Willibald Alexis
Der Werwolf. Erster Band
Willibald Alexis

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Die Sündflut und der Tempelhoffsche Berg. I.

Erstes Kapitel

Vor der Tafel

»So ist Brandenburg glücklich und groß geworden; nicht durch Krieg und Eroberung; durch Frieden und Verträge, durch des allmächtigen Gottes unmittelbaren Segen und die Weisheit seines allerdurchlauchtigsten Herrn.«

Mit diesen Worten hatte der Kanzler die Rede geschlossen, durch welche die Stände entlassen wurden.

Glänzend war allerdings das Bild, was er entworfen. Rühmend hatte er gedacht, wie der Kurfürst das Land von den gottlosen Juden nun ganz befreit, wie er sie fast ausgereutet und die Ausgewiesenen Urfehde schwören lassen, nimmer zurückzukehren; nun könnten Handel und Wandel blühen, reich und arm wären der Sorge quitt, von diesen Blutsaugern ausgesogen zu werden. Linder ging er darüber hinweg, daß Joachim auch die Straßen fast ganz gesäubert und die ritterlichen Placker und Landschädiger sich itzo in keinem Schloß mehr halten dürften. Er hatte erwähnt der Blüte der Universität Frankfurt, wohin über tausend Jünglinge, Weisheit zu lernen, auch aus den entferntesten Ländern alljährlich strömten; wie das brandenburgische Erbrecht durch Joachims Konstitution nun für alle Zeiten festgestellt worden, und in dem Kammergericht für jedermann, niedrig und hoch, gleiches Recht gesprochen werde, daß er nicht mehr brauche mit schweren Unkosten außer Landes es zu suchen. Er hatte leise angedeutet, daß die hohe Kenntnis des Kurfürsten in allen Dingen, ja weiter hinaus als das gewöhnliche Auge dringt, seinen Untertanen Bürgschaft sei, wie sie ruhig der Zukunft entgegenblicken könnten. Was diese Zukunft auch bringe, welche schwarze Wolken auch am Horizont schwebten, Brandenburg dürfe nicht bange sein; sein Herr wache dafür. – Dann lobte er die gute Wirtschaft des Fürsten, wie er eingelöst die von den alten Fürsten versetzten Aemter, Schlösser und Herrschaften. So waren Peitz und Kottbus wieder zu Brandenburg gekommen; so hatte er von denen von Stein die Herrschaft Zossen, von den Marschalls von Biberstein Storkow und Beeskow erkauft; so hatte er vom deutschen Orden die Neumark unwiderruflich erworben, und durch Gottes unerforschlichen Ratschluß mußte der letzte Graf von Lindau gerade unter dieser Regierung sterben, und die Grafschaft Ruppin als verfallenes Lehen an das Kurhaus zurückfallen, zur Mehrung seiner Glorie vor Gott und Menschen! – Hatte er nicht demnächst die so hart bestrittene alte Anwartschaft Brandenburgs auf Pommern, gegen den zehnten Bogislaw, kräftiglich und so gerettet, daß endlich der glorwürdige Vergleich in der Forst zu Grimnitz zu stande gekommen, wonach in allem pommerschen Lande schon jetzt die Landstände Kurbrandenburg die Erbhuldigung leisten müssen und hinfüro kein pommerscher Herzog vom Kaiser die Belehnung erhalten dürfe, ohne denn, daß Brandenburg zu gleicher Zeit die Lehnsfahne anfasse! Und zur Besiegelung des Bundes war ein Fräulein des gottgesegneten Hauses, Joachims und der königlichen Frau Elisabeth Tochter, mit dem jungen Herzoge von Pommern vermählt worden. Und was konnte Brandenburg mehr erfreuen und wünschen, als daß sein durchlauchtiger Prinz Markgraf Albrecht, des durchlauchtigsten Kurfürsten Bruder, nachdem er schon den Kurhut von Mainz auf seinem glorwürdigen Haupte trug, nun auch erwählt worden zum Erzbischof von Magdeburg und Bischof von Halberstadt, reich an Ehren, Witz, Schätzen und Macht. Und welches Glück stand diesem glücklichen Hause noch bevor, wenn der junge Kurprinz mit der Hand der polnischen Königstochter auch die Aussicht gewinne, daß dereinst die Krone Polens auf seinem Haupte glänze! Das letztere deutete der Kanzler aber nur in umwundenen Worten an.

So lachend und glänzend dieses Bild war, – und niemand konnte sagen, daß der Kanzler Unwahres gesprochen – so schien es doch nicht, als ob die getreuen Stände von derselben Glückseligkeit durchdrungen waren, die ihnen der geschickte Redner ans Herz gelegt. Zwar stimmten die Abgeordneten mit voller Kehle in das dreimalige Lebehoch, und schwenkten ihre Hüte, aber als sie zum Zuge nach der Domkirche sich paarweis ordneten, sah man nicht sehr vergnügte Gesichter. Der Landtagsabschied war nicht so befriedigend ausgefallen, als das Bild des Ministers.

In der Domkirche, wohin sie von den kurfürstlichen Hatschieren geführt wurden, hielt der Hofprediger Andreas Musculus eine Predigt über dasselbe Thema, wie der Kanzler im Rittersaale. Viele meinten sogar, es höre sich von der Kanzel noch besser an, als im Rittersaal. Denn wenn der Fürst durch den Kanzler zu den Ständen redet, mögen die Stande anders denken; aber was Gott durch den Prediger von der Kanzel redet, müssen die Zuhörer glauben. Nachdem der Geistliche mit Bildern und Gleichnissen aus dem alten Testamente, das Glück und die Prosperität des durchlauchtigsten Hauses geschildert, und wie Gottes unmittelbare Fügungen darin sichtbar würden, ging er darauf über, wie es in Gottes wunderbaren Ratschlüssen liege, daß ein friedlicher und gerechter Fürst auch Frieden und Gerechtigkeit über das Land bringe, das seinem Scepter unterworfen, wie daher jeder getreue Untertan die Segnungen einer solchen Regierung auch in seinem eigenen Hause zurückverspüren müsse; denn wo das Haus des Herrn von Segen träuft, flössen die Bäche des Segens bis in die Hütte des niedrigsten Knechtes. Das Gleichnis von dem Reiche, das wie ein großes Haus sei, der Fürst der Vater, die Untertanen, vom höchsten bis zum niedrigsten die Familienglieder, Kinder, Diener, Knechte, und daß, wenn der Vater froh oder betrübt sei, reich oder arm, seine Kinder es auch sein müßten, mitempfindend alle seine Freuden, seine Schmerzen; dieses Gleichnis, das er an zwei Stunden ausmalte, rührte die Andächtigen ungemein, und die Frauen verließen unter lautem Schluchzen die Kirche.

Um so mehr bedauerte man, daß der Kurfürst selber nicht dagewesen. Einige verwunderten sich, als sie hörten, daß Joachim gar nicht in der Stadt, daß er noch von der Jagd nicht zurückgekehrt sei. Sie sprachen die Besorgnis aus, ob' ihm nicht ein Unglück zugestoßen? Die vom Schlosse schüttelten den Kopf, und einige machten wohl eine besondere Miene: »Das kommt jetzt öfter vor.«

Stände und angesehene Herren und Prälaten waren zur kurfürstlichen Tafel geladen, aber sie mußten in den Zimmern, wo sich die Gäste versammeln, lange warten. Es ging so still zu, wie es seit etlichen Jahren Sitte geworden, – früher war es in der Mark anders – doch ward in den Türen und an den Fenstern dafür desto mehr geflüstert. Ich weiß nicht, ob es für die Fürsten schlimmer war, als sie in den Vorzimmern laut sprachen, und selbst ungebärdig, oder jetzt, wo sie nur zischeln. Wär' ich ein Fürst, ich hörte lieber, was ein Mann den Mut hat, laut zu sprechen wider mich, als was er lächelnd dem andern ins Ohr flüstert.

Da standen und gingen viele, die wir kennen, und die wir nicht kennen, in der Glatze und im Federhut, mit dem Skapulier und Rosenkranz, und mit Degen und Sporen. In fünfzehn Jahren wachsen neue Geschlechter heran, und alte Kleider, auch alte Gesichter werden abgetragen; denn die Macht, die allerwärts herrscht und die Menschen umwandelt, ist nirgends so mächtig als an einem Hofe. Nur, daß man anderwärts nicht weiß, woher sie kommt; in eines Fürsten Umgebung wird der Einfältigste mit der Zeit so klug, daß er voraus weiß, wohin die Wetterfahne drehen wird, und danach richtet er seine Miene auch im voraus.

Die Zeiten der Otterstädt, der wilden Landjunker, die, vor schlecht verhehltem Ingrimm kochend, im Büffelwams zu Hofe ritten, rostige Sporen an den Füßen, waren vorüber. Die hier waren alle – alle bis auf einen – in Tuchkleidern, in Seide, einige gar in Sammet. »Die Zeit ist eine andere worden,« sagte ein Mann mit einer wichtigen Miene und einem sehr ehrwürdigen, weißen Haupte, und drückte denen, die sich zum Gespräch ihm näherten, verbindlich die Hand. Zuweilen seufzte er, zuweilen lächelte er, je wie es denen recht war, mit denen er sprach. Zu dem zuckte er die Achseln und flüsterte ihm ins Ohr: »Der Strom ist zu stark, man muß mit schwimmen.« Zum anderen: »Wir können uns freuen, daß wir in einer solchen Zeit leben.« Wer hätte in dem Hofmann mit dem weißgekämmten spärlichen Haare, mit dem milden Blick und der sanften Sprache den Junker Peter Melchior wiedererkannt!

Der Hofprediger Andreas Musculus war auch unter den Geladenen. Kaum daß er in den ersten Saal getreten, stürzte ihm ein anderer, alter Bekannter entgegen. An dem Propst, den wir als Dechant so lange kannten, hatten die Jahre nicht gezehrt. Eine wohlgefälligere Rundung hatte sich um Bauch, Wangen, Kinn, ja über alle seine Gliedmaßen, und in guten Verhältnissen, gelagert. Ein Hungernder und ein Zweifelnder hätte ihn mit Neid angeblickt; auch wer keine Ursache zum Neid hat, sieht gern einen Mann, den die Natur bis zur Zufriedenheit gesättigt zu haben scheint. Seine Augen hatten nicht mehr das Schielende und Lauernde, seine Lippen spitzten sich nicht mehr zu bitteren Bemerkungen; er brauchte das alles nicht mehr! wie fest und sicher trat er auf den glatten Boden, wie süß lächelte er diesen an, wie vertraulich nickte er jenem zu. Er war jünger geblieben trotz der weißen Locken, die ehrfurchtgebietend zu beiden Seiten seines Scheitels spielten. Die Augen lachten und der Mund lachte, als er mit Heftigkeit die Hände des Hofpredigers fest an sich riß und drückte.

»Nein, Herr Konfrater, welcher Genuß, was sage ich, Genuß, welche Erbauung, Entzücken mir heute bereitet ward! Ich sage es ohne Schmeichelei, Musculus hat sich heut selbst übertroffen, sagte ich zum Marschall beim Hinausgehen. Gedanken, Konfrater, mir wie aus dem Herzen gerissen, aber in einer Sprache, in einem Bilderreichtum – ich entsinne mich wirklich keiner Predigt, die einen ähnlichen Eindruck hervorgebracht hätte.«

Musculus, den die Jahre älter und nicht wohlbeleibter gemacht, im Gegenteil er schien magerer und darum seine Augen in dem abgezehrten Gesicht größer, glänzender – Musculus war ein Mann, der nur noch selten lächeln mochte; aber er war trotz der von Gedanken gefurchten Stirn ein Mensch geblieben, und welches Menschen Lippen verziehen sich nicht, vielleicht unbewußt, zu einem gefälligen Lächeln, wenn ein Sturm von Lob ihn überschüttet?

»Daß auch gerade heut der Kurfürst fehlen mußte!«

»Es ist nicht das erste Mal.«

Ein verstohlener Händedruck antwortete ihm: »Wir verstehen uns!« Der Propst sagte es ihm ins Ohr, aber so laut, daß auch die Nächststehenden es hören konnten: »Teuerster Herr Hofprediger, wenn die uns immer hörten, an die wir unsere Rede richten. Aber die durchlauchtigste Kurfürstin, ich sah es recht mit inniger Befriedigung, wie ihre Augen an meines Freundes Lippen hingen. Da schlug jedes Wort ein, da ging kein Gedanke verloren. Von dem schönen Gleichnis an, von der Ceder auf dem Libanon und dem Ysop, der an der Wand wächst, ließ sie das Tüchlein nicht von den Augen. Ach, eine edle Frau –«

»Eine unglückliche Frau –«

Ein stummes Achselzucken, eine bedeutsame Miene, und ein dritter Händedruck unterbrach den Hofprediger: »Schweigen wir davon! Es ist ein wahrer Trost, daß die durchlauchtigste Frau einen Seelsorger, einen Beichtvater, ich kann es wohl sagen, einen wahren Freund in meinem Konfrater hat. Das spreche ich aus vollstem Herzen. Frauen sind so schwer zu behandeln, – es gehört dazu eine eigene Gabe, – aber man muß auch sagen, die Kurfürstin hat den echten feinen Takt, daß sie mit einem Blick den Männern ins Innerste der Seele schaut. Sie täuscht sich nie, wem sie ihr Vertrauen schenkt.«

Ein vierter Händedruck war diesmal ein Zeichen des Abschiedes, denn der Propst stürzte auf den Marschall zu, der gerade, mit dem Stabe in der Hand, eintrat.

»Wie ist es, wertester Marschall? – Sind die Fouriere zurück? Gewahrt man Seine Durchlaucht?«

»Noch keinen Staubwirbel auf der Straße, soweit das Auge reicht.«

»Dann wird also noch nicht –«

»Angerichtet.«

Es mußte etwas in der Miene des Propstes liegen, oder war's die Bewegung seiner Linken, die sich unwillkürlich zwischen Magen und Bauch legte, was auf dem Gesicht des Marschalls ein Lächeln hervorrief, was gar nicht dahin zu gehören schien, als er auf die Worte des Propstes: In früheren Fällen entsinne ich mich jedoch –« einfiel:

»Ward angerichtet, weil er's befahl. Diesmal hat er's nicht befohlen; die Kurfürstin will, daß wir warten.«

»Warten – gewiß, wenn aber –«

»Auch drüber Abend wird.«

»Abend!« Es war ein langer Atemzug des Propstes; aber sein Gesicht hatte schnell den freundlichen Ausdruck wieder gewonnen, es strahlte sogar ein holdseliges Lächeln darüber. »Zu bedauern sind da eigentlich nur die Köche. Wie mancher sieht das Werk, daran er jahrelang gearbeitet, in einem unglücklichen Augenblick verderben. Wenn's dann keinen anderen trifft, als die Köche; nicht wahr, mein Herr Hofmarschall, das läßt sich überwinden, wenn ein Auflauf einfällt. Das ist das Werk von Stunden! Also bis Abend –«

»Bis Abend,« wiederholte der Marschall.

»Wenn wir hungern sollten, hungern wir mit unserm Fürsten; in lieber Gesellschaft, in anmutigem Gespräche. Er ist auf die Saujagd –«

»Nach Luckenwalde zu.«

»Nach Luckenwalde! – Ei sieh da! Nun, es kann einem solchen Jäger doch nichts passieren. Ihr gebt uns die Beruhigung.«

Und der Propst faßte die freie Hand des Marschalls in seine beiden: »Mein lieber, lieber Herr von Bredow, es ist mir noch oft wie ein Traum, wenn ich Euch so in das friedlich treue Gesicht blicke, und in dieser Herrlichkeit, in diesen Ehren! Der Fürst ist mehr zu beneiden, sage ich mir, der solchen Diener gewann, als der Diener, welcher solche Gunst eines solchen Fürsten sich verdiente. Und es sind noch dieselben lieben Züge wie damals. Ihr entsinnt Euch nicht mehr, wie ich zu Eurem in Gott ruhenden Vater – der herrliche Gottfried! – wie ich zu ihm sagte: Es wird aus Hans Jürgen etwas werden, wir wissen nur nicht was.«

»Das pflegt wohl so zu gehen,« sagte trocken der Marschall.

»Wir irren alle in unsern jungen Jahren, aber die Vorsehung führt uns durch den Irrgarten unserer Torheiten zur Erkenntnis. Und Eure verehrte Frau Mutter, wenn ich mich entsinne, wie wir so oft miteinander scherzten; ein Gemüt wie eine Taube und doch ein Sinn wie Stahl. Muß nun auch in den Jahren sein! Ei ja, ja! Aber doch noch gesund und munter?«

»Ein heiteres Alter, das sich der Jugend nicht zu schämen hat.« –

»Das ist ein wahres Wort mein teuerer Ritter. So soll die Jugend leben, daß sie im Alter nichts zu bereuen hat. – Und der arme Vetter Jochem ? Wie ein unbedachter Schritt so schreckliche Folgen nach sich zieht! – Hinkt er noch immer? – Freilich! Ich sah ihn ja in Brandenburg. Das ist das Betrübende in unserer Stellung. Wer im Wirbel von Geschäften lebt, muß ordentlich mit Gewalt die teueren Erinnerungen aufsuchen. Der arme Jochem, – Hans Jochem ja wohl? – unter uns, mein werter Marschall, was ist schöner, als wenn ein junger Mensch mit religiösen Gefühlen sich vertraut macht; wo würde ich einem Jünglinge abraten, der Beruf fühlt, und seine Familie ist nicht dagegen, in den geistlichen Stand zu treten, aber, mein wertester Ritter – das, wie gesagt, ganz unter uns – dieser Zelotismus paßt nicht mehr. Er macht sich und andern das Leben sauer. Und worauf soll's hinaus? – Die Heiligen und Märtyrer in Ehren; aber von ihren guten Werken ist ein solcher Schatz da, daß wir auf Jahrhunderte daran genug haben. Heut ist's an den Geistlichen, den Laien ein Exempel zu geben, daß man gewissenhaft seine Pflichten üben, fest sein kann in seinem Glauben – daß vor allem – ein getreuer Diener der Kirche und doch ganz heiter und angenehm leben kann. Warum soll die Kirche ein Acker sein voll Steine und Dornen, warum kein Rosengarten! Das sich Zerreißen und Kasteien und Schreien stört, rührt auf, vielleicht ist es gar gefährlich, und vor allem paßt es nicht für Söhne aus guten Familien. Wenn er damit meint zu einem Bistum zu gelangen, ist Euer armer Vetter auf falschem Wege.«

»Geb's Gott, daß er den rechten findet!« sagte der Ritter.

»Seine Hochwürden, der Bischof von Brandenburg!« rief die Stimme des Kammerjunkers.

Wenn der Marschall erwartete, das Gespräch mit dem Propste fortzusetzen, um welches es diesem so sehr zu tun schien, hatte er sich verrechnet, denn ehe er sich's versah, war der Propst von ihm fort und ging mit dem Bischof in eifrigem Gespräch durch die Zimmer. Er schien selbst die nicht zu bemerken, an welche er mit den Ellenbogen streifte.

Wir wollen nicht verraten, wo sich beide hinverloren, als sie auf Augenblicke verschwunden waren; – bei der Menge der Gäste ward es kaum bemerkt; – aus der sehr befriedigten Miene des Propstes, als er in der Mauerbrüstung eines Fensters mit dem Bischofe wieder Platz nahm, vermuteten einige, daß er Mittel und Wege gefunden, die Forderungen seines Magens einstweilen zu beschwichtigen; eine Vermutung, die an Kraft gewinnt, wenn man weiß, daß der Propst im Schlosse ein oft gesehener Gast war; daß seine Bekanntschaften sich vom geheimen Kabinett bis in die Küche erstreckten, und daß er mit derselben herzlichen Miene dem ersten Minister und dem ersten Koch die Hand zu drücken verstand.

Er war wieder ein anderer Mann, als er in der tiefen Blende des Turmkämmerchens dem Bischof gegenüber saß; das hofmännische Lächeln war von den Lippen gewichen, die runden, vollen Wangen zogen sich streng zusammen, und der süße, verschwimmmde Blick der Augen gewann einen ernsten, stechenden Ausdruck, als er die Worte des Bischofs wiederholte:

»Es wird Ernst,« hatte Hieronymus gesagt.

»Es wird ernsthaft,« entgegnete der Propst.

Er hatte die Finger der einen Hand geöffnet, vermutlich um mit dem Zeigefinger die Punkte aufzuzählen, warum es ernst werde; aber der Bischof war ihm in den Arm gefallen:

»Das wissen wir; verlieren wir keine Zeit! Aber wie steht es hier?«

Der Propst verschlang die Hände auf der Brust: »Hochwürdigster, wer weiß denn das! – Wer am Morgen es zu wissen glaubte – am Nachmittag stand ihm der Verstand still, es ward alles anders.«

»Man behauptet bei uns, die Kurfürstin läse heimlich die Wittenberger Schriften.«

»Mag die gnädige Frau sie auswendig lernen!«

»Kennt man des Doktor Musculus Gesinnung? Aus seiner Predigt ließ sich nichts entnehmen.«

»Was tut der! Der Kurfürst, wenn er irgend kann, bleibt aus seinen Predigten fort. Er sieht in ihn hinein, wie in ein gläsernes Spinde. Mein hochwürdigster Gönner glaube mir, das ist es ja, was seine Umgebung zur Verzweiflung bringt; nicht, daß er keinen Vertrauten hat, daß er keinem glaubt, sondern daß er hinter unseren Worten unsere Gedanken liest.«

Beide sahen sich bedeutungsvoll an und schwiegen einen Augenblick, bis der Bischof wieder das Wort nahm.

»Auch die Kraft der Magie hat ihre Grenzen,« sagte der Bischof. »Aber das Land, die Stände, ich meine wir – müssen doch wissen, wie er sich entscheidet. Der Augustiner geht mit Riesenschritten vorwärts; daß der Kurfürst von Sachsen, daß die Anhaltiner, daß noch viele andere Fürsten und Städte ihn halten, ihn anfeuern, unterliegt keinem Zweifel mehr. Brandenburg muß sich entscheiden, und jetzt.«

»Und wir es vorher wissen!«

»Wissen! Wußten wir es denn nicht! Als ich ihm meinen Bericht von der Wittenberger Mission abstattete –«

»Ein Meisterstück!«

»War ja die Sache wie abgemacht.«

»Ihr vergeßt, daß Tezel darauf nach Berlin kam. Das Wesen dieses ungeschliffenen, marktschreierischen Kerls, sein ungebärdiges Betragen, seine grobe Unwissenheit widerstand seinem feinen Geschmack. Er mußte ihn gewähren lassen, aus Rücksichten; aber selbst das unverschämte Lob, das er von der Kanzel dem Kurfürsten zollte, beleidigte Joachim. Deshalb sah man ihn sehr gern wieder abziehen; wiewohl es mit Ehren und großer Begleitung geschah, damit kein zweiter Schnapphahn ihm auslauere.«

»Ah, die Geschichte! Merkwürdig doch, daß nichts ermittelt ist.« –

»Daß man nichts ermitteln wollte.«

»So wüßte man –«

»Daß es Hake von Stülpe war. Keiner zweifelt dran bei Hofe.«

»Der! Und warum langte ihn Joachim nicht mit seinen eisernen Fingern?«

»Hochwürdigster, die Finger wurden ein wenig zarter. Wer greift gern in Nesseln! Mit der Ritterschaft hätte es neue Zerwürfnisse gesetzt. Wir speisen zwar an kurfürstlicher Tafel von dem schönen Wilde, was wir damals erlegten, aber ich darf's versichern, heute stellten wir nicht zum zweiten Mal diese Jagd an.«

»Joachim fürchtet nicht den Adel.«

»Weil er ihn überwunden hat. Weil er wie ein Kettenhund auf seinem Hofe liegt, oder wie ein Schoßhündchen auf seinen Polstern spielt. Aber es kommen Augenblicke, wo es ihn fast gereut. Er hinge keinen Lindenberg mehr, und mit den Otterstädts hat er sich vertragen. Neulich ward die Urkunde ausgefertigt.«

Der Bischof, in Gedanken verloren, schien nicht alles gehört zu haben.

»Wie dem auch sei, ich sage Euch, es muß etwas geschehen«, und bald, sonst greift das Uebel um sich, und wir sehen das Ende nicht ab. Wenn ich aus Ziesar nach Brandenburg komme, wovon ist im Dom, wovon in der Altstadt, in der Neustadt die Rede? Die Angst vor der Sündflut, vor der Welt Ende, kommt gar nicht mehr auf; man spricht nur von Wittenberg, Luther, Melanchthon und wie die Aufwiegler heißen. Selbst meine Domherren lesen, disputieren, schütteln die Köpfe. Ja, in der Neustadt haben einige von den reisenden Prädikanten sich unterfangen, von der Kanzel herab dem Volle davon zu predigen.«

»Was mein Bischof doch streng gerügt hat!«

»Weiß ich denn, wie man es hier betrachtet! Ich glaubte es zu wissen; aber was ich höre, macht mich irr. Wenn ich streng zugreifen sollte, warum redet man nicht deutlicher! Wo ich frage, wo ich anklopfe, man zuckt die Achseln, man rät zu, man rät ab. Denkt Ihr, daß ich Lust habe, mir die Finger zu verbrennen! Euch Ihr Herren, muß ich der Lauheit anklagen –«

»Hochwürdigster! Welcher Prälat ist wie Ihr im geheimsten Vertrauen des Markgrafen!«

»Aber ich bin nicht täglich um ihn. An Euch hier wäre es, zu arbeiten; ich sage es Euch gerade heraus, für die Kirche, für – unser Heil. Es steht viel ernsthafter, viel schlimmer, als wir alle denken; klage ich mich doch selbst an, daß ich anfänglich die Sache zu leicht nahm. Wißt Ihr denn, worauf es hinausläuft mit seiner Provokation auf Kirchenverbesserung, mit seiner Abstellung der Uebelstände, mit seiner hundert- und tausendfachen Beteuerung, daß er die evangelische Lehre und Kirche in ihrer Reinheit will? Wer zu bessern anfängt, findet kein Ende; denn wenn er etwas besser gemacht, bleibt immer etwas, was noch besser sein könnte; und wenn gar nichts geblieben, was war, so kann er seine Besserung wieder verbessern. Jetzt appelliert er noch nach Rom; der dumme Mensch denkt, daß der Papst auf seine Gedanken eingehen könne. Wär' es ein feiner Mann, der Menschen und Welt kennt, so hätte es gar nichts auf sich; aber gerade von einem solchen Tollkopf, der mit der Stirn durch die Mauer will, ist alles zu fürchten – weil die Mauer nicht fest ist. Versteht Ihr mich? Wenn Leo ihn abweist, wie er es verdient – und der Medicäer wird sich wahrhaftig nicht die Mühe nehmen, den plumpen Gesellen glimpflich zu bescheiden – so ist er imstande, die Autorität des Papstes anzugreifen. Er ist ihm kein heiliger Vater mehr. Ihr erschreckt; ich sage Euch, gegen die Macht der Tollheit, gegen den Wahn, der sich des Pöbels bemeistert, hilft kein Beten und Kreuz schlagen. Entweder drein schlagen mit Brand und Stahl, oder mit dem Strome schwimmen. Habt Ihr Lust dazu?«

»Das erstere ist gefährlich. Das Schwert der Kirche –«

»Ist etwas abgestumpft, das weiß jedes Kind; aber dann muß man es schmieden und wieder schärfen. Der Tölpel wird nicht den Papst umreißen; aber Länder, Nationen können sich von Rom losreißen; es können Geschicktere als er der Sache sich bemeistern, ein Gegenpapst, ein Schisma in der Kirche kann entstehen. Und das wäre vielleicht noch das geringere Uebel. Wenn der Papst selbst zum Uebel wird, wird mit der Tiara der Kardinalshut, das Pallium, die Bischofsmütze abgeschafft. Dahin arbeiten diese Aufwiegler. Glaubt Ihr, daß der dumme Haufe nicht zujauchzt, wenn ihnen gepredigt wird: wozu braucht die Kirche reich zu sein? Die Domstifter, die Pfründen, die fetten Propsteien, werden sie keine Freunde finden unter den Hungrigen und nicht Hungrigen, wenn der ehrbare beschränkte Sinn des Bürgers durch die Phrase gewonnen wird, wozu hat die Geistlichkeit Schätze nötig? War Christus nicht auch arm und wußte nicht, wohin er sein Haupt legen sollte? Die Luft schwirrt von Raubvögeln; nur ein Aas brauchen sie zu wittern, und sie stürzen nieder. Wißt Ihr, wohin der Augustiner steuert? – Uns alle zu Mönchen zu machen. Nicht zu Prämonstratensern, Bernhardinern, nicht Cisterniensern. Auch das wäre noch zu gut. Ein großes Bettelmönchskloster soll der Klerus werden; zum Beten, Kasteien, Kindererziehen und Predigen. Die Demut ist gewiß christlich und gut, aber habt Ihr Lust, als Barfüßler mit dem Brotsack durchs Land zu ziehen? – Was bleibt dann von der Kirche, wenn die stolzen Säulen fallen, wenn der Chorrock zum Aergernis wird und der Weihrauch überflüssig? Kann man das Volk durch das Wort in Zucht halten? Respekt und Autorität –«

»Müssen erhalten werden,« fiel der Propst ein. »Ach, mein teuerster Herr und Gönner, Ihr sprecht von Brandenburg; wenn ich Euch erst nun von der Stimmung in Berlin erzählte –«

»So würdet Ihr mir nichts Neues erzählen. Berlin hat sich von je durch seine Lauheit und seinen Eigensinn gegen die Kirche naseweis hervorgetan. Das steinerne Kreuz an der Marienkirche steht umsonst als Warnungszeichen. Aber das kümmert uns wenig; diese Ketzereien hier schüren keinen Brand an. Uns kümmert nur der Hof.«

»Der wartet, was der Kurfürst entscheidet!«

»Also – da liegt's – da müssen wir operieren – da müssen wir vor allem klar sein.«

Der Propst sah sich vorsichtig um, ob kein Ohr an der Schwelle lauschte: »Wir waren nicht untätig – wir waren nicht lau, aber –«

»Was! – Joachim kann nun und nimmermehr –«

»Luthers Freund werden. Nein, da müßten ja die Heiligen von Stein sein, wenn sie das nicht abwehrten. Aber – wie er ist – warmblütig, auffahrend, wenn eine Phantasie in ihm aufzuckt – es hat ihn tief verwundet, daß dieser gemeine Augustinermönch sich etwas unterstanden, so plötzlich, plump, dreist, woran er seit seiner Jugend gearbeitet hat – das Gift kochte auch in seinen Adern –«

»Warum habt Ihr es nicht zum Sieden gebracht!«

»Da kam Tezel – es kam mancherlei – ich will Euer Hochwürden nicht damit ermüden. Aber zuweilen ist es, als schlüge eine innere Flamme in ihm auf, als wehe um seinen Scheitel ein Lichtschein – natürlich aus der Hölle – daß er die Dinge anders betrachtet. – Ich beobachtete ein eigenes Jucken um seine Lippen, und ein halb strafender, halb verächtlicher Seitenblick, wie Ihr ihn kennt, flog auf die Hofleute, als sie eines Tages sich eine herabsetzende Aeußerung gegen den Wittenberger erlauben zu dürfen glaubten. Ja, mir war's, als hörte ich die Worte: Das Mönchlein hat mehr Mut als alle, die es fressen möchten.«

Der Bischof, der, den Kopf immer mehr vorneigend, zugehört, preßte die offenen Hände in krampfhafter Bewegung: »Das ist schlimm!«

»Es war vielleicht nur eine Wallung,«

»Sie kann wiederkehren. Bei Joachim kann sie gefährlich werden, höchst gefährlich, wenn er sich in einen Gedanken verliebt. Jetzt, Propst, müssen wir alles wagen. Bedenkt wohl, was es gilt; wenn wir uns das lebendig ins Gedächtnis rufen, die ganzen unermeßlichen Folgen, die Verantwortung, die wir auf uns laden, so muß es unsere ganze Kraft aufstacheln. Aengstlichkeit, Rücksichten müssen nun weichen. Um den schwankenden Altar, die heilige Kirche zu halten, um die bedrohte, heilige Ordnung, wird es Pflicht, zu Mitteln zu greifen, die man vielleicht im gewöhnlichen Leben verschmäht.«

Sie waren beide aufgestanden.

»Auf dieses Wort,« sagte der Propst, »habe ich nur gewartet, und meines Bischofs Wort ist für mich Befehl. Bis jetzt zügelte ich unsere Prediger – man konnte doch nicht wissen. Nunmehr soll es von allen Kanzeln zu donnern anfangen.«

»Unglücklicher Gedanke!« – Der Bischof machte eine Bewegung, als wolle er dem Propst den Mund verschließen. »Das gerade hieße Stroh ins Feuer werfen. Sie fangen es ungeschickt an. Was wissen die Prädikanten, wie weit sie gehen dürfen, was sie übergehen, was sie verschweigen müssen. Er würde in den Strom gerissen, aus dem wir ihn retten wollen. Heilige Jungfrau, er, der Fürst, er, Joachim, hat er sich denn schon ausgesprochen! Wenn die Priester ihm vorgreifen, fährt er zurück; er gerät in Harnisch, sein Stolz, sein Wissen ist verletzt. Er muß den Anfang machen, wir folgen nur.«

»Wie?«

»Mein Gott, wie viel Jahre seid Ihr am Hofe und hättet nicht gelernt, was es heißt, die Gelegenheit ergreifen! Immer gerüstet sein, und wenn er Funken schlägt, dafür sorgen, daß er in den Zunder fällt. Dann neuen brennbaren Stoff, Pulver bereit gehalten, hineingeworfen, aber geschickt, gelegentlich, durch hingestreute Bemerkungen. Einiger Widerspruch, wenn das Feuer erkalten sollte. Aber ja nicht ein Gespräch ängstlich verfolgt, daß man nicht die Absicht merke. Hat es gezündet, so laßt seine Phantasie arbeiten, Ihr habt nur zu entfernen die Ableiter.«

Der Propst schien ungewiß.

»Ihr meint, die Gelegenheit wird sich nicht geben. Wer sein Auge scharf hält, dem kommt sie mit jedem Luftzuge. Luther ist ein Polterer; ich rechne mäßig, von zehn Dingen kommt eins ungeschickt heraus, es muß eine so feinsinnige Natur, wie Joachim, verletzen. Das Eisen schmiedet, solange es heiß ist. Nicht etwa, daß einer vortritt: Sehen Euer Durchlaucht, da hat wieder der Mönch die Frechheit gehabt – Ihr müßt nichts zeigen wollen einem Fürsten, der die Einbildung hat, daß er alles selbst und zuerst sieht, Ihr müßt nicht schimpfen, verdammen. Nur so beiläufig es ihm in die Augen gerückt. Stellt Euch unbeholfen, erschreckt darüber; aber kein Urteil, an ihm ist es, zu urteilen. Ihr wendet nur das Ding, wie zweifelnd, spielend, sucht Belehrung, und immer ihm wieder vor die Augen, bis es ihm lästig wird. Lobt einmal Luthers Eifer, aber bedauert, daß er so fehl schießt, und Ihr müßtet vernagelt sein, wenn Ihr bei dem Bedauern nicht so viel aufzuzählen wüßtet, alles versteht sich, gelegentlich, daß ihm die Galle schwillt –«

»Und wir selbst sollen ruhig bleiben! Herr, das ist viel.«

»Wenn das Eisen glüht, mag der Schmied drauf spucken. Ist die Flamme im Zuge, daß sie nicht mehr erlischt, dann mag man mit allen Lungen blasen, Holz offen in den Armen zutragen. Vor allem vereinen wir unser Gebet – beten, versteht sich, ohne die Hände in den Schoß zu legen – dahin, daß Joachim sich zu einer entschiedenen Handlung, einer Erklärung hinreißen läßt, von der er nicht mehr zurück kann. Zuweilen ist er darin rasch, rascher als ihm lieb ist. – Gott wende, spende, eine solche Uebereilung; dann fort im Augenblick aller Rückhalt, jede Bedenklichkeit; packt das flüchtige Wort, verbreitet es, meinethalben verstärkt, vergrößert es; dann laßt die Prediger von den Kanzeln donnern, laßt es drucken, in Flugschriften verschicken, und wenn er sich besinnt, wenn er zurücknehmen möchte, kann er nicht mehr. Das Wort ist nicht mehr flüchtig, es ist Schrift, Stein, es ist Tat geworden, und sein – kurfürstliches Wort. Wenn er auch nicht will, er muß.«

»Amen!« sagte der Propst.

»Auf wie viele kann man hier vertrauen?«

»Wenn er sich erklärt hat, auf – alle.«

»Mit Ausnahme doch,« entgegnete der Bischof, als er in der Ferne den Marschall Bredow vorübergehen sah. »Auf den zum Exempel nicht.«

Der Propst lächelte.

»Er hat sich erklärt für diese alle,« fuhr Hieronymus fort. »Man muß dies außer allen Zweifel setzen. So nur gewinnt man die Menge.«

»Herr Konfrater,« hub der Bischof noch einmal an, als beide aufbrechen wollten, »was wir miteinander hier besprachen, könnte vor der menschlichen Gerechtigkeit ungerecht erscheinen; halten wir das fest, daß es sich um die Ehre Gottes und seine heiligen Institutionen handelt.«

Der Propst hielt ihn beim Weggehen fest:

»Noch ein Wort! Wir vergaßen ein Mittel, was die Vorsehung wunberbarlich uns an die Hand gibt. Joachim glaubt an die Sündflut, er fürchtet sich vor dem Untergang der Welt.«

Der Propst sah den Bischof sich entfärben. Er stockte mit der Antwort auf einen Vorschlag, welcher dem andern so ganz in Plan und Ansichten des Prälaten einzuschlagen schien.

»Das laßt aus dem Spiel – ich wenigstens riet es Euch nicht. – Man soll den Teufel nicht an die Wand malen.«

Der Propst blieb verwundert zurück, und es war gut für den Ruf des frommen Mannes, daß niemand jetzt seine Miene sah. Es zuckte darin etwas Diabolisches von Lachen, doch nur auf einen Augenblick; die Muskeln zogen sich wieder streng zusammen, er senkte die Augenlider, den Kopf, und hatte die Hände vor sich gefaltet:

»Er fürchtet auch zu ertrinken! – Dann wird der Stuhl von Brandenburg vakant.«

Die Trompeten schmetterten von der langen Brücke, die Trommeln im Schloßhofe wirbelten. Der Kurfürst war zurückgekehrt. Blaß, sichtlich angegriffen, schritt er, an der Hand die Fürstin, durch die Reihen der geladenen Gäste zur Tafel. Er sprach wenig, der Gläserklang bei den ausgebrachten Gesundheiten klang nicht hell. Früher als gewöhnlich hob der Fürst die Tafel auf; es hieß, er sei unwohl.


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