Anonymus
Der wunderbare Hund
Anonymus

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Die VI. Klasse

Zeigt an, wie fälschlich und übel der Spanier von dem Jörg und der Köchin bei dem Junker angegeben und endlich gar verjagt worden ist.

Den folgenden Tag ritt mein Junker mit den andern Edelleuten über Land, und weil er sich besorgte, er möchte um seinen kurzweiligen Hund kommen, so ließ er mich zuhause und befahl dem Jörg, er solle wohl auf mich achtgeben, damit ich nicht verloren ginge, auch mich fleißig und täglich in den Künsten üben, auf daß ich nichts vergessen möge.

Anbei befahl er ausdrücklich dem Jörg: »Gib dem Spanier täglich zwei Becher Wein zu trinken, damit er ja diesen Trank nicht vergessen möge.« Jörg nahm alles fleißig in acht, außer daß er den Wein allezeit selbst aussoff, mir aber dagegen Wasser gab.

Als ich nun diese Händel wohl beobachtete, wurde ich gewahr, daß Jörg, die Köchin und die Schließerin fast alle Abende ihre Zusammenkunft hielten und sich von den ihren Herren abgestohlenen Viktualien lustig machten; was sie aber sonst für unzüchtige Possen dabei angegeben haben, will ich (damit züchtige Ohren nicht geärgert werden) verschweigen.

Einmal, da mein Herr schon wieder nach Hause gekommen war, schlachtete die Köchin eine Gans und beredete hernach die Frau, die Gans wäre gestorben. Sie aber fraßen dieselbige in aller Herrlichkeit auf. Wenn sie ein Huhn heimlich verzehrten, so sagte die Köchin zu der Frau, es sei ein Huhn aufgefangen oder weggestohlen worden.

Da wurde deshalb mancher unschuldige Bauer in Verdacht gezogen.

Auf eine andere Zeit mußte abermals eine unschuldige Gans herhalten, welcher die Köchin unterschiedliche Löcher in den Hals gestochen hatte, und also brachte sie die arme Gans noch halb lebendig vor die Frau, sagend: Der Fuchs hätte die Gans wollen wegtragen, der Jörg aber hätte sie ihm wieder abgejagt; fragte auch zugleich, was sie damit machen solle? Die gestrenge Frau antwortete, sie solle sie wegschmeißen. Die Köchin aber richtete sie heimlich zu, und so wurde solche noch selbigen Abend bei dem Torwärter verzehrt, wozu die Schließerin den Trunk spendierte.

 

Einmal verzehrten sie auch bei dem Torwärter, der stattlich mit fraß und soff und sich gerne das Maul mit Wein und guter Speise stopfen ließ, einen stattlichen Hasen, wovon ich auch ein Stück zu essen bekam. Als der Hase gefressen war, fragte der Torwärter, wo die Köchin diesen schönen Hasen herbekommen habe?

»Wo soll ich ihn hergekriegt haben«, antwortete sie, »aus der Küche habe ich ihn her.«

»Wird es denn«, sagte der Torwärter, »der Junker nicht gewahr, wenn ein solcher schöner Hase wegkommen tut?«

»Und wenn er es gleich gewahr wird«, sagte die Köchin, »so spreche ich: ›Der schelmische Hund, der Spanier hat ihn gefressen‹, und eben deswegen habe ich dem Hund ein Stück davon gegeben, damit ich schwören kann, daß ich's mit meinen Augen gesehen hab', wie er das Stück vom Hasen gefressen hat.« Daher denn zu vermuten sei, daß er das übrige auch verschluckt habe.

Ich spitzte darüber die Ohren und besorgte mich, es möchte wohl nicht köstlich für mich ablaufen, weil ich armer unschuldiger Hund mich nicht verantworten konnte. Was sollte ich aber machen? Ich mußte doch erwarten, wie es mir armem Schelm ergehen würde.

Den folgenden Tag kam Jörg zum Junker und sagte: »Gestrenger Herr, unser Spanier hat sich heute gar übel verhalten.«

»Wieso?« fragte der Junker.

Jörg antwortete: »Er hat den schönen Hasen aus der Küche gestohlen und gefressen, den Euer Gestreng vorgestern gehetzt haben; die arme Köchin will fast verzweifeln, sie weint, daß eine Träne die andere schlägt, und rauft sich vor Leid die Haare schier alle aus.«

Der Junker war zwar sehr zornig und schalt grausam über mich; allein, weil er mich gar sehr lieb hatte, so schenkte er mir dieses Mal die Strafe.

Er verwarnte aber die Köchin, sie solle ein andermal auf dasjenige, das ihr anvertraut wäre, besser achtgeben: Denn vernaschte Hunde machten gute Wirtinnen und lehrten sie, die Speise fein einschließen.

Diese Verwarnung aber half wenig, weil nicht ich, sondern zweibeinige Hunde die Speisen stahlen. Denn es vergingen keine acht Tage, da wurde eine Fasan-Henne gestohlen, wovon ich aber nichts wußte.

Jörg kam zu mir, brachte einen Flügel mit den Federn, die man zur Zierde an die gebratene Henne zu stecken pflegt, warf mir denselben vor und machte allerhand Schnacken und Kurzweil mit mir; endlich ließ er mich mit gedachtem Flügel alleine spielen.

Soviel ich aber hernach erfuhr, so war die Köchin indessen zum Junker gegangen und hatte mich heftig bei ihm angeklagt, als ob ich die Fasan-Henne gefressen hätte. Worauf der Junker und die Köchin eilends gegangen kamen und mich eben noch antrafen, wie ich den Flügel von der Fasan-Henne im Maul hatte und damit spielte.

Alsbald fing die Köchin mit weinendem Geschrei an: »Da sehen Euer Gestreng, daß der Spanier noch den Flügel der gefressenen Fasan-Henne mit sich schleppt.«

Welche Worte mich so heftig erschreckt haben, als wenn mich ein Blitz getroffen hätte, weil ich mir nichts anderes einbilden konnte, als daß es darauf einschlagen würde.

Der Junker aber antwortete: »Hab' ich dir nicht gesagt, du heillose Dirne, du solltest die dir anvertrauten Sachen fleißig einschließen?«

»Ja«, sagte die Köchin, »Gestrenger Herr, die Henne war freilich in den Speise-Behälter eingeschlossen gewesen, allein der Spanier kann so künstlich mit der Dieberei umgehen, daß ich geglaubt hätte, es müßte dieses Huhn ein zweibeiniger Dieb gestohlen haben, und so weiß ich fast nichts mehr vor ihm sicher zu behalten.«

Diese verlogenen Worte reizten meinen Herrn dermaßen, daß er mich wie ein unsinniger Mensch überfiel und mir solche entsetzlichen Streiche mit der Karbatsche versetzte, daß ich gezwungen wurde, durchzugehen; er aber verfolgte mich so hart, daß er auch mit Prügeln, Steinen, und was er sonst im Zorn anderes erwischen konnte, hinter mir auf meinen Buckel zuwarf, daß ich vor Angst nicht wußte, wo ich geschwind hinkriechen sollte.

Diese üble und unschuldige Traktation verdroß mich so sehr, daß ich mir fest vornahm, gar davonzulaufen.

Deswegen marschierte ich zum Tor, welches eben zu allem Glück offen stand, hinaus und auf den nächsten Wald zu.

Als mein Junker solches sah, rief er seinen Knecht, den Jörg, und befahl ihm, sich eilends auf das Pferd zu setzen und dem Spanier nachzujagen, und wo möglich ihn wieder zurückzubringen; wenn er aber nicht mitgehen wolle, so solle er ihn alsbald totschießen, auf daß er keinem andern zuteil werden möchte.

Dieses Schreien machte mir gleichsam Flügel an die Füße, also daß ich fast stärker lief, als mir möglich war.

Ich war zwar noch nicht lange gelaufen, da sah ich schon den Jörg hinter mir her rennen, eine Pistole in der rechten Hand haltend.

Es war mir aber gut, daß ich schon hart am Wald war.

Als nun Jörg sah, daß ich in den Wald entlaufen wollte, schoß er mit der Pistole hinter mir drein.

Weil er aber noch gar weit von mir war, so konnte er mir damit keinen Schaden zufügen, sondern schoß noch weit hinter mir in die Erde hinein; ich aber nahm darauf den Wald ein, welcher mich vor meines Verfolgers Augen verbarg.

Dieses war also der Lohn, den ich für meine treuen Dienste empfangen habe.


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