunderung zu erkennen, in welche er durch alles Gehörte versetzt worden war ...

Aber, Herr,« sagte hier Scheherasade, »der anbrechende Tag erlaubt mir nicht, Euer Majestät zu erzählen, was der Kalif tat, um der Verzauberung der beiden schwarzen Hündinnen ein Ende zu machen.« Schachriar, hieraus schließend, daß die Sultanin in der folgenden Nacht die Geschichte der fünf Damen und der drei Kalender beendigen werde, ließ sie noch am Leben.

 

Dreiundsiebenzigste Nacht.

»Im Namen Gottes, meine Schwester,« rief Dinarsade vor Tagesanbruch, »ich bitte dich, uns zu erzählen, wie die beiden schwarzen Hündinnen ihre menschliche Gestalt wieder erhielten, und was aus den drei Kalendern wurde.« – »Ich werde deine Neugier befriedigen,« erwiderte Scheherasade. Sie wandte hierauf ihre Worte an Schachriar und fuhr folgendermaßen fort:

»Herr, da der Kalif nun seiner Neugier Genüge geleistet hatte, so wollte er den drei Prinzen Kalendern Beweise seiner Größe und Großmut geben und auch die drei Damen durch Wirkungen seiner Güte erfreuen. Ohne seine Worte erst vom Großwesir wiederholen zu lassen, sagte er selbst zu Sobeïden: »Geehrte Frau, hat denn die Fee, welche sich Euch zuerst als Schlange zeigte und Euch ein so strenges Gesetz auferlegte, Euch nichts von ihrem Aufenthalt gesagt oder Euch vielmehr nicht versprochen, Euch wieder zu besuchen und den beiden Hündinnen ihre menschliche Gestalt wiederzugeben?«

»Beherrscher der Gläubigen,« antwortete Sobeïde, »ich habe vergessen, Euer Majestät zu sagen, daß die Fee mir ein kleines Bündelchen Haare gab und mir dabei sagte, daß ich einst ihrer Gegenwart benötigt sein würde, und wenn ich dann nur zwei dieser Härchen verbrennen wollte, so würde sie in demselben Augenblicke bei mir sein, befände sie sich auch eben jenseits des Kaukasus.« – »Wo habt Ihr das Bündelchen Haare?« versetzte der Kalif. Sie erwiderte, daß sie seit jener Zeit es immer sorgfältig bei sich trage. Sie brachte es in der Tat zum Vorschein, und indem sie den Vorhang, der sie verbarg, ein wenig öffnete, zeigte sie es dem Kalifen. »Wohlan,« erwiderte dieser, »wir wollen die Fee kommen lassen: Ihr könnt sie nicht zu gelegenerer Zeit rufen, da ich es wünsche.«

Sobeïde willigte darein, man brachte Feuer, und sie verbrannte das ganze Bündelchen Haare. Auf der Stelle wurde der Palast erschüttert, und die Fee erschien vor dem Kalifen in der Gestalt einer sehr prächtig gekleideten Dame. »Beherrscher der Gläubigen,« sagte sie zu diesem Fürsten, »Ihr seht mich bereit, Eure Befehle zu empfangen. Die Dame, welche mich auf Euren Befehl hierher rief, hat mir einen wichtigen Dienst geleistet. Um ihr dafür meine Erkenntlichkeit zu bezeigen, hab' ich sie wegen der Treulosigkeit ihrer Schwestern gerächt, indem ich diese in Hündinnen verwandelte; wenn Euer Majestät es jedoch wünscht, so will ich ihnen ihre natürliche Gestalt wiedergeben.«

»Schöne Fee,« erwiderte der Kalif, »Ihr könnt mir keine größere Freude machen; erweist ihnen diese Gunst, ich werde nachher Mittel suchen, sie über eine so harte Buße zu trösten; vorher aber hab' ich noch eine Bitte an Euch zugunsten der Dame, die von einem unbekannten Mann so grausam gemißhandelt worden ist. Da Ihr so eine Menge von Dingen wißt, so glaub' ich, daß auch dies Euch nicht unbekannt ist; erzeigt mir den Gefallen und nennt mir den Barbaren, der sich nicht damit begnügte, eine so große Barbarei auszuüben, sondern der seine Frau noch obendrein ihres ganzen Besitztums beraubt hat. Ich erstaune, daß eine so ungerechte, so unmenschliche, meine Machtvollkommenheit so verletzende Handlung nicht zu meiner Kenntnis gelangt ist.«

»Um Euer Majestät gefällig zu sein,« erwiderte die Fee, »werd' ich die beiden Hündinnen in ihren früheren Zustand zurückversetzen, die Dame so von ihren Narben heilen, daß man gar nicht bemerken soll, daß sie jemals geschlagen worden ist, und sodann werd' ich Euch denjenigen nennen, der sie so hat mißhandeln lassen.«

Der Kalif ließ die beiden Hündinnen bei Sobeïden holen, und als sie da waren, brachte man der Fee ihrem Verlangen gemäß eine mit Wasser angefüllte Schale. Sie sprach darüber Worte, die niemand verstand, und besprengte sodann Aminen und die beiden Hündinnen. Sie wurden in zwei Damen von erstaunlicher Schönheit verwandelt, und Aminens Wunden verschwanden. Hierauf sagte die Fee zum Kalifen: »Beherrscher der Gläubigen, ich muß Euch jetzt entdecken, wer der unbekannte Mann ist, den Ihr zu kennen verlangt. Er ist Euch sehr nahe verwandt, denn es ist der Prinz Amin, Euer ältester Sohn, Bruder des jüngeren, des Prinzen Mamoun. Da er sich nach der Erzählung, die man ihm von ihrer Schönheit gemacht hatte, leidenschaftlich in diese Dame verliebt hatte, so lockte er sie unter einem Vorwand zu sich und heiratete sie. In Hinsicht auf die Streiche, die er ihr hat geben lassen, ist er auf gewisse Weise zu entschuldigen. Sie war in der Tat ein wenig zu leichtsinnig, und ihre Entschuldigungen waren wohl dazu geeignet, ihn glauben zu machen, daß in der Tat etwas Schlimmeres vorgefallen wäre, als es wirklich der Fall war. Das ist alles, was ich zur Befriedigung Eurer Neugier sagen kann.« Nach diesen Worten grüßte sie den Kalifen und verschwand.

Dieser Fürst, mit Bewunderung erfüllt und zufrieden mit den Verwandlungen, die er eben veranlaßt hatte, beging nun Handlungen, von welchen ewig die Rede sein wird. Zuerst ließ er den Prinzen Amin, seinen Sohn, rufen, sagte ihm, daß er um seine heimliche Verheiratung und die Ursache der Verwundung Aminens wisse. Der Prinz wartete nicht auf den Befehl seines Vaters, sie wiederzunehmen, sondern nahm sie auf der Stelle wieder.

Der Kalif erklärte hierauf, daß er sein Herz und seine Hand Sobeïden gäbe, und schlug die drei andern Schwestern den drei Kalendern und Königssöhnen vor, die sie mit vielem Dank zu Frauen nahmen. Der Kalif wies jedem einen prächtigen Palast in Bagdad an, erhob sie zu den ersten Würden seines Reiches und nahm sie in seinen Rat. Der erste Kadi Bagdads, der mit Zeugen herbeigeholt wurde, setzte die Heiratskontrakte auf, und dem berühmten Kalifen Harun Arreschid wurden tausend Segenswünsche gespendet, da er das Glück so vieler Personen machte, die unglaubliche Unglücksfälle erlitten hatten.«

Es war noch nicht Tag, als Scheherasade diese Geschichte beendigte, die so oft war unterbrochen und fortgesetzt worden. Dies gab Veranlassung, eine neue anzufangen. Indem sie also ihre Worte an den Sultan richtete, begann sie wie folgt:

 


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