Anonymus
Der wunderbare Hund
Anonymus

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Die IX. Klasse

Zeigt an, wie Rozum nach seinem üblen Traktament in sich gegangen ist und erkannt hat, wie er in seinem Schösser-Amt gelebt hat und weshalb er so leiden mußte; auch wie er wiederum einen Herrn bekommen hat und Taussäs genannt worden ist.

Das verzehrte Huhn bekam mir so übel, daß, nachdem ich in ein kleines Gebüsch kam und außer der Gefahr und Furcht zu sein vermeinte, ich mich gezwungen sah, vor Krankheit und Mattigkeit mich hinter einen Strauch niederzulegen, und da hatte ich Zeit genug, meinen elenden Zustand wehmütig zu beseufzen und zu beklagen, und dieses zwar nur in Gedanken. Denn alle meine vordem begangenen Sünden stellten sich ganz lebhaft und abscheulich vor die Augen meines Gemüts.

Ich erinnerte mich, wie manchen armen Bauern ich in meinem Schösser-Amt geprügelt, wie unrechtmäßig ich arme Leute oftmals gestraft und keine Erbarmnis über sie gehabt habe, obgleich sie noch so sehr gebeten und viele hundert Tränen vor meinen Füßen niedergelassen haben; ja, wie manches Geschenk ich genommen und deshalb das Recht unrecht und das Unrecht recht gesprochen habe.

Diese und dergleichen andere Gedanken wurden von dem täglichen Exequierer, dem Magen, welcher seinen täglichen Tribut forderte, unterbrochen, der mich denn aus meinem Lager jagte.

Ich wußte aber gleichwohl nicht, wo ich solchen Tribut hernehmen sollte.

Doch wanderte ich fort, bis ich zu Mittag zu einem Dorf kam, da gleich die Kinder in die Schule gingen.

Unter denselben sah ich eines, welches ein großes Stück Brot unter dem Arm trug, dasselbe fiel ich an und nahm ihm das Stück Brot, jedoch ohne des Kindes Schaden. Worauf ich bald etliche Bauern mit Prügeln und Steinen hinter mir herjagte, welche, obwohl sie scharf nach mir warfen und ihren Fleiß nicht sparten, mich zu allem Glück doch nicht trafen.

Ich aber marschierte im vollen Hunds-Trab mit meinem Stück Brot zum Dorf hinaus.

Als ich nun ein gutes Stück Wegs davon weg war, futterte ich und wanderte hernach immer weiter fort.

Vierzehn Tage trieb ich meine Wallfahrt, ehe ich wiederum einen mir anständigen neuen Herrn bekam.

Indessen suchte ich meine Nahrung mit Stehlen, denn ich schlich heimlich Bürgern und Bauern in die Häuser und nahm weg, was ich finden konnte, worüber ich doch bisweilen häßlich zu kurz kam.

Weil mich aber diese Art zu leben etwas schwer ankam, wurde ich mir schlüssig, wieder einem Herrn zu dienen.

 

Nach dieser vierzehntägigen Wanderschaft kam ich an einen Ort, in welchem ein schönes Schloß war; in dieses ging ich ohne Paßport hinein.

Der Herr desselbigen Schlosses stand eben im Hof mit vielen seinen Dienern umgeben; und anstatt des Supplikats, das ich ihm übergeben sollte, tanzte ich auf den Herrn zu und machte allerhand wunderliche Posituren, welche mich dergestalt rekommandierten, daß ich den Augenblick bei ihm Dienste bekam.

Denn als der Herr seine Diener befragte, wessen wohl der Hund sein möchte, und die Diener den Hund gar nicht kennen wollten, so sagte der Herr, ›nun wird er recht für mich sein‹; befahl darauf dem einen Jungen, er solle mich verwahren, damit ich nicht wieder wegkäme.

Wenn ich alles erzählen sollte, was ich diesem Herrn für lustige Kurzweil gemacht habe, würde dieses Buch viel zu groß werden. Dieses allein muß ich sagen, daß ich abermals einen neuen Namen bekommen habe und Taussäs bin genannt worden.


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