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Vierzehntes Capitel.

Nicht mehr soll dieses Bodens durstge Furie
Mit eigner Kinder Blut die Lippen färben;
Nicht Krieg mehr ihre Felder schneidend furchen,
Noch ihre Blumen mit bewehrten Hufen
Des Feinds zermalmen; die entbrannten Augen,
Die, eines trüben Himmels Meteore,
Von Einer Art, erzeugt aus Einem Wesen,
Noch jüngst sich trafen in dem innern Sturm
Und wildem Drang der Bürger-Metzelei:
Sie werden nun, gepaart in schönen Reihen,
Den gleichen Weg ziehn, und nicht mehr entgegen
Bekannten stehn, Blutsfreunden, Bundsgenossen.

Shakspeare. Heinrich IV.

 

Nie herrschte in England eine größere Bestürzung und zugleich eine ungegründetere Furcht unter der Volksmasse als nachdem König Jacob durch einen voreiligen Rückzug nach London, dem man eher den Namen Flucht geben kann, den gänzlichen Mangel des Vertrauens gegen sein Volk an den Tag gelegt hatte.

»Der Papist will sich rächen an seinen protestantischen Unterthanen,« war der allgemeine Gedanke. Eine eben so thörige als verderbliche Maasregel, als Feversham auf Jacobs Befehl die ganze Armee an einem Tage auflöste, ohne ihr Sold auszuzahlen oder Lebensmittel und Anweisungen um im die Heimath zu kommen, konnte diesen Glauben nur bestärken. Die aller Mannszucht enthobenen Soldaten schweiften, ihren Lebensunterhalt mit mehrerer oder minderer Gewalt suchend, umher, oder dienten nur dazu die Wuth und Besorgniß auf dem flachen Lande zu erhöhen. Bald verbreitete sich das Gerücht mit Blitzesschnelle über ganz England, Schwärme bewaffneter Irländer seien herübergerufen, und die irländischen Regimenter losgelassen, um alle Protestanten niederzumetzeln.

Man flüchtete Weiber und Kinder in die Städte, die Landsquires probirten, ob die Brücken über ihre verwachsenen Schloßgräben sich noch aufziehen ließen, die Bauernschaften rottirten sich, wie es ging, bewaffnet zusammen. Man errichtete Lärmstangen, die Sturmglocken läuteten durchs Land; wo eine Staubwolke sich erhob, erschienen die blutgierigen Rotten der Katholiken und die Freude, wenn eine Abtheilung des in ununterbrochenem Marsche nach London befindlichen Heeres statt der Irländer zum Vorschein kam, war unaussprechlich.

Sandy, von allen den Seinigen verlassen, irrte auf einem abgetriebenen Pferde gleich einem finstern Geiste durchs Land. So kam er an ein Dorf, dessen Bewohner mit Sensen, Heugabeln und einigen Feuergewehren bewaffnet, ihn erwarteten. »Ein Feind, ein Feind!« scholl es »er trägt nicht Oraniens Farben,« und Flintenschüsse fielen mitten unter dem Glockengeläute auf den ergrauten Cameronianer, der jedoch ohne verletzt zu werden, mitten unter die vor dem Einzelnen zurückweichenden Bauern ritt. »Wem der Herr nicht bestimmte zu fallen, der bleibt stehen, auch wenn tausend Schützen auf ihn zielten,« rief er sein blutiges Schwert erhebend, als Mehrere, die ihn erkannten oder unter ihm früher gestritten hatten, in ihn drangen, nicht auf der Seite des blutigen Papisten zu verharren, und mit ihnen zu kämpfen gegen die Irländer.

Sandys Augen rollten ohne Zorn, aber als Zeichen des methodischen Wahnsinns, der den unglücklichen Alten jetzt beherrschte: »Ich werde reiten, wohin der Herr mir gebietet, ich werde schlagen wohin er es mir ansagt; aber der Herr verkündet sich wie der Blitz im Ungewitter.«

Die hagre Gestalt erhob sich im Sattel und schaute, das Schwert hoch über dem Kopfe schwingend, umher. »Seht,« riefen Einige, »der Geist kommt über ihn, er schaut nach einem Opfer aus.«

Sandy streckte die Hand aus: »Wer schleicht dort hinter den Hecken dem Park zu?«

»O weh!« tönte es von der bezeichneten Gegend und die sich umwendende Masse schrie: »Das war ein Irländer!« Man stürzte auf die Gegend los und schleppte die lange Gestalt Macnamaras herbei. Vorstellungen der nachdrücklichsten und eindringlichsten Art bestimmten ihn auf die Frage, ob er ein Spion sei und wo seine meuterische Rotte stecke, alsbald durch ungewöhnliche Emporreckung seines Halses und klägliche Verdrehung der Augen einen Ort anzugeben. Aus einem Graben zog man hierauf noch zwei sehr verdächtige Leute herbei, der eine wohlbekannt dem Leser als Zeuge, Sanson, der andere ein ältlicher Mann, dessen rothes widriges Gesicht wenig in die grobe blaue Matrosenjacke und die leinenen Beinkleider paßte.

»Meine hochzuverehrenden Herren!« schrie Macnamara, »ich bin ein unparteiischer Irländer und dachte nie daran einem Protestanten etwas zu Leide zu thun. Diese beiden Sirs, die Sie hochgefälligst jetzt beim Kragen halten, sind katholische Lords, die mir viel geboten, sie durchzubringen; aber gewiß und wahrhaftig, ich stand im Begriff sie dem Friedensrichter hier, wie es einem patriotischen Manne wohl ansteht, auszuliefern, als die Herren mich hochgeneigtest am Kragen hierher invitirten. Wie freut es mich, der protestantischen Religion abermals solchen Dienst leisten zu können.«

»Verdammter irischer Hund!« schrie Sanson. »Ich bin ja der protestantische Zeuge Sanson, und habe allein durch mein Zeugniß drei Vätern der Jesuiten zum Galgen verholfen. Dr. Oates ist mein Freund; wer ein gutes protestantisches Herz hat, muß mir das bezeugen.«

Aber aller Streit endete als Sandy mit der Rüstigkeit der Jugend vom Pferde und auf den Dritten zusprang: »Ich kenne Dich Adimelech, und preise Jehova, der mir den Zügel in die Hand gab. – Wo hast Du meine Tochter, wo ist mein Sohn? – Führt ihn Israel hinaus aus dem Lager, und das Volk steinige ihn, denn es ist Jefferies, der Blutrichter.«

Man riß die krause Perücke dem Matrosen ab, und alle erkannten das den Bewohnern dieser Gegenden nur zu wohl bekannte Gesicht des Henkers, an dessen Händen das Blut wenigstens eines Anverwandten eines Jeden klebte. Sein Schicksal schien sogleich entschieden. Jefferies grimmiger Blick konnte die allgemeine Wuth nur steigern. Sandy sprach mit der Ruhe des Wahnsinns einen Fluch über den Lordkanzler, ihn dadurch der Menge übergebend, nachdem er den ersten Schlag mit der Faust auf seine Brust gethan. Man riß und zerrte ihn, damit jeder seine Wuth an dem Verhaßten auslassen könne. Die Faustschläge in sein Gesicht machten es bald so mit Blut überlaufen, daß er unkenntlich ward. Wenn er sich niederwarf oder niedergeworfen wurde, vermehrte sich nur seine Qual, indem man ihn mit Füßen wieder aufstieß. Man warf ihn in einen flachen Ententeich und zerrte ihn durch den Schlamm fort. Als er aber, aller Mißhandlungen ungeachtet die Besinnung behielt, forderten die Angesehenern, daß man ihn vor den Friedensrichter bringe.

Es war der unglückliche Sir Thomas Powle, in dessen Gerichtszimmer der blutrünstige, nur noch mit Lumpen bedeckte, Lordkanzler von England geschleppt wurde. Sir Thomas, der nach sieben schlaflosen Nächten zum Entschluß gekommen war, für den protestantischen Thronfolger den katholischen König fahren zu lassen – dieser war in der That an seinem Gute vorübergefahren und die klägliche Erscheinung des Fliehenden mochte nicht wenig auf den Entschluß des Mannes des Friedens gewirkt haben – Sir Thomas saß mit Orangebändern an Kopf, Brust und Knie lächerlich geschmückt – selbst um die Federn seiner Schreiber waren Orangeschleifen gewickelt – und kreischte den Eintretenden an: »Das riecht ja papistisch. Wer ist der Kerl?«

Der Angeschleppte nahm die letzte Kraft zusammen. Die blinzelnden Augen schossen Feuerblicke auf den Friedensrichter, er erhob die zerlumpten und blutigen Arme und donnerte zum letzten male mit der lange gesparten Stimme. »Ich bin Jefferies, Pair und Lordkanzler von England, und verlange von König Jacobs loyalem Richter Schutz gegen nichtswürdige Schurken.«

Sir Thomas wurde blaß; seine letzte Bewegung war, daß er mit der Hand nach der Stirne fuhr, die Hand sank zurück, der Kopf hinten über, seine Schreiber fingen den vom Schlage Getroffenen auf. Seine Constitution hatte es nicht vermocht, den Mann, der ihm der schrecklichste im Leben dünkte, in dieser Gestalt wieder zu sehn. Was in der Erzählung unwahrscheinlich klingt, bestätigt die Geschichte als Thatsache. Nach dreien Tagen folgte der gesammte Adel aus der Umgegend seiner Leiche, das Land vergoß Thränen um diesen Märtyrer des protestantischen Glaubens, und der Prediger verfehlte nicht an der Grube aufmerksam zu machen, wie dieser Todesfall abermals lehre, nie genug mißtrauisch zu sein gegen den blutigen Einfluß der Papisten, der dieser Zierde der Friedensrichter das Leben gekostet.

Robert Fletcher, der Oraniens Vortrab führte, traf am Eingange des Dorfes, wohin ihn das Gerücht eines Tumultes geführt, Sanson und Macnamara ausgestreckt liegend. Die zerbrochenen Knüttel daneben zeugten, was hier vorgegangen. Doch kam Macnamara soweit zur Besinnung, ihm den Vorgang zu erklären, und schloß:

»Seht, Herr Oberst, man drosch so lange auf uns, bis Menschen von gewöhnlichem Geist, ihn aufgegeben hätten; ich, an Aergeres gewöhnt, hoffe in zwei Stunden vermittelst einigen Weingeistes das Schlimme überstanden zu haben. Ob aber mein wackerer College davon kommen wird, der zartere Grundsätze und Gliedmaßen hatte, steht dahin; wenigstens schlugen sie ihm die Brille ins Auge hinein, und sollte er das einbüßen, daß es aus wäre mit seinem Zeugniß ablegen, verlöre England viel, denn, auf Ehre, Sanson war einer der besten Zeugen, die je in Alt-England aufstanden.«

Robert nahm Jefferies unter seine Obhut. Der Gemißhandelte gab aber schon wenige Tage nachher im Gefängniß den Geist auf.

Von allen Seiten kamen dem Befreier Abgesandte und Botschaften entgegen, als Robert wieder bei Oranien anlangte. Auch Jacob hatte die Furcht bewogen drei Minister seinem Schwiegersohn entgegen zu senden; aber der Sieger achtete von der Furcht erpreßte Versprechungen für wenig besser als Drohungen, und das Heer setzte seinen Triumphzug fort, selbst von solchen Männern begleitet, die, wie Kirk, einst das Schrecken der Rebellen gewesen waren. Auch kam eine Botschaft von einer Corporation, die, nicht minder als Jefferies und Kirk, ihren Donner losgelassen gegen die Verächter einer unumschränkten königlichen Gewalt. Wo die Landstraße sich umwandte, stand unsere wohlbekannte Karosse, und der Dechant Sir Alexander Tennison war der Unglückliche, den seine Collegen von Oxford ausersehen durch eine geschickte Rede den langen Druckschriften der gelehrten Universität einen andern, das heißt den entgegengesetzten Sinn unterzulegen, als sie unter den beiden vorigen Regierungen haben sollten. Schon war die Karosse mit den holländischen Husaren, welche durchaus verlangten, sie müsse für den Generalstab Platz machen, ins Gedränge gerathen, als Oranien vor dem Kutschenschlage stand. Der Dechant haspelte sich zitternd heraus, und noch arbeitete seine Nichte drinnen, den hintern Zipfel seines Rockes von einem Nagel loszumachen, als Sir Alexander bereits im besten Hersagen der wohl memorirten Rede war, aus Furcht sein Gedächtniß könne ihn jeden Augenblick später im Stiche lassen.

»Der passive Gehorsam« bildete den Refrain jeder Periode, und die Lexica aller gelehrten Holländer wurden citirt um aus den mannigfaltigen Bedeutungen von passiv und von Gehorsam, die für den Erbstatthalter von Holland passendste hervorzusuchen. Es ging vortrefflich, schon hatte der Dechant bewiesen, daß die Universität mit ihrer fulminanten Declaration nichts anderes gewollt, als daß der passive Gehorsam der Unterthanen unbedingt vorhanden sein müsse, außer wenn ein Prinz von Oranien sie auffordere von ihrem Könige abzufallen, als er das Auge kühner erhob und – Dykvelt erblickte, Dykvelt, der mit Churchill und Robert Fletcher lachte, indem die Blicke aller Drei auf ihn gerichtet waren. Er verlor den Zusammenhang, er stotterte, und als er in der Todesverwirrung bewußtlos den alten Satz ausgesprochen: das Gesetz vom passiven Gehorsam gelte ohne Ausnahme in den Herzen der Oxforder, wäre er vielleicht ohnmächtig hingesunken, hätte nicht Robert, schnell seine Verlegenheit bemerkend, ihn bei der Hand ergriffen und Dykvelt zuwinkend vor Oranien geführt:

»Sir,« hub er an, »dies ist der würdige Mann der hohen Kirche, der sich zuerst geweigert auch unter Lockung der reichsten Pfründen den alten Glauben abzuschwören; er ist es, der von Jacob II. verbannt wurde; er von dessen kühnem Stolze Herr Dykvelt zu Eurer Hoheit gesprochen; er hat das treffliche Werk von der Ordination der Bischöfe geschrieben, er endlich ist es, den die hochgelehrte Universität Oxford allein auserwählte, Sie, Sir, von der Unerschütterlichkeit ihrer Grundsätze zu unterrichten; und, darf ich endlich von mir selbst reden, so ist Sir Alexander Tennison der gütige Oheim und Vormund, der mir seine theure Nichte als Braut zuführen wird.«

Sir Alexander sagte instinctartig nach jedem Satze ein: ja, ja, ja. Als Dykvelt ihm zutraulich die Hand drückte, athmete er freier auf, aber Oranien sagte mit verbindlicher Miene zu Robert:

»Bedurfte es, Ritter, dieser Aufzählung, wo ein Schriftsteller von solchen Verdiensten und der Oheim der Braut eines Fletchers von Salton sich von selbst empfiehlt?«

Der Dechant – dessen Schleppe indessen frei geworden, und, müssen wir hinzufügen, den die Furcht, die Pferde könnten durchgehn und in ihrem Feuer den Redner in der lächerlichsten Situation so mit sich fortreißen, nicht wenig geängstigt, – der Dechant war jetzt ganz der Mann wieder, ein geschickt begonnenes Unternehmen auch geschickt zu Ende zu bringen. Er überreichte das Silbergeschirr, das die Universität dem Sieger opferte, mit vielem Anstand, welches mit eben diesem Anstande angenommen wurde.

In dem Augenblicke aber, als, fast gegen den Anstand einer so feierlichen Unterhaltung, eine schöne junge Dame den Ritter bei Seite zog und mit ängstlichen Fragen in ihn drang, bekam der Fürst eine Meldung. Fletcher mußte von der Geliebten zu Oranien; nach wenigen Secunden eines geheimen Gespräches eilte er zu Annen zurück, drückte ihre Hand und sagte: »Ich muß selbst nach London auf den Flügeln des Augenblicks; die Gefahr, die Harriet dort drohen kann, wenn es eine ist, will ich abwehren: mir selbst droht keine.«

Er sprengte von dannen nach einem Abschiede, so herzlich als er nie zwischen Annen und Robert statt gefunden. Oranien sprach zum Dechanten und den um ihn stehenden Engländern: »Nicht eher betrete ich Ihre Hauptstadt, bis mich der König selbst oder ein freies Parlament dazu auffordern. Bis dahin warte ich hier als ruhiger Privatmann und Freund der englischen Freiheit, und höre nichts als die Stimmen und Wünsche Ihrer Landsleute.«

In London angekommen war Jacob kaum mehr ein Schatten dessen, was er sonst gewesen. Whitehall stand öde, nur von einigen Gesandten und den katholischen Anhängern der Person des Königs besucht. Auf diese glaubte Jacob allein bauen zu dürfen; er hörte ihre Rathschläge stumm und verdrossen an, und schien endlich überzeugt, als der französische Gesandte de Barillon ihm dringend vorgestellt, daß er durch schnelles Entweichen nach Frankreich nicht allein sein Leben sichern, sondern auch eine Verwirrung unter den Rebellen und Empörern verursachen werde, die seinen Freunden für ihn zu handeln Raum gäbe. Die Priester, Schutz bei ihrer Flucht von der Gegenwart des Königs erwartend, unterstützten Barillons Vorstellung mit Heftigkeit, indem sie mit lebhaften Farben die Gefahr für sein Leben ausmahlten, als Raleigh Loscelyne, der auf den Kaminsimms gestützt ein stummer Zuschauer geblieben, vortrat und sprach:

»Sir, ob Euer Majestät fliehen oder bleiben wollen steht in Ihrem Ermessen. Aber die Pflicht des Engländers fordert, seine Landsleute gegen die ausländischen Ankläger vor ihrem Könige zu vertheidigen. Sir, es sind nicht wahnsinnige Fanatiker, nicht die Hefe des besitzlosen Pöbels, die die Fahne des Aufruhrs aufpflanzten, kein Cromwell droht Ihrer geheiligten Person. Die Edelsten Englands stehn in dem Lager drüben, ein erhabener Fürst ist von ihnen gerufen. Im Lager der Rebellen wäre Ihr Leben so sicher, wie kein Ludwig von Frankreich Ihnen ein Asyl anbieten kann. Wagen Sie es, Sir, unter diese Verblendeten zu treten, wagen Sie zu ihnen als König zu reden, geben Sie ihnen Bürgschaft für die geheiligten Rechte und Freiheiten, die, weil sie aus dem Glauben entspringen, den Menschen theurer sind als das Leben, und, ich setze das meine dran, Sie bewahren Ihrem theuren Haupte so sicher die Krone, als Sie durch diese unzeitige und unkönigliche Flucht dieselbe verwirken.«

»Wie das niederländische Geld doch in alle Taschen Eingang findet!« murmelte ein Priester, daß der König es hörte; ein anderer: »Er hätte es wagen sollen so zu reden, als Seine Majestät im Glanz der Macht waren!« Barillon lächelte sarcastisch, und meinte Oranien werde über die tugendhaften Vorsätze des Königs hoch erfreut, gewiß augenblicklich umkehren. Die für die Flucht Stimmenden fanden sich unterstützt durch die unvorsichtig hereingebrachte Nachricht, ein Regiment deutscher Grenadiere vom Grafen von Solms befehligt, sei unter dem Schleier der Nacht in London eingedrungen und auf dem Wege nach Whitehall.

Alles sprang unruhig auf. »So achtet Oranien seine Zusicherungen,« rief jemand. »Die rohen Deutschen haben keine Achtung der Person.«

Dem widersprach während des allgemeinen Aufbruchs Jacob selbst, seine gänzliche Schwäche noch mehr bekundend, indem der Gebeugte sich mit einer Rückerinnerung des falschen Glanzes tröstete, in dem er sich so gern sonnte. »Die Deutschen haben wohl Achtung vor der Person, es schießt kein Deutscher auf königliches Blut. So, als ich in dem Kriege der Fronde vor der verzweifelt und mit seltener Kriegskunst belagerten und vertheidigten Festung Mousson in der Picardie lag, und, damals ein junger Mann, beim Glacis vorüberritt um mit den französischen Generalen die Werke zu recognosciren, schwieg mit einem male das heftigste Feuer von den Wallen. Die französischen Generale waren darüber aufs höchste erstaunt, und in der That es fing nicht wieder an, als bis wir in die Tranchen zurückgekehrt waren. Erst nachdem die Fortresse sich übergeben müssen, erklärte uns der deutsche Oberst Wolf, der drinnen commandirte, da er meinen Stern gesehen und daraus geschlossen, ich sei der Prinz von England, der unter den Franzosen diente, sei es gegen seine Soldatenehre gewesen auf einen Prinzen von Geblüt und noch dazu einen Verbannten zu feuern. So loyal und galant sind die deutschen Hauptleute.«

»Hier, Sir, ist von rohen deutschen Lanzenknechten die Rede, die Oranien nicht mehr erfreuen könnten, als durch solche Beleidigungen Ihrer geheiligten Person, welche ihm den Thron leer machten.«

Raleighs Wort: »Der Graf von Solms gilt für einen eben so loyalen als galanten Cavalier,« wurde überhört, da ein anderer das Fenster aufreißend ausrief: »Ich glaube die schweren deutschen Tritte in der Ferne zu hören.«

Mit einer an das kindische gränzenden Lust verbrannte Jacob, ehe er Whitehall verließ, die wichtigsten Staatspapiere, darunter auch, um die Verwirrung zu vergrößern, die Ausschreiben zum Parlament, das er in der letzten Angst berufen. Vermummt suchte der König darauf mit seinem nicht geringen Gefolge, die am Strande bereit liegenden Barken. An der Spitze des Kahns angelangt, beugte er sich über den Rand und versenkte etwas Metallnes. Sir Edward Hales, auf den er sich dann stützte, flüsterte er zu: »Es war das Reichssiegel.« Seine freudige Miene schien zu sagen, er habe damit das Reich selbst aus den Händen seiner Gegner errettet.

Raleigh folgte langsamen Schrittes. In seinen schwarzen Mantel geschlungen lehnte er sich noch einmal, die Reihe zum Einsteigen abwartend, an den Pfeiler und blickte in die milde Winternacht hinaus, der Stadt ein Lebewohl zu sagen. Eine Stimme sprach zu ihm, er werde London nicht wieder sehn. Der Leichenzug eines Selbstmörders zog langsam bei spärlichem Fackelschein am jenseitigen Ufer der Themse.

»Er findet doch wenigstens in vaterländischer Erde ein Grab!« sagte Raleigh. Zwei Matrosen, die den schwarz Gekleideten im Schatten nicht zu bemerken schienen, unterhielten sich dicht neben ihm; er ersah aus ihrem Gespräch, daß sie von der Anwesenheit des Königs unterrichtet waren.

»Also jener rechts vom Steuer ist der Papist?« murmelte der ältere, der an Taubheit zu leiden schien, da der andere auf seine Fragen nur durch Zeichen antwortete. Die Reden dünkten dem Ritter verdächtig, der deshalb um so aufmerksamer horchte, ohne mehr zu hören, als daß der erste zuletzt ausrief: »Gott ertheile ihm in seiner Gnade die Seligkeit des guten Herzog von Monmouth.« Bestärkt wurde sein Verdacht durch das Zusammenschrecken des tauben Seemanns als er ihn hinter sich ankommen sah. Doch reichte er Raleigh die Hand mit den Worten ihm über die Treppe helfend: »Noch Einer? Immerhin; ich glaubte ich solle der letzte sein, der die Rechnung abschließt.«

»Es giebt viele hier, welche die letzte Rechnung abgeschlossen haben,« entgegnete der Ritter.

Der Matrose sah ihn bedeutungsvoll an und setzte sich an's Steuer. Raleigh ließ keine seiner Bewegungen aus dem Auge. Eine verdächtige Aengstlichkeit wurde ihm bald bemerkbar.

»Warum steuerst Du auf jenen Punkt außerhalb dem Strom zu?«

Der Matrose stutzte, lenkte scheinbar in den Strom, aber gleich darauf wieder in der vorigen Richtung. Jemehr Raleigh in ihn drang, um so ängstlicher trieb der den Kahn drauf los. Plötzlich merkte jener, daß der Kiel an einen Pfahl unter dem Wasser streife. »Verrath!« rief er aufspringend, den Matrosen an die Brust zu packen und vom Steuer fortzustoßen. Dieser aber schon darauf gefaßt, hielt ihm ein scharfes Messer entgegen; es fuhr dem Ungestümen in demselben Augenblicke in die Brust, wo die Schläfe des Matrosen gegen einen Nagel am Steuer stieß. Während Beide sich umfassend niedersanken, ging der Kahn ohne bedeutende Erschütterung über den Pfahl hinweg.

»War das Deine Absicht Toms?« rief ein anderer Matrose, »Gott sei gelobt, ich stieß ab, ehe wir auf die andern Pfähle kamen, wo kein Runterkommen war.«

Der sterbende Steuermann sprach: »Wäre der Ritter nicht gewesen, ich wäre zu dem guten Herzog von Monmouth, wie ich ihm gelobt, nicht anders getreten, als mit seinem Mörder und ein Dutzend Papisten. – Nu, er freut sich doch, erzähl ich ihm, wie ich König Jacob ebenso Nachts aus London gerudert, als dazumal ihn, und sowahr Niemand wiederkehrt von oben, der solchen Reisepaß wie ich bekommen, so gewiß soll der Papist nicht wieder in's Reich. Gott helf mir.«

Er starb. Die Leiche und den auf den Tod verwundeten Ritter setzte man an's Land. Gerührt drückte ihm der König die Hand, dann eilte die Barke mit verdoppelter Schnelligkeit fort.

Die finstern Träume, die anfangs die Fieberunruhe des Verwundeten verzehrten, schienen mit dem schwarzen Blute, das sich immer wieder durch die Verbände Bahn brach, zu entweichen; die tiefen Seufzer klangen dumpf, die Brust schien leichter, die Pulse gingen ruhig. Die Wärterin, welche ihm nicht von der Seite gekommen, blickte fragend auf den Arzt; ein Strahl der Hoffnung, der auf Bestätigung harrte, leuchtete in ihrem Auge. »Er ist im Genesen?«

»Für jene Welt,« entgegnete Trelawny langsam. »Er schüttelt die Krankheitsstoffe ab, sie waren aber zu tief in die Lebensadern gedrungen, daß nicht das Leben selbst mit ihnen abstürbe.« Er entfernte sich, wie er vorgab, um das Erwachen des Kranken nicht zu trüben.

Als Raleigh die Augen aufschlug, trafen sie Harriet, die, über ihn hingebeugt, jede seiner Bewegungen bewachte. Er schrak nicht zusammen, keine Röthe des freudigen Erstaunens überflog sein Gesicht, er lächelte nur und drückte sanft ihre Hand.

»Was läuten die Glocken?« fragte er.

Harriet mochte oder konnte nicht antworten. Den Strom ihrer Thränen mit Anstrengung hemmend, beschwor sie ihn, die kalte Welt draußen ihren Weg der Thorheit gehn zu lassen und sich und ihr die kostbaren Augenblicke zu leben. Er entgegnete, den Kopf, wie zur Bekräftigung dessen, was er sagen wollte, etwas aufrichtend.

»Ich weiß Alles Harriet! – Wir sind schon lange beisammen. – Ich sah Dich, wie Du durch die dunkele Nacht herbeistürztest – ein gräßlicher Auftritt im Fackelschein – Du warfst Dich auf mich – Dein Herz schlug an meiner Wunde, Deine Thränen fielen auf meine Stirn. – Ich konnte nur nicht sprechen. – Seitdem, glaube ich, habe ich im Traum gehört und gesehn, was vorfiel. Nur die Glocken höre ich zum erstenmal läuten. Was bedeutet es?«

Harriet durfte nicht länger schweigen: »Oranien hält seinen Einzug.« Sie fuhr fort, als sie mit Freuden bemerkte, wie Raleigh ruhig die Botschaft aufgenommen und zu erwarten schien, daß sie ihm mehr davon mittheile.

»Als Jacob durch seine Flucht sich des Thrones selbst für verlustig erklärt, traten die Bischöfe, Lords und wer einst in einem Parlament gesessen, zusammen, den großen Oranien zu rufen. Er kam nicht eher, als bis ein freies Parlament ihn und seine Gattin Maria zu Königen Englands erklärte.«

»Sie jauchzen ja nicht,« – sagte der Kranke sich aufrichtend, als wolle sein Blick zum Fenster hinaus.

»Die Zeit der wilden Leidenschaft ist vorüber, Raleigh; nach solchen Kämpfen ist die Ruhe süß. Nur das eine Mal hättest Du Oranien sehen sollen, wie er die große Akte unterschrieb, die alle Rechte festsetzt zwischen Volk und König.«

»Bequemte sich der Kluge ein Schattenkönig zu werden?«

»Er wird ein König im Glanz und Macht der Majestät, ein König um Europa und seine Fürsten zu schützen gegen die Launen der Willkür, gegen Frankreichs Despoten. Statt des Uebermuths einer siegenden Faction, dictirte die so lange aus England verbannte Mäßigung die Bedingungen zum Heil und Glück des Fürsten und des Volkes, die eins sind im Willen.«

Raleigh hörte schweigend zu, ohne daß sein Auge sich trübte, seine Lippen sich verzogen. Dann strengte er sich an aufrecht zu sitzen: »Laß sie; es mag eine neue Zeit kommen, für die ich nicht mit Lebenskräften geboren ward. Meine gehen aus mit dem Königshause meiner Ahnen. – Das haben wir nicht zu verantworten, aber daß wir irrten, so lange, lange Harriet! Zwei, die geboren waren sich zu lieben, – und die sich liebten, Harriet Du darfst es jetzt gestehen – die riß in einer trüben thörigen Zeit, wo es Noth thut, daß verwandte Herzen an einander halten, sich Balsam zu sein gegen die Stöße und Wunden, die riß der starre Sinn von einander auf zwei Wege, die erst am Grabe zusammentreffen.«

»Dort oben« – Mehr ließen Harriets Thronen sie nicht vorbringen.

»Oben,« erwiederte er, »aber auch dies Leben ist schön, – die Erde blüht nicht allein, daß wir ein Grab uns schaufeln zum Ausruhn.« –

»Ist es nicht Werth gelebt zu haben um den einen seligen Moment des Wiederfindens im Tode?« unterbrach ihn Harriet mit Heftigkeit.

Da trat Robert Fletcher ein im vollen Schmuck seiner neuen Würde. Er wurde Zeuge eines Bündnisses, zu spät für diese Welt abgeschlossen. Beide Liebende hatten ihre Ringe gewechselt, Raleighs schwacher Arm hielt Harriet umfaßt. Aber Robert sah mehr als die Liebende; er sah das brechende Auge seines Freundes. Raleigh bemerkte ihn. Auf das Kissen zurücksinkend, reichte er ihm die linke Hand entgegen, indem er kaum vernehmbar fragte: »Schnell Freund, hast Du mir noch hier etwas zu melden?«

Robert sprach, die kalte Hand drückend, ohne die Freude ganz im Tone bemeistern zu können: »Raleigh, wenn es Dir ein Trost ist zum Mitnehmen ins Jenseits, England wird glücklich. Männer, Todfeinde in Ansicht und Person, drückten sich die Hände, Männer, die wie Du lebten und dachten, sah man lächeln und eingestehn: Es kommt eine bessere Zeit.«

Ein Lächeln schwebte um Raleighs bleiche Lippen. Jetzt erst wurde Harriet seinen Zustand inne. Die alte Leidenschaftlichkeit wurde durch den Schmerz geweckt. Sie warf sich mit dem gedämpften Schrei des Entsetzens nieder und preßte Raleighs Hand an den Mund, als wolle sie ihn noch nicht fortlassen. Mit schwacher Stimme fragte er sie: »Unglückliche, wo wirst Du Trost finden?« Es waren seine letzten Worte. Harriet beugte sich über ihn, es war als flüstere sie ihm die Antwort zu, die Niemand außer dem Sterbenden hörte. Er verschied in ihren Armen.

Die so lange öde gestandene Burg Avalon füllte sich wieder zu einer traurigen Feierlichkeit mit stummen Gästen und einer düstern Pracht. Die schwarze Fahne flatterte abermals vom hohen Thurme, die Wappenschilde der Loscelyne hingen umflort an den Zinnen und Portälern, mit düsterm Sammet waren die Treppen und Gänge belegt und die Glocke hallte gedämpft dem Trauerzuge entgegen, der sich weithin durch die Ebne wand. Unter Fackelschein wurde die Leiche durch das Portal getragen; kaum faßte Avalon die Zahl der Leidtragenden, da der ganze Adel der Grafschaft dem mit Raleigh erlöschenden Geschlechte der Loscelyne die letzte Ehre erwies.

In tiefer Trauer hatte eine Dame in dem Ahnensaale seit Sonnenuntergang den Zug erwartet. Noch hafteten Harriets Blicke unbeweglich auf Raleighs jugendlichem Bilde, als Trelawny sie auf die dumpfen Tritte unter ihnen, auf den heraufschallenden Gesang der Chorknaben aufmerksam machte. »Wir kommen zu spät,« flüsterte er ihr zu. Sie hing sich an seinen Arm und schwankte hinunter. Das Gewölbe, oft der Zufluchtsort aller Bewohner von Avalon während der Bürgerkriege, war so geräumig um die ausgezeichnetern Leidtragenden aufzunehmen. Die rothen Fackeln beleuchteten eine der angesehensten Versammlungen, unter denen allen nur Harriet, die sich betend zu den Füßen des Sarges niedergeworfen, innigern Antheil an der Person des Abgeschiedenen zu nehmen schien. Der Schloßkaplan hielt eine kurze Rede; nur schüchtern erwähnte er der Verdienste des mit Raleigh aussterbenden Hauses; Raleigh selbst war zu wenig mit ihm bekannt gewesen. Der Dechant Tennison sprach nach ihm salbungsvoller; er glaubte es nicht unterlassen zu können, des Zornes der Vorsehung gegen solche Individuen und Familien zu erwähnen, welche ihren Winken nicht folgen wollen. Doch kaum, daß er das Amen nach dem Gebete für das Heil der Seele ausgesprochen, als Robert Fletcher, als Commissair König Wilhelms bei dem Leichenbegängniß, feurig das Wort nahm. Er rühmte mit beredter Stimme die großen Thaten und noch höheren Gesinnungen des ausgestorbenen Hauses. Noch wärmer wurde er, als er von seinem Freunde sprach, er vertheidigte dessen Treue gegen das Haus Stuart mit Worten, wie sie jetzt, wo die Whigs zu herrschen begonnen, aus dem Munde anderer für gefährlich gegolten hätten. Aber er schloß mit glühenden Lobsprüchen der großen Begebenheit und König Wilhelms, dessen Weisheit und Mäßigung selbst seine ärgsten Feinde zu stummen Lobrednern der großen Revolution machten. Er wiederholte einige Worte Oraniens, als dieser gerührt von dem Tode Raleighs gehört, und die ganze Versammlung wurde durch dieselbe Rede für die neue Regierung entflammt und mit tiefer Rührung für einen Mann erfüllt, der seine letzten Kräfte gegen dieselbe verwandt. Als Robert ausgesprochen, fühlte er lebhaft seine Hand gedrückt, ein dankbarer Blick Harriets traf ihn. Als er ihr nacheilen wollte, war sie im Gedränge verschwunden. Sie mochte, dachte er, nicht mit ansehn, wie das Wappen der Loscelyne über dem Sarge ihres letzten Stammhalters zerbrochen ward. Er fand sie aber auch draußen nicht mehr, und hat sie nie in England wieder gesehn. Auch ihres Oheims Bemühungen war es nicht gelungen ihren Aufenthalt und ferneres Schicksal in Erfahrung zu bringen, oder der Lord wollte und durfte den Antheilnehmenden nicht mehr als seine Vermuthung mittheilen, daß die Unglückliche mit Trelawny nach Rom gegangen.

Robert eilte, sobald die traurige Pflicht erfüllt war, einer angenehmeren nach. Doch könnte man nur mit Unrecht von seiner Eile sprechen, denn er mußte in der Kutsche an der Seite des Dechanten nach Tennison Castle fahren, und ob wir gleich der uns sehr befreundeten Karosse alle treffliche Eigenschaften zusprechen, so hat doch noch kein Anwald die der Schnelle und zwar einer Schnelle für Verliebte, die zu ihren Geliebten fahren, für sie geltend gemacht. Sir Robert saß zwar in seinem vollen militairischen Galakleide als Oberster der neuen englischen Leibgarde neben dem Dechanten; dessen Auge konnte sich aber dafür an der stattlichen Perücke und dem großen Tressenhute, der schon halb in die neumodische Form der Dreieckigen überging und die Beide durchaus nichts Puritanisches an sich trugen, weiden. In diese feierliche Tracht hatte ihn nichts anderes als Miß Annens Gebot geworfen. Denn als er in London, sie wieder erblickend, vom Pferde gesprungen war und mit militairischem Ungestüm seine Brautwerbung anbringen wollen, war er streng mit dem Bedeuten zurückgewiesen worden, wenn er an eine ernste und ehrenvolle Verbindung denke, förmlich, wie es sich zieme, zu erscheinen und anzuhalten. Es schien als habe Anna sogar von jenen Worten Roberts, als er einst zum unglücklichen Monmouth von seiner Brautwerbung als Sieger sprach, Kenntniß, denn sie erinnerte ihn, daß die Nichte eines Dechanten nie einem Ritter die Hand schenken werde, der ihr die seinige im Büffelleder gütigst vom Pferde herab reiche. Tausendmal verwünschte Robert ebensowohl die Gespräche des Oheims in Hoffnung, als den Sand und die Wagenpolster und probirte umsonst auf letzteren zu reiten.

Endlich stand er im Saal, er stand vor Miß Annen, die festlich geschmückt seine zierliche Brautwerbung im Kreise der Hausgenossenschaft anhörte. In zierlichem Perioden dankte das Fräulein, ihr schamrothes Gesicht im Fächer verbergend, für den schmeichelhaften Antrag. Sie erkannte die ihr erwiesene Ehre vollkommen an, rühmte alle Vorzüge dieser vortheilhaften Partie, bedauerte nur, daß sie damit so überrascht würde, und bat um acht Tage Bedenkzeit ehe sie ihr Jawort geben könne. Auf diese Bedenkfrist wurde streng gehalten; kaum bekam Robert sie während der Zeit zu sehen, wohingegen schön stilisirte Briefe mit Rosabändern umwunden ab und zu getragen wurden. Der Ritter rechnete mit dem Dechanten, und stellte Wechsel auf sich selbst aus. Sir Alexander ließ sich als guter Oheim und Vormund Belege über Sold und Einnahmen des Obersten vorlegen, und sandte sie, nachdem alles richtig befunden, der Nichte zu, worauf diese sich seufzend entschloß den Ritter zu sehen. Er schlich gar nicht feierlich, aber herzklopfend in der Abenddämmerung die Wendeltreppe hinauf; sie öffnete ihm die Thür, sie war allein, er öffnete die Arme und würde sie ohne alle Förmlichkeit an die Brust gedrückt haben, hätte nicht die sich sanft sträubende Dame zu früh gerufen: Mais mon dieu monsieur le Colonel! Anna entriß ihn lachend seiner Verlegenheit und der Demoiselle Maturin. Im nächsten Kabinet hat der Ritter zwar nicht das versprochene Jawort erhalten, aber nach vierzehn Tagen war Hochzeit in Tennison Castle, wo der Dechant die Trauung verrichtete, streng nach dem Book of common prayer der Anglicaner. Eine Hochzeit, so feierlich, daß allein die Beschreibung der Kutschen und Galakleider unserm Richardson noch Stoff zu einem ganzen Bande geliefert hätte, wäre dieser große Romanenschreiber nicht leider erst in demselben Jahre unserer Hochzeit 1689 geboren worden.

Es ist bekannt, daß in der berühmten Schlacht bei Malplaquet der General-Lieutenant Fletcher, ein Liebling des großen Marlborough, den wir so oft als Churchill gesehen, durch eine kühne Reiter-Attaque eine schon verlorene Batterie rettete. Dabei verwundet ward er in ein niederländisches Kloster der barmherzigen Schwestern gebracht, und genaß bald so weit, um in den Kreuzgängen gestützt auf seinen Sohn den Lieutenant Fletcher, sein liebstes Kind, da er in seinem jugendlichen Gesichte ganz die Züge der Mutter trug, umherzugehn. Der Vater blieb staunend bei einem ganz neuen Leichensteine mit der Jahrszahl 1709 stehen. Der Name: Soror Beata, olim Henrica, e stirpe praenobili Angliae orta mit dem Wappen der Wentworth verkündete ihm, wer hier ruhe. Der bejahrte Beichtvater des Klosters, der ihn schon lange mit seltsamen Blicken beobachtet, trat jetzt an den General-Lieutenant und sprach:

»Ja, Sir, so lange überlebte die Unglückliche ihre Leiden. Nur die Rückkehr in den Schooß unserer Kirche gewährte ihr den Trost für Schmerzen, die nur die Seelengröße einer Harriet Wentworth überwinden konnte. Voll edler Leidenschaftlichkeit, immer mit dem Bedürfniß, ihr eigenes Selbst, für einen verehrten Gegenstand aufzuopfern, schien die Verehrung, die sie für des Ritter Loscelyne Charakter hegen mußte, zuletzt auf die von ihm verehrte Familie überzugehen. Denselben Stuarts, die sie in ihrem Glücke mit aller Wuth und Leidenschaft gehaßt, folgte sie, sobald sie Gegenstande des Mitleids geworden, nach Paris. Erst nach König Jacob II. Tode zog sie sich in das Kloster zurück und starb, nachdem sie neun Jahre alle Pflichten einer frommen Christin ausgeübt.«

Robert erkannte in dem Beichtvater den Mann, den wir einst als Trelawny kennen gelernt. Beide trennten sich, wie es schien, weitere Erörterungen zu vermeiden. Fletcher kehrte nach beendetem Kriege in den Schooß seiner glücklichen und zahlreichen Familie zurück und freute sich, nachdem der große Marlborough, ein Greis, mit dem Sturz der Whigs in Ungnade gefallen war, ihm zu zeigen, daß, obgleich immer vom Glück begünstigt, er doch von dessen Launen unabhängig geblieben sei.

 

[Ende]

 


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