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III.
Das Idyll von Volkstädt

Kaum nach Rudolstadt zurückgekehrt, machte sich Charlotte daran, dem neuen Freunde eine Wohnung für den Sommer in der Nähe zu suchen. Sie dachte zunächst an das freundliche Cumbach, aber dann fällt ihr ein, daß dorthin oft »die Langeweile fürstliche Menschen treibt«, und Schiller erwidert, daß »eine fürstliche Nachbarschaft ihm die ganze Existenz verdorben haben würde«. So entscheidet sie sich für Volkstädt, eine halbe Stunde saaleaufwärts gelegen, wo sie, unterstützt von ihrer Freundin Friederike von Holleben, beim Kantor Unbehaun ein Zimmer mietet. »Ich denke, es ist alles gut besorgt, nun steht es bei Ihnen wann Sie kommen wollen; daß ich mich freue Sie zu sehen, manchen schönen Tag mit Ihnen zu verleben mich freue, können Sie denken.« Und zugleich gibt sie ihm einen Einblick in ihr Leben und Sinnen: immer wieder in ihren Briefen, nicht nur in denen an Schiller, sondern bis in ihr höchstes Alter hinauf in denen an Knebel, an Fischenich, an Wolzogen und wie die Freunde alle heißen, tauchen die lebhaften Äußerungen der Freude an der Natur auf; ein Heilmittel gegen alle Schwankungen des Seelenzustandes ist ihr das liebevolle Leben in und mit der Landschaft, dem Sonnenlicht, insbesondere mit allem, was der Frühling bringt. »Mein Aufenthalt in Weimar hat mir viele Freuden gegeben, und so ganz von dem allen auf einmal abgeschnitten sein, wäre mir traurig, wenn nicht die milde Luft, das schöne Grün, und das Gefühl des Frühlings, das Wachsen und Wirken der Natur, das innige Leben mir meinen Sinn erhellte.« Auch auf die vielen Verwandten, die ja nun Schiller bald kennen soll, wirft sie einen Blick: »Sie haben recht, daß ich edle Menschen um mich habe, sie versüßen mir mein Leben, das sonst unter den übrigen Einwohnern hier unangenehm verstreichen würde, wie viele trauliche Stunden werden wir verleben, ich möchte, daß es Ihnen wohl unter uns würde.« Schiller antwortet beglückt und enthusiastisch; Charlotte hatte die Wohnung ganz flüchtig beschrieben, er aber meint: »Sie haben aus meiner Seele gewählt.« Ungeduldig zählt er die Tage. Endlich, am 19. oder 20. Mai, ist er in Rudolstadt, vom Gasthof zur Gabel fliegt das erste Billett hinüber, er bittet um die Erlaubnis, sich baldigst vorstellen zu dürfen. Dann, nach der ersten Einrichtung in Volkstädt, beginnt der rege Verkehr. Karoline hat in ihrem Leben Schillers davon eine allgemeine Würdigung gegeben, und wir könnten kein deutlicheres Bild entwerfen als sie es getan hat.

»In unserm Hause,« erzählt Karoline, »begann für Schiller ein neues Leben. Lange hatte er den Reiz eines freien freundschaftlichen Umganges entbehrt; uns fand er immer empfänglich für die Gedanken, die eben seine Seele erfüllten. Er wollte auf uns wirken, uns von Poesie, Kunst und philosophischen Ansichten das mitteilen, was uns frommen könnte; und dies Bestreben gab ihm selbst eine milde, harmonische Gemütsstimmung. Sein Gespräch floß über in heiterer Laune; und wenn oft störende Gestalten unsern kleinen Kreis beengten, so ließ ihre Entfernung uns das Vergnügen des reinen Zusammenklangs unter uns nur noch lebhafter empfinden, wie wohl war es uns, wenn wir nach einer langweiligen Kaffeevisite unserm genialen Freunde unter den schönen Bäumen des Saaleufers entgegengehen konnten! Ein Waldbach, der sich in die Saale ergießt und über den eine schmale Brücke führt, war das Ziel, wo wir ihn erwarteten. Wenn wir ihn im Schimmer der Abendröte auf uns zukommen sahen, dann erschloß sich ein heiteres, ideales Leben unserm innern Sinne. Hoher Ernst und anmutige, geistreiche Leichtigkeit des offnen reinen Gemüts waren in Schillers Umgang immer lebendig; man wandelte wie zwischen den unwandelbaren Sternen des Himmels und den Blumen der Erde in seinen Gesprächen. Wie wir uns beglückte Geister denken, von denen die Bande der Erde abfallen, und die sich in einem reinern, leichtern Elemente der Freiheit eines vollkommneren Einverständnisses erfreuen, so war uns zumute.«

Als die ältere Tochter, die das Haus seit meiner Verheiratung mit Herrn von Beulwitz führte, leitete ich gewöhnlich auch die Unterhaltung. Selten war es mir so wohl geworden, mich so ganz über alles aussprechen zu können.«

»Wie ein Blumen- und Fruchtgewinde war das Leben dieses ganzen Sommers mit seinen genußreichen und bildenden Tagen und Stunden für uns alle. Schiller wurde ruhiger, klarer; eine Erscheinung wie sein Wesen anmutiger; sein Geist den phantastischen Ansichten des Lebens, die er bis dahin nicht ganz verbannen konnte, abgeneigter.« –

Wir sind natürlich nicht im einzelnen unterrichtet über die Monate, die Schiller mit den Schwestern verlebte, aber die zahlreich erhaltenen Briefe und Zettel, die die Ergänzung des mündlichen Verkehr bildeten, geben doch manchen Zug zu dem freundlichen Bilde. Den Tag über pflegte Schiller meistens zu arbeiten, der Abfall der Niederlande harrte noch der Vollendung, einzelne Aufsätze für die Thalia, den Merkur mußten fertig gestellt werden; der Geisterseher, Vorarbeiten zu neuen schriftstellerischen Plänen füllten die Lücken. Gegen Abend begab er sich dann nach Rudolstadt oder traf sich mit den Freundinnen an irgendeinem Punkte, um mit ihnen die lieblichen Gelände zu durchstreifen. Hier, im Gespräch und im lebhaften Austausch der Gedanken, in dem deutlichen Gefühl des immer tieferen gegenseitigen Verständnisses, hat sich für Schiller eine Zeit fast reinen Glückes abgespielt, und auch die beiden Schwestern haben dieses Glücksgefühl empfunden. Beide, denn obgleich Karoline schon seit vier Jahren die Gattin des Herrn von Beulwitz war, hatte sich doch zwischen ihr und dem Gemahl, dessen Wesen wir schon früher gekennzeichnet haben, keine rechte geistige Gemeinschaft erzeugt, und Karoline gab sich dem ersten Eindruck, den Schillers überlegener Geist machte, mit fast noch größerer Wärme hin als ihre ruhigere und langsamer empfindende Schwester. Wir werden auf die eigentümlichen Wirkungen dieses Verhältnisses noch zurückkommen.

Schiller lebt in dieser Umgebung förmlich auf. So manches lastete auf ihm; eben erst hatte er die in mehr als einer Hinsicht bedenkliche Leidenschaft für die Dresdenerin Henriette von Arnim überwunden; die Erinnerungen an die Mannheimer Zeit waren trotz Körner doch auch öfters wieder aufgetaucht; und so mochte noch manches Dunkle in seinem Gemüte haften. Jetzt, in der Gesellschaft zweier vornehm gerichteter und in jedem Sinne edler Frauen, zerteilen sich die Nebel, er gewinnt sich selbst wieder, seine innere Natur bricht mächtig wieder hervor. »Rudolstadt und diese Gegenden überhaupt,« sagt er mit einem Scherze, dessen tiefernsten Grund jeder Kenner von Schillers Entwicklung sofort durchschaut, »soll, wie ich hoffe, der Hain der Diana für mich werden; denn seit geraumer Zeit geht mir's wie dem Orest in Goethes Iphigenia, den die Eumeniden herumtreiben. Den Muttermord freilich abgerechnet und statt der Eumeniden etwas anderes gesetzt, das am Ende nicht viel besser ist. Sie werden die Stelle der wohltätigen Göttinnen bei mir vertreten und mich vor den bösen Unterirdischen beschützen.«

Man muß sich dieses Zusammenleben nicht als ein schöngeistiges Schwärmen vorstellen, wie es so manchmal auf Grund einer völlig falschen Auffassung von Schillers und dieser Frauen Wesen geschieht. Freilich stehen die geistigen Interessen an erster Stelle. Aber all das reizvolle persönliche Kleinleben kommt doch auch zur Geltung, an dem Menschen, die innere Sympathie verbindet, sich zu erfreuen pflegen. Mit einer Art mütterlicher Fürsorge umgibt Charlotte den Freund; wenn ein »böser Schnupfen«, der bei den Menschen jener Tage so auffallend oft umging, Schiller ans Haus fesselt, bringt der Rudolstädter Bote – sie hatten einen kleinen Jungen dazu bestellt – ihm allerlei Backwerk oder besonders guten Tee, von dem das Pfund zwei Taler und zwölf Silbergroschen kostet. Um jedes Unwohlsein Schillers sorgt sie sich: »es ist so traurig, daß man so wenig füreinander tun kann«. Oder es kommt eine Einladung an den von Zahnschmerz Befallenen: »Ich lade Sie ein heute mittag zu uns zu Kommen, und Klöße mit uns zu essen, meine Mutter glaubt, daß es Ihnen nichts schaden könne dies Gericht, und Sie brauchen dabei die Zähne nicht anzugreifen.« Oder: »Guten Morgen, wie geht es Ihnen heute? Sie sind doch wohl? Sind Sie's nicht, so möchte ich gern freundlich an die Medizin erinnern. Denn Sie sollen immer wohl sein, wünsche ich.« Sie will ihn aufheitern durch allerlei kleine humoristische Bemerkungen über ihr tägliches Leben. Wir sehen Charlotte, wie sie in ihrem kleinen Zimmer sitzt und ein Billett schreibt; die Buchstaben verwischen: soeben ist »Toutou«, die auch von Schiller sehr geschätzte Hauskatze, über das Papier gelaufen; oder wie sie in einer Zimmerecke kauert und der chère mère vorliest. Auch die Geselligkeit mit den Rudolstädtern Familien, harmlos heitere thüringische Geselligkeit, spiegelt sich in der Korrespondenz wider. Bald kommt Frau von Stein von Kochberg herüber, manchmal begleitet von Frau von Imhoff, und wir spüren, welchen Eindruck das geistvolle, aber in sich harmonische und geschlossene Wesen dieser Frau macht. Bald ist Vogelschießen, und die ganze gute Gesellschaft, die Rudolstädter Prinzen nicht ausgeschlossen, mischt sich unter das Volk und tanzt in dem großen Zelte mit. Dann kommt es wohl vor, daß man erst spät abends und »heitere Lieder singend« (z. B. Höltys »Rosen auf den Weg gestreut«) heimzog, und wenn Schiller noch in der Nacht bis Volkstädt gewandert war, weckte ihn am folgenden Morgen der Botenknabe mit einem besorgten Billett der Schwestern, ob er sich auch in der Dunkelheit und den »wilden« Bergen heimgefunden habe. Oder man führt ein Stück auf im Gartenhause der Frau von Lengefeld, etwa Voltaires Ecossaise, worin der Erbprinz die Rolle des Monrose gab, Wilhelm von Wolzogen das Theater »angab« und, wie das prinzliche Tagebuch berichtet, »Hr. Rath Schiller mit zusah«. – Einmal war auch Goethe da. (Es scheint, daß die bekannte erste Begegnung mit Schiller von Lotte und Frau von Stein absichtlich herbeigeführt ist, und es war für Lotte sehr schmerzlich, daß sie so ergebnislos verlief. Denn es war einer ihrer liebsten Wünsche, vielleicht auch hervorgerufen durch frauenhafte Sorge um Schillers Zukunft, den Freund mit dem vielverehrten und einflußreichen Manne zusammenzubringen.

Im allgemeinen aber liebten weder Charlotte noch Schiller selbst die Unterbrechungen durch fremde Gesellschaft. Die drei Menschen waren sich genug; und bei aller Verehrung gegen die chère mère war es ihnen doch manchmal angenehm, wenn sie aufs Schloß gegangen war und man nun im Garten ungestört Gedanken über Menschen, Welt, Bücher und eigenes Innenleben austauschen konnte. Ihrer Natur nach zu stiller Betrachtung und denkender Verarbeitung aller neuen Eindrücke geneigt, läßt Charlotte Schillers Gedankenwelt ruhig auf sich wirken und strebt nach einer, wie man sich damals ausdrückte, »reinen« Anschauung; mit einer gewissen Zucht, die sie am eigenen Empfinden übt, möchte sie alles so auffassen, wie es ist, es objektivieren; Karolinens impulsivere Art neigte zu starken Zusätzen subjektiver Färbung; Charlottens Geist gleicht mehr einer stillen Flut, in der sich die Dinge in den ursprünglichen Gestalten und Maßen abspiegeln, während der Geist der Schwester dem bewegten Wasser glich, das unruhige Bilder wirft.

Es war natürlich, daß die geistige Beschäftigung dieser Monate wesentlich durch Schiller bestimmt wurde. Charlotte war von jeher eine eifrige Leserin. In der ersten Zeit nach der Schweizer Reise war diese Lektüre ganz zufällig und ohne beherrschenden Gesichtspunkt gewählt. Jetzt wendet sich das Hauptinteresse dem Studiengebiete des Freundes zu: der Geschichte; und in Stunden, wo diese Literatur zu schwer war, erholt man sich an denselben Büchern, die auch Schiller, wenn er abgespannt war, allen anderen vorzog: Reisebeschreibungen. Jetzt wurde ferner Gibbon gelesen, und Stück für Stück genoß man die von ihm entworfenen Kulturbilder. Das Altertum steht wochenlang im Vordergrunde. Schiller lieh den Schwester sein schönes Exemplar des Plutarch, das er sich einst in Stuttgart gekauft hatte, und Charlotte findet in den Biographien einen »Zug von Größe«, der sie fast enthusiasmiert. Selbst so entlegene Erzeugnisse, wie des Apollonius von Rhodus »Argonautika« – das ihr von Knebel gesandt war – fügten sich diesen Reihen ein. Natürlich neigten auch bei diesen Studien die Herzen zur Poesie. Die Welt der griechischen Tragiker tritt ihnen nahe in den Übersetzungen des Théâtre grec vom Père Brumoy, die auch Schiller bei seinen Nachdichtungen des Euripides benutzte. Ganz besonders aber bildete Homer das Entzücken des Kreises. An regnerischen Tagen im Zimmer oder an schönen Abenden im Garten las Schiller aus der Vossischen Odysseeübersetzung, die 1781 erschienen war, vor (von der Ilias existierte nur erst die Stolbergsche Prosaübersetzung). Auch die Mutter, der manches andere aus dem Altertum nicht sonderlich gefiel, hörte dem alten Sänger gern zu, und die Gestalt des erfindungsreichen Odysseus wurde ihnen ein plastisches Bild. »Ich lese jetzt fast nichts als Homer,« schreibt Schiller am 30. August 1788 an Körner. Und wie sehr der homerische Ton ihnen gefiel, zeigen einige Billetts, in denen er abgefärbt hat: »Wie haben Sie heute nacht in Ihrem zierlichen Bette geschlafen? Und hat der süße Schlaf Ihre lieben, holden Augenlider besucht? Sagen Sie mir's in ein paar geflügelten Worten … Was macht Ihre Schwester? Klappert der Pantoffel schon um ihre zierlichen Füße oder liegt sie noch im weichen, wohlgeglätteten Bette?« (Schiller an Lotte.) »Guten Morgen, lieber Freund, wie geht es Ihnen heute? Ich hoffe, Sie haben, als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, noch ruhig geschlummert« (Lotte an Schiller).

Aber neben dem Aufnehmen des Fremden geht auch ein beständiger Austausch des Eigenen her. Charlotte lebt förmlich mit den damals werdenden oder eben gewordenen Gestalten des Freundes. Als sie einige Tage auf dem Steinschen Gute Kochberg verleben muß, schreibt sie: »Ich bin gestern nicht allein in den düsteren Wäldern gewesen, die lieblichen Götter Griechenlands waren mit mir, ich las und freute mich der schönen Stellen und lernte sie. Auch heute habe ich in der niederländischen Rebellion gelesen.« Und Schiller antwortet: »Es freut mich, wenn Sie diejenigen Stücke von mir, die mir selbst lieb sind, lieb gewinnen und sich gleichsam zu eigen machen; dadurch werden unsre Seelen immer mehr aneinander gebunden. Ich sehe diese Stücke als die Garants unsrer Freundschaft an; es sind abgerissene Stücke meines Wesens und es ist ein entzückender Gedanke für mich, sie in das Ihrige übergegangen zu sehen, sie in Ihnen wieder anzuschauen und als Blumen, die ich pflanzte, wieder zu erkennen.« Und mit freundlichem Anteil spricht auch Schiller von Lottens kleinen versuchen; sie liebte seit lange Ossians Lieder und hatte selbst manches daraus übersetzt, so den »Tod des Chuchullin«. »Ich habe heute schon recht oft Ihrer gedacht und in Ihrem Chuchullin habe ich auch gelesen. Es sind Feinheiten in gewissen Stellen der Übersetzung, die das Gepräge Ihrer Seele tragen und vielen anderen würden entgangen seyn.« Er begleitet die Arbeit Charlottens an der Ordnung des schriftstellerischen Nachlasses ihres Vaters mit ermunterndem Zuspruch.

So ging der Sommer hin. Den frühzeitigen Eintritt schlechten Wetters benutzte Schiller als erwünschten Vorwand Volkstädt mit Rudolstadt zu vertauschen. Aber der Abschied wirft gleichwohl seine Schatten voraus. »Auch wenn Sie nicht mehr unter uns sind,« schreibt Lotte, »hoffe ich, wird uns Ihr Geist nicht ganz verlassen. Trennung ist traurig, aber es ist doch besser, sich zu kennen, Anteil aneinander zu nehmen, als so in der Welt zu leben, ohne etwas voneinander zu wissen.« Endlich kam der gefürchtete Augenblick; die Schwestern fuhren nach Erfurt zum Besuch ihrer Freundin Karoline von Dacheröden, der nachherigen Frau Wilhelms von Humboldt, Schiller nach Weimar. Es war unmittelbar nach seinem Geburtstag, den sie noch des gegenwärtig holden Augenblicks sich erfreuend zusammen genossen hatten.

Nun gehen die Briefe hin und her. Wie Trauer um verlorenes Glück klingt es zunächst aus ihnen, dann wie beruhigte Sicherheit, daß eins am andern weiter hangen wird. Und Charlottens nachdenklicher Sinn hängt mit Vorliebe der wunderbaren Fügung nach, die ihrem Leben so neue große Weitung gegeben hat. »Es ist sonderbar und oft unbegreiflich, wie sich Menschen finden. Ich denke gern über die Zufälle nach, die uns oft zusammenbringen, wir kennen uns erst ein Jahr, und mir ist's, als wären wir immer Freunde gewesen. Ihr Geist war mir zwar nie fremd, denn immer fühlte ich mich zu ihm gezogen, wenn ich von Ihnen las; aber nun ist es doch noch anders. Denn jetzt wird es mir fast unmöglich, mir meine Freuden ohne Sie zu denken, und so wird's bleiben, nicht wahr?« Und ein andermal: »Ihre Freundschaft erhellt mein Dasein ebenso lieblich als die untergehende Sonne die Wolken erhellt.«


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