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Fünfter Aufzug.

Villa bei Rom.

Erster Auftritt.

Lucretia. Leonore.

Lucretia.

Nun, Leonore? Bist du jetzt zufrieden?
Ist unserm Tasso nun sein Recht geschehn?

Leonore.

Ob ich zufrieden bin? Ja, theure Schwester,
Ich bin zufrieden, daß die Welt ihr Unrecht
Erkennt und es bereut! Doch Unrecht ist,
Wenn endlich auch erkannt, noch nicht Ersatz
Für vorenthaltnes Recht.

Lucretia.

In welcher Schule
Spitzfünd'ger Grübler bist du denn gewesen,
Daß du so haarscharf Recht und Unrecht scheidest?
Wir arme Sterbliche sind schon zu loben,
Wenn aus dem Irrthum uns Erkenntniß kommt.

Leonore.

Mag seyn für uns; doch der das Unrecht litt,
Hat nicht Gewinn von unsrer späten Reue.
Nein, Schwester, nein! nie werd' ich es verzeihen,
Nie werd' ich mild auf jene Harten sehn,
Und sey's mein Bruder, den ich ehr' und liebe –
Die dieses Leben, das mir theurer war
Als meine eignen Tage, so vergiftet! –
Ich kann es nicht vergessen, kann es nicht,
Und wenn sie ihn mit Königskronen krönten
Und ihm den Purpur hingen um die Schulter,
Daß er, ein Opfer blutiger Gewalt,
Im düstern Kerker unter Irren saß,
Daß ihn Italien ausstieß, sich die Thore
Verschlossen, wenn er nahte, hülflos er,
Ein Bettler fast, von Stadt zu Stadt geirrt.
Da hätten Welschlands Fürsten sich geehrt,
Wenn sie dem Dichter gastlich sich erwiesen;
So aber blickte jedes Auge weg,
Und jedes Ohr verschloß sich, statt zu hören.

Lucretia.

Und doch krönt man ihn heut am Capitol!
Sieh, theure Schwester, das ja eben ist
Die Kraft der Wahrheit, daß sie siegreich geht
Aus allen Kämpfen; wie Parteienwuth,
Wie Lüg' und Tücke das Verdienst entstellten,
Und Haß und Neid – es steht durch eigne Macht,
Und eine Stunde kommt, wenn noch so spät,
Die es erkennt, es würdigt und es krönt.

Leonore.

Nur Schade, daß die besten, reinsten Herzen
Still stehn, eh' hin der träge Zeiger rückt! –
Ach, armer Tasso! armer, edler Tasso!
Doch Dank, daß ich's erlebt, daß ich's noch sehe,
Wie aus dem Dunkel, das ihn lang umgab,
Der Mann, den ich geliebt, sein Haupt erhebt!
Daß selbst Alphons, beschämt vom lauten Ruf
Der Meinung, wieder gut zu machen strebt,
Was er an deiner Jugend Glück verschuldet,
Und daß dein Feind, Montecatin' es ist,
Der in Ferrara's Namen dich begrüßt! –

Lucretia.

Und doch scheinst du betrübt mehr als erfreut?

Leonore.

Seltsam bin ich bewegt und nicht zu deuten
Weiß ich des Herzens sonderbare Regung.
Es füllt mein Aug' auf's Neue sich mit Thränen,
Die Wundennarben brechen wieder auf
Und bluten wieder, und in meine Brust
Ziehn alle alten Schmerzen wieder ein! –
Ich soll ihn sehn, wie ich ihn immer sah
In meinen heimlichsten und schönsten Träumen:
Erkannt und hoch geehrt von aller Welt; –
Und doch faßt eine Angst mich und ein Grauen,
Das düstrer noch, weil jeder Grund ihm fehlt.

Lucretia.

Da kommt Montecatino! – Sammle dich!

Zweiter Auftritt.

Vorige. Montecatino.

Lucretia.

Willkommen, Herr! – Nun sagt, ist unser Auftrag
Nach Wunsch besorgt?

Montecatino.

Er ist es, Euer Hoheit;
Man wird sich ganz nach Eurem Willen fügen,
Nicht mehr, als Eurer Hoheit selbst beliebt,
Soll Euer Rang beim Fest beachtet werden.

Leonore.

Das ist erwünscht!

Lucretia.

Viel Dank für Euren Dienst.

Montecatino.

Nie sah ich einen Jubel noch, wie den!
Seit frühem Morgen regt sich Alles schon,
Aus allen Dörfern strömt das Volk zusammen,
Und deckt die Wege weit und breit, und jauchzt.
Die Bäume selbst sind rings behängt mit Kränzen,
Und hohe Maste stehen ausgerichtet,
Von denen bunte Wimpel lustig flattern.
Je näher man der Stadt kommt, um so dichter
Wird das Gewühl, das fast die Schritte hemmt.
Die Straßen wimmeln und die Fluth der Menge
Stürzt sich, wie durch ein ausgezogen Wehr,
Auf alle Plätze wo der Zug soll wallen.
Balkon' und Fenster sind mit reichen Decken
Und Teppichen behängt, und reich geschmückt
In Prachtgewänder schau'n dort Herrn und Frauen.
Die meisten Fürsten Welschlands sind versammelt,
Und die nicht kamen, schickten Abgesandte;
Der König selbst von Frankreich schickte einen.

Lucretia.

Gesteht, Montecatino, solch ein Fest
Zu Ehren Tasso's war't Ihr nicht erwartend,
Als Eurer Obhut zu Sankt Anna er
Empfohlen war und Eurer Freundessorge!

Montecatino.

Man hielt mit Unrecht mich für seinen Feind.
Ich war ein Diener Seiner Hoheit nur,
Die damals ihm nicht allzu sehr gewogen.
Doch nun der Herzog selbst geruht, das Fest
Mit einer eignen Botschaft zu beehren,
Und mich erkies't hat zu dem Ehrenamte,
Ziemt meinem Urtheil keine Stimme mehr.
Ich bin in Allem nur des Herzogs Diener,
Und habe keine Meinung als die seine.

Lucretia.

Ein weises Wort, und der es Euch gelehrt,
Hat wohl verstanden, was an Höfen frommt.

Leonore.

Bald ist's zum Aufbruch Zeit, wir müssen eilen.
Geht, wenn es Euch beliebt, Montecatino,
Und heißet das Gefolg bereit sich halten.

Montecatino.

Ich eile, Hoheit! (Geht ab.)

Leonore.

Meine Pulse fliegen,
Mir pocht das Herz fast hörbar in der Brust,
Und eine Angst, der ich nicht Meister werde,
Schnürt mir den Athem zu.

Lucretia.

Das ist die Freude!

(Sie gehen ab.)

Dritter Auftritt

St. Onufrio zu Rom. Erker, aus dem ein Säulengang führt.

Tasso (am Fenster).

Welch reiches Bild vor meinem Blick! – Da liegt
Der stille Klostergarten mir zu Füßen,
Mit seinem rosenblüh'nden Oleander
Und seinen dunkelschattenden Cypressen!
Und dort die Eiche, wo ich oft geruht,
Und dicht daran der stumme Todtenacker
Mit Kreuz und Leichensteinen übersä't;
Doch hinter seinen Mauern ragt die Stadt
Mit tausend Thürmen, Kuppeln und Palästen,
Mit ihren Brunnen, ihren Obelisken,
Mit aller Pracht und aller Herrlichkeit,
Die seit Jahrtausenden sich hier gesammelt.
Und drinnen rauscht und fluthet das Gewühl
Der Menge, die den Namen Tasso ruft,
Und Kopf an Kopf sich drängt um meinen Anblick. –
Ich aber bin so matt und todesmüde,
Daß ich mich nach des Kirchhofs Frieden mehr
Als nach dem Kranz am Capitole sehne! –

Vierter Auftritt

Tasso. Angioletta. festlich gekleidet.

Tasso.

Ei! wie geschmückt ist meine Angioletta!

Angioletta.

Zu Eurem Ehrentage bin ich so.

Tasso.

Du treue Liebe!

Angioletta.

Viel vornehme Leute,
Fürsten und Herrn, und reichgeschmückte Damen,
Sind schon im Saal, um Euch Geleit zu geben
Zum Capitol, und ungeduldig wartet
Das Volk auf allen Straßen. – Das ist der Tag,
Der Euer ganzes Leben aufwiegt, Tasso!

Tasso.

Das ist er, ja! – Nicht, weil mich äußrer Flitter,
Weil mir ein Lorbeerkranz das Haupt umgibt,
Weil mir das Volk zujauchzt und im Triumphe
Ich einzieh' auf dem hohen Capitol:
Das ist es nicht, das konnt' ich wohl entbehren;
Doch daß ich dasteh' als ein Würdiger,
Daß dieser Zuruf mir ein Zeugniß gibt,
Daß ich vergebens nicht gestrebt, daß mit der Lust
Zum Schaffen mir ein Gott die Kraft gewährt,
Daß für die Schmach, die mir ein Einz'ger that,
Wenn auch ein Fürst, die Welt mir Abbitt' thut,
Daß ich kein kettentoller Thor, verwirrten Geistes
Hinüber gehe in die künft'ge Zeit,
Die Nachwelt unentstellt mein Bild wird schauen –
Das ist's, was mir der heut'ge Tag bedeutet.
Und – laß mich meine Schwäche dir gestehn,
Die, nah' am Grab', vielleicht mich übel kleidet, –
Wie Regen fällt auf ausgedorrtes Land,
Saugt meine Seele diesen Tag in sich,
Und grünt und blüht davon! Was je ich litt,
Ist ausgelöscht durch ihn; – doch keinen zweiten
Möcht' ich, nach diesem Tage, noch erleben!
Ja, Angioletta, ja, ich will zur Rast!
Wie auf dem Arm der Wärterin ein Kind,
Das grüne Wiesen, bunte Blumen sieht,
Unruhig nach den schönen Farben langt,
Und seine Händchen aus dem Fenster streckt,
So streck' ich meine Arme nach dem Grabe! –
Was hätte auch die Welt noch Herrliches,
Das sie mir nicht gegeben – und versagt!

Angioletta.

Ja. Tasso, geht! – Ich fühl' es so wie Ihr,
Daß eure Rechnung mit der Welt geschlossen;
Doch wenn Ihr geht, hört Ihr? – nehmt mich mit Euch! –
Was war mein Leben, was ich selbst?
Der Schatten Tasso's war ich, weiter nichts. –
Was kann ich denn noch seyn, wenn Ihr dahin?
Auch mir, wie Euch, ist mit dem heut'gen Tage
Des Lebens Ziel erreicht; was kommen kann,
Ist nur ein fernverklungner Nachhall noch
Von dieses heut'gen Tages Chorgesang.
Ich kann ihn missen, wenn ich den gehört. –

Tasso.

Es ist kein Mährchen, das die Dichter fabeln:
Es webt ein magisch Band in der Natur!
Ein Bann, ein Zwang, der Geister unterthan
Verwandten Geistern macht. 's ist keine Wahl,
Die Herz zum Herzen zieht; 's ist ein Geschick! –
Nicht jetzt zum erstenmal, ich fühlt' es oft:
Du bist kein fremdes Wesen außer mir,
Du bist ein Stück von meinem eignen Seyn.

Angioletta.

Sagt mir das noch einmal! Es ist zu süß,
Daß Ihr das fühlt wie ich! So dacht' ich stets.

Tasso.

Nun, Mädchen, sieh, ich will dir etwas sagen;
Ich weiß, du kannst es hören ohne Angst;
Dichter und Sterbende sind ja Propheten,
Und ich, mein trautes Mädchen, ich bin Beides.
Du wirst nicht lange wallen ohne mich;
Dich hält die Erde nicht, wenn erst mein Geist
Von einem andern Sterne zu dir ruft;
Nicht lange wirst du auf dich warten lassen! –
Die Rosen, die auf deinen Wangen blühn,
So purpurdunkel sind die Blumen nicht,
Die Jugend treibt auf deinem Frühlingsantlitz;
Das ist ein tiefer Glühn – das ist der Tod!

Angioletta.

Mein Tasso, ja, Ihr sagt's! ich folge bald!
(Sie sinkt in seine Arme.)

Tasso.

Und nun genug! Kein ungeduldig Sehnen;
Laß immer mich voraus. Ist reif die Frucht,
Wird sie von eigner Schwere niederfallen. –

Fünfter Auftritt

Vorige. Lucretia. Leonore.

Lucretia.

Es kommen Freunde, Tasso, Euch zu grüßen.

Tasso.

Ha! wie – Prinzessin! Ihr? – und Euer Hoheit?!
Ihr hier in Rom? Wie soll ich es Euch danken?
Das ist zu viel des Glücks an Einem Tage!

Leonore.

Wir sind so nah' gestanden Eurem Werth,
Und sollten ferne stehn, nun man ihn krönt?

Lucretia.

Ihr habt nur Gönner in Italien
Und Freunde noch; die Feinde sind verschwunden.
Daß selbst Alphons bereut die vor'ge Strenge,
Mag Euch Lenorens Gegenwart bezeugen.

Leonore.

O, welche Freude, mein geliebter Freund,
Daß Euch die Welt nun kennt, wie ich Euch kannte!
Nun ist mein Herz befriedigt, was jetzt noch
Das Leben Gutes oder Böses bringt,
Ich will's mit Gleichmuth tragen! – Mögt Ihr lang
Den Frieden, der so spät Euch erst genaht,
Mög't Ihr ihn lang genießen, edler Freund!

Tasso.

Ihr wünscht mir Ruhe, und doch soll ich leben?
Gott, Fürstin, hat mich ruhelos gemacht!
Ich fühl's in diesem Augenblicke wieder:
So lang' die Luft ich athme dieser Welt,
Bin ich im Kampf befangen, und die Flammen
In dieser Brust, und wenn sie Berge deckten,
Ein Hauch des Windes bläst sie wieder auf!

Leonore.

Ach, es ist eine schöne Stunde, die
Nach langer Irrsal uns zusammenführt,
Laßt sie uns rein und ungetrübt genießen;
Laßt nicht die Stürme der Vergangenheit
Aufwühlen ein kaum stillgewordnes Meer
In seinen Tiefen und an's Licht herauf
Des Schiffbruchs Trümmer bringen, die es deckt.

Lucretia.

Laß froher Hoffnung frische Morgenluft
Die Segel Eures Lebens neu beflügeln.

Tasso.

Die Zukunft, die mir lacht und die ich wünsche,
Liegt jenseits dieser Welt, dort steur' ich hin,
Ich fühl's, mit vollen angeschwellten Segeln.
Doch laßt mich immer der Vergangenheit
Gedenken, denn bald wird die Gegenwart
Mir auch vergangen seyn!
Befürchtet nicht, es werd' ein wilder Sturm
Aufwühlen aus dem Meer unholde Larven,
Die d'rin verborgen ruhn. O nein! Ein Taucher,
Tauch' ich in seinen Schooß, und hole edle Perlen,
Kleinode der Erinn'rung, reich, unschätzbar,
Herauf an's Licht! – Laßt mich der Tage denken,
Wo in den Gärten ich zu Buon Retiro
An Eurer Seite, selig wie ein Gott,
Die Brust mit tausend Bildern großer Thaten,
Mit schöner Zukunft Wundern angefüllt,
Einher ging und die Welt zu enge war
Für mein Gefühl, zu eng – ach! für mein Glück!

Leonore.

O, schweigt! genug davon! Es war ein Traum!

Tasso.

Kein Traum; es war das volle, reiche Leben:
Da war kein Wunsch, kein Hoffen, kein Gedanke,
Den ich Euch nicht vertraut, kein schön Gefühl,
Das nicht in Eurem Herzen wiederklang.
Da lebt' ich, wie die sel'gen Götter leben
In ihren Hainen, wo nie Wetter toben
Und ew'ger Sonnenschein die Luft verklärt! –
Was dann geschah, was dann mein Schicksal war,
Laßt mich verhüllen schweigend und vergessen! –
Nun steh' ich so wie damals neben Euch,
Und fühl's, ich stehe so zum letztenmal!
Ja, Leonore, ja, es kommt zum Scheiden!
Reicht mir die Hand, reicht sie mir einmal noch,
Wie ihr sie damals mir gereicht! – Zum Pfande,
Daß keine Zeit die alte Treue ändert,
Und daß ich Euch vertraue, ewig, ewig –
Leg' einen Schatz in diese theure Hand,
Ein reiches, kostbares Vermächtniß ich,
Werth, daß ich es an Eurem Busen berge
Angioletta!

Angioletta.

Tasso! was beginnt Ihr?

Tasso.

Nehmt dieses Herz, und wenn ich nicht mehr bin,
Bewahrt's und haltet's hoch um meinetwillen!
Sie wird Euch lieben, wie sie mich geliebt!

Lucretia.

Was ist Euch, Tasso? Gott, was ist geschehn?
Ihr werdet bleicher stets!

Leonore.

Um's Himmels Willen?

Angioletta.

Erholt Euch!

Tasso.

Laßt; es wird vorübergehn. –

Lucretia.

Horch! welch ein Aufruhr!

Leonore.

Was geschieht?

Angioletta.

Die Glocken klingen laut von allen Thürmen!

Lucretia.

Geschütze donnern von der Engelsburg. –

Leonore.

Es ruft zum Fest! Dort kommt Aldobrandini.

(Man hört Glockengeläute und von Zeit zu Zeit einen Kanonenschuß in der Ferne.)

Sechster Auftritt.

Vorige. Aldobrandini.

Aldobrandini.

Verzeiht, Prinzessin, daß ich unsern Freund
So lieblicher Umgebung muß entziehn.
Die Stunde ruft, versammelt sind die Gäste:
Gefällt es Euch, so folgt mir nach dem Saale,
Wo Eurer Gegenwart sie harren, um
Zum Capitole unsern Tasso dann
Im feierlichen Zuge zu geleiten.

Lucretia.

Wir sind bereit.

Aldobrandini.

Auch Ihr, mein Freund?
So kommt und laßt den Augenblick der Freude
Nicht länger uns verzögern. Laßt uns gehn.

Tasso.

Nun denn, wohlan! Ich war bereit, zu steigen
In mein halb offnes Grab, still, ungeehrt,
Von Wenigen geliebt nur und entbehrt,
Mein müdes Haupt zum letzten Schlaf zu neigen!
Nun schallt vom Todtenacker mir der Reigen
Des hellen Lebens wieder; zugekehrt
Hat es mir lockend seinen reichsten Werth,
Zu kränzen mich mit seinen schönsten Zweigen!
Auch das ist Gottes Stimme, die mir tönet,
Und ich gehorche! Ist's doch seine Hand,
Die Leben, Tod, Schmach, Ruhm mir zugewandt,
Die nieder mich gebeugt und die mich krönet,
Und die zuletzt noch meines Grabes Rand
Mit allem, was mein Heiz erhebt, verschönet! –

(Sie gehen durch den Säulengang ab.)

Angioletta.

(bleibt allein zurück; sie blickt den Abgehenden nach).

Wie ist mir? Täuschen meine Sinne mich?
So sah ich ihn noch nie! Aus seinem Auge
Sprach nicht sein Blick; es war ein andrer Strahl,
Der ihn verklärt, und jeder seiner Züge
Schien fremd mir und verändert.

(Schreit auf.)

Weh mir!
O Gott! Er sinkt! Sie drängen sich um ihn! –
Fort! Er ist todt!

(Sie stürzt durch den Säulengang ab. Immer lauter hört man: »Es lebe Tasso!« rufen, von Musik und Geläute der Glocken hinter der Scene und dem Donner des Geschützes begleitet.)

Siebenter Auftritt.

Ein großer Saal, mit reich geschmückten Damen und Herrn angefüllt. Musikanten, Pagen (von denen einer einen Lorbeerkranz auf sammtenem Kissen hält). Hellebardiere sind im Hintergrunde aufgestellt.

Vorne liegt Tasso todt in einem Lehnstuhle, zu seinen Füßen kniet Angioletta. Cornelia und die Prinzessinnen stehen um ihn. Weiter zurück Montecatino und andere Gäste. Ganz vorn Aldobrandini.

Aldobrandini.

Es ist vorbei! Heißt diesen Jubel schweigen,
Die frohen Melodien laßt verstummen
Und die Musik in Trauertönen klagen.
Die Zierde von Italien ist hin! Er hat
Den Tag der lauten Freude nicht erlebt;
Es ist vorbei! Nicht auf das Capitol
Ruft ihn der helle Klang der Glocken mehr;
Den hohen Geist hat Gott zu sich gerufen,
Uns bleibt nur, seinen Körper zu bestatten.
Er hat die hohen Hallen nicht erreicht,
Wo ihm der Lorbeer sollt' die Schläfe schmücken,
Er sank ermattet auf der Schwelle hin.
So setz' ich nun den Kranz, den ich so gern
Hätt' auf das Haupt des Lebenden gesetzt,
Dem todten Tasso auf die edle Stirn.

Leonore.

Er ging dahin fürwahr mit reichem Lohne:
Ein Kerker, weil er lebt', im Tod – die Krone!

(Der Vorhang fällt.)

Ende.


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