Christoph Martin Wieland
Clelia und Sinibald
Christoph Martin Wieland

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Neuntes Buch.

                Rosinen also nebst der Amme hätten wir
In Sicherheit gebracht, indeß die andern vier,
Auf einem Ocean von Widerwärtigkeiten,
Sechs Jahre lang mit ihrem Schicksal streiten;
Bis sie, nach OrmusOrmus – Stadt am persischen Meerbusen mit einem Hafen; Cairo, Hauptstadt in Aegypten; Land der Bramen, Ostindien; Mosambik, Insel an der africanischen Küste Zanguebar mit gleichnamiger Hauptstadt; Damaskus, in Syrien. von Kair,
Von Ormus bis ins Land der Bramen,
Von da zurück nach Mosambik
Herum gejagt, zuletzt, vom leitenden Geschick'
In seinem unsichtbaren Hamen
Gefangen, zu Damask erstaunt zusammen kamen.

Die Handschrift fängt, (wie schon gesagt)
Nach einer ziemlich großen Lücke,
Hier wieder an und eilt nunmehr in einem Stücke,
So ziemlich leserlich und wenig angenagt,
Zum Ausgang fort, auf den wir Alle warten.
Die Scene liegt in einem Rosengarten
Der Mutter Saladins, die, (wie die Handschrift sagt)
Nachdem sie den Gemahl in einer Schlacht verloren,
Dieß Paradies der Welt zum Wittwensitz' erkoren. 279
Es ist um Mitternacht, der Mond hat seinen Lauf
Beinah vollbracht, und – Sinibald tritt auf.

Doch, eh wir weiter gehn, ist nöthig zu berichten,
Daß, wie die Handschrift sagt, (denn freilich, zu erdichten,
Was man kaum einem Mönch' auf sein Gelübde glaubt,
Ist, nach Horaz de ArteHoraz de arte, poetica nämlich; der Brief an die Pisonen über die Dichtkunst. unerlaubt)
Daß nicht Rosine nur, mit einer Sklavenkette
Die ihr der Fürstin Gunst aus seidnen Blumen wand,
Daß auch, seit kurzem, nebst Rosette
Sich Clelia als Sklavin hier befand.
Ein Zufall, wir gestehn's, auf den man keine Wette
Zu bieten pflegt! Genug, es war nun in der Kette
Der Dinge so gefügt und machte der Natur
Nicht einen Dreier mehr Factur,
Als wenn sich's nicht gefüget hätte;
Und nahm sich, wie man glaubt, Kathrine dessen an,
So war nun vollends gar nichts Wunderbares dran.
Denn, daß die Heil'ge sie nie gänzlich aus den Augen
Verloren, scheint gewiß. Sie legte ihren Plan
Vermuthlich in geheim drauf an,
Sie, bis sie recht zu ihrer Absicht taugen,
Durch Trübsal aller Art erst tüchtig auszulaugen.

Unfehlbar nimmt die werthe Leserschaar,
Auch ohne uns, viel Antheil an der Freude
Von einem schwesterlichen Paar,
Das immer sich so lieb, so nah gewesen war
Und, nach so viel erlittnem Leide,
So langer Trennung, nun, vom väterlichen Land' 280
Entfremdet und in Sklavenbanden,
An Libans Fuße sich auf einmal wieder fand.

Sie hatten nun von dem, was jede ausgestanden,
Seitdem sie sich zum letzten Mal gesehn,
Einander vieles zu erzählen.
Rosinen Clelia: wie sie, dem ew'gen Quälen
Des alten Vormunds zu entgehn,
Und da der Geck bereits die Hochzeit zugerichtet,
In größter Eil' und Angst sich nach Salern geflüchtet,
Wie, nahe beim erwünschten Port',
Ein Sturmwind sie nach Tripoli geschmissen,
Wie sie in Sklaverei gerathen, und so fort;
Kurz, sie erzählten sich, mit untermischten Küssen,
Einander Alles, was wir wissen,
Und vieles noch, um das die Ratten uns gebracht.
Allein die Quelle aller ihrer Schmerzen
(So viel vermag die Scham in jungfräulichen Herzen!)
Des armen Guido ward mit keinem Wort gedacht;
Von Guido, dem vermeinten und dem wahren,
Ließ keine, bis der Drang sie endlich reden macht,
Nicht eine Sylbe sich entfahren.

Nun wieder in der Gärten grüne Nacht
Zurück, wo Sinibald, halb schwärmend vor Verlangen,
Sein holdes Liebchen zu umfangen,
Das hier von ihm erwartet wird,
Beim Silbermond' in Büschen irrt,
Die voller Muscusrosen hangen.
Noch zögert sie, nach der sein Herz sich sehnt, 281
Und, o! mit welchen lauten Schlägen,
Die seine Ungeduld in so viel Stunden dehnt,
Klopft ihr dieß Herz aus offner Brust entgegen!

Jetzt hört er endlich was sich im Gebüsche regen.
Er lauscht, er bricht hervor, vermeint,
Sie ist's, und sieht – da just der Mond die Stelle
Mit ungehemmtem Licht bescheint –
Wofern kein Geist aus Himmel oder Hölle
Sein Auge täuscht – wen sonst als Guido, seinen Freund?

»Wie? Guido? – Sinibald? von dem in sieben Jahren
Ich nichts gesehen, nichts erfahren?«So rufen im Unisono
Zu gleicher Zeit, bestürzter schier als froh,
Die beiden Freunde aus: »Nach sieben langen Jahren
Von Trennung uns auf einmal hier
Zu finden, hier!« – Wo du, gesteh' es mir,
Mich auf der ganzen Welt am wenigsten erwartet!
Spricht Guido. – In der That, erwiedert Sinibald,
Das Schicksal hat dieß wunderlich gekartet!
Denn, was in diesem Rosenwald
Dich mir entgegen führt – Ist dir nicht wunderbarer,
Als mir, was dich? fällt Guido ein. – S. Doch hier,
Just hier! um diese Zeit! Dieß, ich bekenn' es dir,
Verwirrt mich. G. Freund, ein Wort macht Alles klarer:
Was führte dich hierher? S. Die Liebe! G. Dacht' ich's doch!
Die führt auch mich. S. Allein was nennst du lieben?
Nie, Guido, trug ein Mann ein edler Joch,
Nie schlug ein Herz von reinern Trieben! 282
Auch freilich häufte die Natur,
Die ihre Gaben sonst mit Geize
Zu theilen pflegt, noch nie in einer Creatur
So vielen Zauber auf. Und doch, beim wahren Kreuze!
Es ist ihr kleinster Werth! Ihr Geist, ihr Herz hat Reize,
Wobei man selbst, wie schön sie ist, vergißt.
G. Mir ist – doch ohne Unterbrechen –
Ich höre dich von meiner Dame sprechen.
S. – Und, was das Sonderbarste ist,
Sechs Lenze sind bereits verblichen,
Seit unsre Zärtlichkeit sich zu Palerm entspann.
G. Just so viel Zeit ist seit dem Tag verstrichen,
Da ich das schönste Kind Siciliens gewann.
S. Ist's möglich? G. Denkst du denn, daß, seit die Welt begann,
Noch nie zwei Fälle sich geglichen?
S. So höre nur, (fällt jener hastig ein)
Die Aehnlichkeit wird bald am Ende seyn.
Ich sah sie beim Altar' am Sanct-Kathrinentage
Zum ersten Mal', und auf den ersten Blick
Ergab sich ihr mein Herz.
                                          G. Von eben diesem Tage
Datirt sich auch mein Liebesglück.
Die Schöne, deren Bild ich tief im Busen trage,
Sah in der Kirche mich und (wenn ich nicht zu viel
Aus ihrem eignen Munde sage)
War mein beim ersten Blick'. – Ein seltsam Würfelspiel
Des Zufalls! (spricht ein wenig trocken 283
Herr Sinibald, nach einem kurzen Stocken,
Wiewohl der Handel ihm noch unverdächtig scheint.)
Doch, basta! höre weiter, Freund!
Ich ließ beinahe schon mir allen Muth vergehen,
Ihr Wohnhaus, ihren Stand und Namen auszuspähen:
Als unverhofft ein günst'ger Zufall kam,
Und Alles (kurz zu seyn) die schönste Wendung nahm.
Die Zofe kam, den Puls mir zu befühlen,
Und da sie mich entschlossen fand,
So hoch als möglich war, um Amors Gunst zu spielen,
Kurz, da ich schwor, nach ihres Fräuleins Hand
Auf ehrenvolle Art zu streben,
Ward mir ein Rendez-vous im Gartensaal gegeben.

Im Gartensaal? ruft Guido. – Auf mein Wort,
Erstaunlich! – Doch verzeih' und fahre fort,
Ich bitte dich! S. Nein, Guido, erst erkläre
Dich deutlicher; was ist an diesem Gartensaal
Denn so Erstaunliches? – G. Nichts, Freund, bei meiner Ehre,
Sonst nichts, als daß der Zufall abermal,
Mit dir und mir sich gleichen Spaß zu machen,
Belieben trug. – S. Ich sehe nichts zu lachen.
Sprich ernsthaft! – G. Gut! ich ward in einen Gartensaal
Um Mitternacht bestellt; ich fand das Pförtchen offen,
Ich schlich hinein, lag vor der Göttin schon
Auf meinen Knien – als, wider alles Hoffen,
Uns etwas unterbrach. Sie lief bestürzt davon,
Und mir blieb nichts, als mich zurück zu ziehen. 284

Ein gräßlich Licht geht Sinibalden auf;
Ein Fieber schüttelt ihn, die trüben Augen glühen:
Doch hemmt er noch mit Müh den allzu raschen Lauf
Der Leidenschaft. Nur weiter, ruft er, weiter!

Ein kleiner Brief, fährt Guido fort,
Ein alter Pantalon und eine seidne Leiter
Bracht' Alles zwischen uns gar bald
Ins Reine. – Halt'! ein Brief? (ruft hastig Sinibald,
Der nun die Wuth der eifersücht'gen Flammen
In seiner Brust nicht länger zähmen kann)
Ein jeder Umstand trifft zusammen;
Nur ihren Namen noch – nenn' ihren Namen, Mann!
G. Sprich leiser, Freund! – Mich däucht, ich höre
Ein Rauschen im Gebüsch' – Ich bin von Clelien
Hierher bestellt. – S. Bestellt? von Clelien?
Dieß ist ihr Name? G. Ja. – So setze dich zur Wehre,
Verräther! – schreit der andre wutherhitzt,
Indem sein Degen schon um Guido's Stirne blitzt.
Was Guido, seinen Grimm zu stillen,
Ihm sagen kann, ist in den Wind gesagt.
Der hat kein Ohr, den dieser Teufel plagt!
Er schreit so laut, daß man bis im Serai sein Brüllen
Vernehmen muß: »Stirb, Feiger, oder zieh'!«
Und Guido, der sich sonst zu solchem Spiele nie
So lange bitten ließ, zieht endlich wider Willen.

Sein Degen und sein kaltes Blut
Ist, während wir vom Kampfplatz wegzueilen
Genöthigt sind, trotz seines Gegners Wuth 285
Uns hoffentlich für alles Unglück gut.
Denn nun ist's höchste Zeit, dem Leser mitzutheilen,
Was unterdeß sich im Serai begab.

Schon lief vor Mitternacht das letzte Viertel ab,
Als aus dem Schlafgemach der hohen Zoraide
Die Basen in ihr Kämmerlein
Zurück sich zogen, herzlich müde,
Von ihrer Hoheit mehr begünstiget zu seyn,
Als zwanzig andre, die sich alle Mühe gaben,
Auch lange Weil' um diesen Preis zu haben.

Die alte Dame war vielleicht
Das beste aller Sultansherzen
Im ganzen Orient', und wenig war so leicht,
Als ihre Gunst gewinnen und – verscherzen.
Die Reihe, aus der ganzen Zahl
Der Zofen, traf die Basen dieses Mal,
In Gunst zu seyn; und weil die Fürstin viel Belieben
An Cleliens Gesang und Röschens Cither fand,
So mußten sie an ihres Sopha's Rand
In beidem sich seit manchen Nächten üben.

Sie waren übrigens, zumal um Mitternacht,
Wenn Alles schlafen soll, nicht eben scharf bewacht:
Denn die verhaßte Brut der Schwarzen war (wie billig)
Aus einem Schloß verbannt, wo Alles weiblich war,
Hingegen die Kombabenschaar
Von mildrer Farb' und Art zu allen Diensten willig.
Kurz, unsrem schwesterlichen Paar
War, aus besondrer Gunst, im Garten 286
Bei Nacht sich zu ergehn erlaubt.
Sie hatten dieser Lust zwar selten sich beraubt,
Doch dieß Mal konnten sie die Stunde kaum erwarten.

Kaum war der Dienst im Schlafgemach vollbracht,
Und beide kaum ins ihrige getreten,
So spricht zu Clelien Rosine: Gute Nacht,
Mein Schwesterchen, ich seh, du hast des Schlafs vonnöthen.

Nicht sonderlich, mein Engel; aber du
(Spricht jene) sehnest dich vermuthlich sehr nach Ruh.
So schläfrig sah ich dich nie bei der Fürstin spielen;
Du daurtest mich, mein Schatz; die Augendeckel fielen
Dir ja bei jedem Griffe zu.

R. Nun wirklich, wenn du dieß gesehen,
So gabst du besser, als ich selber, auf mich Acht,
Vielleicht hat's auch die Hitze nur gemacht;
Denn, wirklich, Clelie, zum Schlafengehen
Ist's heute mächtig warm. –
                                            Im Park wird's kühler seyn:
Willst du? – versetzt mit einer Miene,
Als wünschte sie ein rundes Nein,
Die schlaue Clelia. – Du zauderst? – Gut, Rosine,
Genire ja dich nicht, ich gehe gern allein.

Sie geht, und Röschen, halb verdrossen, halb mit Lächeln,
Hängt sich an ihren Arm. Sie irren dichtend, stumm
Und schneckenhaft im Garten lang' herum.
Rosine, die kaum Luft genug sich zuzufächeln
Vermag, denkt bei sich selbst: In aller Welt, warum
Seufzt Clelie so oft? und diese denkt von jener 287
Das Nämliche. – Ich hielt die Nacht für schöner,
Fängt endlich Clelie an. Ich auch, tönt Röschen nach;
Und mit dem Tone, wie sie's sprach,
Schien jede mehr, als was sie sagte, sagen
Zu wollen, aber selbst dieß Wollen kaum zu wagen.
Sie blicken sich verstohlen an,
Und gleich, aus Furcht, ertappt zu werden,
Sinkt der verschämte Blick zur Erden,
Und immer wird der Mund zum – Schweigen aufgethan.

Auf einmal bleiben sie im Gehen
An einer Stelle, wo des Mondes blasses Licht
Ein hoher Baum verschlingt, wie unfreiwillig, stehen,
Und wie sie beide ins Gesicht
Sich schauen, öffnen sich die Arme, beide fallen
Einander um den Hals; ein Strom von Thränen bricht,
Indem mit vollem Ueberwallen
Ihr Busen sich an Cleliens Busen drängt,
Aus Röschens Aug' hervor, und Herz und Lippen sprengt
Die Allmacht des Gefühls. Sie läßt die Arme fallen,
Blickt Clelien ins Aug' und – Kannst du mir verzeihn?
Zu lange hat die Furcht vor deinen Spötterein
Der Freundschaft Recht in meiner Brust bestritten:
Vergib mir, Clelie! – Cl. Ich, Engel, dir verzeihn?
Ruft jene: hab' ich nicht das Nämliche zu bitten?
Vergib du mir! Mein Kind, ich seh' uns beide preßt,
Was länger sich nicht mehr verbergen läßt.

R. Ja, Freundin! Schwester! schilt mich, nur verachte
Dein Röschen nicht! – Warum verbarg ich's dir? 288
Der theure Mann, für den ich schmachte,
Der auch um mich nun sieben Jahre schier,
Im Elend irrend, fern von mir,
Geschmachtet hat, der – (lispelt sie ihr sachte
Und feuerroth ins Ohr) o Clelie! er ist hier
Und wartet mein nicht weit von dieser Stätte!

Cl. Ein ähnliches Geständniß hätt' ich schier
In letzter Nacht auf unserm Ruhebette,
(Wenn falsche Scham mir nicht den Mund verschlossen hätte)
Mein bestes Röschen, dir gethan.
Es schwebte mir beständig auf den Lippen.
Nun, da ich's los bin, ist's, als wög' es keinen Gran,
Was kaum zuvor mir centnerschwer die Rippen
Zusammen bog. Komm', setz dich und hör' an.
Sechs Jahre waren's jüngst am Sanct Kathrinentage,
Seit deine Clelie ihr Herz, ich weiß nicht wie,
An einen Mann verlor – von dem ich dir nichts sage;
Du wirst ihn sehn! – Gewiß war's Sympathie,
Was ihn und mich frühmorgens in die Mette
Zu Sanct Kathrinen zog; und nach so manchem Jahr'
Ist mir's, als ob ich ihn, so wie er beim Altar,
Schön wie ein Gabriel, im lang gelockten Haar
Am zweiten Pfeiler stand, ganz in den Augen hätte.

Bei diesem Anfang fährt's Rosinen kalt wie Schnee
Durchs Rückenmark; doch rafft sie sich zusammen,
Und Clelia, die nichts von ihrem Weh
Bemerkte, fähret fort: Der Anfang unsrer Flammen
Versprach uns reines Wechselglück; 289
Allein auf kurzen Sonnenblick
Erfolgte langer Sturm. Er ward von meiner Seite
Gerissen: ich, sechs Jahre lang die Beute
Des feindlichsten Gestirns, blieb ohne Schutz und Stab,
Und jede Hoffnung starb allmählich in mir ab.
Nun denke dir, was ich empfunden,
Als Laura gestern mir die erste Botschaft gab,
Er lebe noch, er sey gefunden,
Sey in Damask, sey wieder frei,
Sey meinem Angedenken treu.
Du weißt, ich bin im Wünschen und im Lieben
Ein wenig warm, und eine ganze Welt
Hätt' ich dafür getauscht, das Glück nicht aufzuschieben,
Das mich erwartet. Komm! Mein Guido ist bestellt.
Auch dein Geliebter, sagst du, harret
An diesem Ort' auf dich – Komm, lass' uns nicht verziehn!

Dein Guido? ruft erstaunt und halb erstarret
Rosine aus – und du erblicktest ihn
Zum ersten Mal' in Sanct Kathrinens Mette? –
Sahst ihn am Pfeiler stehn?
Und Guido nennt er sich, er, dessen Wiedersehn
Dich wonnetrunken macht? – O, laß mich, laß mich gehn!
O, daß ich nicht bis jetzt geathmet hätte!
Was brauch' ich mehr zu hören und zu sehn?
Wir sind getäuscht, betrogen, alle beide!

Was ist dir, Kind? ruft Clelia bestürzt,
Was that in aller Welt sein Name dir zu Leide?
R. Wir sind betrogen alle beide! 290
Er hat sich bloß die Zeit mit uns gekürzt,
Hat bloß sein Spiel mit dir und mir getrieben:
Mit einem Wort' – es ist – o, würd' ich gleich zum Stein'!
O, sänk' ich in den Grund hinein!
Es ist – ein Guido, den wir lieben!

Cl. Weg mit dem Zweifel, Kind! Trifft gleich der Name ein,
Wie könnten's drum nicht zwei verschiedne Guido's seyn?
Ist je was Alberners, sich selber zu betrügen,
In eines Mädchens Kopf gestiegen?
Komm – fasse dich – sey klug!
                                                  R. Ach! könnt' ich mich betrügen!
Wär's nur der Name bloß! Doch Zeit und Ort, sogar
Der Pfeiler, wo er stand, macht Alles nur zu klar!

Der Augenschein soll uns Gewißheit geben,
Spricht jene – Komm'! – Und aus dem Park' hervor
Trifft mit dem letzten Wort des Zweikampfs Lärm, der eben
Im Ausbruch war, auf ihr erschrocknes Ohr
Und heißt sie schnell die Fersen heben.
Sie unterscheiden bald zwei Stimmen im Geschrei
Des wilden Sinibalds, und glauben sie zu kennen.
Ihr Heil'gen alle, steht uns bei,
Schreit Röschen auf – und beide rennen
Wie sinnlos durchs Gebüsch, die Kämpfenden zu trennen.

Der Mond schien eben hell genug,
Auf dreißig Schritte schon in ihrem raschen Flug
Die holden Nymphen zu erkennen.
Erstaunt, verwirrt, fährt Sinibald zurück,
Aus Guido's Hand entfällt der blanke Degen, 291
Noch ungefärbt zu gutem Glück'!
Und alle vier, durch einen einz'gen Blick
Verständigt, fliegen sich mit offnem Arm' entgegen,
Dem Guido Clelia, Rosinen Sinibald.
Ihr Jubel füllt den ganzen Rosenwald
Und wird bis im Serai vernommen:
Und, da nun auch Laurette und Frau Clar',
Zu sehn, was Schuld an diesem Lärmen war,
Schier athemlos herbei gesprungen kommen;
So löset sich der völlige Verlauf
Der Sache ganz natürlich auf.
Ihr wißt, es pflegt gewöhnlich so zu gehen,
Wenn wir den Wundern nur recht in die Augen sehen. 292

 


 


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