Anonymus
Der wunderbare Hund
Anonymus

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Anrede an den günstigen Leser!

Nachdem mir dieses sehr artige und kuriose Traktätlein in die Hände kam, und ich mich darin umschaute, so fand ich eine solche Gemüts-Ergötzung, daß dadurch bewegt wurde, des Lesens nicht aufzuhören, bis ich das Ende erreichte; worauf ich es denn etlichen guten Freunden kommunizierte, welche mir danach so kontinuierlich in den Ohren lagen, bis ich endlich bewogen wurde, solches in die reine und hoch-deutsche Sprache zu bringen und in den Druck zu befördern:

Dieses Traktätlein betitelt sich Der wunderbare Hund, kann auch in Wahrheit so genannt werden; denn die seltsamen Begebenheiten, welche sich mit diesem verwandelten Hund zugetragen haben, sind wohl würdig, gelesen und angehört zu werden.

Wie sich aber diese menschliche Verwandlung in einen Hund begeben hat, soll der hochgeneigte Leser alsbald zu vernehmen haben, und zwar aus dem Mund dieses verwandelten Menschen selbst, welcher (nachdem er nach langer Zeit seine menschliche Gestalt wiederum empfangen hat), die ganze Begebenheit dieses Traktätleins beschrieben und zu Papier gebracht hat:

»Ich«, bekennt er, »bin ein Bauern-Sohn aus der Wallachei, und nachdem mich mein Vater in der Jugend fleißig zur Schule angehalten hat, habe ich auch mit der Zeit im Schreiben, Rechnen und etwas Latein ziemlich zugenommen; worauf ich denn in Polen zu einem Edelmann gekommen bin und als ein Kammer-Diener angenommen wurde.

Als ich nun lange ihm guten Dienst erwiesen hatte, hat er mich endlich gar in Masuren zu einem Dorf-Schösser verordnet und eingesetzt.

Als ich nun einmal von meinem Junker oder Edelmann Befehl erhielt, bei Vermeidung unabläßlicher Strafe die Kontribution oder Steuer einzubringen, sollte ich im Fall, daß jemand seine Schuldigkeit abzuführen sich weigern würde, denselben pfänden und das Vieh oder andere Mobilien mit Gewalt wegnehmen.

Da ich nun solchem Befehl nachlebte, und damit ich meinem Amt gebührende Genüge täte, forderte ich unter anderem auch von einer alten Witwe ihre schuldige Kontribution.

Diese war zwar nicht arm, sondern sie war von derselben Gattung, die das Schwert im Maul führen und die Obrigkeit gerne mit Worten bezahlen möchte.

Weil ich aber meinen Junker mit Worten nicht befriedigen konnte, sondern das Geld dazu vonnöten hatte, also befahl ich dem Pfänder, er solle der Frau beste Kuh aus dem Stall nehmen und sie nach Hause führen.

Als dieses geschehen war, lief mir das Weib bis in das Haus nach, machte mich ärger aus als einen Spitzbuben oder Beutelschneider und stieß alle bösen Flüche und Injurien über mich aus, ja so sehr, als es auch immer einem bösen Weibe in den Sinn kommen konnte, daß ich endlich gezwungen wurde, die böse Vettel mit einer Bastonade aus dem Hause zu treiben.

Im Weggehen rief sie noch zurück: ›Du sollst mir dieses nicht umsonst getan haben, du Bösewicht du.‹

Es verging aber keine Stunde, da kam das böse Weib wieder und brachte ihre Kontribution; worauf ich meinem Knecht befahl, er solle die Kuh aus dem Stall holen und ihr wieder verabfolgen lassen.

Als aber der Knecht kaum zur Tür hinaus war, da ich das Geld besehen wollte und mich etwas bückte, schlich die Hexe hinter mir her und bestrich mir den Nacken mit einer Salbe und sprach: ›Nu, gefällt Euch also das Geld?‹

Kaum hatte sie ausgeredet, da ward ich von Stund an zu einem großen schwarzen zottigen Pudel-Hund, und als ich nun vor Schrecken erstarrte und mich nicht gleich in die jähe Verwandlung schicken konnte, lief indessen die alte Hexe zur Tür hinaus und schlug dieselbe hinter sich zu.«

 Diese kuriose Begebenheit habe ich nun dem günstigen Leser zu einer Vorrede mit ansetzen wollen.

Alsdann wird die eigentliche Beschreibung von dieses Hundes Aufführung, Diensten und Begebenheiten folgen, welche in unterschiedliche Klassen ordentlich eingeteilt sind.

Der geneigte Leser lasse sich dieses Büchlein bestens rekommandiert sein, er wird unterdessen darin sein bestes und vollkommenes Vergnügen finden.

Mich aber wolle derselbe in seiner Gunst jederzeit sein lassen.

Des geneigten Lesers

ergebenster

N. N.


 << zurück weiter >>