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Dritter Aufzug

Dieselbe Dekoration wie im zweiten Aufzug. Es ist Abend. Die Fenster und die Glastür des Kurhauses sind erleuchtet. Auf dem Platz vor dem Hause Lampions, ebenso auf der Promenade und am Brunnen. Innen Klavierspiel und Gesang

Erster Auftritt

Busch vom Hause her, hält einen Brief in der Hand.

Busch. Das Konzert muß bald zu Ende sein. War das ein Zudrang! Noch nie ist der Saal im goldenen Tannzapfen so gefüllt gewesen. Das macht die Neugierde wegen des Fürsten. Ein stattlicher, liebenswürdiger Mann, man möchte fast sagen: ein gemütlicher Mann, wenn's der Respekt erlaubte. Etwas leicht – hm, hm! Aber Jugend hat keine Tugend. Wenn es mir gelingen sollte Busch, nimm dich zusammen, zeige, was ein feiner Kopf kann, strecke deine Fühlhörner aus, wie eine Schnecke, die herumtastet, wo sie sich sicher anhängen kann. Wenn dir dies gelingt, ist dir ein guter Posten im Direktorium sicher. Was schreibt der Herr Fürstentumsdirektor von Schwalbe? Prägen wir uns Wort für Wort ein. (Hält den Brief unter eine Lampe und liest:) »Bewahren Sie vor allen Dingen aufs Strengste das Geheimnis – « vor mir kann er sicher sein, keine Seele erfährt davon – »Ich selbst eile nach Schloß Wolfshagen, um ganz in der Nähe zu sein, oh ne doch bemerkt zu werden. Ihre Aufgabe ist's nun, lieber Busch – « diese vertrauliche Sprache –! »den Fürsten unter irgend einem Vorwand zu vermögen, sich nach Wolfshagen zu bemühen, wo dann eine geheime Zusammenkunft stattfinden kann. Ich hoffe, daß es mir gelingen würde, ihn von der Unmöglichkeit zu überzeugen, mit der Sängerin in seine Residenz einzuziehen. Halten Sie dieselbe unter allen Umständen zurück – « eine mißliche Aufgabe – hm, hm – »Seien Sie meines besten Dankes versichert.« Gut, das läßt sich hören. Geheimsekretär im Direktorium, dafür wird Fräulein Bertha Schnepf vielleicht nicht unempfindlich sein!

Zweiter Auftritt

Busch. Peter, gleich darauf Kurt.

Peter. Befehlen Sie ein Seidelchen, Herr Badekommissarius?

Busch (eilig den Brief versteckend). Danke, danke.

Peter. Frisch vom Fass.

Busch. Danke. – Wie weit ist's mit dem Konzert?

Peter. Zwei Stück sind Dacapo verlangt –.

Busch. Abendpost nach Sulzingen schon angekommen?

Peter. Vor fünf Minuten.

Busch. Will doch sehen, ob etwa noch Briefe – Wenn das Konzert geschlossen, benachrichtigen Sie mich. (Ab.)

Peter. Zu Befehl!

Kurt (von der Promenade her. Ein Junge trägt Reisesack und Plaid). Da wären wir glücklich wieder auf derselben Stelle. Aber müde – müde! In Sulzingen keine Spur von den Beiden. Ich geb's auf, ihnen nachzulaufen; sie sind ja am Ende keine Kinder. Wahrscheinlich sitzen sie schon zu Hause und lachen mich aus. Wenn ich nur wüßte, wie sie ohne Geld – (Zum Kellner.) Ein Zimmer!

Peter (wichtig). Dürfte schwer halten, mein Herr. Kieferthal ist in dieser Saison wahrhaft überschwemmt von Reisenden.

Kurt. Was? Und heute Vormittag war das halbe Kurhaus leer?

Peter. Ach, Sie waren schon –? Verzeihen Sie, jetzt erst erkenne ich Sie wieder. Ja, für Sie –! Hat doch aber keine Eile?

Kurt. Die größeste. Ich bin furchtbar müde und will zur Ruhe.

Peter. Darf man wissen, ob Sie uns für längere Zeit die Ehre schenken werden? Wir bestimmen danach das Logis.

Kurt. Kann sein, einige Wochen. Sie haben hier ein interessantes Echo, das ich zu studieren beabsichtige.

Peter. Ein Echo? Wo, wenn man fragen darf?

Kurt. Unter dem Andreasberge; ein höchst interessantes Echo, das mir heute den ganzen Tag in die Ohren geklungen hat. (Bei Seite.) Aufrichtig gesagt: seinetwegen allein komm' ich wieder zurück.

Peter. Ein interessantes Echo? Wenn das der Doktor erfährt, schlägt er mit den Preisen auf. Will mir's doch notieren: Merkwürdigkeiten des Orts – interessantes Echo unter dem Andreasberge. (Er schreibt mit einer Bleifeder, die er aus der Westentasche nimmt, auf der Rückseite der Speisekarte, kehrt dieselbe um und streicht etwas aus.) Junges Huhn ist nicht mehr. –

Kurt. Nun? Kommen meine Sachen bald hinein?

Peter. Schicke sogleich den Hausknecht. Wollen Sie sich nicht indessen das Konzert anhören?

Kurt. Konzert? Um Himmels willen! Hat man in der Stadt noch nicht genug von dieser Fittichschlägerei und Trillerei par excellence? Ich danke meinem Schöpfer, daß ich bis zum Winter meine Ohren schonen kann. Wer konzertiert denn?

Peter. Etwas ganz Außerordentliches. Man darf darüber eigentlich bei hoher Polizeistrafe gar nicht sprechen.

Kurt. Beweisen wir uns also als gute Untertanen, indem wir schleunigst zu Bett gehen.

Peter. Wie Sie befehlen. Tee aufs Zimmer?

Kurt. Meinetwegen. (Bricht auf.)

Peter. Ach, noch Eins, mein Herr. Fragten Sie nicht nach einem Herrn von Schmettwitz?

Kurt. Allerdings.

Peter. Er hat sich gefunden.

Kurt. Wie? Was?

Peter. Ein Herr von Schmettwitz logiert hier. Ich habe selbst seine Visitenkarte bei dem – (verschluckt sich) Inkognito gesehen, und sein Name steht auf der Konzertliste obenan.

Kurt. Und seine Frau?

Peter. Eine Frau? Nee – eine Frau ist nicht dabei.

Kurt. Dann ist's jedenfalls mein Mann auch nicht. Wie sieht denn der Herr aus? Groß, klein – schwarz, blond –?

Peter. Etwa mittelgroß, schwarzes Haar –

Kurt. Unmöglich! Schmettwitz ist blond und trägt einen Vollbart.

Peter. Sie irren, mein Herr, er trägt ein ganz feines schwarzes Bärtchen.

Kurt. Also ein Anderer. Aber doch ein Schmettwitz – vielleicht aus der Linie Ratzfeld. Geben Sie dem Herrn jedenfalls meine Karte ab (reicht ihm dieselbe) und sagen Sie ihm, daß ich bis zehn Uhr auf meinem Zimmer zu sprechen bin. Sonst würde ich selbst morgen die Schwägerschaft grüßen. Nehmen Sie doch das leichte Gepäck gleich mit.

Peter. Darf dem Hausknecht nicht vorgreifen, Herr.

Kurt. Er soll trotzdem nicht zu kurz kommen.

Peter (nimmt das Gepäck auf). Das ist etwas Anderes. (Beide ab nach links )

Dritter Auftritt

Im Hause lautes Bravorufen und Klatschen. Gleich darauf öffnen sich die Türen und die Konzertgäste treten heraus. Einige nehmen vor dem Hause Platz, andere gehen nach der Promenade. Schnepf, Frau Schnepf, Bertha, Dr. Rathgeber, Blanknagel, Rosette treten vor. Später Busch von rechts.

Blanknagel (setzt sich und klopft mit dem Stock auf den Tisch). Kellner! Ein Glas Bier. Ich hab' einen Durst –

Dr. Rathgeber. Aber so spät, Herr Blanknagel? Gegen alle Diät –!

Blanknagel. Und wenn's mein letztes sein sollte! Wenn ich zwei Stunden lang singen höre, wird mir jedesmal ganz schwach. Es ist doch eine Menschenquälerei. – Kellner!

Dr. Rathgeber (zu Frau Schnepf). Nun, was sagen Sie, Frau Geheime Rätin? Superb? Was?

Frau Schnepf. Hm – die Stimme ist nicht ganz übel. Aber etwas dünn.

Rosette. Und die Schule denn doch recht mangelhaft.

Schnepf. St! Nicht so laut. Wir dürfen nicht vergessen, daß Durchlaucht – ich sage nichts mehr.

Frau Schnepf. Allerdings, man hat Rücksichten zu nehmen.

Rosette. Das kann ich durchaus nicht finden. Man muß im Gegenteil deutlich zu verstehen geben, daß man sich nicht durch hohe Protektion blenden läßt und den Mangel an Schicklichkeit empfindet –

Dr. Rathgeber und Schnepf (ängstlich umschauend). Aber, mein Fräulein –

Rosette (lauter). Und wenn sie sänge, wie die heilige Cäcilie selbst, es bleibt doch immer ein höchst unmoralisches Verhältnis –

Dr. Rathgeber und Schnepf. Leise – leise!

Rosette. Und eine arge Zumutung, uns dasselbe auch nur inkognito gefallen zu lassen.

Schnepf. Freilich – in geordneten bürgerlichen Verhältnissen –

Bertha. Aber er nennt sie ja immer seine Frau?

Schnepf. Herr Gott! Ist das Kind auch da? Das verstehst du nicht, Bertha – allerdings, quasi seine Frau – leider –

Rosette. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich den Fürsten bedaure. Offenbar ist er verführt und nun zu großmütig, sie zu verstoßen. Haben Sie wohl bemerkt, wie auffällig sie sich von diesem Herrn von Schmettwitz den Hof machen läßt? Das sieht der Fürst gar nicht.

Dr. Rathgeber. In diesen Kreisen nimmt man dergleichen nicht so genau. Es war doch höchst interessant.

Busch (zutretend, zu Bertha). Nun, mein Fräulein, sind Sie befriedigt?

Bertha. Recht sehr. Ich finde nur, daß die Dame, die uns durch ihren Gesang erfreute, so gar nichts von einer Opernsängerin an sich hat. Sie trat recht schüchtern auf und zitterte bei den ersten Liedern.

Schnepf. Nun hören Sie einmal das Kind! Bildet sich ein, über so etwas ein Urteil zu haben.

Frau Schnepf. Wenn du doch lieber schweigen möchtest, Bertha.

Blanknagel. Es war wirklich nicht viel fürs Geld, das bleibt wahr.

Schnepf. Aber, meine Herrschaften, vergessen Sie nicht, daß jeder Mensch gemeinhin zweierlei bedeutet. Was er durch sich selbst bedeutet, ist Eins, und was er durch seine Beziehungen zu Anderen bedeutet, ist wieder Eins. Verstehen Sie? Beziehungen –! Dabei fällt mir übrigens eine passende Geschichte ein. Als ich noch Bürodiätarius ohne Gehalt war – es kann vor sechsunddreißig Jahren gewesen sein (nachdenklich) oder war's – ?

Blanknagel (steht auf). Ich trinke mein Bier später.

Busch. Bleiben Sie doch, es ist ja hier so gemütlich.

Blanknagel. Ich muß erst einmal zu Hause nachsehn, ob meine Lebensversicherung in Ordnung ist.

Busch (folgt ihm). Aber –

Blanknagel. Herr, wenn Sie ein guter Polizeiverwalter sind, konfiszieren Sie diese lebensgefährlichen Geschichten. Er hat bloß zwei. Die eine behandelt den störrischen Büroapplikanten Munkelsteiner und die andere fängt an: als ich noch Bürodiätarius ohne Gehalt war. Meine Konstitution ist vom Brunnen zu sehr geschwächt, sie hält's nicht aus. (Ab.)

Schnepf (geht auf Rathgeber zu).

Dr. Rathgeber (ruft ihm nach). Nehmen Sie mich mit. (Ab.)

Schnepf (verwundert). Ja, was haben die Herren?

Rosette. Ich muß doch einmal durchs Fenster gucken, was sie noch da innen treiben. Wenn ich den Fürsten warnen könnte –! (Geht nach dem Hause.)

Schnepf. Ich besinne mich jetzt, es war vor fünfunddreißig Jahren.

Frau Schnepf. Nachher, lieber Schnepf. Wenn dir's recht ist, ein Wort unter vier Augen. Ich habe einen Einfall. – (Sie zieht ihn fort. Beide gehen im Gespräch von links nach rechts über die Bühne, dann die Promenade hinauf nach hinten und wieder im Bogen herum nach links vorn.)

Busch. Darf ich Sie unterhalten, Fräulein?

Bertha. Wenn Ihnen das möglich ist –?

Busch. Man hält mich sonst allgemein für sehr unterhaltend.

Bertha. Warum geht Ihnen denn bei mir regelmäßig das Licht aus?

Busch. Vielleicht, weil Sie's unter den Scheffel Ihrer üblen Laune stellen. Ich gebe mir vergebene Mühe, Ihnen zu gefallen.

Bertha. Vielleicht weil Sie zu sehr verliebt in sich selbst sind.

Busch. Dem wäre abzuhelfen, wenn Sie mir gestatten wollen, in Sie verliebt zu sein.

Bertha. Kann ich Ihnen das verbieten?

Busch. Sie wollen mich nicht verstehen.

Bertha. Warum geben Sie Rätsel auf?

Busch. Ist nicht die Liebe das größte Rätsel des Lebens?

Bertha. Eine schöne Sentenz, die mich schwermütig machen könnte, wenn sie ebenso wahr als schön wäre.

Busch. Warum? Wenn ich fragen darf.

Bertha. Weil ich einen entsetzlich schweren Kopf habe und auch nicht das leichteste Rätsel rate.

Busch. Man löst diese Art Rätsel aber gar nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen.

Bertha. Dann bin ich ganz übel daran, denn ich habe mein Herz bereits verloren.

Busch (selbstgefällig). Ich möchte wohl wissen, an wen?

Bertha. An ein Echo.

Busch. Ah!

Schnepf. Unmöglich – rein unmöglich!

Frau Schnepf. Aber so bedenke doch – (spricht ihm weiter zu).

Busch. Wohl das berühmte Echo unter dem Andreasberge, von dem der Kellner mir pflichtschuldigst berichtet hat?

Bertha. Kann sein.

Busch. Fräulein –! Das ist gefährlich.

Bertha. Sehr! (Beide gehen die Promenade hinauf und hinten herum nach links vorn).

Schnepf (zu seiner Frau). Ich sage dir: rein unmöglich. Meine Stellung – mein Alter – meine Würde –

Frau Schnepf. Und dein jämmerliches Gehalt. Müssen wir nicht jährlich von dem Meinigen zulegen?

Schnepf. Bedenke doch, Clotilde! Ich soll mich so weit erniedrigen, diese lockere Dame um ein Fürwort beim Fürsten zu bitten?

Frau Schnepf. Willst du's nicht gleich so laut sagen, daß die ganze Badegesellschaft von Kieferthal es hört?

Schnepf (ganz leise). So etwas bleibt ja doch nicht still. Wer darf sich bei Personen dieser Art auf Diskretion verlassen?

Frau Schnepf. Andere werden es ebenso machen, und es hat in solchen Fällen seinen Vorteil, der Erste zu sein.

Schnepf. Aber der Geheime Registratur Schnepf –

Frau Schnepf. Wie lange wird's dauern, und wir haben unsere Tochter auszustatten. Der Busch macht ihr den Hof.

Schnepf. Ich will von dem Busch nichts wissen; er hat nicht einmal einen ordentlichen Titel.

Frau Schnepf. Er oder ein Anderer. Sprich mit der Sängerin.

Schnepf (die Hände zusammenschlagend). O tempora, o mores!

Bertha. Ich will nichts weiter hören.

Rosette (eilig vom Hause). Sie kommen – sie kommen!

Vierter Auftritt

Aus dem Hause Ella und Egon. Arthur folgt, einen mit Geld gefüllten Teller tragend. Dr. Rathgeber schließt sich an. Die Badegäste stehen auf und verbeugen sich vor Arthur; ein Teil drängt sich an Ella. Später Peter. Zuletzt Schnepf und Rosette.

Dr. Rathgeber. Im Namen der ganzen Badegesellschaft besten Dank für den Hochgenuß, den Sie uns bereitet haben.

Die Gäste (durcheinander). Himmlisch – reizend – unübertrefflich -!

Busch. Eine Stimme, wie eine Glasglocke.

Schnepf. Sie haben Jugend und Alter gleich bezaubert.

Frau Schnepf. Kieferthal verdankt Ihnen einen seiner schönsten Abende.

Dr. Rathgeber. Und hofft auf ein eben so glänzendes Dakapo.

Ella. In der Tat, Sie beschämen mich, meine verehrten Herrschaften, wenn Sie meinen geringen Leistungen so viel Bedeutung beilegen.

Egon. Nur keine Bescheidenheit dem Publikum gegenüber.

Ella (den Gästen die Hände schüttelnd). Ich danke Ihnen – ich danke Ihnen von Herzen. (Wirft sich erschöpft in einen Stuhl.) Ach! Mir ist ein Stein von der Brust gewälzt.

Egon (zu den Umstehenden). Signora Carina ist entzückt, hier so viel guten Kunstgeschmack zu finden, und wird in einer Viertelstunde, die sie sich zur Erholung erbittet, den Herrschaften die Freude machen können, an der Tafel zu erscheinen. (Zu Ella.) Sie nehmen doch meine Einladung an?

Ella. Wenn mein Mann –

Egon. Ach, ich bitte Sie, das versteht sich ja von selbst.

Ella. So?

(Die Badegäste sammeln sich um Arthur, halten sich aber doch in gemessener Entfernung.)

Dr. Rathgeber (stößt, indem er noch eine letzte Verbeugung vor Ella macht, Arthur an, wendet sich rasch um und dienert). Dürfen wir gehorsamst und devotest gratulieren?

Arthur (klappert mit dem Gelde im Teller). Bitte, bitte; die Einnahme übertrifft unsre Erwartungen.

Frau Schnepf. Wie natürlich er seine Rolle spielt!

Rosette. Leider – leider!

Busch. Gestatten Sie die Aussprache unseres ehrerbietigsten Dankes –

Arthur. O! Keine Ursache. Sie sehen, der bleibende Vorteil ist auf unsrer Seite.

Busch (fein lächelnd). Hm – so zu sagen. Es wäre uns angenehm, wenn Sie mit uns zufrieden sein könnten und sich allezeit mit einigem Vergnügen der Stunden erinnern möchten, die Sie inkognito in Kieferthal zugebracht haben.

Arthur. Ich glaube, Sie halten mich für mehr als ich bin.

Die Gäste. O –o – o –oh!

Arthur (bei Seite). Kurioses Völkchen. (Laut.) Ich bin doch neugierig, wie viel wir eigentlich eingenommen haben. Lassen Sie mich einmal zählen. (Er zählt das Geld auf.)

Schnepf. Ziehen wir uns zurück. (Es geschieht.)

Ella (zu Egon). Sagen Sie mir aufrichtig: habe ich mich blamiert?

Egon. Die Primadonna der großen Oper zu Mailand?

Ella. Ach! Lassen Sie das. Sie sind nicht der Mann, so etwas für bare Münze zu nehmen.

Egon. Jedenfalls vielversprechend. Stimmmaterial vortrefflich; Höhe und Tiefe kann leicht noch ein wenig verstärkt werden, die Mittellage hat bereits vollen Klang. Die Schule ist lobenswert, und die nötige Freiheit des Tones wird sich bei größerer Übung finden. Sie berechtigen zu den schönsten Hoffnungen.

Ella. Ha, ha, ha! Sehr freundlich.

Egon. Warum lachen Sie?

Ella. Weil ich mir's in der Pension nicht habe träumen lassen, daß meine kleinen Künste so viel wert seien.

Egon. Ihr Gesang hat etwas über alle Kunst hinaus –: Seele.

Ella. Sie könnten mich ganz eitel machen.

Egon. Schwerlich – wenn Ihr Spiegel sich vergebens darum bemüht haben sollte.

Ella. O! Das ist etwas Anderes.

Egon. Allerdings, aber es hat seine Bedeutung. So viel Jugend, Schönheit und Talent vereinigt – es kann Ihnen nicht an Eroberungen fehlen.

Ella. Mein Herr –! So etwas sagt man nicht –

Egon. So erlauben Sie, daß ich's denke.

Ella. Aber weniger laut.

Egon (leiser und vertraulicher). Ich verstehe. Sie haben Verpflichtungen –

Ella (heiter). Die allerernstesten.

Egon. Ha, ha, ha! Kontraktlich auf Stempelbogen. Er hat für Ihre Ausbildung gesorgt und sich dafür die Ausbeute Ihres Talents vorbehalten. Man kennt das.

Ella. Wer, mein Herr?

Arthur. Siebenunddreißig Taler fünfzehn Silbergroschen – aller Ehren wert!

Egon. Hören Sie?

Arthur. Darunter ein falsches Fünfgroschenstück.

Egon (zieht einen Ring ab). Das ich mir zum Andenken erbitte, wenn Sie dafür diesen Brillantring eintauschen wollen, der die reizende kleine Hand schmücken wird. (Er versucht Ella den Ring aufzuziehen.)

Ella (aufstehend). Arthur – !

Arthur. Nun?

Egon. Er hat sicher nichts dagegen.

Ella (scheu). Aber ich verbitte mir – (sie tritt zu Arthur und spricht mit ihm; er sucht sie zu beruhigen).

Peter (zu Egon). Gnädiger Herr!

Egon (ärgerlich). Was gibt's denn?

Peter. O, ich störe –

Egon (tritt zur Seite). Nun – was gibt's? Schnell!

Peter. Wollen Sie gütigst diese Visitenkarte in Empfang nehmen?

Egon (nimmt die Karte). Kurt von Hageln? Ganz unbekannt.

Peter. Das meinte der Herr auch.

Egon. Weshalb schickt er mir denn diese Karte?

Peter. Weil er den Herrn von Schmettwitz zu sprechen wünscht.

Egon. Ah so – Schmettwitz. Gut! Wo ist er?

Peter. Auf Zimmer Nr. 46. Er war sehr müde von der Reise.

Egon. Fatale Störung! Machen wir's schnell ab. Vielleicht weiß er et was von dem richtigen Schmettwitz, und ich werde die Brieftasche los. – – Dieses reizende Weibchen bringt meine tugendhaftesten Entschlüsse zum Wanken. (Zu Ella.) Auf Wiedersehen! (Ab mit dem Kellner.)

Ella. Ich begreife nicht deine Gelassenheit, Arthur.

Arthur (klimpert mit dem Gelde). Sind wir nun nicht obenauf? Siebenunddreißig Taler fünfzehn Groschen – es ist ein Posten. Als ich dich heiratete Schatz, hätt' ich nicht geglaubt, daß ich jemals mit meiner Frau so viel verdienen würde.

Ella (mit Vorwurf). Arthur –!

Arthur. Was meinst du, wenn wir unser Gut verpachten und weiter durch die Welt konzertieren? Die Kunst scheint einträglich zu sein. Es ist doch hübsch, solch ein Goldweibchen zu haben.

Ella. Findest du?

Arthur. Und das lustige Leben! Alle meine Studentenstreiche gehen mir durch den Kopf. Weißt du, daß wir auch einmal konzertierten, als wir gründlich abgebrannt waren? Ich spielte den Brummtopf mit Virtuosität und erntete viel Beifall, besonders bei den hübschen jungen Mädchen. Aber eine solche Einnahme haben wir selbst an unserem glücklichsten Tage nicht gehabt. (Schüttelt das Geld.)

Ella. Höre, Arthur, wir wollen ein ernstes Wort miteinander sprechen.

Arthur. Ein ernstes Wort? Du mit mir? Das ist ungeheuer komisch.

Ella (erschreckt). Arthur – Du hast getrunken!

Arthur. Getrunken? Natürlich hab' ich getrunken. Der Mann einer fahrenden Sängerin trinkt immer. Das liegt so im Metier. Und nun wird gespielt – (schüttelt das Geld) wir haben's dazu.

Ella. Zum Glück ist kein Spieltisch hier.

Arthur. Das arrangiert sich leicht. Herr von Schmettwitz, mein famoser Namensvetter, ist sicher kein Unmensch –

Ella. Das darf nicht sein. Dieser Herr von Schmettwitz –

Arthur. Ein liebenswürdiger Kavalier, ein echter Ritter vom Stegreif.

Ella. Laß vernünftig mit dir reden, Arthur; wir müssen fort – eiligst fort!

Arthur. Das wäre!

Ella. Das Geld reicht aus, unsere Rechnung zu berichtigen und die Eisenbahnfahrt bis nach Hause zu bezahlen. Das ist die beste Verwendung dafür.

Arthur. Was? So philiströse sollen wir uns drücken, nachdem wir so burschikos angefangen haben? Wie? Wir haben noch volle vierundzwanzig Stunden zum Abenteuern, und es wäre doch eine wahre Sünde, sie im Postwagen und Eisenbahnwaggon zu verschleudern, nachdem wir so hübsch in den Zug gekommen sind.

Ella. Ich erkenne dich gar nicht wieder, Arthur. Es war ja doch immer dein Wunsch, so halb als möglich deine Wirtschaft wieder zu haben.

Arthur. Ja, siehst du, Kind! Das war der grauenhafte Philister in mir, der nur an Feld und Wald, Haus und Scheune, Vieh und Pferde dachte. Aber –! »zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust – !« Die eine, die lustige Studentenseele, war eingeschlafen, und nun sie einmal auf geweckt ist, läßt sie sich nicht so leicht wieder die Kissen um die Ohren schlagen. Du sollst einen Mann nach deinem Herzen haben.

Ella. Ich bitte dich, Arthur, laß uns abreisen.

Arthur. So dringlich, Kind! Was hast du denn plötzlich?

Ella. Frage nicht! Ich ängstige mich –

Arthur. Aber wovor in aller Welt?

Ella. Vor dir – vor mir selbst – vor irgend einem Unglück, das unser Leichtsinn heraufbeschwören könnte –

Arthur. Närrchen! Die vierundzwanzig Stunden seitwärts vom Wege werden dir später das ganze Leben lang fehlen. Durch! Es liegt noch etwas in der Luft, das herunter muß. Sie halten uns hier für irgend was Besonderes, ich weiß nicht für was. Gib Acht! Wir bringen's heraus.

Ella. Folge mir, Arthur.

Arthur. Nein! Noch küsse ich den Pantoffel nicht. – Sieh nur, wie der geheime Schnepf dort um uns in allerhand magischen Kreisen herumstreicht, ich wette drauf, in seinem Vogelgehirn ist irgend eine geistreiche Idee aufgedämmert, die hier ans Tageslicht soll. –Treten Sie doch näher, mein verehrtester Herr Geheimer Rat!

Schnepf (zutretend). O! Sie beglücken mich –!

Arthur. Keinen Würdigeren in dieser ehrenwerten Gesellschaft könnte ich mit einer Kommission betrauen, die Umsicht und Lokalkenntnis fordert. Ich habe unsere heutige Konzerteinnahme für die Kieferthaler Annen bestimmt –

Ella (aufs Äußerste erschreckt). Arthur –!

Arthur. Und übergebe Ihnen hiermit die Kasse, siebenunddreißig Taler fünfzehn Silbergroschen, wohl gezählt, darunter ein falsches Fünfgroschenstück. Übernehmen Sie gütigst die Verteilung.

Schnepf (ganz konsterniert). Gütiger Herr –! Diese Liberalität – wird Ihnen alle Herzen gewinnen.

Arthur. Siehst du, Ella!

Schnepf. O, ich dachte ja gleich, daß nur ein Scherz – (Bei Seite.) Nun ist kein Zweifel mehr, daß er der Fürst ist.

Arthur. Sie hatten noch etwas auf dem Herzen – wie?

Schnepf. Ach, mein Himmel – ein Einfall meiner Frau –! Wie sollte ich sonst die Dreistigkeit –

Arthur. Nur heraus damit.

Schnepf. Wenn Sie mir ein Wort mit Ihrer – Ihrer – (schluckt krampfhaft) Frau Gemahlin gestatten wollen –

Arthur. Immer zu: ich bin nicht eifersüchtig.

Schnepf. Ach – es ist auch nicht Ursache –

Arthur (zu Ella). Willst du den Herrn Geheimen Rath –

Schnepf. Registratur – Registratur, genauer gesagt.

Arthur (klopft ihm auf die Schulter). Was nicht ist, kann werden.

Schnepf (sehr glücklich). Wenn Sie's versichern –! Darf ich um eine kurze Audienz bitten, meine Gnädigste?

Ella (aufstehend und ihm folgend). Ich stehe zu Diensten. (Bei Seite.) Was wird das wieder sein? Die Sache fängt an unheimlich zu werden. (Ab mit Schnepf nach der Promenade.)

Arthur. Sie hat genug! Aber sie muß zu viel haben, wenn uns für immer geholfen werden soll. Wie wird uns das trauliche Schmettwitz behagen, wenn wir dort wie in den schützenden Hafen nach dem Sturm einlaufen? – Da gibt's schon eine neue Anfechtung!

Rosette (tritt, nachdem sie sich am benachbarten Tische etwas zu schaffen gemacht, mit vielen Verbeugungen heran). (Bei Seite.) Ich wage es, dem Fürsten reinen Wein einzuschenken. (Laut.) Darf ich hoffen, nicht zu stören?

Arthur. Bitte, mein Fräulein, bitte.

Rosette. Wir sind sicher vor Lauscherohren. Was ich zu sagen habe, darf zwar die Zeugenschaft der Menschen so wenig scheuen, als die des Himmels; ich bin jedoch zu wohlerzogen, um die Diskretion zu verletzen, die ein Inkognito fordert, und bitte daher, mich auf Andeutungen beschränken zu dürfen.

Arthur (bei Seite). »Herr, dunkel war der Rede Sinn – « (Laut.) Eine vielversprechende Einleitung, mein Fräulein.

Rosette (vertraulich). Ich darf hinzufügen: Sie sind erkannt.

Arthur. Ach!

Rosette. Aber es wird von Ihnen abhängen, wann Sie sich einer ehrerbietigen Dienerin decouvrieren wollen. Ich enthalte mich deshalb auch aller Prädikate, die mir ein langer Verkehr mit dem Hofe geläufig gemacht hat, und hoffe um so größeres Vertrauen zu verdienen.

Arthur. Wenn Sie mir nur sagen wollten –

Rosette. Es ist das langjährige Interesse für die Familie, die – ich darf mich dessen rühmen – freundschaftliche Stellung zu den Damen, die Liebe zu meinem engeren Vaterlande, die mich sprechen heißen. Mein Vater war Hofrath und Sekretär des hochseligen Fürsten, mein Großvater Garderobemeister, mein Urgroßvater Leibkutscher bei dessen Erlauchten Vorfahren. Ich selbst hatte die Ehre, den gnädigen Fräulein Gouvernantendienste leisten zu dürfen.

Arthur. Eine rührende Treue.

Rosette. O, wenn Sie das fühlen – – ! Aber ich beherrsche mich. Es gibt große Momente im Leben mancher Sterblichen –

Arthur. Unzweifelhaft.

Rosette. Unvermutet zu Reichtum, Macht, hoher Stellung zu gelangen – ist das nicht ein solcher Moment? Er fordert einen größern Menschen. Welche Verantwortlichkeit, wenn das Schicksal fehlgriff, wenn nicht die Tugend das Glück krönt.

Arthur. Sehr schön gesagt; aber ich begreife nicht –

Rosette. Die Tugend. O, auch sie ist kein leerer Wahn. In Hütten und Palästen –

Arthur. Erlauben Sie, mein Fräulein, ich habe mich bisher für einen leidlich anständigen Menschen gehalten, und kann wirklich nicht finden – (Bei Seite.) Die ist toll!

Rosette. In Ihren bisherigen Verhältnissen – ich wage keine Kritik darüber. Aber in Ihr neues Leben Verbindungen mit hinüber zu nehmen, die nach sittlichen Anschauungen – – O! Sie machen es mir so schwer.

Arthur. Was für Verbindungen?

Rosette. Eine Opernsängerin führen Sie in das Ländchen ein, das von Ihrer Weisheit und Sittenstrenge –

Arthur. Ha, ha, ha – köstlich!

Rosette. O, lachen Sie nicht, es schneidet mir ins tiefste Herz.

( Ella und Schnepf der noch immer den Teller trägt, werden auf der Promenade sichtbar. Sie gibt sich augenscheinlich Mühe, die Dame zu erkennen, mit der Arthur spricht).

Arthur. Sprechen Sie von meiner Frau?

Rosette. Entheiligen Sie nicht dieses hohe Wort. Ein Wesen so tief unter Ihnen –

Arthur. Ich muß bitten, mein Fräulein –!

Rosette. Unerschrocken stehe ich vor Ihnen, ein weiblicher Marquis Posa – -

Arthur. Ich gewähre Ihnen gnädigst Gedankenfreiheit, so viel Sie vertragen können, aber offenbare Invektiven –

Rosette. Die Pflicht fordert sie. Selbst hier – sollten Sie nicht bemerken, was jedes zartorganisierte Gemüt wahrhaft erschreckt, diese Vertraulichkeit mit Herrn von Schmettwitz –

Arthur. Mit –? Ach so.

Rosette. Lassen Sie sich beschwören. Trennen Sie sich von diesen unseligen Banden, um ganz Ihrer großen Aufgabe zu leben, kehren Sie zurück zu Tugend –!

Ella (tritt wieder mit Schnepf in den Vordergrund und sucht sich von ihm loszumachen). Das Gespräch scheint sehr intim.

Rosette (komisch erregt). Wir sind behorcht – ich scheide. Lassen Sie mich die Hoffnung mitnehmen, daß ich nicht umsonst gesprochen habe.

Arthur. Beim besten Willen rein unmöglich.

Rosette. Unglückliches Land! (Ab.)

Ella (zu Schnepf). Ich kann nur immer dasselbe wiederholen. Wenn ich Gelegenheit haben sollte, Ihren Fürsten zu sprechen, will ich gern in Ihrem Interesse – (Wendet sich ab.) Der Mensch kann einen mit seinem unverständlichen Zeug zur Verzweiflung bringen. Schnepf (wischt sich den Schweiß). O, Clotilde! (Ab.)

Ella. Was war das für eine Dame, Arthur, mit der du dich so angelegentlich unterhalten hast?

Arthur. Sehr angelegentlich.

Ella. Sie schien die Flucht zu ergreifen, als ich mich näherte.

Arthur. Es hat den Anschein.

Ella. Nein, es ist gewiß. – Was wollte sie denn von dir?

Arthur. Allen Ernstes mich bestimmen, daß ich mich von dir scheiden lasse.

Ella. Ah –h! Das muß ich sagen, du machst interessante Bekanntschaften.

Arthur. Ich erstaune aber auch, was ich selbst für ein interessanter Mensch sein muß.

Ella. Wirklich?

Arthur. Du hast bisher gar nicht gewußt, was du an mir hast.

Ella. Die Leute sind hier im Stande, dem Besonnensten den Kopf zu verdrehen; es ist gefährlich in ihrer Nähe. Bei diesem Herrn Schnepf scheint's nicht ganz richtig; er hält mich für die Geliebte seines Fürsten.

Arthur. Hab' ich dir nicht gesagt, daß es noch toller kommt? Wir erleben in diesen vierundzwanzig Stunden noch etwas.

Ella. Ich will fort.

Arthur. So energisch? Ich glaube gar, du bist eifersüchtig.

Ella. Ich wollte, du wärst es.

Arthur. Ich? Da müsste ich meine Frau nicht kennen.

Ella. Oder – da müsste deine Frau dir weniger gleichgültig sein. (Mit ihrem Ärger kämpfend.) Wären wir doch nur nach Hause gereist!

Arthur (für sich). Nun kommt die Katastrophe.

Ella. Ich singe auf keinen Fall zum zweiten Mal.

Arthur. Natürlich, wer wird denselben Spaß zweimal machen?

Ella. Er ist mir schon das erste Mal verdorben.

Arthur. Ein munteres Souper wird dich wieder aufrichten.

Ella. Ich spiele meine Rolle nicht weiter.

Arthur. So wird man erst recht glauben, daß du eine Rolle spielst. Die Kieferthaler sind hieb- und stichfest.

Ella. Du wird es bereuen, Arthur.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Egon. Busch.

Egon. Entschuldigen Sie mein langes Ausbleiben, meine Verehrtesten! Ein unbekannter Herr schickt mir eine Karte und wünscht mich zu sprechen. Ich bin so höflich, ihn aufzusuchen, statt mich aufsuchen zu lassen, klopfe aber vergeblich an die Tür. Wie ich nun das Ohr ans Schlüsselloch lege, um mich zu überzeugen, ob das Zimmer bewohnt ist, höre ich ein lautes – Schnarchen. Wie finden Sie das?

Arthur. Impertinent.

Egon. Und inzwischen gerät unsere Wirtin vom goldenen Tannzapfen in gelinde Verzweiflung, weil unser lukullisches Mahl kalt wird. (Zu Ella.) Darf ich um Ihren Arm bitten, Signora? Ich führe Sie zur Tafel.

Ella (bei Seite). Wenn's ihn nur ärgerte. (Laut.) Du bist ja wohl schon engagiert, lieber Arthur?

Arthur. Sei meinetwegen ganz unbesorgt.

Egon. Ich habe den Platz gegenüber für Sie belegt. (Mit Ella ab.)

Arthur. Sehr dankbar.

Busch (heimlich zu Arthur). Mein Herr –!

Arthur. Nun?

Busch. Ich komme in einer diplomatischen Mission.

Arthur (bei Seite). Wieder einer. (Laut.) Von welchem Hofe akkreditiert?

Busch. So zu sagen, von dem von Sulzingen.

Arthur. Sehr schmeichelhaft.

Busch. So zu sagen –! Ich hoffe verstanden zu sein.

Arthur. Vollkommen.

Busch. Man wagte zwar nicht, die geheimen Motive eines hohen Inkognitos enträtseln zu wollen, darf sich doch aber mit der Vermutung tragen, daß dasselbe den Zweck möglichst eingehender Information nicht ganz ausschließen dürfte.

Arthur. Sehr wahrscheinlich.

Busch (bei Seite). Er beißt an. (Laut.) Dazu wäre nun die trefflichste Gelegenheit, wenn Sie sich eine Viertelstunde weit bemühen wollten –

Arthur. Was – ich?

Busch. In Anbetracht und geneigter Würdigung der besonderen Rücksichten auf hohes Inkognito, die den Herrn Fürstentumsdirektor von Schwalbe hindern, hier seine Aufwartung zu machen.

Arthur. Schwalbe – so, so!

Busch. Er ist ein sehr unterrichteter Mann und im Stande, bei Sonderung des Allodialvermögens der jungen Prinzessinnen die wichtigsten Dienste zu leisten. Ich würde danach sehr glücklich sein, wenn ich den Weg nach dem Wolfenhagener Jagdschlößchen zeigen dürfte.

Arthur. Wie? Jetzt zur Nacht?

Busch. Der größeren Heimlichkeit wegen – ich stelle gehorsamst anheim.

Arthur (bei Seite). Das wird bunt. Bisher habe ich mir eingebildet, die Marionettendrähte in der Hand zu haben; jetzt fühle ich plötzlich selbst ein sehr verdächtiges Zupfen am Rockkragen. (Laut.) Eine Viertelstunde, sagen Sie?

Busch. Kaum, und wir haben den herrlichsten Mondschein.

Arthur (bei Seite). Ich bin doch neugierig. Für Ella steigert sich der Effekt, wenn ich auf einige Stunden verschwinde, und ihre Eifersucht verdient wirklich eine kleine Buße. (Laut.) Aber unser Souper?

Busch. O! Wir finden sicher in Wolfshagen die Tafel bedeckt.

Arthur. Gut denn – ! Ich gehe mit Ihnen. Haben Sie vielleicht ein Blatt Papier bei der Hand?

Busch (reißt ein Blatt aus seiner Brieftasche und reicht es ihm).

Arthur. Ein paar Worte für meine Frau. (Schreibt.) So! Wir schicken's durch den Kellner hinein. –A propos! Kennen Sie diesen Herrn von Schmettwitz, der sich so groß aufspielt?

Busch. Habe bisher nicht das Vergnügen gehabt.

Arthur. Er ist mir verdächtig. Ich habe Grund zu der Annahme, daß er sich einen falschen Namen beilegt.

Busch. Ach! Das muß untersucht werden.

Arthur (bei Seite). Dem soll das Tourmachen eingetränkt werden. (Laut.) Vorsichtig!

Busch. Verlassen Sie sich auf mich, gnädiger Herr.

Arthur. Was gibt's denn dort?

(Im Hintergrund hat sich die Badegesellschaft gesammelt. Dr. Rathgeber, den Teller mit dem Gelde in der Hand, tritt vor. Peter, schwenkt vom Balkon des Hauses aus die Serviette als Fahne.)

Dr. Rathgeber. Dem edlen Wohltäter, dem Freunde der Armen ein donnerndes Hoch!

Die Gesellschaft. Hoch soll er leben! Hoch soll er leben! Er lebe hoch!


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