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Bild: Max Slevogt

Die Schlacht bei Kunxra

Durch Überläufer von der königlichen Armee erfuhr Kyros nach weiteren drei Tagemärschen, daß der Feind in der Nähe sei, und hielt noch um Mitternacht über seine gesamte Streitmacht Musterung. Die Nachricht konnte ihn nicht überraschen, im Gegenteil mußte ihn das bisherige lange Zögern des Großkönigs in Verwunderung sehen. War doch Tissaphernes noch vor Kyros aufgebrochen und hatte nach wenig mehr als einem Monat ihm von dessen Empörung Kenntnis gegeben. Freilich hatte der König wohl nicht gedacht, daß sein Bruder so leicht durch Kilikien ziehen und Abrokomas seine 300 000 Mann nur dazu brauchen würde, die Schiffe auf dem Euphrat zu verbrennen. Aber seitdem waren wieder zwei Monate vergangen, ohne daß die Königlichen dem Empörer entgegentraten, der nun wie in vollem Frieden bis in das üppig fruchtbare Land von Babylonien vorgedrungen war, wo die Flüsse Euphrat und Tigris nur noch wenige Meilen voneinander strömen. Daher spotteten die Hellenen über den König und sagten: »Der kann weder reiten noch Wein trinken, weder jagen noch fechten.« Etwas anders dachte denn doch Kyros von seinem Bruder. Als Klearchos ihn fragte: »Meinst du, daß sich dein Bruder wirklich zum Kampfe stellen wird?« hatte er erwidert: »Bei Zeus, sicherlich! Wenn er der Sohn des Dareios und der Parysatis ist und mein Bruder, so werde ich die Krone nicht ohne eine Schlacht gewinnen.«

Nach der Musterung hielt Kyros eine Ansprache an die Offiziere der Hellenen: »Ihr Männer von Hellas,« sagte er, »nicht aus Mangel an eigenen Truppen hab ich euch mit mir geführt, sondern weil ich weiß, daß ihr tapferer und stärker seid, als eine noch so große Menge von Barbaren. Zeigt euch nun der Freiheit würdig, deren ihr euch erfreut. Glaubt mir, ich beneide euch darum und würde all meine Schätze, wären sie auch vielmal größer, als sie sind, gern hingeben, wenn ich mir damit eure Freiheit erkaufen könnte. Die Barbaren meines Bruders hoffen alles von ihrer unermeßlichen Zahl und ihrem wüsten Geschrei, aber wenn ihr euch dadurch nicht schrecken laßt, ich schäme mich, es sagen zu müssen, werdet ihr nur feiges Gesindel an ihnen finden. Haltet euch wacker, und ich will euch, wenn ich siege, mit solchem Lohne in eure Heimat zurücksenden, daß eure Freunde euch beneiden sollen. Doch hoffe ich, so mancher von euch wird lieber in meinem Dienste bleiben, als nach Hellas gehen.«

Auf diese Rede nahm ein Hellene von der Insel Samos das Wort und sagte: »Kyros, manche unter uns meinen, das hört sich ganz gut an, in der Stunde der Gefahr versprichst du uns goldene Berge, aber wenn die Gefahr vorüber ist, wirst du deine Versprechungen vergessen oder auch vielleicht außer stande sein, sie zu halten.«

Kyros erwiderte: »Meines Vaters Reich erstreckt sich gegen Mitternacht bis zu den Gegenden unerträglicher Kälte und gegen Mittag bis zu denen von erstickender Hitze, und was dazwischen liegt, wird alles von den Freunden meines Bruders verwaltet; siegen wir, so werde ich meine Freunde über dies alles setzen. Ich besorge weniger, daß ich nicht genug Ehrenstellen haben sollte, euch zu belohnen, als daß ich nicht Freunde genug finde, meinen Lohn anzunehmen. Überdies soll jeder von euch, ihr Obersten und Hauptleute, zum Andenken an diesen Feldzug einen goldenen Kranz von mir erhalten.« Die glänzenden Aussichten, welche Kyros eröffnete, kamen auch zur Kenntnis der übrigen Hellenen, und ihre Kampflust wurde dadurch noch mehr angefeuert.

Die Obersten drangen in Kyros, sich nicht den Gefahren der Schlacht auszusetzen; sie rieten ihm, seine Stellung hinter ihren Reitern zu nehmen. Diesen Rat gaben sie teilweise im eigenen Interesse, denn um seine Person drehte sich der ganze Krieg, und von seinem Leben hing auch ihr Schicksal ab. Allein Kyros ging nicht darauf ein, und er tat recht daran. In jenen Zeiten wurde keine Schlacht ausgefochten, ohne daß der Feldherr selbst sich in das Getümmel stürzte, ja allen voran kämpfte, während es allerdings heutzutage dem alles leitenden Feldherrn, gewissermaßen dem denkenden Kopfe des Heeres, verdacht wird, wenn er sein kostbares Leben ohne dringende Not in Gefahr seht.

Kyros erwartete den Zusammenstoß der Heere für den nächsten Tag; seine Truppen marschierten daher in voller Kampfbereitschaft. Aber der Tag verlief, und kein Feind war erschienen. Da gedachte er einer Weissagung, die ihm geworden. Der hellenische Wahrsager Salinos hatte unlängst ein Opfertier für ihn geschlachtet. Die Hellenen glaubten nämlich, daß aus den Eingeweiden eines Rindes –Herz, Lunge, Leber –Götterzeichen zu entnehmen wären, welche auf das Schicksal dessen, für den es geschlachtet wurde, hindeuteten. Salinos wollte nun in den Götterzeichen lesen, es werde in den nächsten zehn Tagen nicht zum Kampfe kommen. Als Kyros dies erfuhr, freute er sich und sagte: »Wenn sich der König in den nächsten zehn Tagen nicht zum Kampfe stellt, wird er überhaupt nicht fechten,« und versprach dem Opferschauer, falls seine Weissagung in Erfüllung gehe, werde er ihm 3000 Dareiken, nach unserem Gelde etwa 36 000 Mark, schenken. Diese Zeit war nun verstrichen, und der Wahrsager erhielt den versprochenen Lohn. Bald darauf wurde Kyros in seiner Hoffnung noch durch ein anderes Zeichen bestärkt. Die Kundschafter brachten Nachricht, daß sie auf eine neuangelegte und unabsehbar weit ausgedehnte Schutzwehr getroffen seien. Der Großkönig hatte im Abstande von zwanzig Fuß von dem Ufer des Euphrat, an dem das Heer noch immer hinzog, einen achtzehn Fuß tiefen und dreißig Fuß breiten Graben in einer Länge von, wie man sagte, nicht weniger als acht deutschen Meilen ausheben lassen, eine Arbeit, die unsägliche Mühe gekostet, und wenn auch viele Tausende von Arbeitern Tag und Nacht daran beschäftigt waren, die Zeit von mehreren Monaten in Anspruch genommen hatte. Es schien daher gewiß, daß der mächtige Bau von den Feinden bestens werde ausgenutzt werden, und Kyros machte sich auf einen harten Kampf gefaßt, dessen Ausgang recht bedenklich war, da sein Heer auf dem schmalen Raum von zwanzig Fuß zwischen Fluß und Graben beständig den Geschossen des Feindes ausgesetzt sein würde. Aber als man zu der gefürchteten Stelle kam, war kein Mensch hinter dem Riesenbau zu sehen, und sie konnten ungefährdet daran vorbeiziehen. Man bemerkte hinter dem Schutzgraben viele Spuren von Pferden und Menschen, also waren Truppen da gewesen, aber wieder zurückgewichen.

Nun glaubte Kyros nicht anders, als daß sein Bruder auf den Kampf verzichten und den Thron ihm ohne Widerstand überlassen wolle. Er war bis dahin zu Pferde gewesen, jetzt fuhr er im Wagen. Auch das Heer machte es sich bequem, die Hopliten legten ihre bei der glühenden Hitze sehr beschwerlichen Schilde auf die Packwagen oder ließen sie von ihren Sklaven tragen. Doch als die Hellenen bald ihr Mittagsmahl einzunehmen dachten, jagte plötzlich ein Kundschafter in gestrecktem Galopp und auf schweißtriefendem Pferde an dem Zuge vorüber und schrie, hier in persischer, dort in hellenischer Sprache: »Der König kommt! Der König kommt!« Nun geriet alles in die lebhafteste Bewegung. Kyros legte sofort seine Rüstung an und ordnete das Barbarenheer, während die Hellenen von ihren Obersten in Schlachtordnung gestellt wurden. Sie nahmen den rechten Flügel ein, Aräios mit den Barbaren den linken, Kyros mit 600 persischen Reitern, seiner Garde, die Mitte. Diese Reiter trugen Brustpanzer, Helm, kurze hellenische Schwerter und in der Rechten zwei Wurfspieße, auch ihre Pferde waren an Kopf und Brust durch leichte Panzer geschützt. Kyros hatte statt eines Helms die aufrechte Tiara aufgesetzt, das Zeichen der Königswürde.

Es dauerte über Erwarten lange, bis der Feind sich zeigte. Endlich nachmittags sah man in der Ferne eine gewaltige Staubwolke; nach einiger Zeit war der weite Raum ganz schwarz von den heranziehenden Massen der Feinde, und wie sie noch näher waren, blitzte ihre lange Linie von unzähligen Lanzenspitzen, und waren die gesonderten Haufen, nach den Völkerschaften geordnet, deutlich zu erkennen; ihre 150 Sichelwagen –Kyros hatte deren nur 20 –fuhren vorauf. Die Sichelwagen waren zweirädrige, mit kräftigen Pferden bespannte Karren, an deren Achse sich zu beiden Seiten weit hervorragende scharfe Sensen befanden, um, von dem Lenker zu schnellstem Laufe angetrieben, sobald sie in die Reihen der Feinde drangen, rechts und links, wen sie trafen, zu durchschneiden.

Wie die beiden Heere in Schlachtordnung einander gegenüberstanden, konnte man sehen, wieviel größer das Heer des Königs war als das des Kyros. Man sagte, der König führe weit mehr als eine Million Soldaten mit sich; das war freilich übertrieben, aber das Heer war doch so groß, daß die Schlachtlinie des Kyros, obwohl von viel geringerer Tiefe, nur wenig über die Mitte der königlichen hinausreichte. Der Großkönig, von 6000 seiner besten Reiter gedeckt, saß zu Pferde und hatte seinen Platz in der Mitte der Linie genommen. Neben ihm war das Kriegsbanner seiner Vorfahren aufgerichtet, ein goldener Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf einer hohen Stange.

Kyros ritt eine Strecke vor und überschaute bald sein eigenes Heer, bald das feindliche; die große Ausdehnung des letzteren erschreckte ihn nicht, er baute auf seine Hellenen. Zu diesen ritt er denn auch heran und rief ihnen freudig zu, was ihm soeben der Opferpriester gesagt: »Die Götterzeichen sind günstig.« Da hörte er, wie ein Gemurmel durch die Reihen ging. Auf seine Frage, was es bedeute, antwortete man, der Kriegsruf werde zum zweitenmal von Mann zu Mann gegeben. Die Losung, der Kriegsruf, wurde kurz vor Beginn einer Schlacht von dem Führer dem ersten Soldaten der vordersten Reihe angesagt, von diesem ging sie dann weiter durch sämtliche Reihen, und war sie zum letzten gelangt, so ging sie zu größerer Sicherheit noch einmal zum ersten zurück. Kyros fragte weiter: »Wie lautet die Losung?« »Zeus Retter und Sieg!« war die Antwort. »So ist's recht, möge sie in Erfüllung gehen!« rief er zurück und begab sich zu seinen Reitern. Er hatte Klearchos aufgefordert, den ersten Angriff gegen die Mitte der feindlichen Schlachtreihe zu richten, wo der König war. »Denn,« sagte er, »wenn wir da siegen, ist die ganze Schlacht gewonnen.« Aber Klearchos hielt es für richtiger, den Heerhaufen des Tissaphernes anzugreifen, der ihm gerade gegenüberstand, und versicherte, er werde schon dafür sorgen, daß alles ein gutes Ende nehme. Er fürchtete, die Hellenen könnten; wenn sie gegen die Mitte des Feindes vorrückten, von diesen zugleich in der Front und im Rücken angefallen werden. Allein nach dem Ausgang der Schlacht zu urteilen, hätte er besser getan, Kyros' Aufforderung zu folgen.

Die verhängnisvolle Schlacht, welche sich nun zwischen den feindlichen Brüdern entspann, heißt nach einem benachbarten Dörfchen, das längst vom Erdboden verschwunden ist, die Schlacht bei Kunaxa. Tissaphernes hielt mit seinen Reitern auf dem linken Flügel gegenüber den Hellenen; zu seiner Rechten standen Bogenschützen, welche Schilde aus Weidengeflecht führten, die, mit einer Stange versehen, in den Boden gestoßen werden konnten, so daß die Schützen teilweise gedeckt waren; an diese schloß sich das ägyptische Fußvolk mit großen hölzernen, den ganzen Leib schirmenden Schilden. Die Barbaren rückten diesmal ohne Geschrei und in festem Schritte vor. Als die Schlachtreihen noch etwa tausend Schritte auseinander waren, stimmten die Hellenen den Schlachtgesang an und setzten sich in Marsch, anfangs langsam, zuletzt in Sturmschritt. Sie waren noch nicht bis auf Pfeilschußweite vorwärts gekommen, als die meisten Feinde, schon von dem bloßen Anblick der Gegner um allen Mut gebracht, sich in wilde Flucht ergossen. Die Lenker der Sichelwagen sprangen von ihren Sitzen und überließen die Pferde ihrer Willkür, die nun querfeldein, teils rechts, teils links, hinjagten; manche liefen auch in ihre eigenen Reihen und vermehrten noch die Verwirrung, nur wenige nahmen die Richtung auf die Hellenen zu, wo ihnen leicht ausgewichen wurde. Mehr Mut bewies Tissaphernes. Er floh nicht, sondern sprengte mit den Reitern gegen die Leichtbewaffneten, doch diese gaben ihm Raum und schossen auf die hindurchjagenden Barbaren. Der ganze Schaden der Hellenen bestand in einem Mann, der durch einen Pfeilschuß getroffen, und einem anderen, der von einer Sense gestreift war.

Die fliehenden Barbaren wurden verfolgt und viele erschlagen oder zu Gefangenen gemacht. Erst nach mehreren Stunden kehrten die Hellenen von der Verfolgung zurück und trafen gegen Abend unterwegs noch auf eine zweite Abteilung der Feinde, die womöglich noch leichter in die Flucht getrieben wurde.

Nach diesen beiden Siegen freuten sich die Hellenen auf die Aussicht, nun endlich zu einem Mahle, dem ersten dieses Tages, zu kommen; die lange Entbehrung und die angestrengte Verfolgung der Feinde hatte sie sehr hungrig gemacht. Aber Kyros hatte die für sie bestimmten Vorräte im Lager seiner Barbaren aufbewahren lassen, und über dieses war unterdessen eine Schar der feindlichen Barbaren hergefallen, hatte die zurückgelassenen Wachen und viele vom Troß getötet und fast alle Vorräte mitgenommen. Ein anderer Schwarm war in das hellenische Lager gedrungen, wo sich gleichfalls außer dem Troß eine kleine Bedeckung befand, war aber schnell wieder verjagt. So sahen sich denn die Hellenen in ihrer Hoffnung auf ein wohlverdientes Mahl getäuscht und die meisten –einiges wenige war noch vorgefunden –mußten sich hungrig zur Ruhe niederstrecken. Doch das Bewußtsein des siegreichen Tages, den sie hinter sich hatten, milderte ihre Verstimmung, zumal da sie annehmen konnten, daß Kyros ebenso wie sie über die feigen Barbaren des Feindes den Sieg davongetragen hatte, und wenn sie noch keine Nachricht von ihm erhalten, so lag es wahrscheinlich daran, daß er seine Gegner verfolgte und sich nun weitab vom Lager befand.

Am nächsten Morgen machte der Hunger aufs neue und noch stärker seine Rechte geltend. In ihrer Not schlachteten die Hellenen einen Teil der Ochsen und Esel, welche das schwere Gepäck getragen, und um das Fleisch zu braten, suchten sie von dem nächsten Felde, wo der Kampf um das Lager stattgehabt, alles zusammen, woran sich Holz befand, Pfeile, Schilde mannigfacher Art, zurückgelassene Wagen. So loderten viele Feuer auf und wurde das Fleisch an Spießen in die Flamme gehalten, bis es gar war. Die Obersten wunderten sich, daß Kyros noch immer weder selbst kam, noch sagen ließ, was nun weiter geschehen sollte. Sie beschlossen daher aufzubrechen und dem Fürsten entgegen zu gehen. Aber während sie sich dazu anschickten, kamen zwei Männer von seiner Armee und verkündeten die Schreckensbotschaft: »Kyros ist gefallen, Ariäos und seine Barbaren sind in die Flucht geschlagen!«

Als Kyros den leichten Sieg der Hellenen wahrgenommen, war er vor Freude außer sich; er und seine Umgebung meinten, das Schicksal des Tages sei bereits so gut wie entschieden, da das übrige Heer des Königs ebenso wenig standhalten würde, wie jener Teil, der vor den Hellenen geflohen war. Seine Begleiter sprangen von den Pferden und warfen sich vor ihm, als dem nunmehrigen Großkönig, in den Staub. Er wartete zunächst ab, was der Feind tun würde; als nun Artaxerxes sein Heer eine Wendung nehmen ließ, die darauf abzielte, seinem Bruder in den Rücken zu fallen, zögerte Kyros nicht länger, sondern sprengte mit seinen 600 erlesenen Reitern gegen das Zentrum, wo der König, von 6000 Reitern gedeckt, hielt. Den Anführer derselben hieb Kyros mit eigener Hand vom Pferde, und der Stoß seiner Reiter war so mächtig, daß ihre Reihen im Nu durchbrochen und sie nach rechts und links hin in die Flucht getrieben wurden. Seine Reiter verfolgten sie, und Kyros blieb fast allein; nur seine Vertrautesten, die mit dem Ehrennamen der »Tischgenossen« bezeichnet wurden, blieben bei ihm. Wie nun die Schuhwehr des Königs gewichen, bekam er den verhaßten Bruder zu Gesicht. Von Leidenschaft erfaßt, sprengt er mit dem Rufe: »Da ist der Mann!« auf ihn zu und schleudert einen seiner Wurfspieße nach ihm, der ihn auch trifft, durch den Panzer dringt, aber ihm nur eine leichte Wunde beibringt. Doch ungedeckt, wie er ist, wird er in dem ungleichen Kampfe von einem Schützen aus Karien tödlich unter dem Auge getroffen, sinkt vom Pferde und wird, am Boden liegend, vollends erschlagen. Sämtliche »Tischgenossen« fielen im Kampfe für ihn, der ihm Liebste warf sich über seinen Leichnam und erstach sich hier entweder selbst oder wurde von einem Feinde durchbohrt. Artaxerxes ließ dem toten Bruder den Kopf und die rechte Hand abhauen und diese Siegeszeichen auf Stangen gesteckt, durch die Reihen seines Heeres tragen. Die übrigen Barbaren des Kyros unter Ariäos suchten nun bald ihr Heil in der Flucht. Auf diese Weise hatte die Schlacht, so glücklich für Kyros begonnen, in einem Augenblick einen ganz unerwarteten und alle Hoffnungen seines Heeres zerschmetternden Ausgang genommen. -

Der Wurfspieß, welcher Kyros tötete, gab wahrscheinlich der Geschichte Persiens eine ganz andere Wendung, als sie würde genommen haben, wenn er den Tag von Kunaxa als Sieger überlebt hätte. Von Artaxerxes war nichts anderes als ein weiterer Verfall des Reiches zu erwarten; der tapfere, kluge, wohlwollende Kyros hätte vielleicht nicht bloß dem weiteren Verfalle gesteuert, sondern sogar das Reich zu neuer Blüte gebracht, denn seit dem berühmten älteren Kyros hatte es in Persien keinen Großkönig gegeben, der so zum König geboren und der Herrschaft so würdig war, wie sein jüngerer Namensgenosse.

Wäre Artaxerxes in der Schlacht gefallen, seine Mutter hätte kaum andere als Freudentränen geweint, da nach seinem Tode die Krone dem Kyros gewiß war. Nun aber war ihr Lieblingssohn getötet, und dies versetzte sie nicht nur in die tiefste Trauer, sondern erfüllte sie zugleich mit grimmiger Rachsucht gegen alle, welche dabei beteiligt gewesen. Sie wußte es später dahin zu bringen, daß der karische Schütze, von dessen Spieß Kyros getroffen war, und der Soldat, der die Lanze mit dem Haupte und der Hand des Leichnams getragen, grausam gefoltert und hingerichtet wurden.


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