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Dritte Reise Sindbads des Seefahrers nach Selahath.

»Ich hatte bald in den Genüssen des Lebens, das ich führte, die Erinnerung an jene Gefahren verloren, denen ich auf meinen beiden Reisen ausgesetzt gewesen war: aber, noch in der Blüte meiner Jahre, langweilte mich das ruhige Leben, und mich über die neuen Gefahren, denen ich Trotz bieten wollte, betäubend, reiste ich von Bagdad mit reichen Landeswaren ab, die ich nach Balsora bringen ließ. Dort schiffte ich mich wieder mit anderen Kaufleuten ein. Wir fuhren lange umher und landeten in mehreren Häfen, wo wir beträchtliche Handelsgeschäfte machten.

Als wir eines Tages auf offenem Meere waren, wurden wir von einem schrecklichen Sturm hin- und hergeworfen und verloren unsern Weg. Der Sturm hielt mehrere Tage an und trieb uns vor den Hafen einer Insel, in welchem der Schiffshauptmann sehr gern nicht gelandet wäre; aber wir waren wohl gezwungen, dort vor Anker zu gehen. Als die Segel eingezogen waren, sagte uns der Hauptmann: »Diese Insel und einige andere benachbarte Inseln sind von ganz behaarten Wilden bewohnt, die uns bestürmen werden. Ob sie nun gleich Zwerge sind, so will doch unser Unglück, daß wir nicht den geringsten Widerstand leisten; denn sie kommen in größerer Anzahl als die Heuschrecken, und wenn es uns begegnen sollte, einen zu töten, so würden sie sich alle über uns herwerfen und uns umbringen.

 

Neunundsiebenzigste Nacht.

Diese Rede ihres Hauptmanns,« sagte Sindbad, »versetzte die ganze Mannschaft des Schiffes in eine große Bestürzung, und wir erkannten bald, daß er nur zu wahr gesprochen hatte. Wir sahen eine zahllose Menge scheußlicher, nur zwei Fuß hoher Wilden erscheinen, deren ganzer Körper mit roten Haaren bedeckt war. Sie warfen sich ins Wasser, schwammen auf uns zu und umgaben in kurzer Zeit unser Schiff. Sie redeten uns an, als sie sich näherten; aber wir verstanden ihre Sprache nicht. Sie hielten sich am Bord und Tauwerk des Schiffes fest und kletterten von allen Seiten mit solcher Leichtigkeit und Schnelle auf das Verdeck, daß man gar nicht sah, ob sie ihre Füße aufsetzten.

Wir sahen diese Kletterei mit dem Schrecken, den ihr euch vorstellen könnt, ohne daß wir wagten, uns in Verteidigungsstand zu setzen oder ihnen ein einziges Wort zu sagen, um es zu versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten, welches wir für unheilbringend hielten. Sie zogen in der Tat die Segel auf, machten das Ankertau los, ohne sich die Mühe zu geben, den Anker herauszuziehen, und nachdem sie das Schiff ans Land gebracht hatten, nötigten sie uns, alle auszusteigen. Das Schiff brachten sie nun nach einer anderen Insel, von welcher sie hergekommen waren. Alle Reisende vermeiden sorgfältig die, auf welcher wir uns befanden, und es war sehr gefährlich, dort anzuhalten aus einem Grunde, den ihr erfahren sollt; aber wir mußten unser Übel mit Geduld ertragen.

Wir entfernten uns vom Ufer und gingen landeinwärts. Wir fanden einige Früchte und Kräuter, von welchen wir aßen, um den letzten Augenblick unsers Lebens so lange als möglich zu verschieben; denn wir erwarteten alle einen sichern Tod. Im Gehen sahen wir ziemlich fern ein großes Gebäude, nach welchem wir unsere Schritte richteten. Es war ein wohlgebauter Palast, welcher eine Tür von Ebenholz mit zwei Flügeln hatte, die wir öffneten, indem wir sie aufstießen. Wir traten in den Hof und sahen in gerader Ansicht ein weitläufiges Wohngebäude mit einer Vorhalle, in welcher auf der einen Seite ein Haufen Menschenknochen und auf der andern eine Menge Bratspieße lag. Wir zitterten bei diesem Anblick, und da wir vom Gehen müde waren, versagten uns unsere Füße den Dienst, wir fielen, von tödlichem Schrecken befallen, auf die Erde und blieben dort eine Zeitlang unbeweglich liegen.

Die Sonne ging unter, und während wir uns in dem kläglichen Zustande befanden, den ich euch beschrieben habe, erbebte die Erde, die Türe des Wohngebäudes öffnete sich mit großem Geräusch, und es trat die schreckliche Gestalt eines schwarzen Mannes von der Größe eines Palmbaums heraus. Er hatte mitten auf der Stirn ein einziges rotes und gleich einer brennenden Kohle glühendes Auge; sehr lange und spitze Vorderzähne ragten aus seinem Munde hervor, der nicht weniger gespalten war als der eines Kamels, und die Unterlippe hing ihm bis auf die Brust. Seine Ohren glichen denen eines Elefanten und bedeckten seine Schultern. Er hatte Nägel so krumm und lang wie die Klauen der schrecklichsten wilden Tiere. Bei dem Anblick eines so fürchterlichen Riesen verloren wir alle die Besinnung und blieben wie tot.

Endlich kamen wir wieder zu uns und sahen ihn unter der Vorhalle sitzen und uns mit seinem einen Auge aufmerksam betrachten. Als er uns wohl beschaut hatte, kam er auf uns zu, und als er uns nahe war, streckte er seine Hand nach mir aus, packte mich beim Halsgenick und drehte mich nach allen Seiten um wie ein Schlächter, der einen Hammel handhabt. Nachdem er mich aufmerksam betrachtet und gesehen hatte, daß ich sehr mager und nur aus Haut und Knochen zusammengesetzt war, ließ er mich wieder los. Er packte die anderen der Reihe nach, prüfte sie auf dieselbe Weise, und da der Schiffshauptmann der fetteste von der ganzen Mannschaft war, so hielt er ihn mit einer Hand, so wie ich einen Sperling gehalten haben würde, steckte ihm einen Spieß durch den Leib, und nachdem er hierauf ein großes Feuer angezündet hatte, briet er ihn und aß ihn in seinem Wohngebäude, in welches er zurückging, zum Abendbrot. Nach beendigter Mahlzeit kam er wieder in die Vorhalle, in welcher er sich niederlegte und einschlief, worauf er mit einem Geräusch, stärker als das des Donners, schnarchte. Sein Schlaf währte bis zum anderen Morgen. Was uns betraf, so war es uns nicht möglich, irgend einer Ruhe zu genießen, und wir brachten die Nacht in möglichst grausamer Unruhe zu. Als der Tag angebrochen war, erwachte der Riese, stand auf, ging hinaus und ließ uns im Palast.

Als wir ihn fern glaubten, brachen wir das traurige Stillschweigen, welches wir die ganze Nacht hindurch beobachtet hatten, und ließen, uns einander um die Wette betrübend, den Palast von Klagen und Seufzern widerhallen. Obgleich wir zahlreich genug waren und nur einen einzigen Feind hatten, so kam uns doch nicht sogleich der Gedanke ein, uns von ihm durch den Tod zu befreien. Dieses Unternehmen, obschon schwer auszuführen, mußte uns doch natürlicherweise in den Sinn kommen.

Wir beratschlagten noch über mehrere andere Pläne, bestimmten uns jedoch für keinen, und indem wir uns dem unterwarfen, was Gott gefallen würde, über uns zu verhängen, brachten wir den Tag damit zu, die Insel zu durchstreifen, indem wir uns wie am vergangenen von Früchten und Kräutern nährten. Gegen Abend suchten wir irgend einen Schutzort, fanden aber keinen und waren genötigt, wider Willen in den Palast zurückzukehren.

Der Riese unterließ nicht, heimzukommen und wieder einen unsrer Gefährten zum Abendbrot zu verzehren, worauf er einschlief und bis Tagesanbruch schnarchte. Er ging hierauf fort und verließ uns wie am vorigen Tage. Unsre Lage schien uns so gräßlich, daß mehrere unsrer Gefährten auf dem Punkt waren, sich lieber ins Meer zu stürzen, als einen so seltsamen Tod zu erwarten, und diese regten die andern auf, ihrem Rate zu folgen. Aber einer unter uns, der das Wort nahm, sagte: »Es ist uns verboten, uns selbst den Tod zu geben, und wär' es auch erlaubt, ist es nicht vernünftiger, auf Mittel zu denken, uns von dem Barbaren zu erlösen, der uns einen so traurigen Tod bereitet?«

Da mir ein Anschlag eingefallen war, teilt' ich ihn meinen Genossen mit, die ihn billigten. »Meine Brüder,« sagt' ich zu ihnen, »ihr wißt, daß längs des Meeres viel Waldung ist; wenn ihr mir glaubt, so laßt uns mehrere Flöße bauen, die uns tragen können, und wenn sie fertig sind, wollen wir sie an der Küste lassen, bis wir es für die rechte Zeit halten, uns ihrer zu bedienen. Inzwischen werden wir ausführen, was ich euch vorgeschlagen habe, um uns vom Riesen loszumachen; gelingt unser Vorhaben, so können wir hier geduldig abwarten, bis irgend ein Schiff vorüberfährt, das uns von dieser bösen Insel fortschafft; verfehlen wir im Gegenteil unsern Streich, so machen wir uns schnell auf unsre Flöße und fahren ab. Ich gestehe, daß wir Gefahr laufen, das Leben zu verlieren, wenn wir uns auf so gebrechlichen Fahrzeugen der Wut der Wellen aussetzen; aber sollten wir auch umkommen, ist es nicht doch noch angenehmer, uns im Meer begraben zu lassen als in den Eingeweiden dieses Ungeheuers, das schon zwei von unsern Gefährten verzehrt hat?« Mein Rat fand allgemeinen Beifall, und wir bauten Flöße zu drei Personen.

Gegen Ende des Tages kehrten wir in den Palast zurück, und bald nach uns kam auch der Riese hinein. Wir mußten uns entschließen, noch einen unsrer Gefährten braten zu sehen. Doch wir rächten uns an der Grausamkeit des Riesen auf folgende Weise. Als er sein abscheuliches Abendessen verzehrt hatte, legte er sich auf den Rücken und schlief ein. Sobald wir ihn nach seiner Gewohnheit schnarchen hörten, nahmen neun der kühnsten von uns und ich jeder einen Spieß, hielten die Spitze ins Feuer, um sie glühend zu machen, und stießen ihm dann zu gleicher Zeit die Spieße ins Auge, welches wir ihm ausstachen.

Der Schmerz, welchen der Riese empfand, ließ ihn ein schreckliches Geschrei ausstoßen. Ungestüm erhob er sich und streckte die Hände nach allen Seiten aus, um einen von uns zu erfassen und seiner Wut zu opfern; aber wir hatten Zeit genug, uns von ihm zu entfernen und uns an Stellen auf die Erde zu werfen, wo er uns nicht unter seinen Füßen finden konnte. Nachdem er uns vergebens gesucht hatte, fand er tappend die Türe und ging mit furchtbarem Geheul hinaus.

 

Achtzigste Nacht.

Wir verließen den Palast gleich dem Riesen,« fuhr Sindbad fort, »und begaben uns ans Meeresufer an den Ort, wo unsre Flöße waren, wir brachten sie sogleich ins Wasser und warteten, bis es Tag war, um uns auf sie zu werfen, falls wir den Riesen mit einigen Begleitern seiner Art kommen sähen; doch schmeichelten wir uns, daß, wenn er nicht bald nach Sonnenuntergang erscheinen und wir sein Geheul, das immerfort zu unsern Ohren drang, nicht mehr hören würden, dies für einen Beweis gelten könnte, daß er sein Leben verloren hätte, und in diesem Fall nahmen wir uns vor, auf der Insel zu bleiben und uns nicht auf unsere Flöße zu wagen. Aber kaum war es Tag, so erblickten wir unsern grausamen Feind, von zwei ihn führenden gleich großen Riesen begleitet und von sehr vielen anderen, die mit schnellen Schritten vor ihm hergingen.

Bei diesem Anblick zögerten wir nicht, uns auf unsere Flöße zu werfen und uns durch starkes Rudern vom Ufer zu entfernen. Die Riesen, welche das bemerkten, versahen sich mit großen Steinen, liefen ans Ufer, gingen selbst bis an den Leib ins Wasser und warfen so geschickt nach uns, daß mit Ausnahme des Floßes, auf welchem ich mich befand, alle anderen davon zertrümmert wurden. Die darauf befindlichen Menschen ertranken; ich und meine beiden Gefährten aber, da wir aus Leibeskräften ruderten, waren am fernsten und außerhalb der Wurfweite.

Als wir auf das offene Meer kamen, wurden wir das Spielwerk des Windes und der Wellen, die uns von einer Seite zur andern warfen, und wir brachten diesen Tag und die folgende Nacht in einer grausamen Ungewißheit über unser Schicksal zu; aber am folgenden Tag hatten wir das Glück, an eine Insel getrieben zu werden, auf welche wir uns mit vieler Freude retteten, wir fanden daselbst treffliche Früchte, die uns zur Wiedererlangung unsrer verlornen Kräfte treffliche Dienste leisteten.

Gegen Abend schliefen wir am Meeresufer ein, wir wurden aber von dem Geräusche aufgeweckt, welches eine Schlange, lang wie ein Palmbaum, im Kriechen mit ihren Schuppen machte. Sie war uns so nahe, daß sie einen meiner Gefährten trotz seinem Geschrei und seiner Anstrengung, sich loszumachen, verschlang, nachdem sie ihn vorher wiederholentlich geschüttelt und gegen die Erde geschmettert hatte. Mein anderer Gefährte und ich, wir ergriffen sogleich die Flucht, und obgleich wir ziemlich fern waren, so hörten wir doch einige Zeit nachher ein Geräusch, welches uns vermuten ließ, daß die Schlange die Knochen des von ihr überfallenen Unglücklichen wieder von sich gäbe. »O Gott,« rief ich da aus, »was für Dingen sind wir ausgesetzt! Gestern freuten wir uns darüber, unser Leben der Grausamkeit des Riesen und der Wut der Wellen entzogen zu haben, und nun sind wir in eine nicht minder schreckliche Gefahr geraten!«

Im Umhergehen bemerkten wir einen dicken und hohen Baum, auf welchem wir unsrer Sicherheit wegen die folgende Nacht zuzubringen beschlossen. Wir aßen wieder Früchte wie am vorigen Tage, und gegen Abend kletterten wir auf den Baum. Bald hörten wir nun die Schlange, die zischend bis an den Fuß des Baumes kam. Sie erhob sich am Stamm, und da sie meinen unter mir sitzenden Gefährten erreichte, so verschlang sie ihn auf einmal und entfernte sich sodann.

Ich blieb bis Tagesanbruch auf dem Baum und stieg sodann mehr tot als lebendig herab. Ich konnte in der Tat kein anderes Schicksal als das meiner beiden Gefährten erwarten, und da mir dieser Gedanke Schaudern erregte, so machte ich einige Schritte, um mich ins Meer zu stürzen. Da es aber doch angenehm ist, so lange als möglich zu leben, so widerstand ich diesem Anfall von Verzweiflung und unterwarf mich dem Willen Gottes, der nach seinem Gutdünken über unser Leben schaltet.

Ich unterließ jedoch nicht, eine große Menge kleines Holz und trocknes Gestrüpp und Dorngebüsch zu sammeln. Ich machte daraus mehrere Bündel, aus welchen ich einen großen Kreis um dem Baum bildete und einige überquer oben drüber band, um meinen Kopf zu decken, hierauf sperrte ich mich beim Anbruch der Nacht in diesen Kreis mit dem traurigen Trost, nichts zur Vermeidung des mich bedrohenden grausamen Schicksals vernachlässigt zu haben. Die Schlange unterließ nicht, wiederzukommen und den Baum zu umkreisen, indem sie mich zu verschlingen suchte, was ihr jedoch wegen des von mir aufgebauten Walles nicht gelingen konnte, und sie gebärdete sich vergebens bis an den Morgen gleich einer Katze, welche eine Maus belagert, die sich in einem unüberwindlichen Zufluchtsort befindet. Endlich bei Tagesanbruch entfernte sie sich, aber ich wagte mich vor Sonnenaufgang nicht aus meiner Festung.

Ich war von der Arbeit, zu welcher mich die Schlange genötigt hatte, so ermüdet, und ich hatte von ihrem verpesteten Atem so gelitten, daß es mir schien, der Tod sei diesem Schrecknis vorzuziehen, und ohne mich meiner Ergebung am vorhergegangen Tage zu erinnern, lief ich ans Meer, um mich kopflings hineinzustürzen.

 

Einundachtzigste Nacht.

Gott ward von meiner Verzweiflung gerührt: in dem Augenblick, in welchem ich mich ins Meer stürzen wollte, erblickte ich in ziemlicher Entfernung vom Ufer ein Schiff. Ich schrie aus Leibeskräften, um mich hörbar zu machen, und ließ die Leinwand meines Turbans wehen, damit man mich bemerken sollte. Das war nicht unnütz, die ganze Mannschaft gewahrte mich, und der Schiffshauptmann schickte mir das Boot. Als ich am Bord war, fragten mich der Hauptmann und die Matrosen mit vielem Eifer, welches Abenteuer mich auf diese wüste Insel geführt hätte, und als ich ihnen erzählt hatte, was mir begegnet war, sagten mir die ältesten, daß sie mehrmals hätten von Riesen erzählen hören, welche diese Inseln bewohnten, daß man sie versichert hätte, es wären Menschenfresser, und sie verzehrten die Menschen sowohl roh als gebraten. In Betreff der Schlangen setzten sie hinzu, daß sie im Überfluß auf dieser Insel wären, daß sie sich bei Tage verbergen und nur des Nachts zum Vorschein kämen. Nachdem sie mir zu erkennen gegeben hatten, wie sehr sie sich freuten, mich so vielen Gefahren entgangen zu sehen, so beeilten sie sich, da sie nicht zweifelten, daß mich hungerte, mich mit dem Besten, was vorrätig war, zu bewirten; und der Hauptmann, da er sah, daß meine Kleidungsstücke ganz zerlumpt waren, hatte die Großmut, mir einen von seinen Anzügen geben zu lassen.

Wir durchschifften einige Zeit das Meer, berührten mehrere Inseln und landeten endlich auf der Insel Selahath, von woher man das Sandelholz bezieht. Wir fuhren in den Hafen und ankerten daselbst. Die Kaufleute fingen an, ihre Waren auszuladen, um sie zu verkaufen oder zu vertauschen. Während dies geschah, rief der Schiffshauptmann mich zu sich und sagte zu mir: »Bruder, ich habe in meiner Verwahrung Waren, welche einem Kaufmann gehören, der einige Zeit auf meinem Schiff gereist ist. Da dieser Kaufmann nicht mehr lebt, so verhandle ich sie, um seinen Erben Rechnung abzulegen, wenn ich einen von diesen treffe.« Die Ballen, die er meinte, waren schon auf dem Verdeck. Er zeigte sie mir und sagte: »Dies hier sind die bewußten Waren, ich hoffe, daß Ihr so gut sein und die Last übernehmen werdet, sie zu verhandeln; Ihr sollt dann für Eure Bemühung den gebührenden Lohn empfangen.« Ich willigte darein und dankte ihm dafür, daß er mir Gelegenheit verschaffte, nicht untätig zu bleiben.

Der Schiffsschreiber verzeichnete alle Ballen nebst den Namen der Kaufleute, welchen sie gehörten. Da er den Hauptmann fragte, wie er denn diejenigen, mit welchen er mich eben beauftragt hatte, eintragen sollte, erwiderte ihm jener: »Tragt sie unter dem Namen Sindbads des Seefahrers ein.« Ich konnte mich nicht ohne Bewegung nennen hören, und als ich den Hauptmann näher ins Gesicht faßte, erkannte ich ihn für den, der mich während meiner zweiten Reise auf der wüsten Insel, als ich am Ufer des Baches eingeschlafen war, verlassen hatte und wieder unter Segel gegangen war, ohne mich zu erwarten oder suchen zu lassen. Ich hatte ihn nicht sogleich erkannt, weil seine Person sich seit unserer Trennung sehr verändert hatte.

Daß er, der mich für tot hielt, mich nicht erkannte, ist nicht zu verwundern. »Hauptmann,« sagte ich zu ihm, »nannte sich der Kaufmann, dem die Ballen gehörten, Sindbad?« – »Ja,« entgegnete er, »so nannte er sich, er war aus Bagdad und hatte sich in Balsora auf meinem Fahrzeug eingeschifft. Als wir eines Tages an einer Insel ans Land stiegen, um Wasser zu schöpfen und einige Erfrischungen einzunehmen, ging ich – ich weiß selbst nicht mehr, aus welchem Irrtum – wieder unter Segel, ohne darauf zu achten, daß er sich nicht mit den andern eingeschifft hatte. Wir hatten guten und so frischen Wind, daß es uns unmöglich war, das Schiff umzuwenden, um ihn abzuholen.«

»Ihr haltet ihn also für tot?« fragte ich. »Ganz gewiß,« versetzte er. »Wohlan, Hauptmann,« entgegnete ich, »öffnet die Augen und erkennt jenen Sindbad, den Ihr auf der wüsten Insel gelassen habt. Ich schlief am Ufer eines Baches ein, und als ich erwachte, sah ich von der Mannschaft niemand mehr.« Bei diesen Worten betrachtete mich der Hauptmann genau ...

 

Zweiundachtzigste Nacht.

Nach einem Weilchen erkannte mich der Hauptmann endlich. »Gott sei gelobt,« rief er, mich umarmend, aus; »ich bin höchlich erfreut, daß Euer glückliches Geschick mein Unrecht gutgemacht hat. Hier sind Eure Waren, die ich immer sorgfältig aufbewahrt und zum Teil in den Häfen, wo wir gelandet sind, verhandelt habe. Ich übergebe sie Euch nebst dem dafür Gelösten.« Ich nahm sie in Empfang und bezeigte dem Hauptmann die ihm gebührende Erkenntlichkeit.

Von der Insel Selahath steuerten wir nach einer andern Insel, woselbst ich mich mit Gewürznägelein, Zimt und anderen Spezereien versah. Als wir von dort weitersegelten, sahen wir eine zwanzig Ellen lange und zwanzig Ellen breite Schildkröte, auch bemerkte ich einen kalbartigen Fisch, der Milch gab und dessen Haut so hart ist, daß man Schilder daraus zu machen pflegt. Ich sah einen anderen, welcher die Gestalt und die Farbe eines Kamels hatte. Endlich nach langer Schiffahrt kam ich in Balsora an und kehrte von dort nach Bagdad mit so vielen Reichtümern zurück, daß ich ihre Anzahl gar nicht wußte. Ich gab wieder den Armen einen beträchtlichen Teil davon und kaufte noch mehrere große Landgüter zu den schon erworbenen.«

So beendigte Sindbad die Geschichte seiner dritten Reise. Er ließ hierauf dem Hindbad wieder hundert Zechinen geben und lud ihn auf den folgenden Tag zur Erzählung seiner vierten Reise ein. Hindbad und die übrige Gesellschaft begaben sich nach Hause, und am folgenden Tage setzte nach beendetem Mittagsmahl Sindbad die Erzählung seiner Abenteuer fort.

 


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