Alexis / Hitzig
Der neue Pitaval - Band 10
Alexis / Hitzig

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Bathseba Spooner

1778

In dem Orte Brookfield im Staate Massachusetts sieht man noch heute ein altes Haus stehen, das ernste und trübe Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit erweckt. Es ist ein einfaches, aber großes und ehrwürdiges Gebäude, zwei Stock hoch und nach der Mode jener Zeiten erbaut, wo man in seiner Lebensweise mehr die Behaglichkeit als den äußern Schein zu Rathe zog. Es liegt an der Nordseite einer alten Straße von Brookfield nach Worcester. Vor dem Hause stehen alte, ehrwürdige Ulmen. l

Das Haus hat nicht mehr Putz und Farbe, die Einflüsse von Wetter und Zeit sind augenfällig, und bald wird es zur vollständigen Ruine werden. Ein Gespensterhaus könnte es für die neue Welt sein, so um sein altergraues, wettergepeitschtes Ansehen, als um die blutigen Erinnerungen, die sich daran knüpfen. Sie sind vollständig documentirt, aber auch die Sage hat sich ihrer schon bemächtigt, obwol hier nur von einer Vergangenheit von kaum siebenzig Jahren die Rede ist. Wenn Gespenster darin umgingen, könnte man eine wunderschöne Frau sehen, mit männlich stolzem, kaltem Blicke, einen schönen Jüngling, halb noch Knabe, der ihre Schritte verfolgt, Blutflecke im Schnee, einen Brunnen, aus dem eine bleiche, blutende Gestalt aufsteigt, Banditen, wilde Kriegsgesellen, die hinter der Mauer in ihren Raub sich theilen, und dann wieder, die schöne Frau zu Roß, wild über die Haide fliegen und endlich auf einem Karren, blaß, stumm, aber noch immer stolzen Blickes, den letzten Weg zum Gerichte fahren.

Bei näherer Betrachtung löst sich freilich diese Poesie in eine sehr nüchterne, alltägliche, ja widrig gemeine Mordbegebenheit auf, wie sie in allen Ländern sich zutragen mag; und doch mit merkwürdigen, wir wissen nicht ob frechen oder naiven Zügen, die an rohe Naturzustände erinnern. Für den Amerikaner aber ist die Geschichte von großer Bedeutung; sie spielt hinein in seinen großen Freiheitskampf, politische Motive spielen, wenn nicht bei der That, doch bei der Anklage mit, und sie ist ein erstes, schändliches Verbrechen, welches das kaum gewobene weiße Kleid seiner Freiheit mit Blut befleckte.


In jenem Hause wohnte im Jahre 1778 Joshua Spooner mit seiner Familie, ein wohlhabender Kaufmann, der sich aber von den Geschäften zurückgezogen, er wie seine Frau von guter Abkunft. Er hatte den Abend des 1. März in der Schenke des Wirthes Cooley, die unfern von jenem Hause lag, mit Freunden verbracht und war schon zu guter Zeit aufgebrochen, um sich in seine Wohnung zu begeben.

Wie verwunderte sich der Wirth, als am Morgen des 2. März ein Diener aus dem Spooner'schen Hause nach seinem Herrn fragte, derselbe sei in der Nacht nicht nach Hause gekommen und seine Frau und Familie wären in großen Sorgen. Einige Nachbarn liefen darauf sogleich zu Mistriß Spooner, die sie in großer Bekümmerniß fanden.

Man suchte in der Nähe des Hauses nach und bemerkte in dem niedergetretenen Schnee sehr bald die Fußtritte mehrer Personen, die nach dem Brunnen führten. In diesem Brunnen fand man den Leichnam Joshua Spooner's, mit Wunden bedeckt und verstümmelt.

Die vorläufige gerichtliche Untersuchung stellte am folgenden Tage fest: »daß am Abende des 1. März, etwa um 9 Uhr, Joshua Spooner, zurückkehrend von seinen Nachbarn, nahe vor seiner eigenen Thüre verbrecherischer Weise von mehren Schurken überfallen, niedergeschlagen worden mit einem Knüttel, verwundet und in seinen eigenen Brunnen geworfen, worin Wasser war, von der Jury unbekannten Personen«.

Die Familie des Ermordeten weigerte sich, mit Ausnahme seiner kleinen Tochter, den Leichnam anzusehen. Seine Frau legte endlich, auf das dringende Verlangen Eines von der Jury, ihre Hand auf seine Stirn, und rief aus: »Armer kleiner Mann!«

Der Mord erregte außerordentliches Aufsehen. So unruhig die Zeiten waren, so viel Blut auch in dem Bürgerkriege floß, ließen die Schrecken eines solchen Meuchelmordes sich doch nicht verwinden. Einem friedlichen Bürger, in einer abgelegenen Stadt, war von Bösewichtern aufgelauert, drei Schritt vom eignen Hause war er meuchelmörderisch niedergestreckt worden! Das war unerhört! Alles strengte sich an, den Mördern auf die Spur zu kommen.

Einige Nachbarn erinnerten sich, daß zwei Leute, früher britische Soldaten, die von General Burgoyne's Armee desertirt waren, zu verschiedenen Zeiten, aber kurz vor Spooner's Tode, sich in dessen Hause hatten blicken lassen. Der Selige hatte unverhohlen sein Misbehagen über die Anwesenheit derselben ausgedrückt und gegen Mehre sich geäußert, daß er ihnen keine ehrlichen Absichten zutraue.

Man spürte diesen Leuten nach. Einer von ihnen hatte zu Worcester im Zustande der Trunkenheit Kleidungsstücke zur Schau getragen, welche man als solche erkannte, die Spooner angehört. Beide wurden darauf verhaftet, aber mit ihnen auch ein sehr junger Mensch, Ezra Roß, erst 18 Jahre alt, aus Massachusetts gebürtig, der früher im Freiheitsheere gedient hatte und mit der Spooner'schen Familie nahe befreundet war.

Die Aussagen der drei Verhafteten in Verbindung mit anderen Umständen hatten einen starken Verdacht erzeugt, daß Spooner's Familie selbst nicht so ganz unkundig hinsichts des Mordes sein dürfe, als sie die Miene annahm. Beide Ehegatten hatten in Unfrieden gelebt. Demnächst wurden Mistriß Spooner selbst, eine Dienstmagd und zwei Diener des Hauses verhaftet.

Welche Wichtigkeit man der Sache beilegte, zeigt ein Artikel in der damaligen Zeitung the Boston Independent Chronicle vom 12. März: »In der Nacht des ersten dieses Monats ward ein entsetzlicher Mord an der Person des Mr. Joshua Spooner zu Brookfield begangen. Nach der langen Vorbereitung zu schließen, der Zahl der dabei betheiligten Personen (nicht weniger als 7 sind angeschuldigt) und der Art und Weise, wie sie ihr Verbrechen verübt, muß man annehmen, daß es das außerordentlichste Verbrechen sei, welches je in Neu-England begangen worden

Diese Wichtigkeit gab aber zumal der persönliche Charakter und Stand der Hauptangeschuldigten dem Falle.

Bathseba Spooner, die Witwe des Ermordeten, stammte aus einer der angesehensten Familien des Landes. Ihr Vater, Timotheus Ruggles, war einer der ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten, der die wichtigsten Aemter bekleidete. Er war auch Militair, General. Sein politischer Einfluß war groß gewesen. In einer der ersten Versammlungen, welche über die Rechte der Colonien, dem Könige und Parlamente gegenüber, verhandelten, hatte er als Delegat von Massachusetts dem Beschlusse sich widersetzt, eine Adresse an den König zu erlassen, wonach die Colonien gegen jede Steuer protestirten, die nicht in ihren eigenen Versammlungen gebilligt worden. Nach Massachusetts zurückgekehrt, war er deshalb vom Hause der Repräsentanten und dem Sprecher gerügt worden; aber in treuer Anhänglichkeit an den König verharrend, sah er sich endlich genöthigt, sein Vaterland zu verlassen, und seine bedeutenden Besitzungen wurden confiscirt.

General Ruggles hatte ein seinem Reichthum entsprechendes üppiges Leben geführt, weit über die Sitte jener Tage hinaus. In seinen Ställen standen 30 Pferde; zur Jagd hatte er einen Park von 20 Acres umzäunt, und viele Koppeln Hunde waren stets zum Vergnügen seiner zahlreichen Gäste bereit. Beim Ausbruch der Revolution mußte er allen diesen Herrlichkeiten den Rücken kehren. Ein härteres Schicksal stand ihm in seiner Familie bevor; dennoch überwand er alle diese Schläge des Schicksals und starb erst 1795, ein achtzigjähriger Greis. Von seinen 7 Kindern lebten einige noch in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts.

Seine außerordentlichen Fähigkeiten, seine hohen Würden, sein Reichthum, die frühere Achtung, die er genossen, halfen ihm nichts, als die Parteileidenschaften erwachten und die Freunde der Freiheit und des Vaterlandes in ihm einen unbeugsamen Royalisten erkannten. Es half ihm auch nichts, daß er es ehrlich meinte. Wer gegen die Sache der Freiheit war, war ein Verräther, sein Name wurde verabscheut.

Die Tochter eines solchen Mannes als gemeine Meuchelmörderin verhaftet, und noch dazu das Lieblingskind des Generals! Das Aufsehen war ungeheuer, und die unsinnigsten, übertriebensten Gerüchte über das Verbrechen liefen um, die noch zum Theil heute als Sagen im Munde des Volkes sich erhalten haben.

Bathseba war das sechste Kind des Generals, im Jahre 1746 geboren, also zur Zeit der Mordthat etwa 32 Jahre alt. Sie war Mutter von 3 Kindern, einem Sohne und zwei Töchtern, und, wie sich später ergab, abermals schwanger. Unzweifelhaft hatte sie alle Vortheile der Erziehung genossen, welche damals in der Provinz jungen Damen ihres Standes nur gewährt werden konnten. Sie war außerordentlich schön, von imponirendem Wuchs und reizender Gesichtsbildung, aber ihre Sinnesart war hochfahrend und gebieterisch. Von weiblicher Anmuth und Sitte, den größten Reizen ihres Geschlechts, soll sie nichts besessen haben.

Ihre Ehe, die etwa 12 Jahre gedauert, war unglücklich, weil die Temperamente beider Ehegatten zu verschieden waren. Spooner war ein schwacher Mann. Sie, ein Weib von markiger und energischer Natur, deren Leidenschaften auch im elterlichen Hause nie gezügelt worden, konnte unmöglich eine ernste und tiefe Neigung für einen Gatten empfinden, der nicht einmal fähig schien, das Hausregiment zu führen. Man erzählt, daß auch das Beispiel ihrer Vettern sie nichts Besseres lehren konnte. Auch diese führten, trotz des Kinderreichthums derselben, eine unglückliche Ehe; auch hier herrschte die Frau. Nach einer Sage ließ sie, nach einem heftigen Streit mit ihrem Manne, dessen Lieblingshund schlachten und servirte ihm denselben als Braten bei Tische. Sie hatte ihren Gatten nicht ermorden lassen, aber da er als Royalist Amerika verließ, blieb sie freiwillig daselbst zurück.

Bathseba Spooner hat nie ein vollständiges Bekenntniß ihrer That und Schuld abgelegt. Wir entnehmen aus der Anklage und den Zeugenermittelungen im Voraus hier den muthmaßlichen Zusammenhang.

Ihre häuslichen Zwiste hatten dermaßen überhand genommen und waren so heftig geworden, daß ihre Abneigung gegen den Gatten in Abscheu überging. Eine andere sündhafte Neigung kam hinzu, und in der Blindheit ihrer Leidenschaft verlor sie alle Selbstbeherrschung.

Einige Monate vor Spooner's Tode war ein junger Mensch in das Haus gekommen, und unter Umständen, welche die wärmste Theilnahme der ganzen Familie für ihn erwecken mußten. Ezra Roß, der Sohn achtbarer Aeltern, hatte schon als sechzehnjähriger Knabe die Waffen ergriffen und mit vier Brüdern für die Sache der Freiheit und des Vaterlandes gefochten. Nach dem ersten Feldzuge war er ernstlich krank in Spooner's Haus gebracht worden. Seine Frau pflegte ihn; er erfuhr jede Art von Freundlichkeit. Von da ab war er ein willkommener Gast im Spooner'schen Hause; die Vertraulichkeit zwischen der Gattin und dem jungen Menschen wuchs höchst wahrscheinlich bis zu einem sträflichen Umgange, obgleich ihr Mann nichts davon gemerkt zu haben scheint. Wenigstens dauerte auch seine Freundlichkeit gegen den jungen Roß nach wie vor fort.

Ein Veteran aus jener Zeit, den Chandler, unser Berichterstatter, noch persönlich gesprochen, erzählte ihm, er habe Ezra Roß und Bathsetba Spooner häufig zusammen in die Wälder reiten gesehen. Sie war eine ausgezeichnete Reiterin. Es war das schönste Paar, das man auf feurigen Rossen durch die Wildniß konnte fliegen sehen.

Zwischen Beiden wurden unzweifelhaft Plane berathen, ihren Ehegatten aus dem Wege zu räumen. Roß aber scheint bedenklich, säumig gewesen zu sein. Sie ward von wilder Ungeduld, Leidenschaft, Haß angetrieben, vielleicht auch von der Furcht, daß ihr Mann das Verhältniß zu früh entdecken möchte. Unzufrieden mit Roß' Zaudern und Bedenken, entschloß sie sich, allein zu handeln. Bis zu welcher blinden, leidenschaftlichen Wuth sie sich gesteigert, geht aus den unüberlegten Mitteln hervor, durch welche sie sich selbst und ihre Helfershelfer ins unvermeidliche Verderben stürzen mußte.

Sie befahl ihrer Dienerin, den ersten besten britischen Soldaten, der dem Hause vorübergehen möchte, hereinzurufen. Ungefähr einen Monat vor dem Morde, während Spooner abwesend war, gingen auch wirklich zwei englische Soldaten von Burgoyne's gefangener oder aufgelöster Armee auf dem Wege nach Springfield an dem Hause vorüber, Jonas Buchanan und William Brooks. Das Mädchen lud sie ein, einzutreten, und sie blieben durch zwei Wochen wohlaufgenommen, wohlverpflegt.

An und für sich hatte diese Aufnahme nichts besonders Auffälliges. Die Soldaten des gefangenen Heeres litten außerordentlichen Mangel, wie die Amerikaner versichern, weil es auch den Landbewohnern am Nöthigsten gebrach. Daß einzelne Bürger Einzelne der Darbenden gastlich aufnahmen und pflegten, konnte als Handlung der Mildthätigkeit gelten; wenn die Briten Ueberläufer waren, als Handlung des Patriotismus. Man darf aber annehmen, daß Bathseba sie nur als willkommene Werkzeuge ihrer wilden Wuth empfing, bewirthete und ihnen schmeichelte, daß sie auch nicht zauderte, sie mit ihrer Absicht bekannt zu machen und bei den Maraudeuren williges Gehör fand.

Als Spooner von seiner Reise zurückkehrte, war er gar nicht über diese neuen Gäste erfreut; er verhehlte nicht seine Meinung. Seine Befürchtung mußte nicht gering sein, denn er bat einen Nachbar, doch bei ihm die Nacht über im Hause zu bleiben, und hieß dem Buchanan und Brooks am nächsten Tage ihrer Wege gehen.

Sie gingen auch scheinbar, hielten sich aber in der Nähe des Hauses versteckt. Hier erhielten sie von Mistriß Spooner heimlich ihre Speise. In der Nacht vor dem Morde kam auch Ezra Roß wieder ins Haus; ob zufällig oder absichtlich, bleibt unentschieden, doch kann man bezweifeln, daß er Buchanan und Brooks früher gesehen hat.

Dies ist der Zusammenhang, den man mit einiger Gewißheit annehmen kann; das Uebrige, charakteristisch genug, beruht auf den zersplitterten Aussagen der Zeugen und den Eingeständnissen der Mitangeklagten.


In der nächsten Sitzung des oberen Gerichtshofes, abgehalten zu Worcester im April 1778, fand die Groß-Jury eine gerechte Anklage, sage gegen Buchanan, Brooks, Roß und Mistriß Spooner wegen Mordes, und die Untersuchung begann sofort.

Die Anklage lautete: daß William Brooks aus Charlestown, Jonas Buchanan, eben daher, und Ezra Roß aus Ipswich am ersten Tage des März 1778 einen Anfall gemacht auf Joshua Spooner aus Brookfield; daß Brooks ihn niedergeschlagen und mit seinen Händen und Füßen ihm unterschiedliche, tödtliche Wunden versetzt, in Folge deren er augenblicklich starb, und daß Buchanan und Roß zugegen gewesen, »helfend, beistehend, begünstigend, aufmunternd und unterstützend besagten Brooks«, und daß: Bathseba Spooner mit thätig gewesen vor der That, indem sie »aufgefodert gedungen, begünstigt, gerathen und die Mittel und Wege verschafft«, daß der Mord begangen werde.

Alle Angeklagte erklärten sich für nicht schuldig; es ward daher zur Zeugenvernehmung geschritten, deren eine sehr große Zahl von der öffentlichen Anklage gestellt und vernommen ward. Wir theilen hier die wichtigsten Aussagen mit.


Jonathan King, ein Arzt, hatte den Sonntag Abend des l. März in der Schenke von Cooley, die etwa [1/4] (englische) Meile von Master Spooner's Wohnung entfernt war, mit dem Letztern verbracht. Spooner war schon zwischen 8 und 9 Uhr Abends fortgegangen. Am andern Morgen hörte er, daß man ihn todt aus seinem Brunnen gezogen. Er ritt eilends nach dem Hause, sah die Leiche und entdeckte im Gesicht über der Nase und an der Schläfe mehre Wunden. Der Schädel war 1[1/2] Zoll lang eingeschlagen. Dieser Zeuge war es, welcher über das seltsame Benehmen der Witwe, als man sie auffoderte, die Leiche zu berühren, und ihre noch seltsamere Aeußerung nachher, das oben schon Angeführte, berichtete.

Der Wirth der Schenke, Ephraim Cooley, bekundete ungefähr Dasselbe. Spooner war an diesem letzten Abende seines Lebens, welchen er in Cooley's Schenke verbracht, sehr aufgeräumt gewesen. Nachdem ihm die Meldung von Spooner's Verschwinden gemacht worden, überschlich den Wirth eine Ahnung, und er lief auf der Stelle mit 6 Andern nach dem Hause desselben. Mistriß Spooner antwortete auf die Frage: ob ihr Mann zu Hause sei: Nein! und schrie laut auf. Cooley suchte im Schnee umher, und indem er einen zusammengefegten Haufen mit dem Stock durchsuchte, fand er darin einen Hut, den er als Spooner's Hut erkannte. Auch seine Frau mußte ihn dafür erkennen. Inzwischen war aber schon die Leiche im Brunnen gefunden worden. Als der Zeuge später mit der jungen Witwe nach Worcester ging, sprach sie ganz unbefangen über die Sache und äußerte unverhohlen, daß hier ein Mordanschlag zum Grunde liege. Sie selbst fing mehrmals davon an, weinte aber jedes Mal dabei.

Im Wirthshause von Walker, wahrscheinlich in Worcester, wurden schon am folgenden Montage die drei Complicen entdeckt und gefangen. Die Aussagen der Zeugen hierüber und über die außergerichtlichen Geständnisse der Verbrecher sind sehr undeutlich und abgebrochen in den alten Verhandlungen enthalten. Man sieht, daß mehre Zeugen die Thäter dort überraschten und zum Theil sehr wichtige Geständnisse von ihnen erhaschten, die aber nur in indirecter Rede in Art von Marginalvermerken aufgezeichnet sind.

Ein Joshua Whitney sah Brooks dort, der eine Uhr in der Tasche und ein Paar Silberschnallen in den Schuhen hatte. In einer obern Kammer fand er Ezra Roß, der zitterte und sehr erschrocken schien. Als er wieder herunterkam, zeigte ihm ein Negermädchen die Taschenuhr und sagte ihm, Brooks hätte sie ihr gegeben. Es war die Uhr, welche der selige Spooner getragen. Die Silberschnallen an Brooks' Schuhen trugen die Anfangsbuchstaben von Spooner's Namen. Roß sagte zu ihm, er verlange nach einem Geistlichen, denn er sei wirklich schuldig an diesem Verbrechen, aber er habe nicht den ersten Streich geführt. Er habe nur geholfen und beigestanden. Als sie dann noch weiter über Spooner's Ermordung sprachen, sagte Roß – er würde Alles bekennen, wenn der Geistliche käme. – Roß sagte – er hätte Spooner's Jacke und Hosen erhalten; seine eigenen habe er Brooks gelassen, weil sie blutbefleckt gewesen. In seinem Taschenbuche fand der Zeuge 4 Zehnpfund-Noten und 3 Acht-Dollarscheine. Das Uebrige, sagte er, gehöre ihm. Auch sagte er, habe er an sich genommen Spooner's Hosenstrümpfe, sein Hemde und seinen Steckbeutel.

Der Zeuge Whitney scheint als eine Art bürgerlicher Policeibeamten bei der Verhaftung thätig gewesen zu sein. Von einem andern Zeugen wird er Capitain genannt und theilt Befehle aus. Noch mehre Andere bekunden Dasselbe, was Whitney ausgesagt, mit einigen unbedeutenden Modificationen und Zusätzen. Einer findet bei Roß und Brooks auch das Pferd, welches Spooner und seine Frau früher geritten. Auch Spooner's Witwe scheint bei dieser Gelegenheit schon verhaftet zu sein, wenigstens ist sie mit in Worcester und in der Walker'schen Taverne. Sie wirft die Aeußerung hin: Wenn sie den Leuten nur Auge in Auge blicken dürfe, würde sie schon Genugthuung geben; das seien aber die Folgen von schlechter Gesellschaft.

Noch dunkler hinsichts der Darstellung und der Zeitgründe, aber äußerst charakteristisch bezüglich der Persönlichkeiten, ist die Aussage einer Mary Walker, entweder der Tochter oder der Frau des Wirthes Walker, bei welchem die ganze Compagnie später eingefangen ward. Der Zusammenhang ergibt, daß Mary nur von einer vorangehenden Zeit, von der Woche vor dem Morde sprechen kann:

Am Donnerstag Abend sah sie Brooks und Buchanan bei ihrer Mutter, und nachdem Beide eine Weile dort gewesen, traten Mistriß Spooner und ein junger Mann in die Thür. Mistriß Spooner fragte nach Sergeant Buchanan und gab ihm dann einen Brief, der, wie sie sagte, von ihrem Grenadiere komme. »Der Inhalt des Briefes war, daß er mit ihm zusammentreffen wolle, um auf den Hügel zu gehen.« Bald darauf kam sie (die Spooner) von Doctor Green zurück mit dem Vorgeben: sie hätte ein Stück Tuch ihm zu geben vergessen, welches seines wäre. »Sie sagte zur Zeugin: sie wolle für sie stricken, weil sie ihrer Augen wegen nicht nähen könne« (?). Sie blieb da zwei Stunden. Buchanan und Brooks waren dort die ganze Zeit, und sie blieben dort bis Sonntag Vormittag. Mistriß Spooner war oft bei ihnen. Sergeant Buchanan schrieb da verschiedene Briefe, er sagte, sie wären an ihre (der Spooner) Diener, – Brooks lehnte oft seinen Kopf an Mistriß Spooner's Nacken und öfters schlang er seine Hände um ihre Taille. Als die Zeugin dies bemerkte, sagte Mistriß Spooner: »Laßt Euch das nicht Wunder nehmen; Billy (Brooks) hat in meinem Hause gelebt und ist so närrisch auf mich, als wäre ich seine Mutter.« – Die Zeugin sah, wie Buchanan Pulver in 18 Papierstücke eintheilte. Sie (wer?) hatten über ein krankes Kind zu Brookfield gesprochen. Sie (die Spooner) fragte Buchanan, wann er gehen wolle? Sie sagte, sie wolle durch ihn einen Brief besorgen, und dann sagte sie, sie wolle einen Brief an Negros schreiben; es werde Niemand etwas zu Leide geschehen, daß sie an ihren Vater schreibe. Buchanan war sehr traurig, daß Mistriß Spooner nicht kam. (Wann?) Am Sonnabend Nachmittag kam sie, und nachdem sie nun in der Kammer mehre Minuten miteinander gewesen, ging sie fort noch am selben Nachmittage. Beim Weggehen sagte sie: »Morgen Nacht um 11 Uhr; denkt daran, Sergeant!« Er antwortete: »Morgen Nacht um 11 Uhr.«

In der nächsten Nacht vom Sonntage auf den Montag, fährt dieselbe Zeugin fort, kamen Brooks, Buchanan und Roß zurück, und früh am Morgen sagten sie ihr: die Wache von Springfield wäre auf ihrer Hetze und in Brookfield sei Haussuchung überall. – Mistriß Spooner traf sie zu Leicester und sagte ihnen davon. Die Zeugin fragte Roß, ob er jemals Mistriß Spooner gesehen? Er antwortete: seines Wissens kenne er sie nicht, aber er habe Herrn Spooner gesehen und sei mit ihm nach Lancaster geritten. Roß schien am Sonntag (?Montag) sehr betrübt. Die Zeugin fragte, was ihn denn so betrübt mache? – Er ging im Zimmer auf und ab, lehnte den Kopf an die Wand und sagte: »Grundes genug!« – Sergeant Buchanan gab ihr ein Hemde und bat sie, die Manchetten abzutrennen, was sie auch Hat. Brook erzählte ihr, Mistriß Spooner habe ihm ein Hemde und auch ein Paar Strümpfe gegeben. Buchanan blutete am Montag Morgen.

Die Negerin Prüdence bestätigte diese Aussage im Wesentlichen. Mit unbegreiflicher Dreistigkeit hatte Mistriß Spooner die in der Walker'schen Taverne versteckten Soldaten aufgesucht, und damit nicht genug, hatte sie sogar ihre beiden Schwesterkinder, die Söhne des Dr. Green, ein Mal mitgebracht, obgleich sie zu dem Einen sagte: er habe hier nichts zu suchen, er möchte lieber nach Hause gehen und sehen, was seine Mutter mache. Sergeant Buchanan bot ihr sein Schnupftuch an. Mistriß Spooner erwiderte: »God dam, das Schnupftuch, das will ich nicht anrühren.« Als sie ein ander Mal kam, sagte ihr Brooks, Buchanan sei krank. Sie ging dann zu ihm in die Kammer hinauf und blieb dort eine Weile. – Als Brooks und Buchanan am Sonntag in der späten Nacht flüchtig zurückkehrten, sprachen sie davon, sie wären beinah ergriffen worden, wenn sich nicht ein Freund gefunden hätte. Ihr Anzug war sehr verstört.

Andere Zeugen erkannten die Kleidungsstücke, Uhren, Schnallen, welche man bei den Soldaten gefunden, für die an, welche Spooner getragen, und bekundeten, daß jene mehre Wochen vor Spooner's Tode in dessen Hause gelebt und von der Frau verpflegt worden. Andere, daß in der Mordnacht auch Roß im Hause gewesen.

Reuben Olds war der Mann, welchen Spooner nach seiner Rückkehr ersucht, bei ihm zu bleiben, weil ihm die Gesellschaft beider Soldaten verdächtig vorkam. Spooner bat ihn, auch ein Mal in die Küche hinauszusehen, was die Leute trieben? Reuben that es. Hier hörte er Buchanan ausrufen: »Und wer ist denn der alte Kerl (Spooner)? Er soll sich nicht unterstehen, mir viel zu sagen. Es möchte ihm nicht gesund sein. Denn für zwei Kupferstücke schmisse ich ihn in den Brunnen.« – Am nächsten Morgen sagte Mistriß Spooner zum Zeugen: sie werde schon ihren Plan durchsetzen. Er dachte: sie meine damit, daß sie zu ihrem Vater gehen wolle.

Loved Lincoln berichtete Aehnliches von Spooner's Verdruß über den Anblick der ungebetenen Gäste in seinem Hause. »Was wollt Ihr hier?« hatte Spooner den Sergeant Buchanan gefragt. – Wir wollen uns wärmen. – »Ihr mögt heute noch an meinem Herde sitzen bleiben bis Morgen; aber nachher laßt mich Euch nicht wieder finden.« Bald darauf hörte er Buchanan äußern: Wenn Spooner mich zu Nacht aus der Thür wirft, will ich sein Leben haben bis die Sonne aufgeht. – Später hatte Mistriß Spooner zum Zeugen gesagt: Roß habe sich ihres Mannes Hosen und Jacke genommen.

Die vollständige Aussage war die Alexander Cumings', der seit der Zeit, wo Burgoyne's Truppen durch das Land zogen, als Diener im Hause aufgenommen war. Vor andern Gerichten würde man ihn kaum als Zeugen aufgenommen, sondern als Mitschuldigen, wenigstens als Mitwisser, zur Untersuchung gezogen haben.

Als ihr Mann auf Reisen war, foderte Mistriß Spooner Cumings auf, alle englische Soldaten, die vorüberzögen, zu ihr ins Haus zu laden. Sie war die Tochter eines Royalisten, in der Auffoderung mochte nicht mehr liegen, als eine Sympathie für die Kämpfer der Sache, welcher ihre Familie zugethan war, oder ein Trotz gegen die öffentliche Meinung, der ihrem männlichen, eigensinnigen Charakter entsprach. Etwa 14 Tage vor der Mordthat wurden Brooks und Buchanan im Hause aufgenommen. Sie blieben den ganzen Tag da und aßen zu Mittag. Der Sergeant Buchanan frühstückte auch mit der Hausfrau besonders. Vor den Ohren dieses Zeugen, ihres Dieners, sagte die Spooner zu Buchanan: sie wünschte, ihr Mann wäre aus dem Wege; sie könnte nicht mit ihm leben. – Buchanan erwiderte: er wünsche auch, daß er aus dem Wege wäre. Buchanan und Brooks blieben auch noch im Hause, als Mistriß Spooner einmal verreist war.

Als Spooner von seiner Reise zurückkam, hörte der Zeuge, wie Brooks und Buchanan sagten: sie wollten es versuchen, Spooner aus dem Wege zu schaffen. Auch zu seinem Diener äußerte Spooner: er möchte Brooks nicht im Hause haben; ihm gefielen des Mannes Blicke nicht. Er foderte seine Frau auf, sie solle sie fortschicken, und wenn sie es nicht thäte, werde er nach der Behörde schicken. – Am nächsten Morgen fand der Zeuge die Beiden in der Scheune. Dort blieben sie 2 Tage und 2 Nächte versteckt. Mistriß Spooner brachte ihnen Lebensmittel; ein Mal mußte auch er es thun auf ihren Befehl. Am Donnerstag Morgen gingen sie nach Worcester. In der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag fand er plötzlich den jungen Ezra Roß in der Milchkammer. Roß sagte ihm: er solle es an Spooner nicht verrathen, daß er hier wäre. Auch am nächstfolgenden Sonntage ward Roß in der Milchkammer versteckt gehalten. – Als er, Spooner, in die Cooley'sche Schenke gegangen, kamen auch plötzlich Buchanan und Brooks zum Vorschein. Brooks flüsterte ihm zu, er möge Mistriß Spooner rufen. Er lehnte es ab; Brooks hatte ihm kurz vorher gesagt: Spooner solle in der Nacht nicht lebendig nach Hause kommen.

Der Zeuge ging wieder ins Haus und fand die Frau in der Küche. Er sagte ihr nichts, aber er ging in seine Kammer, legte sich zu Bett und – schlief, etwa 2 und ½ Stunde. Dann erst will er aufgewacht sein; es roch ihm nach verbrannter Wolle. Er zog sich an und fand im Sprechzimmer Brooks, Buchanan, Roß und Mistriß Spooner bei einander. Sie fragten ihn, was er so erschrocken aussehe? Sie untersuchten Kleidungsstücke. Roß zog gerade Spooner's Jacke und Hosen an. Die Hausfrau hieß ihn mit der Hausmagd Sarah Stratten hinauf in die Kammer gehen, um ihres Mannes Kleider herunterzuholen. Die Stratten brachte auch die schwarzen Hosen. Buchanan hatte schon ein Hemde von Spooner am Leibe. Mistriß Spooner sagte: sie würde Brooks ein Hemde und ein Schnupftuch geben; was auch geschehen sein mußte, denn vor des Zeugen Augen wurden Brooks ganz blutige Hosen ins Feuer geworfen.

Dann nahm Mistriß Spooner ihres Mannes Geld aus der Blechbüchse, die in einem Mahagonikasten stand, ohne Zweifel um es zu vertheilen, und wahrscheinlich sollte der Zeuge nicht dabei sein. Sie bat ihn darauf, etwas Wasser zu holen, um Spooner's Schnallen zu waschen; dann solle er sie haben. Er antwortete, er wolle sie nicht haben, aber er und die Stratten gingen doch an den Brunnen. Allein sie konnten den Wassereimer nicht in den Brunnen hinunterbringen. – Die Spooner fragte ihn: warum er denn nicht Wasser bringe? – Er antwortete: er glaube Master Spooner liege im Brunnen. – Sie sagte kurz: es sei nicht wahr! – Die Stratten kam nun heulend und schreiend herein und rief und griff nach einer Bibel.

Der Zeuge sagte noch mehr aus. Seine Herrin hatte ihm vor einem Monat den Wunsch ausgedrückt, er solle Spooner ermorden; sie wollte auch dann einen ganzen Mann aus ihm machen. Jetzt sagte Buchanan wie höhnisch zu ihr: »Hättet Ihr denn gedacht, daß der Mann den Quark auf sich nehmen würde?« – Der Zeuge fragte Mistriß Spootter: ob sie Herrn Spooner die Kehle abgeschnitten hätten? Sie antwortete: »Nein, sie haben ihn nur niedergeknufft.«

Noch mehr. Schon in der Nacht, als Mistreß Spooner fortreiste, schüttete Roß einiges Scheidewasser in Grog, um den Mann damit zu vergiften. Roß versicherte später der Hausfrau, er habe keine Gelegenheit, den Trank ihm einzugeben, gefunden. Spooner scheint, nach einer Andeutung, eine Ahnung davon gehabt zu haben, daß man ihn vergiften wollen. Als die Mörder nach der That und Theilung fortgingen, schüttelten Buchanan und Mistriß Spooner die Hände und Jener sagte: »In 14 Tagen sehen wir uns wieder.« – Früh am andern Morgen ging Mistriß Spooner aus freien Stücken an den Brunnen und sagte: sie hoffe, er wäre im Himmel. Da erst befahl sie dem Zeugen, zu Pferd zu steigen, nach der Schenke zu reiten und nach ihrem Manne zu fragen. Am Brunnen vorhin hatte sie geäußert, sie wünsche nur, daß er auch in den Brunnen gestürzt wäre.

Eine andere Zeugin, Asa Bigelow, wollte ein förmliches, außergerichtliches Eingeständniß aus dem Munde der Hauptangeklagten gehört haben. Als der Vormann der ersten Untersuchungsjury ihr erklärt, sie müsse ins Gefängniß, habe die Spooner bekannt: daß sie die Leute zu dem Morde gemiethet; sie hätte ihnen 1000 Dollars versprochen und 200 schon ausgezalt.

Die Magd Sarah Stratten, ziemlich im selben Verhältniß zu ihrer Herein und deren That wie Alexander Cumings, bekundete im Wesentlichen, namentlich in allen den Theilen, wo sie schon in Cumings' Aussage als mitbetheiligt erscheint, Dasselbe, was Jener ausgesagt. Wenn es aber schon unbegreiflich erscheint, daß die Mörderin drei Mordhelfer und Banditen in Dienst genommen und außerdem zwei Dienstleute zu Mitwissern hatte, so tritt in Sarah's Aussage ein noch merkwürdigerer Umstand hervor. Außer diesen vielen Mitwissenden waren nämlich in jener Mordnacht noch 2 Personen in dem Hause eingekehrt, ein Gray und noch Jemand, dessen Namen die Zeugin sich nicht entsann. Während sie, die Magd, Roß und Buchanan das Abendbrot in deren Zimmer brachte, soupirte Mistriß Spooner mit diesem Gray wie mit willkommenen Gästen! – Als Sarah Herrn Gray zu Bette leuchtete (wahrscheinlich nach der Mordthat?), zeigte ihr Mistriß Spooner eine Geldbüchse. Sie faßte sie bei der Hand und flüsterte ihr zu: sie hoffe, Master Spooner sei nun im Himmel! Im Schlafzimmer der Fremden mit Gray angekommen, lag dessen Reisegefährte schon im Bette und anscheinend im tiefen Schlafe. Als sie wieder unten war, hieß Mistriß Spooner sie die schwarzen gestrickten Hosen ihres Mannes holen. Sie ging hinauf, konnte sie aber nicht finden. Dann sah sie, wie Mistriß Spooner Geld austheilte; Buchanan hatte eine ziemliche Portion Papiergeld in der Hand. Alsdann ward Alexander Cumings fortgeschickt, um Wasser zu holen, und sie mußte ihn begleiten. Es ging ganz so her, wie der andere Zeuge es berichtet. Einen Theil der übrigen Nacht hatte sie mit Mistriß Spooner verbracht, die immerfort seufzte und stöhnte. Sarah drohte, sie müsse zu den Nachbarn gehen und ihnen Alles erzählen; da versprach ihr die Spooner: wenn sie schweige, wolle sie es ihr gut bezahlen, und immer wieder rief Mistriß Spooner aus, sie hoffe, daß ihr Mann im Himmel sei. Als die Männer fortgingen, hatte die Hausfrau ihnen noch Geld gegeben. Als die Zeugin Brooks fragte: was er denn dabei zu thun gehabt, antwortete er: » Seine Zeit ist gekommen.« Roß war am Sonnabend Abend vorher mit Spooner's Pferde zurückgekehrt und hatte vorgeblich sich um deswillen versteckt gehalten, weil er den Rücken des Pferdes wund gescheuert; da wünsche er nicht, daß Herr Spooner ihn zu Gesicht bekomme.

Noch mehre andere Zeugen wußten von dem heimlichen Versteck der beiden Regulairen (Soldaten der britischen Armee) in der Scheune; daß die Spooner ihnen Lebensmittel hingeschickt; daß sie die Zeit vor dem Morde wie stumpf und dumpf gewesen; daß auch Roß am Sonntage sich dort verborgen gehalten; daß die Spooner mehrmals (vor dem Morde) den Wunsch ausgestoßen: daß ihr alter Bogus im Himmel wäre! – Einige wollten in ihren außergerichtlichen, halben Geständnissen der That die Aeußerung gehört haben: wenn's nicht um ihren lieben Jungen wäre, so hätte sie ja den Mord nicht begangen. – Dann hatte sie betheuert: sie wolle lieber zehn Mal den Tod leiden, damit nur nicht die Stratten und der Alexander büßen müßten; denn die wären unschuldig. Zum Constabler hatte sie gesagt: »Wenn's nur nicht darum wäre, wollte ich meinem Richter wol ins Gesicht sehen«, und: »Das konnte auch nur geschehen, weil Roß in unserem Hause krank war.« – Zum Wirth Cooley hatte sie geäußert: sie werfe Niemand etwas vor; denn Das sei alles ihr Thun; die Stratten und Alexander wären unschuldig.

Endlich trat der Friedensrichter William Joung mit einem Protokoll hervor, welches er sogleich nach der ersten Verhaftung aufgenommen. Vor ihm hatten alle vier Angeschuldigte bekannt, und zwar ganz freiwillig. Brooks, Buchanan und Roß gestanden: daß sie Joshua Spooner umgebracht, und auf Anstiften der Mistriß Spooner. Desgleichen hatte Mistriß Spooner eingeräumt, daß sie in den Mord gewilligt. – Als Spooner am Abende der Mordnacht in den Hof seines Hauses trat, ward er angefallen, gleich darauf getödtet und in den Brunnen geworfen. Die vier Personen trafen sich darauf im Hause, wo Mistriß Spooner unter den Verbündeten einen Theil von ihres Mannes Kleidung, dessen Schmucksachen und eine beträchtliche Summe Geldes vertheilte. Gleich darauf hatten Alle das Haus verlassen.


Dies waren die Beweise gegen die Angeschuldigten. Entlastungszeugen für dieselben scheinen gar nicht aufgetreten zu sein. Außer mehrfach wiederholten, außergerichtlichen Eingeständnissen von mehr oder minderem Werthe, Zeugnisse zwar nicht über die That selbst, aber über Umstände, welche ihr vorangingen und ihr folgten, so gewichtig, vollständig, eins in das andere eingreifend, von Zeugen abgelegt, gegen deren Glaubwürdigkeit nicht einmal ein Zweifel vorgebracht worden, Aussagen und Zeugnisse von Indicien unterstützt und in Übereinstimmung mit dem Thatbestande selbst, daß eine Verurtheilung der Angeschuldigten außer allem Zweifel war und die Verteidigung kaum einen Boden gewinnen konnte.

Sie ward indessen von Levi Lincoln, einem ausgezeichneten Juristen, welcher später, unter Jefferson's Präsidentschaft, zu den bedeutendsten Staatsämtern erhoben ward, mit Geschick geführt. Der Vertheidiger konnte weder Zweifel gegen den Thatbestand des Verbrechens oder die Thäterschaft der Angeschuldigten im Allgemeinen erheben, noch in einer Sprache reden, die das Gefühl bestechen durfte. Die Defension mußte sich auf rein juristische Definitionen der gesetzlichen Ausdrücke über Mord, Anstiftung, Complicenschaft u. s. w. beschränken, daß auf die nach englischen Rechtsbegriffen wenig oder nichts bedeutenden Eingeständnisse der Verbrecher nichts zu geben sei, auf denen doch ein großer Theil des Beweises beruhe, u. s. w.

Nachdem er so wenigstens hinsichts des jungen Ezra Roß die prämeditirte Absicht eines Mordes gegen Spooner einigermaßen bei Seite gedrängt, versuchte er die Vertheidigung der Hauptangeklagten und Anstifterin der Mordthat. Welchem Leser dürfte nicht ein Zweifel beschlichen haben, ob Bathsetba Spooner bei vollkommen gesundem Verstande gehandelt? Einen verhaßten, verachteten Mann will sie aus dem Wege schaffen, sei es aus Leidenschaft für einen Andern, aus unwiderstehlicher Abneigung, aus Rache oder Furcht, immer kann es doch nur geschehen sein mit der Absicht, mit der Hoffnung, glücklicher, unabhängiger, frei zu werden. Kein Zug verräth eine Märtyrerlust, mit ihrem Opfer und für dasselbe unterzugehen. Aber könnte eine racheglühende, eifersüchtige Spanierin, ein von dämonischer Leidenschaft verblendetes Weib südlicher Himmelsstriche unvernünftiger, rasender handeln, als diese Tochter des kalten Nordens, eine Anglosächsin, eine Bewohnerin des frommen, puritanischen Staates Massachusetts, die Tochter reicher, hochgebildeter und hochangesehener Aeltern, selbst gebildet, wohlhabend, wegen ihrer Schönheit bewundert und die Mütter dreier Kinder? Alles Das schließt nicht aus, daß sie nicht aus Liebe oder Haß sich ihres Mannes auf verbrecherische Art entledigen wollen. Aber ihre Handlungsweise erscheint als baare, nackte Unvernunft, als eine so kindische Sorglosigkeit oder als ein so frecher Trotz gegen alle Verhältnisse, daß wir dafür keinen Begriff haben. Sie will den Mann umbringen, und daß, als sie bei dem Ersten, den sie darum angeht, Bedenken oder Widerstand findet, sie sich an Andere wendet, daß ihre Hast, ihr Eifer in furchtbaren Progressionen sich steigern, möchte in ihrer subjectiven Natur liegen; aber daß sie nun den Ersten Besten aufgreift, daß sie, wie von einem Vernichtungsfieber geschüttelt, alle Vorsicht, alle Rücksichten, alle Scham abstreift und rein dumm handelt, will seine Erklärung, die wir in dem Gegebenen nicht finden, und die selbst die Phantasie sich schwer denken kann.

Sie fodert ihre Dienstleute auf, alle Nachzügler des britischen Heeres zu ihr ins Haus zu locken. Möglich, daß diese für gefährliches Gesindel damals galten, das zu solcher Schandthat sich sofort bereit finden würde. Aber nachdem sie Buchanan und Brooks gewonnen, was wäre natürlicher gewesen, als, sie mit Mitteln versehen, dem verreisten Ehegatten nach- oder entgegenzusenden, damit sie ihn im Walde, in der Wildniß, auf einsamer Straße ermordeten? Die Straßen sind nach solchen Kriegen unsicher. Aller Verdacht wäre von ihr abgewandt gewesen. Statt dessen nimmt sie die wüsten Gesellen ins Haus, nicht heimlich, vor aller Welt. Sie scheinen dort wie die Freier der Penelope geschaltet zu haben. Sie lebt in ungestörter Vertrautheit mit ihnen, mit dem Einen frühstückt sie, den Andern besucht sie auf seiner Kammer und sitzt neben seinem Bette. Zu wie Vielen spricht sie es aus: sie könne mit ihrem Manne nicht leben, man solle ihn ihr fortschaffen. Mit Gift ist es nicht gegangen. Er kommt zurück. Sie verbirgt die gedungenen Mörder durch einige Tage, auch da ohne alle Vorsicht, und allein vor dem Manne. Nun aber hat sie an den Beiden nicht genug, sie läßt auch ihren jungen Liebhaber kommen; er muß sich mit den Soldaten in eine Banditenrotte stellen. Nichts wird heimlich getrieben, nichts kann sie von dem Vorhaben abbringen; selbst der Besuch von Fremden läßt sie den Vorsatz auch nicht um einen Tag aufschieben. Aber ehe es noch geschehen, wissen auch ihre Dienstboten, daß es geschehen wird und wann. Sie bindet diese weder durch Eid, Drohungen, noch durch besondere Geschenke zur Verschwiegenheit. Sie sagt ihnen nur, sie kann nicht mit dem Mann mehr leben, er muß fortgeschafft werden; sie wünscht ihn in den Himmel. Ja mehr noch, auch diese Dienstboten hat sie aufgefodert, ihn bei Seite zu schaffen, unbekümmert, ob sie nicht den Mann warnen, sie verrathen werden. Fünf Mitwisser, fünf von ihr Beauftragte, unter denen sie sich höchstens auf Einen verlassen kann!

Auch jetzt noch wäre doch wol eine Gelegenheit gewesen, den Mann vom Hause fortzulocken, um auf der Straße, in einem anderen Gehöft ihn niederstoßen, den Leichnam in eine Grube, in ein fließendes Wasser werfen zu lassen. Statt dessen läßt sie ihn von der Schenke ins Haus zurückkehren und in ihrem eigenen Hofe umbringen und in den eigenen Brunnen werfen! Und während Schnee auf dem Boden liegt, der jede Spur von selber zeigt. Damit nicht genug, kommen die Mörder in der Nacht zusammen, und in Gegenwart der Dienstleute werden sie für ihre Mühwaltung bezahlt. Auch Das noch nicht genug, sie vertheilt auch noch die Kleider und Pretiosen des Mannes an die Banditen; diese machen in ihrer Gegenwart Toilette bis auf Hemde und Hosen, und nur die blutbefleckten hielt man für angemessen zu verbrennen, wobei man aber einen Gestank macht, der die Schlafenden erweckt! Was aber ist der Gestank gegen die Kleider, die Kleider eines Ermordeten, welche die Mörder sich anlegen, um allen Spürhunden die Witterung zu geben, Tonnen und Fähnchen auf dem Wasser, den Schiffern zur Warnung: hier ist Untiefe! – Etwas wenigstens geschieht des Scheins wegen: man schickt am Morgen nach der Schenke, um nach dem Manne zu fragen; aber weder sind die Spuren im Schnee vertilgt, noch die Blutflecken am Brunnen abgewaschen; noch ist der Leichnam so im Brunnen versenkt, daß die Leute nicht auf den ersten Versuch denselben darin finden. Die Mörderin hat sich die Nacht durch damit begnügt, zu stöhnen und weinen und zu rufen: »Nun ist er im Himmel!«

Und ist Das nicht auch ein Zeichen gestörten Sinnes, nicht daß sie die Leiche nicht berühren will, sondern ihr Ausruf: »Armer kleiner Mann!« und daß sie den Mördern nach Worcester nachläuft, sie in der Schenke aufsucht, eine Vertraulichkeit von Seiten Brooks sich gefallen läßt, die, mit andern Umständen verbunden, den Schluß erlaubt, daß sie ihre Gunst nicht für den hübschen Ezra Roß allein aufgespart, sondern die nichtsnutzigen Gesellen auch in anderer Art, als durch Geld und Kleidungsstücke, bezahlt hat? Kurz ein buntes Durcheinander von Verworfenheit, Gemeinheit, Einfalt bis zur Dummheit, und dies Alles nicht einmal durch Ausbrüche einer großartigen, sinnlichen Leidenschaftlichkeit erklärt! –

Es ist objectiv Alles vorhanden, um auf eine Störung der geistigen Fähigkeiten der Verbrecherin schließen zu lassen, aber der subjective Beweis fehlt. Er fehlt in den Acten, wie sie uns erhalten sind, es ist aber auch anzunehmen, daß er damals gefehlt haben wird, sonst würde die Verteidigung diese Waffen nicht unbenutzt haben liegen lassen. Daß Verbrecher bis zur Tollheit consequent unvernünftig und ihrem eigentlichen Zwecke entgegenhandeln, ist kein Beweis einer geistigen Unfreiheit, welche die Ahndung vor dem Gesetze ausschlösse.

Jenes waren die Schlüsse, welche sich einem Jeden, der die Geschichte liest, von selbst darbieten werden. Aus dem Vortrage des Vertheidigers entnehmen wir Folgendes:

Alles, was man von ihr und über sie gehört, sei das Kriterium einer thörichten oder gestörten Person. Geboren in hohem Stande, wohlerzogen, wohlgebildet, Gattin, Mutter, in glücklichen Vermögensverhältnissen, was könne sie da zu dem verabscheuungsnwürdigen Verbrechen gedrängt haben? – Welches Ende konnte es nehmen? – Was konnte sie hoffen vom Tode des Mannes? Sie raubte den Kindern ihren Vater und Beschützer, sich selbst einen Gatten (?), sie lastete auf sich allein die ganze Sorge für die Familie, noch dazu mit einem sehr geschmälerten Einkommen. Wenn sie ernsthaft an die Zukunft dachte, konnte sie nicht an die Ausführung der That gehen, und wenn sie daran ging, konnte sie dann als im Besitze ihrer Vernunft angesehen werden? – Wenn sie mit ihrem Manne nicht länger es aushielt, was hielt sie denn ab, sich von ihm zu trennen, zu ihrem Vater zu gehen, dessen Lieblingskind sie war, zu ihrem Bruder, ihren andern Freunden? – Dort bei ihrem einnehmenden Aeußern, ihrer Geschicklichkeit, hätte sie galante Liebhaber in ihre Netze ziehen können, wie sie Lust hatte, ganz Andere, als den Burschen Roß, die sich für ihren Stand und ihre Stellung im Leben geschickt hätten. – Die Hoffnung, etwas unentdeckt, ungestraft thun zn können, sei die Lockung zur Sünde. Konnte sie diese Hoffnung hegen? Wo war hier ein Plan, die That zu verbergen, ein ersonnenes Märchen, sie auf Andere zu schieben, eine vorausbedachte Rettung und Flucht? Wo konnte sie auf Verschwiegenheit von Seiten fremder, unzuverlässiger Menschen rechnen, da sie selbst, schon vor der That, ihre Absicht ausplauderte, da sie in einer öffentlichen Schenke die Mordgesellen aufsuchte und laut vor Andern die Zeit der Mordthat mit ihnen verabredete? Ja, sie hatte zu Mehren gesagt: ihr Mann werde eine große Reise antreten, ob Jemand sei, der sein Gut pachten wolle? – Das Austheilen der feinen Kleidungsstücke und Prätiosen des Ermordeten an die gemeinen Kerle, damit sie dieselben vor allen Leuten trügen, sei kaum weniger unvernünftig, als wenn sie mit großen Buchstaben an ihre Stirn geschrieben hätte: die Mörder des Master Spooner!

Wenn dann ihre Ausführung unvernünftig war, eine solche, die unmöglicherweise von einer Person geleitet sein konnte, die beim Gebrauch ihrer Sinne war, so ist Das der beste Beweis eines gestörten Gemüthes, welchen die Verhältnisse leiten können. Denn wie sollte der Zustand eines Gemüthes erkannt werden, als durch die Ausführung, durch die Handlungsweise, die Thaten der Person?

Die Geschworenen handelten wie unsere Richter handeln würden. Der Beweis genügte ihnen nicht, um der sinnlos Handelnden die Zurechnungsfähigkeit abzusprechen. Sie sprachen das Schuldig über alle vier Angeklagte, und der Oberrichter sprach das Todesurtheil über sie aus.

Während der 16stündigen Verhandlungen blieb Mistriß Spooner ganz ruhig. Ja sie schien vollkommen gleichgültig auch als der Urteilsspruch gefällt wurde. Ihre Haltung war stolz, ihre Miene verschlossen, kein Aufzucken, kein Murmeln.

Der Tag zur Hinrichtung war auf Donnerstag, den 4. Juni festgesetzt. Im Kerker zu Worcester schienen die drei Männer wie völlig durch ihr Loos gebrochen. Sie erklärten laut die Gerechtigkeit des Urtheils und gaben sich sogar mit Entzücken dem geistlichen Tröste hin. Vor ihrem Tode machten sie ein vollständiges Bekenntniß, welches im selben Jahre zu Worcester gedruckt erschien. Es lautet:

»Wir, Jonas Buchanan und William Brooks, verließen am 8. Februar 1778 Worcester, um nach Springfield auf Arbeit zu gehen. Als wir an Spooner's Hause vorüberkamen, rief uns Alexander Cumings herein, den wir auch für einen britischen Soldaten hielten. Nachdem wir eine Zeit lang am Feuer gesessen, sagte er uns, sein Herr wäre vom Hause fort, aber er wolle seine Herrin rufen, die hatte große Vorliebe für Alles, was zur Armee gehöre, denn ihr Vater sei darin, und noch einer ihrer Brüder. Er rief sie auch; sie kam herab und schien froh auszusehen. Sie fragte uns, woher wir kämen? Wir sagten es ihr, und daß wir nach Canada gingen, da ich, Buchanan, dort meine Familie gelassen hätte. Darauf ordnete sie ein Frühstück für uns an, und als es fertig war, wurden wir aufgefodert, in ihr Wohnzimmer zu treten. Wir waren nicht wenig darüber verwundert, denn wir fühlten uns schon gut genug aufgenommen, wenn sie uns in der Küche etwas zufließen ließ. Indessen frühstückten wir Alle miteinander. Da das Wetter sehr schlecht war, wurden wir aufgefodert, zu bleiben, bis es sich aufkläre. Da wir nur wenig Geld hatten, so blieben wir gern. Aber das Wetter blieb schlecht, so blieben wir den Tag und die Nacht. Ich, Buchanan, bin nicht sicher, ob es am ersten Tage oder am zweiten war, daß sie mir sagte, als wir unter uns waren, daß sie und ihr Mann nicht gut stimmten, daß er nach Princeton gereist sei und sobald nicht wiederkehren werde – daß wir nicht fortgehen sollten, bis das Wetter schön würde, indem gerade damals viel Schnee fiel.

»Wir sagten gern ja und blieben nun von Tag zu Tag, indem wir erwarteten, daß Master Spooner zurückkommen werde. Mistriß Spooner wurde sehr frei in der Unterhaltung mit mir, Buchanan. Eines Tages sagte sie mir, sie erwarte eigentlich, daß Master Spooner gar nicht zurückkehren werde, da ein gewisser Master Roß mit ihm abgereist sei, der eine Unze Gift mit sich hatte; die wollte er, wie er ihr versprochen, ihrem Manne bei der ersten, besten Gelegenheit beibringen.

»Das muß Einem wol seltsam vorkommen, daß sie gegen einen ganz Fremden ein solches Geständniß machte. Sie sagte uns zu gleicher Zeit, wir sollten nur bleiben, um zu warten, ob Master Spooner zurückkäme oder nicht. Da blieben wir denn auch und hatten nie besser Quartier, wenig bekümmert darum, welchen Köder uns der Verführer legte. Wir waren damals gerade in einer Stimmung, danach zuzuschnappen, ohne Furcht Gottes vor unfern Augen; nein, wir hatten ihn ganz vergessen.

»Nachdem wir auf die Weise 10 bis 12 Tage dort geblieben, so weit ich mich entsinnen kann, kam ihr Mann zurück, und da er uns sah, fragte er, wer wir wären? Sie sagte ihm, ich (Buchanan) wäre ein Vetter von Alexander Cumings. Er kümmerte sich nun anfangs nicht weiter darum, aber wie er zu seinen Nachbarn umher ging, mußte er wol hören, wie lange wir schon dort wären, und wahrscheinlich erfuhr er auch in der Schenke, wie viele Maaße Branntwein er zu bezahlen habe, seitdem er abgereist war. Wie Dem nun sei, wie er Abends nach Hause kam und uns noch da sah, so wünschte er, daß wir Augenblicks uns auf und davon machten. Wir baten nur, er möchte uns bis Morgen lassen. Endlich bewilligte er es uns, wir könnten die Nacht durch noch am Herde bleiben.

»Er war nun in der Wohnstube und Mistriß Spooner war zu Bett gegangen. Da kam Einer, Namens Reuben Old, in einem Geschäft zum Master Spooner, und bald darauf kam er zu uns raus und sagte uns, Master Spooner habe Furcht, daß wir ihn berauben würden, denn er hätte einen großen silbernen Löffel verloren und ein gut Theil seines Zinngeräth. Das verdroß uns, denn wir waren uns bewußt, daß wir keinen Gedanken hatten, ihn zu bestehlen. Hätten wir Das gewollt, da hätten wir so viel Gelegenheit gehabt, als Einer nur wünschen kann. Den Löffel fand er, wo er ihn hingelegt, und sein Zinn fehlte ihm auch nicht; Cumings zeigte es ihm.

»Master Spooner stieg die Treppe hinauf und brachte die Büchse herab, worin er sein Geld hatte, und legte sich auf den Flur zum Schlafen, die Büchse unter, dem Kopfe. Alles, was Spooner sagte oder that, das hinterbrachte uns Reuben Old, und während Spooner schlief, setzte er sich zu uns ans Feuer in der Küche, und wir waren Alle recht lustig miteinander. Was Reuben Old von mir, Buchanan, vor Gericht ausgesagt, als hätte ich vor ihm gesagt, ich wollte Master Spooner um 2 Kupferstücke in den Brunnen werfen, das ist falsch. Am Morgen, da sich keine schickliche Gelegenheit bot, Mistriß Spooner zu sehen, um von ihr Abschied zu nehmen, so gingen wir, Buchanan, Brooks und auch Cumings zu Mistriß Stratten in die Scheune, um dort den Tag zuzubringen, bis wir eine Gelegenheit fänden, Mistriß Spooner Lebewohl zu sagen. Dort blieben wir den besten Teil des Tages. Nachdem Cumings von Mistris Spooner 5 Thaler erhalten, um seinen vermeinten Vetter damit zu tractiren, gingen wir in Cooley's Schenke und tranken, und von da in Doctor Foxcroft's Schenke, wo wir blieben, bis Cumings kam und aussagte, Master Spooner sei zu Bett gegangen. Da kehrten wir nach dem Hause zurück, kriegten unser Abendbrot und Branntwein, schlichen uns dann in die Scheune und blieben dort die Nacht über. Am Morgen wurde uns Frühstück in die Scheune geschickt. Und da Mistriß Barry und Mistriß Tufts den Tag vorher dagewesen waren und mich zu sehen gewünscht hatten, so sagte ich, Buchanan, ich wolle hingehen und sie besuchen. Mistriß Spooner sagte, sie wollte auch dahin gehen, und so geschah es denn.

»Wir, Buchanan und Brooks, gingen, und wir Alle (mit Mistriß Spooner) blieben bei Green's (Verwandte der Spooner) und tranken da bis spät. Einige Schritte davon (doch wol beim Fortgehen) sagte sie, sie hätte ein Schnupftuch einem britischen Soldaten gegeben, der mit mir (Buchanan) einige heftige Worte gewechselt, und darauf stieg Brooks zu Pferde und ritt fort, und sie und ich, wir gingen nach Hause. Brooks verirrte sich auf dem Heimwege und kam erst einige Zeit nach uns. Aber er brachte das Schnupftuch nicht mit, denn der Soldat hatte gesagt, er wolle es nicht ausliefern, bis er Mistriß Spooner selbst sähe. Auch die Nacht blieben Buchanan und Brooks in der Scheune. Am Morgen gingen wir in Master Gilbert's Schenke, und als wir hinaustraten, kam Cumings uns auf einem von Spooner's Pferden entgegen. Er sagte uns, sein Herr wäre in die Schenke gegangen und seine Herrin wünsche, wir sollten nun ins Haus kommen. Das thaten wir auch und kriegten unser Abendbrot. Die Nacht verbrachten wir in der Schenke und am Morgen ließ sie uns sagen, ihr Mann wäre über Land gegangen, um Hafer einzukaufen.

»Der Bursche Parker (?!) hatte Brooks vorgeschlagen, wenn er kommen wollte und Master Spooner treffen und ihn selbst, bei ihrer Rückkehr, dann wolle besagter Parker ihm helfen, Spooner das Leben zu nehmen. (Wörtlich übersetzt. Der Bursche Parker war in der Untersuchung bis da nicht vorgekommen; also noch ein intendirter Complice! Es gewinnt den Anschein, als wäre es eine allgemein bekannte Sache gewesen, daß Mistriß Spooner ihren Mann wollte todtschlagen lassen, und daß ordentlich dazu Freiwillige aufgerufen wurden.) Wir gingen nun, heißt es weiter, aus der Scheune in das Haus, und fanden, daß er fortgegangen war; da blieben wir denn den Tag über und ließen es uns wohl sein bei Essen und Trinken.

»In der Abenddämmerung kam Master Spooner nach Hause, sodaß wir leicht hätten überrascht werden können. Aber wir hörten ihn doch die Thür aufdrehen, und Brooks sprang in den Keller, ich aber hielt mich an die Hinterthür, bis er ins Wohnzimmer ging. Dann schlichen wir hinaus und wieder in die Scheune, wo wir den ganzen folgenden Tag blieben. Erst in der Nacht, als Master Spooner im Bette lag, schickte man nach uns und ließ uns ins Haus holen, wo wir Abendbrot und Branntwein erhielten, um uns zu einem andern Plane aufzumuntern, den Cumings und Parker – die für jetzt der Strafe entgangen sind – dem armen Brooks vorschlugen. Nämlich wir alle Drei sollten die Treppe hinaufgehen und Brooks sollte ihm da das Leben nehmen. Dafür sollte er 1000 Dollars erhalten, Master Spooner's Uhr, seine Schnallen und von seiner Garderobe so viel, daß er eine vollständige Kleidung hätte. Aber Brooks hatte nicht das Herz dazu. Mistriß Spooner sagte, sie hätte nicht gedacht, daß er so schwachherzig wäre.

»Wäre Das geschehen, dann hatten wir ihn augenblicklich in den Brunnen geworfen, so wie wir ihn aus dem Bett genommen. Denn die Frau bemerkte: man würde dann denken, er sei hineingefallen, während er in der Nacht Wasser trinken wollen.

»Am nächsten Morgen brachte uns Cumings Frühstück. Er benachrichtigte uns, es sei von ihr ein neuer Plan entworfen, der so sei: Entweder Cumings oder Parker solle Master Spooner melden, eins seiner Pferde wäre krank, wenn er dann in die Scheune käme, ihn zu überfallen, todtzuschlagen und unter die Pferdehufe zu legen, damit die Leute glauben sollten, wenn sie ihn fänden, die Pferde hätten ihn umgebracht. Brooks aber sagte zu Parker, er möge Das dem Herrn nicht bestellen, sondern der Frau sagen, er hätte es bestellt, aber der Herr wolle nicht hinübergehen.

»Parker that so. Wir blieben wieder den ganzen Tag und die ganze Nacht in der Scheune; auch den nächstfolgenden Tag, der ein Sonntag war. Sie kam über Nacht zu uns. Wir sagten ihr nun, nächsten Morgen würden wir fortgehen. Sie bat uns, wir möchten's doch nicht thun. Aber wir wollten nicht länger bleiben. Wir machten uns also auf den Weg nach Springfield. Unterweges nahmen wir Arbeit an bei einem Schmied. Ich, Buchanan, arbeitete dort 3 Tage; aber da sich für Brooks nichts Rechtes fand, machten wir uns auf den Weg nach Worcester, um von da nach Hause zu kehren.

»Als wir eines Mittags am Spooner's Hause wieder vorüber kamen, grüßten wir Mistriß Spooner und sagten ihr, wohin wir gingen. Sie sagte uns, sie würde uns am folgenden Tage nachkommen, um ihre Schwester in Worcester zu besuchen; sie freue sich, daß wir so in der Nähe Arbeit gefunden hätten. Auch sagte sie, daß sie zwei Geldnoten hätte, eine von 20 Pfund und eine von 300 Dollars, die wolle sie einzuwechseln suchen; davon sollte ich, Buchanan, 100 Dollars haben, um mir zu kaufen, was ich wünschte.

»Aber wir blieben doch die Nacht wieder in der Scheune und gingen erst am Morgen nach Worcester. Sie kam uns noch selbigen Tages nach und suchte uns, nach der Verabredung, bei Walkers auf. Sie trat herein und blieb da eine gute Zeit, und gab mir, Buchanan, eine Banknote, so viel Zeug, als zu einem Hemde nöthig, und 6 oder 7 Dollars, indem sie sagte, das käme Alles von M'Donalds, einer ihrer Bekannten. Dann ging sie, ihre Schwester zu besuchen und sagte uns, wir möchten nur warten, bis sie zurückkomme. Das thaten wir denn auch, und sie kehrte am Freitag Morgen um 10 Uhr zurück und blieb bei uns bis Nacht. Sie sagte mir, Buchanan, sie hätte nicht mehr Papiergeld, als was sie mir gegeben. Aber sie bat mich, ich möchte ihr doch etwas Gift verschaffen, um es Master Spooner eingeben zu können.

»Da verschaffte ich mir denn an dem Tage eine Drachme Calomel und vertheilte sie in 20 Papiere. Am Morgen wollte ich ihr das eine geben; sie sagte mir aber, sie würde ihm nie eins eingeben. Sie ging zu ihrer Schwester spät Abends und kam zu uns des Morgens, so um 10 Uhr. Ich trat an die Thür; sie wollte aber nicht hereinkommen, sondern bat mich, zu ihr nach Master Nazro's Laden zu kommen, dort wolle sie für uns Draht kaufen (mit dem Brooks ein Geschäft betreiben wollte), da wir selbst nicht Geld genug dazu hatten. Sie fragte uns, wann wir denn wieder durch Brookfield kommen wollten? Ich sagte ihr, wenn sie wach bleibe, wollten wir Montags Nacht um 11 Uhr ansprechen. Sie sagte, sie wolle uns erwarten.

»Ich trennte mich da von ihr und sandte Brooks nach dem Laden. Aber als er ihr nachging, sah er, wie sie an der Thür vorüber ritt, und ging deshalb nicht hin. Wir blieben nun bei Walkers bis Sonntag Nachmittag und verließen dann Worcester. Um 8 Uhr Abends waren wir vor Spooner's Hause. Wir sahen Mistriß Stratten am Brunnen. Buchanan sprach mit ihr. Sie sagte ihm, es wäre Gesellschaft im Hause; aber sie wolle es Mistriß Spooner wissen lassen, daß wir da wären.

»Mistriß Spooner kam auch heraus und sagte uns, daß ein Master Roß im Hause wäre, der ein Paar geladene Pistolen hätte, und er hätte ihr versprochen, er wolle Master Spooner umbringen, sobald er aus der Schenke nach Hause käme. Nun wünschte sie, wir möchten doch hereinkommen, was wir auch thaten. Master Roß zeigte uns eine Pistole und sagte uns, Master Spooner solle durch die noch in der Nacht sterben. Entweder Brooks oder Buchanan aber sagten, das würde die Nachbarschaft aufwecken.

»Brooks sagte nun, wenn Roß ihm helfen wolle, dann wolle er ihn niederschlagen. Darüber wurde man nun einig, und im Wohnzimmer wurde eine kleine Luke frei gehalten, um zu sehen, wenn er käme. Mittlerweile ward uns ein Abendbrot von Mistriß Stratten gebracht. Erst setzte man uns einen Flipp vor (Getränk aus Bier, Branntwein, Zitrone und Zucker) und dann etwas Rum, und dabei sahen wir umschichtig aus der Luke. Wir sind ganz gewiß, die Stratten mußte Alles wissen, was vorging. Darüber mag denn nun das Publicum entscheiden. Endlich sahen wir Master Spooner kommen, und das war denn die Zeit für den Teufel, um seine Macht zu zeigen über Die, welche Gottes vergessen hatten.

»William Brooks ging hinaus und stand innerhalb der kleinen Thür, die in die Küche führte, und als Master Spooner durchging, schlug er ihn nieder mit der Faust. Er wollte noch sprechen, als er stürzte. Brooks aber hielt ihn an der Kehle, und zum Theil strangulirte er ihn.

»Roß und Buchanan kamen nun heraus. Roß zog Spooner's Uhr heraus und gab sie an Buchanan. Brooks und Roß nahmen die Leiche auf und warfen sie in den Brunnen, den Kopf zuerst. Aber ehe sie ihn fortschleppten, zog ich, Buchanan, ihm die Schuhe aus. Doch ergriff mich der Schrecken des Gewissens bald genug. Ich ging dann ins Haus und traf Mistriß Spooner im Wohnzimmer. Sie schien erschrecklich verwirrt. Augenblicklich ging sie nun hinauf und holte die Büchse mit dem Gelde. Da sie keinen Schlüssel hatte, foderte sie mich auf, sie zu zerbrechen, was ich auch that. Zur selben Zeit kamen auch Roß und Brooks herein. Sie gab zwei Noten, von 400 Dollars jede, an Roß, um sie zu wechseln und das Geld an Brooks zu geben. Aber sie fanden noch mehres Papiergeld (243 Dollars), welches Brooks empfing, und die Noten wurden dafür zurückgegeben. Zugleich gab sie aber auch an Roß 4 Noten, jede von 10 Pfund, um sich Camlot zu einem Reiteranzuge zu kaufen. Roß gab Brooks seine Weste, Hosen und ein Hemde. Sie ging darauf und brachte Roß eine Weste, Hosen und Hemde aus ihres Mannes Kleidern. Als sie sich umgekleidet hatten, gab sie mir, Buchanan, 3 Acht-Dollarscheine und fragte mich, wann wir uns wiedersehen würden. Ich sagte: in vierzehn Tagen; Gott aber hat es gefallen, daß wir uns eher wiedersehen sollten, und in einer schrecklichen Lage. Wären wir nur Alle augenblicklich des Todes niedergefallen und zur Hölle gesandt, so wäre Gott doch gerechtfertigt und wir wären mit Rechten verdammt.

»Um 11 Uhr in der Nacht machten wir uns auf nach Worcester. Um 4 Uhr Morgens erreichten wir Mistriß Walker's Haus. Mary Walker und ein Negermädchen waren drinnen. Wir sagten ihnen eine gehörige Portion Lügen, um unsere plötzliche Rückkehr zu erklären. Am Morgen gingen wir ans Trinken, um die Gedanken an die schreckliche That wegzutrinken. Wir blieben den ganzen Tag dort, um in der Nacht uns auf den Weg zu machen, aber es hat Gott gefallen, es anders zu fügen. Denn Brooks, trunken, ging hinunter in Master Brown's Schenke. Als er da Master Spooner's Uhr zeigte und die Leute ihn mit Silberschnallen sahen, wurden sie argwöhnisch auf ihn u. s. w.«


Dieser Bericht ist wahr, dafür bürgt seine Naivheit; es ist nur nicht die Wahrheit, nach der wir verlangen. Das psychologisch Unbegreifliche erscheint danach nur noch unbegreiflicher. Die dürren Thatsachen, welche der Sergeant aufgefaßt, sind freilich entsetzlich, es sind aber nur die Knochen eines Gerippes ohne Gelenke, geschweige denn, daß man den Blutumlauf gewahrte, oder die Seele, die diesen anomalen Körper bewegte. Das Weib und ihre That steht nach wie vor als ein Räthsel vor uns da: Wenn ein geistiger Funke in ihr gelebt, der einigermaßen ihrer höhern Stellung im Leben entsprach, so ist diese Gemeinschaft und Vertraulichkeit mit solchen Gesellen, wie Buchanan's Schrift sie uns schildert, ebenso unerklärlich, als sie uns schon als eine Strafe für ein Wesen erscheinen kann, das, wir wissen nicht auf welchen Wegen, so aus der Art schlagen konnte.

Seine Erzählung ist trocken; wie es von einer gemeinen Seele bei seinem geistigen Bildungsgrade zu erwarten, haftet die Auffassung an den unbedeutendsten Aeußerlichkeiten, während sie über das Wesentlichste hinwegspringt. Zur Charakteristik der Zeit, der Menschen, der That selbst, ist sie aber, ihrer unbeholfenen Weitschweifigkeit ungeachtet, von Interesse, weshalb wir sie unverkürzt mittheilten. Wie die Todesgefahr über dem Haupte des erkorenen Opfers ihm unbewußt Wochen lang schwebt, wie er umgarnt ist von der Banditenbande, an ihrer Spitze die treulose Gattin und mit ihr eine ganze Hausgenossenschaft, wie er jetzt durch einen Giftbecher des Reisegefährten, jetzt durch Erdrosselung im Bette, jetzt im Stalle, jetzt durch einen Pistolenschuß umgebracht werden soll, und nur der fehlende Muth, den letzten Entschluß zu fassen, ihn zeitweilig rettet, das könnte an einen andern, interessanten Fall unseres Pitaval, »Die Mörder auf Reisen«, erinnern, wo das Todesurthell längst gesprochen war über das arglose und hülflose Mädchen, aber Wochen und eine Entfernung von Berlin bis Augsburg dazu gehörte, um es in einer günstigen Stunde zur Ausführung zu bringen. Buchanan, ein Schotte von Geburt, Sergeant von Burgoyne's Armee, ein Mann von 30 Jahren, »von angemessener Bildung«, wie es heißt, und schmuckem Aeußern, und Brooks, ein Engländer, gemeiner Soldat in derselben Armee, 27 Jahre alt, hatten Beide rein als Banditen, des Geldes wegen gehandelt und gemordet. Anders war es mit Roß, der, fast noch ein Knabe, Sohn geachteter Aeltern, wohlerzogen und, wie es scheint, von einem sonst guten Charakter war. Hier darf man annehmen, daß Leidenschaft, Verführung mit im Spiele waren, daß er möglicherweise daran gedacht hat, die von ihm bewunderte, geliebte schöne Frau aus einem argen, drückenden Verhältnisse zu erretten. Ueberhaupt vermissen wir hier in der Untersuchung ein Etwas, das uns auch bei andern englischen Criminalprocessen entgeht, ein Etwas aus der Vorgeschichte, worauf die Motive der That sich stützen können. Wer war Spooner? Wir erfahren nichts von ihm, als daß er ein schwächlicher, möglicherweise kleiner, verdrießlicher Mann war, von beschränkten Gemüths-, vielleicht auch physischen Fähigkeiten, worauf der Ausdruck der Spooner deutet, als sie die Stirn der Leiche berühren mußte: »Armer kleiner Mann!« Aber gegen einen solchen pflegt ein so stolzes, ausgelassenes, alle Schranken überschreitendes Weib nicht in Todeshaß auszubrechen; sie verachtet ihn, aber sie ermordet ihn nicht. Es wird ihr ein Spiel sein, ihm zum Trotz, ihren Launen und Lüsten nachzugehen. Wo brauchte ein Weib von dieser Charakterfestigkeit eines Schutzes, einer Rettung gegen einen solchen Mann; und doch muß, kann man die Sache kaum anders betrachten. Wenn der ermordete Spooner nicht ein Haustyrann gewesen, oder wenigstens etwas Widerwärtiges, Drückendes in seinem Sein und Wesen gehabt, so läßt sich nicht begreifen, wie seiner Frau die Hülfe, der Beistand fast von selbst und von allen Seiten entgegenkam, bis dahin, daß sich ein ganzer Hausstand zu seiner Vernichtung verschworen, und wenn nicht selbst dabei bethätigte, doch wußte, was vorging und dazu schwieg, aus dem Wege ging, ja nicht einmal flüsterte und Winke gab. Ohne diese Annahme läßt sich psychologisch das Verhältniß in dem Hause gar nicht erklären ohne die andere Annahme, zu der uns aber gar nichts berechtigt, daß eine völlige moralische Depravation, eine Auflösung aller sittlichen, religiösen und Rechtsbegriffe in der Gesellschaft damals geherrscht habe. Zm Gegentheil, Massachusetts war noch das Land der puritanischen Heiligen, wo der Buchstabe des Gesetzes in voller, erschreckender Gültigkeit war. Selbst Bathseba Spooner war nicht davon emancipirt. Indem sie ihren Mann umbrachte, tröstete sie sich damit, daß er nun im Himmel sei.

Wie dem auch sei, so viel ist gewiß, daß der junge Ezra Roß allein, und die größte Theilnahme beim Publicum in Ansprache nahm. Er hatte lange gezaudert, ehe er den Verführungen der schönen Frau in dieser Beziehung nachgab; es war augenscheinlich, daß er nicht zu dem eigentlichen Complot gehörte, daß er erst später, vielleicht zufällig zu der Ausführung hinzugekommen war, was freilich nicht ausschließt, daß er doch selbst schon früher mit dem Vergiftungsplane umgegangen war, und mit derselben Rohheit und Gemeinheit wie die Andern, während die Leiche noch warm war, in deren Kleider sich theilte.

Seine bejahrten Aeltern reichten eine rührende Bittschrift ein, in der sie für das Leben ihres geliebten Sohnes, der Stütze ihres Alters, baten. Die Familie hatte sich ganz der Sache der Patrioten gewidmet. Von 17 Kindern waren ihnen nur sechs Söhne und drei Töchter geblieben, und von diesen sechs Söhnen hatten fünf die Waffen ergriffen für die Sache der Freiheit, darunter auch der unglückliche Ezra, der mit Washington nach dem Süden marschirt war. So herzerschütternd der Ton der Bittschrift lautete, hatten die Aeltern jedoch keine andern Gründe für ihn als seine Dienste für das Vaterland, seine Jugend, die in die Stricke eines arglistigen, verführerischen Weibes gefallen, seinen anfänglichen Widerstand gegen ihre Plane und seine tiefe Reue und Buße. Die Obrigkeit fand diese Gründe nicht genügend, um auch nur die Art der Strafe zu verwandeln, obgleich auch die Geistlichkeit seiner Parochie sich für ihn verwandte. Seine Hinrichtung ward zum Act der Erbauung für Viele, und der Tag, an dem sie erfolgte, ward in seiner Gemeinde als ein Bet-, Buß- und Fasttag gefeiert.


Aber der eigentliche Gegenstand des allgemeinen Interesse dieser schauerlichen Tragödie blieb das Weib, welches die eigentliche und alleinige Urheberin derselben war. Der bejahrte Geistliche von Worcester besuchte sie täglich und sie besprach mit ihm in freiester Art ihre That, aber sie konnte nicht dahin gebracht werden, die Gerechtigkeit des Urtheils anzuerkennen. Die Zeugen hätten ihr Unrecht gethan, sie habe wohl über die Sache nachgedacht, aber niemals gedacht, daß sie zur Ausführung kommen würde. Sie habe sogar eingelenkt, als sie gefunden, daß die Leute es ernst meinten. Sie schien dem Geistlichen verhärtet und alles Gefühls ermangelnd, indem sie nicht einmal von ihrer eigenen schrecklichen Lage gerührt war. Sie verlangte keine Theilnahme von Andern und wies sie sogar entschieden zurück; vollkommen sich bewußt, daß sie der Gegenstand des allgemeinen Abscheues sei, wollte sie ihm durch Verachtung und Gleichgültigkeit begegnen. Ihr ganzes Streben ging um deswillen dahin, sich darauf vorzubereiten, daß man kein Zeichen weiblicher Schwäche an ihr bemerke. Doch bemerkte sie gelegentlich gegen ihren Seelsorger, daß sie mehr fühle als sie ausdrücken könne. Nur in einem Punkte zeigte sie sich ängstlich besorgt. Sie erklärte – sie fühle und habe die Ueberzeugung, daß sie bald werde Mutter werden.

Augenblicklich ward ein Antrag gestellt, daß die Hinrichtung verschoben werden möge. Der Geistliche Macrardy unterstützte ihn, bezüglich aller Verurtheilten, mit Nachdruck, damit sie Alle besser vorbereitet dem Tode entgegengehen möchten. Seiner schriftlichen Eingabe fügte Mistriß Spooner eigenhändig die Worte hinzu: »Dieser Antrag ist auf mein dringendstes Ersuchen gestellt.« Die erste Bitte, zu der sie sich verstand!

Der Rath schob die Hinrichtung um einen Monat auf, und der Sheriff erhielt den Befehl, die nöthigen Schritte zu thun, die das Gesetz in solchen Fällen vorschrieb. Demgemäß ward eine Jury erwählt, bestehend aus zwei Hebammen und 12 Matronen, um die Untersuchung vorzunehmen. Ihr Verdict lautete: Die Gefangene sei nicht schwanger.

Diese beruhigte sich aber nicht dabei, sondern kam mit folgendem Gesuche ein: »Möge es Euer Gnaden gefallen (mich anzuhören): Mit wahrhafter Dankbarkeit erkenne ich die Gunst an, die mir letzthin bezüglich des Aufschubs Meiner Strafe gewährt worden. Ich muß noch einmal um die Erlaubniß bitten, demüthig zu Ihren Füßen zu liegen und Ihnen vorzustellen, daß, wiewol die Jury der Matronen, welche meine Sache untersuchen sollten, nicht zu meinen Gunsten gesprochen haben, ich doch fest davon überzeugt bin, daß ich schwanger bin, und schon über vier Monate hinaus; und daß das Kind, welches ich unter dem Herzen trage, gesetzlich erzeugt ist. Es ist mein ernster Wunsch, daß man mich schonen möge, bis ich entbunden worden. Demüthig bitte ich Euer Gnaden, unbeschadet meiner großen Unwürdigkeit, meine beklagenswerthe Lage mitleidsvoll in Betrachtung zu ziehen. Das Wesen, was ich unter meinem Herzen trage und dessen Lebenszeichen ich deutlich wahrnehme, hat keinen Theil an den Sünden Derjenigen, die es trägt, und hat, sei es mir erlaubt, dies auszusprechen, ein Recht auf die Existenz, die Gott angefangen hat, ihm zu geben. Euer Gnaden menschliche, christliche Grundsätze müssen, dessen bin ich überzeugt, Ihnen selbst den Wunsch eingeben, lieber ein Leben zu retten, auch in solchem kleinsten Zustande, als es zu zerstören. Gestatten Euer Gnaden mir deshalb, Sie mit allem dringendsten Ernste noch einmal zu ersuchen, mir einen fernern Zeitaufschub zu bewilligen, damit wenigstens volle und gute Gelegenheit sei, in der Sache zu einer Gewißheit zu kommen, um was ich denn, schuldiger Maßen, während der kurzen Zeit meines mir noch übrigen Lebens, bete und bitte.«

Hat die Verurtheilte diese Eingabe selbst verfaßt, woran kein Grund zu zweifeln vorliegt, so zeigt sie uns die Verbrecherin in einem Bildungsgrade, welcher das Räthsel ihrer Aufführung statt zu lösen nur noch schwieriger macht. – Der Rath gestand die Bitte nicht zu. Maccardy selbst kam noch einmal mit einer dringenden Vorstellung ein: er sei der festen Ueberzeugung, daß die Matronen sich geirrt.

Die zwei Hebammen, welche die Untersuchung geleitet, und eine der Matronen aus der Jury begleiteten eine Eingabe des Dr. Green, Bathseba's Schwager, mit einem schriftlichen Gutachten, daß sie jetzt glaubten, die Spooner sei wirklich schwanger. Aber zwei andere Matronen aus derselben Jury bekundeten, auf eine zweite Untersuchung, daß ihre Meinung unverändert bliebe. – Der Rath blieb unerbittlich und setzte den Tag der Hinrichtung an.

Bathseba Spooner hörte die Ankündigung mit vollkommener Ruhe an; aber sie verharrte auf ihrer Angabe, sie sei sicher, daß sie sich nicht getäuscht, und, wenn sie gestorben, möge man ihren Leichnam untersuchen.


Der 2. Juli 1778 war der Tag der Hinrichtung der vier Verbrecher. Eine ungeheure Menschenmasse drängte sich hinzu; auch aus den entferntesten Gegenden. Aehnliches hatte man im Staate Massachusetts nie erlebt. Ja die Obrigkeit hielt außerordentliche Anordnungen deshalb für nöthig, z. B. verordnete sie, daß die Pocken-Hospitäler verschlossen würden, damit kein Neugieriger daraus unter die Menschenmasse sich dränge und die Ansteckung vermieden werde.

Die ungeheure Aufregung unter den wogenden Volksmassen bildete einen merkwürdigen Gegensatz gegen die anscheinende Ruhe der Frau, welche der eigentliche Gegenstand der Aufmerksamkeit war. Ja Bathseba erschien noch ruhiger als bisher, nur in sich gekehrter, nachdenkender. Ihren Glauben an den Heiland der Welt, und daß sie von ihm auch ihr Heil erwarte, bekannte sie Denen, die sie umgaben. Wenige Monate ehe sie ihre Zelle verließ, ward sie getauft. Nach den Gebräuchen jener Tage ward dann vom Geistlichen Maccarty eine Predigt vor allen Gefangenen gehalten. Die Spooner aber konnte ihr, »wegen großer körperlicher Gebrechlichkeit« an dem Tage nicht beiwohnen,

Unter einer Begleitung von hundert Bewaffneten wurde die Verurtheilte endlich Nachmittags um 1[1/2] Uhr auf den Richtplatz hinaus gebracht. Die drei Soldaten gingen zu Fuß; Mistriß Spooner ward, wegen ihrer außerordentlichen Schwäche, in einer Chaise gefahren.

Die Procession ging feierlich und ohne alle Störung vor sich, aber gerade im Augenblick, wo sie den Platz erreichte, brach eins der allerfürchterlichsten Gewitter los, dessen die ältesten Einwohner sich entsinnen konnten. Der Himmel ward buchstäblich schwarz. »Das war eine furchtbare halbe Stunde. Das laute Rufen der Officiere und Beamten inmitten einer Volksmasse von 3600 Köpfen: »»Platz gemacht! Platz da!«« das scheue Vordrängen der Pferde, das Kreischen und Jammergeschrei der Weiber in dem Tumult und der Verwirrung, die Verdammten langsam vorschreitend nach den verhängnißvollen Bäumen, ihre Särge ihnen vorangetragen, das Zucken der Blitze, die wie Feuermassen sich entluden und die dunkle Nacht plötzlich erhellten, gefolgt von lauten Donnerschlägen; alles Dies zusammengenommen, war eine Verschwörung der Natur und alles Dessen, was der Mensch Entsetzliches aufbieten kann. Schien es doch, als habe der Schöpfer solche Schrecken zur Bestrafung der Uebelthäter hervorgerufen, welche auch die verstocktesten Herzen erweichen können.«

Endlich war es überwunden. Roß, Buchanan und Brooks bestiegen, nachdem ihnen das Todesurtheil vorgelesen war, das Gerüste. Roß betete laut; die beiden Andern still für sich. Die Spooner durfte bis zum letzten Augenblicke, ihrer Hinfälligkeit wegen, im Wagen sitzen bleiben. Man sah, wie sie oft anmuthig sich zu Dem und Jenem neigte, den sie früher gekannt. Als auch sie gerufen wurde, stieg sie mit einen sanften Lächeln vom Wagen und dann, nicht ohne Anstrengung, mit Knien und Händen sich helfend, die Leiter hinauf.

Als die Gesichter der Verurtheilten verhüllt und Alles fertig war, bekannte die Spooner zum ersten Male: ihre Strafe sei gerecht. Sie faßte den Sheriff an der Hand und sagte: »Mein werther Herr, ich bin bereit. In weniger Zeit erwarte ich, in der Seligkeit zu sein, und nur wenige Jahre werden verstreichen, bis ich Euch und meine andern Freunde wieder zu sehen hoffen kann.«


Am Abende noch des Tages ward, wie sie es gewünscht, ihre Leiche von Wundärzten secirt und untersucht. Man fand einen wohlausgebildeten männlichen Fötus von fünf Monaten. Zu spät ward entdeckt, daß ein großer, humaner Grundsatz, der in den Gesetzen aller civilisirter Nationen Gültigkeit hat, bei ihrer Hinrichtung verletzt wordenDie Ausnahme in favorem prolis. Keine Handlung des Fanatismus unter der Regierung der blutigen Maria von England ist mehr mit Recht verabscheut worden, als eine an einem Weibe auf der Insel Guernsey verübte Grausamkeit. Ein schwangeres Weib wurde verbrannt. Als durch die Heftigkeit der Flamme das Kind am Pfahl aus der Mutter Leibe sprang und von den Nebenstehenden aufgegriffen ward, schleuderte man es, nach einer kurzen Berathung der Priester, die dem Autodafé assistirten, wieder in's Feuer, als eine Ketzerbrut. – So Blackstone. – Chandler vertheidigt das Verfahren des Rathes von Massachusetts keinesweges, aber er legt es dem noch ungeordneten Gemeinwesen der meisten amerikanischen Staaten während des Revolutionskrieges zur Last.. Die allgemeine Bestürzung war unbeschreiblich.

Die Erbitterung gegen die Mörderin war bis da fast ohne Grenzen gewesen. Es wirkte Vieles zusammen: die Scheußlichkeit des Verbrechens und der Motive; der politische Haß und das Vorurtheil gegen ihre Familie – hatte doch ihr Vertheidiger die Geschworenen warnen zu müssen geglaubt, daß ihr Abscheu gegen die Tochter des Royalisten und Verräthers bei der Beurtheilung des Criminalfalls nicht mitsprechen dürfe –; ihre anscheinende Gleichgültigkeit, ihr Trotz, ihre offen zur Schau getragene Verachtung gegen das Publimm; sie hatte nicht um ihr Leben gebeten; sie weigerte sich auch, darum zu bitten. Ihre Angabe, daß sie schwanger sei, war allgemein bis da als die List eines ränkevollen Weibes angesehen worden, um nur den Tag ihrer Leiden noch aufzuschieben. Alles Das änderte sich nun, als das Gesetz in seiner ganzen Strenge an ihr vollzogen war, als man sich zuerst mit Entsetzen zuflüsterte, dann für gewiß wußte, ihre Angabe sei wahr gewesen, und das Schwert der Gerechtigkeit habe ein unschuldiges Kind getroffen. Jammer, Reue, Verwünschungen, aber nicht mehr gegen die Verbrecherin, machten dem Abscheu gegen dieselbe Platz. Jede Mutter, welche die Spooner sterben gesehen, schauderte bei der Erinnerung; welche Gefühle mögen die Matronen, welche zweimal das Verdict abgegeben hatten, beschlichen haben! Es wird die Vermuthung ausgesprochen, daß nicht allein Unwissenheit und Vorurtheil, daß auch Bosheit im Spiel gewesen sein könne! – Der Schrecken und das Entsetzen gingen in Mitleid über. Sie war so ruhig zum Tode gegangen, so friedlich war ihr Ende, daß man fast vergaß, wie tief ihre Hände in Blut getaucht gewesen. Lange ward die Geschichte des Trauerspiels Abends an den Feuerherden erzählt und wieder erzählt, und über ihre Leiden als Mutter, ihre außerordentliche Schönheit, ihren Muth, Ausdauer, die Kraft ihres Geistes, ward beinahe die Scheußlichkeit ihrer That vergessen.


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