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Einundzwanzigstes Capitel.
Andersen's letzte Tage.
Vom Juni bis zum 5. August 1875.

Ankunft auf der Villa »Rolighed«. – Sein Leben daselbst. – Unterredungen mit Bögh über den Tod und die Unsterblichkeit. – Er hofft immer noch auf Genesung und die Reise nach der Schweiz machen zu können. – Vorbereitungen zu dieser Reise. – Er denkt, sich eine Villa zu bauen. – Bögh's vorletzte Unterredung mit Andersen. – Sein letztes Gedicht. – Brief an Frau Collin. – Er erhielt den zweiten Band seiner Märchen in französischer Sprache. – Bögh's letzter Besuch bei Andersen (15. Juli). – Brief an Jonas Collin mit Zusatz der Frau Etatsräthin Melchior. Schrieb zum letzten Mal, am 19. Juni, in sein Tagebuch. – Auszüge aus seinem Tagebuch. – Andersens letzte Augenblicke. – Sein sanfter Tod. – Anderseits Beerdigung. – Der Gottesdienst in der Frauenkirche. – Allgemeine Theilnahme. – Anderseits Grab.


 

Dieses Schlußkapitel von Andersen's » Märchen meines Lebens« habe ich zum größten Theil Nicolai Bögh's mehrfach angezogenen Artikeln in der » Illustreret Tidende« entlehnt, umsomehr, als der Verfasser mit dem Dichter Andersen bis kurz vor seinem Tode in Verkehr stand, und bei der Ausarbeitung seines Artikels sich auf Thatsachen und auf Auszüge aus seinem Tagebuche stützen konnte. Mir war zunächst darum zu thun, das Bild des Dichters bis zu seinem Tode zu vollenden. Der Uebers.

Als Andersen, krank an Leib und Seele, endlich zu dem Entschluß gelangte, am 12. Juni 1875, sich nach der Villa » Rolighed« zu begeben, um – wie er glaubte und hoffte – seine mehr als je erschütterte Gesundheit in ländlicher Einsamkeit, wo die liebevollste Fürsorge ihm jede unangenehme Berührung mit der Außenwelt fern zu halten im Stande war, wiederzugewinnen, war es in der That schwierig genug für ihn, diese kurze Fahrt nach der Villa hinaus zu machen, und besonders schwierig war es für ihn, die Treppe zu seinen Zimmern zu ersteigen. Aber es war ein großes Glück für ihn, daß er dort hinauskam, wo die äußeren Bedingungen es ermöglichten, ihm alle die Bequemlichkeiten zu verschaffen und viele seiner Wünsche, sobald sie entstanden, zu erfüllen, und wo ihm eine ausdauernde und besonders sorgfältige, herzliche und aufopfernde Pflege und Sorgfalt zutheil wurde. Niemals empfand er, daß seine Krankheit seinem Wirthe oder seiner Wirthin lästig werden könnte. Stets vernahm er die wärmste Theilnahme und Sympathie. Ein Diener, dem er sehr zugethan war, wurde ihm ausschließlich zu seiner Verfügung überlassen.

Nur einmal, im Anfang seines Aufenthalts auf » Rolighed« war Andersen in den Garten der Villa hinabgekommen, ein Garten, der ihm so lieb war, und den er so häufig durchwandert hatte; hier hatte er auch mit eigener Hand manche Blume vom Feld und vom Wald verpflanzt, eine Arbeit, die er mit großem Geschmack und Liebe vollführte. Dadurch ließ er die Pflanzen, welche sonst verachtet und doch so schön sind, zu ihrem Rechte kommen. Er sagte: »die Blumen wissen gar wol, daß ich sie liebe, denn wenn ich einen Zweig in die Erde stecke, so gedeiht er!« Sonst verbrachte er täglich einige Vormittagsstunden mit dem Binden kleiner Bouquets, mit denen er so gern jedes Couvert am Mittagstisch schmückte, aber dazu fehlte es ihm jetzt an Kraft. Er mußte sich nunmehr damit begnügen, sich an den Blumen zu erfreuen, die man in sein Zimmer brachte.

Sechs oder sieben Wochen vor seinem Tode saß oder richtiger lag er auf zwei Stühlen in seinem Schlafzimmer und vor ihm stand ein Glas mit Wasser und Waldblumen, die das Fräulein Melchior ihm am Tage zuvor gebracht hatte. »Wie schön sind doch diese Blumen, wie wunderherrlich!« sagte er. »Aber sie haben gewiß nicht Wasser genug; gebt ihnen etwas!« Als dies geschehen war, sagte er: »O, die Erde ist doch so wunderschön! Ich würde so gern hier bleiben und all die Schönheit, die sich hier befindet, genießen. Jetzt hat sich gerade Alles für mich so licht und so klar gestaltet. Wenn ich nur gesund wäre!«

Bei einer solchen Gelegenheit fragte er Bögh: »Glauben Sie, daß es für mich schwer sein wird, zu sterben?« Erstaunt, ihn vom Tode sprechen zu hören, was sonst bei ihm nie der Fall war, weil er das Leben über Alles liebte und fortwährend seine Genesung erhoffte, suchte ihn Bögh auf andere Gedanken zu bringen; aber er fuhr fort: »Ich male mir das Sterben manchmal als etwas Schreckliches aus; denn das Sterben ist ja doch immer ein Kampf. Ach, möchte ich doch heiteren Sinnes sterben! Manchmal auf dem Meere habe ich geglaubt, ich müßte untergehen, und dann beherrschte mich ein entsetzlicher Schreck!« – Bei einer andern Gelegenheit sagte er zu ihm: »Ich glaube an Gott! Ich fühle, daß stets etwas um mich ist und über mich wacht und mich beschirmt! Ebenso glaube ich an die Unsterblichkeit der Seele und in dieser Beziehung könnte ich ruhig sterben!« – Während dieser Unterredung weinte er viel und war höchst liebevoll.

Wie stark Andersen's Glaube an das ewige Leben und an das Wiedersehen mit den Theuren im Jenseits war, geht aus seiner folgenden Auslassung hervor: »Als ich am Todtenbette der alten Frau D. stand, war ich nahe daran, zu sagen: Ist es möglich, daß Sie Grüße aus dieser Welt in die andere zu bringen vermögen, dann grüßen Sie Hans Christian Oersted von mir auf das Herzlichste. Aber ich fürchtete, nicht verstanden zu werden und schwieg.«

Wunderbar kämpften in Andersen's Gedanken der Tod mit der Hoffnung, wieder zu genesen. Er hatte daran gedacht, auf vierzehn Tage nach Bregentved zu reisen und hatte die ganz bestimmte Absicht, im September nach Montreux zu reisen. Es wurden mehrere Briefe nach dort geschickt, um Wohnung für ihn zu bestellen u. s. w. Einen Monat, bevor er starb, ließ er seine Koffer zur Abreise halb fertig packen; er bestellte sich sehr viel neue Wäsche, einen neuen Reiseanzug und 200 Visitenkarten; auch trug er sich mit dem Plan, irgendwo eine Villa bauen zu lassen, wo er wohnen könnte. Dies war einer seiner früheren Lieblingsgedanken: er äußerte einige Jahre vorher in einer Mittagsgesellschaft, »daß er so viel zu besitzen wünsche, um sich ein Haus nach seinem Sinn bauen zu können«, und als man ihn bat, zu erzählen, wie dasselbe eingerichtet sein würde, sagte er: »Ja, sehen Sie, das kann ich nicht so ohne Weiteres beschreiben, aber Sie können mir glauben, es würde ein wahres Märchenhaus werden. Es müßte ungefähr der Villa der Frau Heiberg in der Oesterbro-Vorstadt gleichen und doch ganz anders sein. Ich will Ihnen beispielsweise das Entrée beschreiben. Dasselbe würde rund sein, mit einem leichten Glasdach darüber und dann mit grünen Pflanzen an allen Wänden; große Bäume müßten an allen Seiten wachsen, und in der Mitte müßte eine große Fontaine sein mit Goldfischen darin; rund herum um dieselbe im Grünen würden die Büsten aller großen Dichter und die Thorwaldsen's stehen, und mitten unter diesen würde ich dann hausen und dichten und zwar so dichten, daß es sich der Mühe lohnte, können Sie mir glauben.«

Wenn er dann in der Gesellschaft mit seinen nächsten Bekannten beisammen saß, machte er Entwürfe zu der Villa, die im Maurischen Style gehalten sein sollte. Ob es Phantasiebilder waren, die ihm vorschwebten, oder ob er wirklich daran dachte, diesen Plan zu realisiren, ist schwer zu entscheiden.

Das vorletzte Mal, als Nicolai Bögh bei ihm war, am Dienstag, 6. Juli, Vormittags, saß er draußen in seiner Veranda mit der schönen Aussicht auf den Garten und den Oeresund im Hintergrunde. Frau Melchior hatte ein Zelt von Teppichen um ihn angebracht, damit kein Zug ihn erreiche; er trug eine schwarzseidene Studentenmütze, da er diese sehr leicht und angenehm zu tragen fand; aber die jugendliche Flottheit der Mütze ließ sein gelbliches, durchsichtiges, eingefallenes, ja todtenähnliches Aussehen nur noch mehr hervortreten. Jedesmal, wenn Bögh ihn sah, fand er ihn bedeutend schwächer; er saß dann, wie fast immer während der letzten Zeit, mit geschlossenen Augen da und sagte: »O, ich habe es so gut, so gut! Die Welt ist so schön, die Menschen sind so gut! Das Wetter ist so prächtig und das Leben so schön; es ist gleichsam, als segelte ich fort nach fernen, fernen Landen, fort von allen Schmerzen und allem Nebel!« Er sagte dies, wie Alles, was er während der letzten Monate seines Lebens sprach, mit sehr langsamer, oft unterbrochener und manchmal mit kaum vernehmbarer Stimme. Er ließ sich von Bögh ein Gedicht vorlesen, das einen Vergleich zwischen der Schweiz und Fyen, wo seine Wiege gestanden, enthielt. Er glaubte damals, sein Grab würde unter den Trauerweiden am Genfersee gegraben werden. Dieses Gedicht hatte er am vorhergehenden Abend geschrieben. Als er an diesem Abend zu Bett gebracht worden war, ließ er Frau Melchior gegen 11 Uhr Nachts rufen und sagte, daß er eines Gedichtes wegen, das ihm im Kopfe umherschwirre, nicht schlafen könne; er bat sie, es niederzuschreiben, weil er sonst fürchte, es bis zum nächsten Morgen vergessen zu haben. Mit geschlossenen Augen und mit dem Gesicht der Wand zugekehrt, diktirte er es, aber mit langen Pausen zwischen jeder Zeile.

Da es Andersen's letztes Gedicht ist, will ich es hier in der Ursprache anführen, nicht etwa des Inhaltes wegen, sondern weil es eben das letzte ist.

I Foraaret i Kjöge.
til lille Charlotte.

En lille Lärke kvidrende kom;
Henover Kjöge den sang;
I Hönsegaarden en Höne löb om,
Den sagde: »Nei, hör dog engang:
»Den bilder sig ind efter eget Skjön,
»At Ingen Sligt hörte og saae;
»Just jeg kan klukke og Triller slaae,
»Og sa er jeg en af de Kjöge-Höns,
»Man kan lave Suppe paa.« Wörtlich übersetzt: Im Frühling in Kjöge. An die kleine Charlotte. Eine kleine Lerche zwitschernd kam hin über Kjöge und sang; im Hühnerhofe lief ein Huhn umher, es sagte: Ei, hört doch einmal, die bildet sich gar ein, nach eigener Art, daß Niemand so etwas zuvor gehört und gesehen; aber ich kann gluckzen und Triller schlagen, und dann bin ich eins der Kjöge-Hühner, wovon man Suppe kochen kann. Der Uebers.

Am 13. Juli bat er wieder Frau Melchior, sein Secretair zu sein. Er diktirte dann folgenden Brief an Frau Henriette Collin, geborne Thyberg:

 

»Liebe Frau Collin!

»Doktor Meyer sagt jeden Abend, daß es mit mir sehr gut vorwärts geht. Melchior's sagen, daß ich jeden Tag besser aussehe; doch ich selbst theile nicht ganz diese Ansichten. Des Nachts habe ich es am besten, ungeachtet ich die halbe Nacht nicht schlafe. Von den Fußspitzen bis zu den Knieen habe ich Wasser in den Beinen, weshalb man mir täglich eine Bandage umlegt. Oft kann ich von Morgens bis zum Nachmittag vom Schleim befreit sein; ebenso oft ist derselbe überwältigend; ich kann daher gar nicht gehen und werde vom Diener aus- und angekleidet. Der Humor ist sonst recht gut; Melchior's sind Schuld daran. Ich fürchte gar sehr die liebevolle Pflicht, welche Ihr Sohn Jonas auf sich genommen hat: mich im nächsten Monat nach Montreux zu führen; ich muß mit ihm sprechen, ob es nothwendig werden wird, noch Jemand mitzunehmen, der mir beim An- und Auskleiden helfen kann. – Gregoire in Paris hat mir den zweiten Band meiner Märchen in französischer Sprache gesandt. Die Illustrationen sind sehr schön«. –

 

Bögh's letzter Besuch bei Andersen fand am 15. Juli statt. Als Bögh ihn fragte, wie er sich befinde, antwortete er: »Ich habe es gut, aber ich bin müde. Alle Menschen sind so gut und Alles ist so gut. Sagen Sie Allen, die danach fragen, daß ich es gut habe und frohen Muthes bin!«

Er saß oft eine Zeitlang schlaftrunken, oft halb schlafend, jedoch immer mit geschlossenen Augen; endlich sagte er kaum hörbar und unglaublich langsam: »Damals, als ich sehr krank war, fragten alle Leute fortwährend nach meinem Befinden, und es stand so viel in den Zeitungen über mein Befinden; nun, da meine Krankheit viel hartnäckiger ist, steht nichts in der Zeitung; aber andererseits ist es gut, von allen diesen Besuchen und Notizen befreit zu sein. Es ist jedenfalls das Beste, denn das Allerbeste ist: still zu leben, ja, das Stille ist das Beste!« Er bat, ihm den Inhalt seines Tagebuchs während der letzten fünf Tage vorzulesen. Er konnte schlecht hören, aber sein vorzügliches Gedächtniß war ungeschwächt, und er ließ kleine unbedeutende Bemerkungen dessen, was vor vier bis fünf Tagen geschehen war und die er anzuführen vergessen hatte, hinzufügen. Als Bögh bemerkte, daß Andersen ermüdet war, sagte er, daß es wol am besten für ihn sei, zu ruhen und er wollte daher gehen. Bögh hatte ihm mitgetheilt, daß er die Absicht habe, eine Reise zu unternehmen. – »Wie lange werden Sie fortbleiben?« fragte er, und als Bögh antwortete, daß dies wol einen Monat dauern könnte, erwiderte er: »O, das ist eine lange, ja, sehr lange Zeit«. Andersen nahm dann von Bögh Abschied, als ob er überzeugt sei, es sei das letzte Mal, daß er ihn sehe. Die milde, liebevolle, kindliche Stimmung, die ihn während dieses Augenblicks beherrschte, regte den Wunsch in Bögh's Seele an, es möchte das letzte Mal sein. Und so geschah es auch!

Am 25. Juli diktirte er Frau Melchior folgenden Brief an Jonas Collin:

 

»Lieber Freund!

»Vielen Dank für Deinen Brief, den ich in diesem Augenblick erhielt! Niemals zuvor habe ich eine solche Kürze der Zeit empfunden, wie jetzt, und dennoch fällt es mir beschwerlich, das Undenkbare auszusprechen: ich darf nicht an die Reise zu denken wagen, obgleich in meinen Gedanken derselben kein Hindernis im Wege steht. Ich bitte Dich, zu kommen; ich werde Dir die Minute mittheilen. Wir sehen uns! Gottes Wille geschehe!«

Dein treuer, dankschuldiger Freund.« Frau Etatsräthin Melchior fügte diesem hinzu: »Mein lieber Herr Collin! Ich möchte gern ein Paar Worte hinzufügen, um Ihnen zu sagen, daß Andersen's Zustand keineswegs besser ist. Sowol die Aerzte, wie ich selbst finden, daß die Kräfte mit jedem Tage abnehmen; aber eine große Wolthat ist es, daß er selbst sich wohl und glücklich fühlt. Er sagt: »Wenn ich meinen Schleimhusten, meine Müdigkeit und die dicken Beine ausnehme, dann befinde ich mich ganz wohl!« Er sagte gestern: »Es giebt zwei Dinge, die ich wahrhaft bewundere: es ist H. C. Andersen's und Frau Melchior's Geduld!« Ich antwortete ihm, daß Demjenigen, welchem der liebe Gott so schwere Prüfungen sendet, auch gleichzeitig Kraft gegeben werde, sie zu tragen. Er wiederholte, was er früher gesagt hat: »O, möchte ich das Glück erreichen, zu sterben, während ich es so segensvoll gut habe!« – Aus den Zeilen an Sie geht hervor, daß es ihm jetzt klar geworden zu sein scheint, er werde vielleicht nicht reisen können. Aber es thut ihm diese Aeußerung sofort wieder leid und er bittet Sie, zu ihm zu kommen. Aber das ist eine platte Unmöglichkeit, und ebenso bin ich davon überzeugt, daß er diese Reise nicht mehr machen werde. Ich habe noch einen Diener zu Hülfe genommen. – – –
Ihre ergebene
Dorothea Melchior.
Der Uebers.

Es folgt hier ein Auszug aus Andersen's Tagebuch aus der allerletzten Zeit. Das letzte Mal, das er eigenhändig sein Tagebuch schrieb, war am Sonnabend, dem 19. Juni, später diktirte er seine Bemerkungen.

An diesem Tage schrieb er:

»Heute gedachte ich auf Bregentved einzutreffen, aber noch immer sitze ich hier und muß obenein sehr froh sein, wenn ich heute über acht Tage dort sein kann … Ich habe heute die Ereignisse der ganzen Woche niedergeschrieben. Ich bin doch ein jämmerlicher Mensch: die Sonne scheint und dennoch friert mich und ich habe Feuer im Ofen«.

1. Juli.

»Die Tage entschwinden und laufen in einander. Ich leide an Bronchitis, an Neuralgie im rechten Bein, habe keine Ruhe, keinen Appetit, keinen Schlaf …

Sonnabend, 3. Juli.

»Speiste heute und gestern mit etwas Appetit. Die ganze Nacht lag ich in wachen, doch angenehmen Träumereien versunken.«

Sonntag, 4. Juli.

»Herrliches, sommerliches Wetter. Das Befinden am Morgen sehr gut, dagegen weniger gut gleich nach einem kleinen Schlaf … Wettsegeln findet heute bei Klampenborg statt. Saß eine halbe Stunde auf der Veranda. Fühlte mich wohl und froh. Nach dem Frühstück müde, unwohl, schläfrig … Kein Wettsegeln, es fehlt an Wind. Hatte es gut.«

Dienstag, 6. Juli.

»Früh aus. Herrliches Wetter … Der Schleimhusten begann die letzten Tage erst gegen vier Uhr.«

Mittwoch, 7. Juli.

»Ungefähr dasselbe gleichmäßige Befinden, aber fast immer gute Nächte.«

Freitag, 9. Juli.

»Erhielt von Paris meine neuen Märchen in französischer Sprache mit hübschen Illustrationen, freut mich sehr« … Man vergl. Andersen's Brief an Frau Collin S. 558. Der Uebers.

Sonntag, 11. Juli.

»Eine herrliche, fromme, seelenfrohe Nacht. Erwachte plötzlich, wie mir schien, mit einem Schrei, den ich heute Nacht ausstieß. All die Freude und die Verzeihung, die ich für mich bereitet sah, versank plötzlich in schrecklicher Weise … Früh am Morgen schlimmer Husten, später am Nachmittag ebenso lang und arg … Der Sonntag erscheint mir stets als der schwerste Tag.«

Dienstag, 13. Juli.

»Gegen 9 Uhr zu Bett … Fühlte mich wohl, der Doctor sagte jedoch, ich hätte Fieber.«

Mittwoch, 14. Juli.

»Lag die ganze Nacht, ohne die Augen zu schließen wie in Erik Bögh's »der Kalif auf Abenteuer«, welcher das Wort »Nador« sucht, peinigt mich ein Wort, das ich nicht zu finden vermochte und doch finden wollte. Es wurde heller Tag, die Sonne schien in die Zimmer hinein; die Uhr war gegen neun. Ich hatte ein Gefühl, wie ich mir einen armen Gemüthskranken denken kann. Endlich fand ich das Wort und schlief dann ununterbrochen von neun bis gegen ein Uhr. Eine vollkommene Veränderung schien mit mir vorgegangen zu sein: Die Geschwulst an meinen Beinen war gefallen. Ich habe es gut, bin nun unendlich froh.«

Freitag, 16. Juli.

»Gegen zwölf Uhr wünschte ich das Ungewöhnliche, Herrliche, in einer Tour bis Morgens sechs Uhr schlafen zu können. Und dieser Wunsch ging in Erfüllung. Eine herrliche Ruhe ohne Traum … Warmes, wunderbar schönes Sommerwetter.«

Sonntag, 18. Juli.

»Heute Nacht Alles gleichgültig. Eine vollkommen Fräulein Bremer'sche Stimmung. Frau R. war hier mit ihren zwei ältesten schönen Kindern, den reizendsten Zwillingen, die ich noch nicht gesehen hatte; der letzte Kleine, der den Namen Jürgen Andersen R. führt, wurde von seiner Amme getragen. Ich küßte das Kind auf die Wange, weich wie ein warmer Pfannkuchen, das frische Leben … Kam zu Bett und hatte es gut.«

Montag, 19. Juli.

»Ein mirakulöser, herrlicher Schlaf! Schlief eigentlich während vierzehn Stunden, ungefähr von acht Uhr Abends bis zehn Uhr Vormittags. Als ich das erste Mal erwachte, der schönste Sonnenschein. Hatte es so gut, daß es mir unmöglich war, mehr zu schlafen, fiel jedoch wieder in Schlaf; erwachte wieder nach 1 ½ Stunden, fühlte mich so wohl, kräftig und glücklich …«

Dienstag, 20. Juli.

»Sonnenschein am Morgen, später graue Luft und Regen. Kam auch heute nicht auf die Veranda. In der Zeitung stand: »An A.« – »L. hat seit seiner Abreise keine Nachricht erhalten, wann und wo sein Verlangen erfüllt werden wird u. s. w.« Diese Annonce versetzte mich in eine ganz gemüthskranke Stimmung. Das muß ja Unsinn sein … Stets erregt durch die Zeitung. Der Doktor vermochte nicht, mir darüber Aufschluß zu geben.«

Mittwoch, 21. Juli.

»Wie die Zeit doch reichhaltig ist, gleich Milliarden von düstern Gedanken! Welchen Schrecken empfand ich doch früher bei jedem Brief mit der Stadtpost, Ungezogenheiten, die man nicht in ein Blatt einrücken konnte oder wollte. Komische Neigung! …«

Donnerstag, 22. Juli.

»Eine ausgezeichnete Nacht. Gestern Abend und fast den ganzen Tag vom Schleimhusten befreit. Drei Stunden draußen auf dem Altan …«

(Unter den Notizen der späteren Tage finden sich lange Geschichten aus der Jugendzeit vor, die in seiner Erinnerung auftauchten, die aber nicht sein eigenes Leben betreffen. Nachdem er eine solche ausführliche Geschichte diktirt hatte, fügte er hinzu:)

Freitag, 23. Juli.

»Oft so wenig Kraft, man stirbt, indem diese gleichsam durch unsere feinste Nerve zu entschwinden scheint. Sie führt zu einer Klarheit, die auch ihr Licht verleiht.«

Sonnabend, 24. Juli.

»… Schrieb einen Reiseplan für E. M., der nach der Schweiz reist.«

Sonntag, 25. Juli.

»… Ich würde mich gemüthskrank nennen, weil ich den Unterschied zwischen Reichsthaler und Krone Es wurde nämlich 1875 in Dänemark die Goldwährung eingeführt. Die Recheneinheit ist die Krone und 2 Kronen sind gleich einem Reichsthaler der alten Währung. Der Uebers. nicht verstehe; der Schneider, der Diener und H. vermochten es nicht, mir das begreiflich zu machen …«

Montag, 26. Juli.

»… Schlief heute Nacht gut. Draußen auf der Veranda ein paar Stunden.«

Dienstag, 27. Juli.

»Eine gute Nacht und doch so matt … Klares, aber stürmisches Wetter … Habe auf dem Altan fast drei Stunden gesessen.«

Mit dieser Notiz hörte Andersen auf, sein Tagebuch zu führen. Am Mittwoch den 28. Juli war er noch außerhalb des Bettes, saß einige Zeit auf dem Altan und sagte, daß er sich wohl befinde, aber weder zum Schreiben noch zum Lesen aufgelegt sei. Am Tage darauf fühlte er sich müde und blieb im Bett, was er früher während seiner ganzen Krankheit nicht einen einzigen Tag gethan hatte. Frau Melchior brachte ihm des Morgens eine schöne Rose. Er küßte diese, drückte die Hand seiner Pflegerin und blickte sie mit einem glückseligen Lächeln an. »Dank und Gott segne Sie! Sie sind doch außerordentlich gut gegen mich!« sagte er, indem er wieder die Augen schloß und in Schlummer fiel. Seine Kräfte nahmen sichtbar ab; sein Gesicht fiel ein und sah mumienartig aus. Er war mit Allem zufrieden und war glücklich, daß Alle gut gegen ihn waren; er hatte keine Wünsche, keine Unruhe und sagte sogar: »Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich ja ganz wohl sein. Bald begann sein Kopf, wenn auch nur auf Momente, angegriffen zu werden, was sich bereits am 23. zeigte, als er, nachdem er über die Gleichgültigkeit, die der Tod mit sich führe, gesprochen hatte, bald darauf hinzufügte: »Jeder sechste Wellenschlag vom Meere wird sich zu einer Brandung am Ufer gestalten. So ist es auch mit dem Gedanken«. Und gleich darauf fügte er hinzu: »Ist das klar?« und fiel dann wieder in die Kissen zurück. Er begann nunmehr jedes Ding oft zu wiederholen, und wenn man einen Augenblick bei ihm im Zimmer gewesen war, bat er: »Darf ich allein sein!« Er sagte auch: »Fragen Sie mich nicht, wie ich mich befinde. Ich verstehe nichts mehr, ich begreife nichts, es ist mir Alles so sonderbar!« Aber er fuhr fort noch oft zu wiederholen, das; er sehr fröhlich sei und brach dann aus: »Wie Sie doch meiner müde sein müssen!« worauf er die Versicherung erhielt, daß es im Gegenteilig eine Freude sei, ihn pflegen zu können.

Siehe Bildunterschrift

Andersen's Sterbebett in der Villa »Rolighed« des Etatsraths Melchior.

 

Am 2. August schlief er die ganze Nacht und lag in derselben Stellung bewegungslos bis 10 Uhr Vormittags. Da fand man es nöthig, ihn zu wecken, um ihn durch Speise zu kräftigen. Er schlug die Augen auf und sagte: »O, wie herrlich, wie schön! Guten Morgen, Alle!« und damit reichte er sowol Frau Melchior, als auch dem Diener die Hände gleichzeitig entgegen. Ein wenig später fragte er: »Aber weshalb wurde ich denn geweckt?« – Nachdem er eine Zeitlang wach gewesen war, umnebelte sich wieder sein Kopf und er sagte: »Was ist das Alles? Ich verstehe nichts, ich vermag nichts mehr in meinen Gedanken zu sammeln! Werde ich denn nicht mehr aufstehen?« Später am Tage; nachdem er wieder verständig gesprochen und sogar bei einer scherzhaften Bemerkung gelächelt hatte, sagte er wiederum: »Ich verstehe nichts; – bin ich heute wol besser? Wie doch Alles so sonderbar ist!« Er vermochte an diesem Tage, merkwürdig genug, das Bett zu verlassen und in seinem Lehnstuhl zu sitzen, während sein Lager gebettet wurde. –

Die nächste Nacht war sehr unruhig, und als man ihn am Dienstag den 3. August fragte, wie er sich befinde, antwortete er wieder: »Ich weiß gar nichts«. Sein Auge sah aus, als ob ein Schleier darüber gezogen wäre. Dienstag Abend sagte er: »Der Doctor kommt heute Abend wieder; das ist kein gutes Zeichen;« allein als man ihn daran erinnerte, daß dasselbe seit vierzehn Tagen der Fall gewesen sei, beruhigte er sich. Er fiel gegen zehn Uhr in Schlaf. Der Diener hörte ihn im Laufe der Nacht einmal husten, und als er in Folge dessen bei ihm eintrat, hatte Andersen eine Tasse Haferschleim in der Hand, von dem das Meiste auf der Bettdecke ausgegossen war; er hatte nicht Kräfte genug gehabt, die Tasse wegzusetzen. – Am Mittwoch den 4. August Morgens athmete er sehr tief auf, als ob er Fieber hätte, aber er erwachte nicht. Um elf Uhr Vormittags verließ Frau Melchior auf einen Augenblick sein Lager, und fünf Minuten darauf kam der Diener und theilte mit: daß Andersen einen leichten Seufzer ausgestoßen, seine Zunge ein wenig bewegt hätte und ohne zu erwachen aus dieser Welt geschieden sei. Der Todesengel hatte sich ihm stille genähert und ihm sanft die Augen geschlossen. Er starb ohne Kampf, glücklich durch die wunderbar aufopfernde Pflege und Liebe seiner Umgebung. Auch sein letzter Wunsch war erfüllt! Da »sanken alle Nebel hinter der bekannten Küste der Erde« so leicht, so seelig, so geläutert in seinem Glauben. Das Märchen seines Lebens war zu Ende!

*

Acht Tage später (am 11. August) wurde Andersen von der Frauenkirche aus bestattet. Es ist wol ein einzig dastehender Fall, daß auch nicht ein einziger noch so entfernter Verwandter an der Bahre eines Dahingeschiedenen steht. So war es mit Andersen; aber als Ersatz stand das ganze dänische Volk an derselben, bewegt, wie wenn man den Theuersten auf Erden verliert. Es war eine erhebende Feierlichkeit, an der alle Stände, Jung und Alt, sich betheiligten. Die Frauenkirche, eine sehr geräumige Basilika, die Thorwaldsen's Meisterwerke: Christus, der Engel der Taufe, die Apostel u. s. w. schmücken, war überfüllt. Der König, der Kronprinz und Prinz Hans waren mit ihrer Suite erschienen, die Mitglieder des Ministeriums, das diplomatische Corps, darunter der deutsche Gesandte, Baron v. Heydebrandt und der Lasa, Repräsentanten der Theater, der Kunstakademie, kurz Alles, was die Hauptstadt an hervorragenden Männern der Kunst und Wissenschaft, Unter den Anwesenden bemerkte man auch den Dichter Mosenthal aus Wien, der bereits seinem Freunde in's Jenseits gefolgt ist. Der Uebers. der Politik und der geistlichen Welt besaß; alle größeren Vereine waren in corpore erschienen und außerdem eine unübersehbare Menschenmenge, von welcher es nur dem geringsten Theil gelang, die Thür der Kirche zu erreichen. Vor dem Hochaltar, wo der Studentenverein mit seinen Fahnen Platz genommen hatte, während die übrigen Corporationen mit ihren Fahnen längs der beiden Seiten des Schiffes aufgestellt waren, stand der eichene Sarg auf einer Erhöhung zwischen Trauerflor und Candelabern aufgebahrt. Auf dem mit Blumen und Kränzen völlig bedeckten Sarge lag zwischen frischen Palmen ein rothsammetnes Kissen mit den zahlreichen Orden des Entschlafenen, und auf dem großen schwarzen Teppich um den Katafalk lag eine Sammlung unzähliger kostbarer und prachtvollster, mit seidenen Bändern geschmückte Lorbeerkränze von inländischen und ausländischen Vereinen und Corporation sowol, als dürftige kleine Kränze aus Moos und einfachen Blumen, sichtbar gebunden von unbekannten, liebevollen Händen, die auf diese Weise dem Entschlafenen einen innigen Dank darbringen wollte, für alle die erquickenden und trostreichen Stunden, welche seine Dichtungen ihnen bereitet hatten. Unter den Kränzen von den Königinnen und den Prinzessinnen, der Stadt Odense, dem Kunstverein in Christiania, den skandinavischen Vereinen im Auslande, hob sich der Lorbeerkranz des » Vereins der Berliner Presse« vortheilhaft hervor; derselbe trug die Inschrift: » Du bist nicht todt, schloß auch das Auge sich, im Kinderherzen lebst Du ewiglich.« Der Uebers.

Unmittelbar nach Ankunft des Königs erbrauste die Orgel, von Professor Hartmann, dem meist geliebten Freunde Andersen's, gespielt. Es wurde vom Chor ein Psalm des Verstorbenen gesungen, worauf der Stiftsprobst Rothe vor den Sarg hintrat und nun auf die Huldigung hinwies, welche ihm, Andersen, vor wenigen Monden sowol vom Könige und seinem hohen Hause, als von dem einfachsten Bürgersmann, von Männern der Kunst und der Wissenschaft, wie einem Jeden, der ein Gefühl für seine Poesie gehabt, dargebracht worden war, eine Huldigung, für die seine Seele mit kindlichem Dank und Freude dem Herrn gepriesen habe. Nun wären sie Alle, mehr als der Tempel zu umfassen vermochte, um seine Bahre versammelt mit tiefer, wehmüthiger Klage, um Zeugnis; dafür abzulegen, was wir an ihm geschätzt haben; und während die Blumen, die seinen Sarg bedecken, verdorren und verwelken würden, werde sein Ehrenkranz nicht erblassen; denn das schöne Märchen seines Lebens werde vor der Welt bezeugen, daß es einen liebevollen Gott giebt, der Alles zum Besten lenkt. Die wunderbare, gnadenreiche Fügung seines Lebens sei eine Bestätigung der Worte des Apostels: »Aus der Gnade Gottes bin ich das, was ich bin, und seine Gnade, weiß ich, ist nicht vergebens gewesen«. Denn aus der Gnade Gottes erhielt er die Gabe der Dichtkunst, durch die er Nutzen und Freude an Tausende daheim und draußen gebracht hat. Gleich einer Ydunsgabe hatte er damit alle Diejenigen verjüngt und erfrischt, die ein Ohr für seinen Gesang und seine Rede gehabt, und gleich dem getreuen Haushalter hatte er mit dem reichen Pfunde, das ihm der Herr verliehen hatte, hausgehalten. An das letzte Lebewol von Dänemark, dessen echter Sohn er gewesen, von dem dänischen Volke, von allen Freunden und insbesondere von den Kindern knüpfte er das bekannte schöne Gedicht Andersen's:

»Heb' mich nur hinweg, Du starker Tod.«

Bischof Engelstoft, der in seiner Jugend Andersen's Reisebegleiter in fernen Ländern gewesen war, der auch in persönlich freundschaftlichem Verkehr mit dem Dichter gestanden hatte, und mit dem er während der letzten Jahre in freundschaftlicher Berührung geblieben war, und den er so hochschätzte, brachte dem Entschlafenen einen wehmuthsvollen Gruß von seiner Vaterstadt Odense, dessen Bürger stets mit froher Theilnahme ihm auf seiner Lebensbahn gefolgt wären. Sein jetzt hier abgeschlossenes » Märchen des Lebens«, das jetzt vor aller Welt offen liege, würde ein Zeugnis; sein, daß Derjenige, der sein Vertrauen auf Gott baut, nie verlassen sei. Die Früchte seines Lebens gehörten zwar wol zunächst dem Vaterlande, aber sie gehörten außerdem der ganzen Welt, soweit Geist und Bildung reichen, und diese Früchte würden seinen Namen bis in die fernsten Zeiten tragen und Glanz über das Land verbreiten, das ihn erzeugt hat. Mit den bekannten Worten Andersen's: »Wir haben noch keine Augen, um in all die Herrlichkeit zu schauen, die Gott geschaffen hat, aber es wird die Zeit kommen, wo wir sie schauen werden, und dann erleben wir das schönste Märchen, weil wir dann selbst daran theilnehmen«, segnete der Bischof seinen Staub zum ewigen Frieden ein.

Nachdem er geendet, sang der Studentenverein einen reizenden, von Carl Ploug gedichteten Gesang, und wieder erbrauste die Orgel, und die Versammelten sangen: »Herrlich ist die Welt;« und von der Orgel sandte ihm dann der innige Freund sein Lebewol in Tönen herab, indem er den von ihm componirten Trauermarsch über Thorwaldsen spielte; während diese ergreifenden Töne durch die Gewölbe brausten, trugen Studenten und Künstler den Sarg zur Kirche hinaus.

Der Zug nach dem Kirchhofe, unter dem Geläute der Glocken, war imponirend, denn immer größer wurde das Geleite, je weiter der Condukt kam. Flaggen wehten von allen Häusern und Schiffen auf Halbmast. Der Friedhof war überfüllt von Menschen aus allen Klassen; denn fast alle Geschäfte waren geschlossen.

Auf dem Kirchhofe in der Vorstadt Nörrebro wurde der Sarg, getragen von Mitgliedern der Gesangvereine, in der Collin'schen Familiengruft Eduard Collin, Andersen's Jugendfreund, der ihn während seiner traurigen Jugendjahre ein Bruder war, ist zufolge Testament sein Universalerbe geworden. Sein nachgelassenes Vermögen betrug gegen 60,000 Kronen und für das Verlagsrecht seiner Schriften erhielt Collin vom Buchhändler Reitzel 40,000 Kronen. Der Uebers. gebettet. Nachdem der Stiftsprobst Rothe die üblichen drei Hände Erde auf den Sarg geworfen hatte, schloß die feierliche, ergreifende Handlung mit dem Choral: »Wer weiß, wie nah mein Ende!« und das Geleite trennte sich, indem noch Arm und Reich den Erdhügel mit reichen und einfachen Kränzen und Blumen überreich schmückten, und viele Stunden nachher wallfahrten noch große Scharen hinaus nach

 

Andersen's Grab! Andersen's Grabmal trägt außer seinem Namen, Geburts- und Sterbejahr eine Strophe aus einem seiner letzten Gedichte: » Der Greis«:
» Den Sjæl, Gud i sit Billede har skabt,
Er uforkrænkelig, kan ei gaa tabt;
Vort Jordliv her er Evighedens Frö,
Vort Legem' döer, men Sjælen kan ei dö.
«
Wörtlich: »Die Seele, die Gott in seinem Bilde schuf, Ist unverletzlich, kann nicht verloren gehen; Unser Erdenleben hier ist der Same der Ewigkeit, Unser Körper stirbt, aber die Seele kann nicht sterben.« Der Uebers.

 

Einst, als Andersen eines Morgens erwachte, brach er aus: » Mir träumte, ich wäre auf »Rolighed«; ich läge todt ausgestreckt, aber dann wuchsen Blumen aus allen meinen Gliedern heraus

Auch dieser Traum ging in Erfüllung!

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Berlin, Druck von W. Büxenstein.

 

Fehlerhafte Kapitelnummerierung korrigiert. Re


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