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Einleitung

Als Einleitung wollen wir den Dichter selbst sprechen lassen: mit den Worten, die er gelegentlich der Übersetzung seiner Werke in eine slavische Sprache schrieb.

»Bald sind es zweitausend Jahre her, seitdem sie steht, – die hohe, mächtige chinesische Mauer – die die innere kleine jüdische Welt von der ganzen übrigen Welt umher trennt. Statt diese Mauer zu zerstören und tiefer in die abgesonderte Welt hineinzuschauen, halten die guten Leute sie aufrecht, stützen und befestigen sie, sei es mit einem neuen Ziegelstein, sei es mit Mörtel, so daß sie immer höher und dauerhafter wird. Mit ihr bleibt auch die Legende von dem »ewigen Juden« in einen mystischen Schleier gehüllt …

Die jiddischen Schriftsteller und Künstler bemühen sich schon lange, in diese mystische Dunkelheit Licht zu bringen und die Schatten zu verbannen, die diese verhängnisvolle Mauer wirft. Auch ich beteilige mich seit mehr als einem halben Jahrhundert mit meinen schwachen Kräften an dieser Arbeit; ich bemühe mich, den inneren Sinn im Leben der Ghettobewohner zu erfassen und finde hier das lichte Bild des Menschen mit allen seinen Freuden und Sorgen und dem Streben zum Ideal. Die auftretenden Gegensätze zwischen den äußeren Lebensbedingungen des dunklen Ghettos und den reinen Seelenregungen seiner Bewohner schaffen zuweilen komische Situationen, die bald ein leises Lächeln, bald lautes Lachen hervorrufen. Diese Erscheinung wird von den Lesern nicht dem Leben selbst, dem sie eigen ist, zugeschrieben, sondern der Phantasie des scherzhaft aufgelegten Autors. Und der Autor wird irrtümlicherweise zu den Humoristen gezählt.

Der Gedanke, nicht nur die Bewohner des Ghettos mit dem Wesen des Ghettos bekanntzumachen, sondern durch Übertragung der Werke jiddischer Schriftsteller es auch der großen Menge näher zu bringen, kann nur begrüßt werden. Die meisten Übel, die sich über die Häupter meiner Brüder ergießen, entstehen fast nur dadurch, daß man uns gar nicht oder fast gar nicht kennt, durchaus nicht dadurch, weil man uns – wie manche es sich einbilden, – zu gut kennt.

Wer will, kann die in den Kindergeschichten geschilderten Ereignisse der jungen Helden und ihre Charakterzüge auf den Autor übertragen, der ebenfalls ein Ghettobewohner war. Diese Erzählungen sind zu verschiedenen Zeiten im Laufe von fünfundzwanzig Jahren entstanden.«


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