Johann Karl Wezel
Herrmann und Ulrike / Band 3
Johann Karl Wezel

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Fünftes Kapitel.

Die längstgewünschte Messe erschien, und die beiden Kaper rückten mit einer kleinen Baarschaft, die sie aus den erbeuteten Hünern, Gänsen, Kühen und Eyern gelöst hatten, wieder in die Stadt. Arnold, so freygebig und edel er im Glücke war, handelte in der Noth mit der grausamsten Tiranney: um sich emporzuhelfen, schonte er weder Vater, Mutter, noch Freund. Gleich zu Anfange der Messe wandte er sich an einen fremden Kaufmann von seiner vertrautesten Bekanntschaft, der von seinem Unglücke noch nichts wußte, und schwazte ihm zehn Louisdor ab, 401 die er in drey Tagen wieder zu bezahlen versprach. Herrmann bekam zwey davon, um sein Glück auf den Kaffehäusern zu versuchen, und Arnold gieng aus, einen einfältigen reichen Fremden oder gutherzigen Jüngling aufzusuchen, um ihn rein zu plündern. Herrmann, der sein Versprechen gegen Lisetten noch nicht mit Einem Groschen hatte erfüllen können, flog sogleich zu ihr und überbrachte ihr die Hälfte seiner zehn Thaler: er fand sie noch bey ihrer Schwester, die theils aus Kummer, daß sie Arnold ganz verlassen hatte, theils aus Furcht vor künftiger Schande krank geworden war; denn sie hatte gegründete Ursachen, traurige Folgen von Arnolds Vertraulichkeit zu erwarten. Lisette konte nicht genug verdienen, um sich und ihre bettlägerige Schwester zu erhalten: ein Theil ihrer Kleider war schon versezt, und an den übrigen sollte nächstens die Reihe kommen. In einer so kläglichen Lage war Herrmann mit seinem Louisd'or ein Engel, der sie vom Himmel speiste. Lisette weinte, bleich von vielem Härmen, und ihre Schwester wickelte sich schluchzend in die 402 Betten, um ihr entstelltes schamvolles Gesicht zu verbergen: das Bild des Schmerzes und Mangels, das er erblickte, wohin er sich kehrte und die Klagen der beiden Mädchen machten so tiefen Eindruck auf Herrmann, daß er auch seinen zweiten Louisd'or hingab. Er blieb die übrige Zeit des Tages bey ihnen und gieng gegen Abend auf Arnolds Stube mit verstellter Wuth und Trostlosigkeit, als wenn er sein Geld auf dem Kaffehause verloren hätte. Sein Freund zog ihn mit seinem vorgegebnen Verluste auf und versicherte ihn, daß er heute Abend einen bessern Fang thun werde. »Den Vogel hab' ich im Garne,« sprach er; »und diesen Abend wollen wir ihn rupfen. Einen Mann, so fidel, wie ein halbjähriger Student, so treuherzig wie ein Kind, und ein herzlicher Liebhaber von Spiel, hab' ich erwischt. Er ist in Geschäften hier und hat einige tausend Thaler bey sich, die er morgen auszahlen soll: so bald wir sie ihm abgenommen haben, müssen wir fort; denn das Geld gehört nicht ihm, und wenn Untersuchung angestellt würde, könten wir übel dabey wegkommen. Ich habe ihn zum Abendessen gebeten: 403 Essen, Wein und Gesellschaft ist schon bestellt: unser Hahn, dem wir die Federn ausziehen wollen, trinkt gern ein Gläschen, und damit soll er reichlich bedient werden. Wenn er dessen genug hat, dann soll die Lustjagd angehn; und ich setze meinen Kopf zum Unterpfande, daß ihm nicht ein rother Pfennig von seinen dreytausend Thalern übrig bleiben soll. Hier sind meine Würfel mit lauter Sechsen, und hier mein allzeit artiges Aß zum Vingt et un; denn das ist sein liebstes Spiel, hat er mir gesagt. Freue dich, Brüderchen! Morgen wollen wir nicht mehr solche Halunken seyn wie heute.«

Herrmann konte sich nicht freuen, ob ihm gleich reichlicher Antheil an der Beute versprochen wurde: er gieng ängstlich, wie ein Missethäter, herum, oder als wenn er zu einem Opfer eingeladen wäre: er konte es weder sich noch seinem Freunde verhelen, daß dies förmliche Räuberey sey, wurde für sein gutherziges Moralisiren ausgelacht und mußte schweigen.

Der eingeladne Fremde stellte sich früher als alle Andre ein, weil er sich einmal einen recht 404 lustigen Abend machen wollte: aber wie groß war Herrmanns Entsetzen, als er an der Stimme und Figur bey seinem Hereintritt den Doktor Nikasius erkannte: er wußte nicht, wie er sich vor ihm verbergen sollte, und begab sich deswegen unter einem Vorwande gleich nach dem ersten Grusse hinweg. Sich erkennen zu geben, war demüthigend, weil er glaubte, daß ihm Jedermann seine schlechten Umstände und schlechte Lebensart an der Stirn lesen könte: gleichwohl seinen ehemaligen Retter, seinen wohlthätigsten Freund und Beschützer der schrecklichsten Gefahr nahe zu sehn und ihn mit keinem Winke zu warnen, das war eine Unmenschlichkeit, wofür sein Herz schauderte: warnte er ihn, so zerstörte er Arnolds Plan und lud seine unversöhnlichste Feindschaft auf sich. Er gieng die Straße einigemal nachdenkend auf und ab, so kalt es war, und beratschlagte: bald wollte er dem Doktor in einem Billet, als ein Unbekanter, die Gefahr zu wissen thun, bald Arnolden inständigst bitten, sich ein andres Opfer zu wählen: beides war mißlich, und er schlug deswegen einen Ausweg ein. Arnold hatte des Doktors 405 Bekantschaft bey Tische in einem Gasthofe gemacht: es war folglich zu vermuthen, daß er auch dort wohnen, oder seine Wohnung dort zu erfragen seyn werde. Er wanderte hin: glücklich war es des Doktors Quartier: man wies ihn zu dem Bedienten, der ihn auf den ersten Blick erkannte und etwas verdrießlich bewillkommte. Herrmann bat ihn, sogleich in das Haus, das er ihm anzeigte, zu gehen, nach Herrn Arnold zu fragen und dem Doktor zu melden, daß ihn Jemand, der Geld an ihn auszuzahlen habe und noch diesen Abend wegreisen wolle, notwendig auf eine Viertelstunde augenblicklich sprechen müßte: dem Bedienten schärfte er auf das Gewissen ein, seinen Namen nicht eher zu verrathen, als bis er mit seinem Herrn auf der Straße sey. Der Bediente gieng, und Herrmann wartete am Thore des Gasthofes so freudig, so leicht ums Herze, als wenn ihm ein großer Stein abgewälzt wäre.

Arnold ließ den Doktor mit unendlicher Schwierigkeit von sich, und nur wegen der Hofnung, seinen Gewinst durch die neue Auszahlung vielleicht zu vergrößern, willigte er in sein 406 Weggehn. Nikasius langte voll Erwartung und keuchend an: der Bediente hatte ihm auch unterwegs Herrmanns Namen nicht entdeckt, und er führte ihn unerkannt auf seine Stube. »Dergestalt und allermaßen,« rief der Doktor, als er ihm ins Gesicht blickte, »wie ist mir denn? Bin ich denn recht?« – Herrmann unterbrach sogleich seine Verwunderung, versicherte ihn, daß er recht sey, und erzählte ihm das Komplot. Nun gieng erst Verwundrung und Erstaunen bey dem Doktor an: er lief vor Angst hurtig nach seiner Schatulle, um zu sehn, ob er seine dreytausend Thaler nicht schon verspielt habe, und wußte nicht, wie er für die Warnung genug danken sollte, als er sie noch fand. Er wollte aus Erkenntlichkeit sogleich Wein und Kuchen holen lassen, allein Herrman verbat es, versprach, ihn den andern Tag zu besuchen, und trennte sich von ihm, um keinen Verdacht bey Arnolden zu erwecken. Der Doktor wollte umständlich belehrt seyn, woher er das alles wüßte, wie er in solche Bekantschaft gekommen wäre, und that tausend andre Fragen, die Herrmann nicht zu beantworten Lust hatte.

407 Er kam zur Gesellschaft zurück, die mit Schmerzen auf des Doktors Rückkunft wartete, ließ sich die Ursache seiner Abwesenheit, wie eine ganz fremde Sache erzählen, und wandte sehr heftige Zahnschmerzen als einen Bewegungsgrund vor, warum er sich vorhin wegbegeben habe und itzo auf seine Stube verfügen werde, ohne Antheil an der Lustbarkeit zu nehmen. Der Anblick seines ehemaligen Versorgers, das Andenken an seine eigne Gemüthsbeschaffenheit bey seinem Aufenthalte in des Doktors Hause und die Vergleichung seiner damaligen Umstände mit den gegenwärtigen hatten ihn in eine Stimmung des Geistes versezt, daß er das Gewühl der Freude unmöglich zu ertragen vermochte. Er schloß sich ein und seine traurigen nagenden Gedanken mit sich.

Arnold verlor indessen alle Geduld über des Doktors langes Ausbleiben, schöpfte Argwohn und suchte ihn in eigner Person auf. Welch Entsetzen! die Thür war verschlossen, Nikasius ausgegangen und die Beute verloren: Arnold durchstrich in der äußersten Wuth alle Oerter des Vergnügens und traf ihn nirgends; denn 408 er besuchte einen alten Magister, seinen ehemaligen Universitätsfreund.

Mit den Zähnen hätte Arnold sich, den Doktor und die ganze Gesellschaft zerreißen mögen: Verdacht war sichtbarlich da; aber auf wen?– Es war nichts zu thun, als daß er das bestellte Abendessen mit den beiden übrigen Gästen genoß und sich im Namen des Doktors betrank. Herrmann, der mit ihm seit dem großen Verluste in Einem Hause wohnte, wurde von ihm zur Gesellschaft zurückgeholt: Wein und Spiel zerstreuten die quälenden Gedanken, die des Doktors Gegenwart in ihm erregt hatte, und trieben ihn wieder ins vorige Gleis zurück. Er bekam zwar noch einige Tage hinter drein einige Unfälle von Vernunft: er wollte den Doktor aufsuchen und ihn bitten, daß er ihn aus seiner Lebensart herausrisse; allein theils schämte er sich, in einem so nachtheiligen Lichte vor ihm zu erscheinen, theils war seine Leidenschaft für das Spiel ein verzärteltes Kind, dem er unmöglich wehe thun konte: er wünschte, sie zu vertreiben, und wagte es nicht.

Arnold hatte in jener Nacht der Schwelgerey 409 von den beiden halbtrunknen Gästen über hundert Thaler gewonnen und eilte nunmehr mit seinem Busenfreunde Herrmann auf neue und größere Beute aus. Auf ihren Wanderungen erblickten sie einen kleinen blaurockichten Mann, der mit vier schönen kastanienbraunen Pferden Vormittags und Nachmittags um das Thor fuhr. – »Was wettest du?« fieng Arnold an: »übermorgen soll der Postzug unser seyn.« – Herrmann lachte über seinen Einfall und nahm ihn für Scherz auf. Sie erkundigten sich nach diesem blaurockichten Manne und erfuhren, daß es ein Pferdehändler war, der diesen Postzug einer Herrschaft auf dem Lande überbringen wollte und zu seinem Vergnügen in der Messe mit ihm paradirte. Sie paßten ihm auf, als er vor seinem Quartier hielt, und Arnold fragte ihn, wie theuer er die Pferde verkaufen wollte. – »Nit theuer und nit wohlfeil, mein Herr,« antwortete der Pferdehändler: »sie sind bestellt.« – Arnold und Herrmann lobten die Gäule um die Wette, daß den kleinen Pferdehändler die Eitelkeit nicht wenig übernahm, und fragten, ob 410 er ihnen nicht gerade so einen Postzug schaffen könte, und zwar so bald als möglich. Der Roßtäuscher, dessen Eigennuz ein Paar verblendete Liebhaber vor sich zu haben glaubte, lenkte sogleich wieder ein und erbot sich, den beiden Herren aus Geselligkeit, weil sie es wären, auch diesen zu lassen, wenn sie einen guten Preis machten. Arnold sezte mit verstellter Begierde vierhundert Thaler darauf: der Roßtäuscher glaubte die Leidenschaft der beiden Leute besser nützen zu müssen und schüttelte mit dem Kopfe, als wenn das ein Mißgebot wäre. – »Aber so sagen Sie doch gerade heraus,« sprach Arnold heftig, »was Sie haben wollen! Es wird ja noch zu bezahlen seyn.« – »Mit einem Wort, achthundert Reichsthaler in Gold!« war des Mannes Erklärung. Arnold und Herrmann fanden die Foderung etwas hoch und meinten, daß vielleicht noch funfzig oder hundert Thaler abgehen würden: der Mann versicherte das Gegentheil, und die beiden vorgeblichen Liebhaber baten sich indessen die Erlaubniß aus, des Nachmittags mit ihm und seinen Pferden auf ein Dorf zu fahren, um genauere Bekantschaft mit 411 dem Postzuge zu machen. – »Wenn er gut geht,« sezte Arnold hinzu, »so solls auf funfzig, hundert Thaler nicht ankommen.« – Nach einer so edelmüthigen Erklärung willigte der Pferdehändler mit einer tiefen Verbeugung in die Partie und sprach nunmehr nicht anders als den Hut in der Hand, ob er ihn gleich vorher nicht mit einer Fingerspitze vom Kopfe bewegt hatte.

Sie luden den Mann des Mittags zu Tische ein, und auch diese Einladung nahm er mit einer so tiefen Verbeugung an, daß er keuchte; denn weil er ziemlich dick war, wurde ihm die Höflichkeit ein wenig sauer. Bey Tische fand der Blaurock den Wein so köstlich, daß er, wie ein trockner Schwamm, ein Glas nach dem andern in sich zog: kaum war ihm eingeschenkt, so wischte er die dicken Finger an der Serviette ab, packte das Glas an – »Sie erlauben Dero hohes Wohlseyn« – schnapp! war es hinunter.

Er ließ sich Dero hohes Wohlseyn so angelegen seyn, daß er taumelte, als sie in den Wagen stiegen. Arnold und Herrmann fanden die Pferde so vortreflich, daß der Roßtäuscher seine 412 achthundert Thaler schon in der Tasche zu haben glaubte: seine Höflichkeit stieg so übermäßig hoch, daß er, trotz der Kälte, nicht anders als mit bloßem Kopfe fahren wollte. Kaum war man an Ort und Stelle, als schon von neuem aufgetragen wurde – Wein, Liqueur, Kuchen, alles im Ueberflusse! Der Pferdehändler lobte aus Erkenntlichkeit, daß man seine Gäule so vortreflich fand, den Liqueur aus allen Kräften, sezte sich an den Tisch und fütterte und tränkte sich mit solcher Behaglichkeit, daß ihm die kleinen Katzenaugen, wie ein Paar Feuerfünkchen, aus den glühenden aufgedunsnen Backen hervorleuchteten.

Arnold und Herrmann stritten mit einander, wer von ihnen den Postzug kaufen sollte, und man wählte die Würfel zu Schiedsrichtern: man ließ Würfel bringen, und Arnold gewann den Vorkauf. »Sie würfeln, wie die Hundsfötter,« fieng der betrunkne Roßtäuscher an: »ich werfe auf jeden Wurf einen Pasch.« – Arnold schob ihm seine falschen Würfel unter, und der Narr triumphirte laut, als seine Prahlerey ein Paar Würfe hinter einander wahr wurde. Er 413 bildete sich ein – wenigstens gab er in ganzem Ernste so vor – daß ihm dies niemals fehlgienge, und foderte Arnolden mit einem Dukaten heraus: das Spiel hub an, der Roßtäuscher gewann drey oder vier Dukaten; aber plözlich wandte sich das Glück, weil es Arnold regierte: alles Geld, was der Pferdehändler in seiner Tasche hatte, war ihm in etlichen Minuten abgewonnen. Der Mann ergrimmte, schnallte eine ungeheure Geldkatze los, die er um den Leib trug, legte sie mit Arnolds Beyhülfe auf den Tisch und foderte die beiden Hundsfötter heraus, indem er auf seinen ledernen Geldsack klopfte. Der Einsaz wurde von Wurf zu Wurf gesteigert, die strotzende Geldkatze von Wurf zu Wurf magrer: der Blaurock schwizte, keuchte und entschädigte sich für jeden großen Verlust mit einem Glase Liqueur. Das viele Trinken machte ihn so hitzig und zugleich so unbesonnen, daß er in weniger als einer Stunde alles baare Geld, den Postzug, Chaise und Knecht verspielte. Arnold machte gleich Anstalt, daß er zu Bette gebracht wurde, um den Folgen des Liqueurs vorzubeugen, und hielt mit den gewonnenen Pferden 414 seinen Einzug vor dem Kaffehause, wo er gewöhnlich spielte: alle seine Freunde wurden mit dem Postzuge dahin geholt und der Abend in Schmausen, Freude und Wonne zugebracht: dem Pferdehändler schickte er noch denselben Tag seinen Postzug zum Geschenke zurück.

Herrmann bekam einen ansehnlichen Theil von der Beute: das Glück erklärte sich wieder zu seinem Vortheil, und der ganze übrige Winter war, kleine Abwechslungen abgerechnet, für Beide sehr ergiebig: so sehr auch Arnold verschwendete, so fehlte es doch nie an Geld und Kredit. Er machte eine Reise zum Karnewal an einen Hof und kam bereichert zurück. In seiner Abwesenheit gelangte Herrmann so sehr zum Nachdenken, daß er ernstliche Anstalten machte, seiner Lebensart zu entsagen, Ulriken aufzusuchen und sein Erworbnes mit ihr zu theilen. Er überlegte täglich, wo er sie finden oder ihren Aufenthalt erfahren sollte, blieb mit seiner Ueberlegung von Tag zu Tag auf dem nämlichen Flecke und spielte rüstig fort, mit Glück, Klugheit und Oekonomie. Izt besann er sich, daß ihm Vignali seinen Brief, den er vor vielen Monaten an sie 415 schriebIn diesem Bande a. d. 342. S., nicht beantwortet habe, und schrieb zum zweitenmale an sie: er bekam keine Antwort: Ulrike blieb verloren.

Plözlich wurde seine Ruhe durch eine Begebenheit unterbrochen, die ihm von schlimmer Vorbedeutung seyn mußte, wenn er sie recht überdacht hätte. Er kam in Verhaft, und zwar, wie es sich auswies, auf Verlangen des Grafen Ohlau: er spielte mit dem Schließer der Gefangenstube um Stecknadeln, weil dieser nichts höhers daran wenden wollte, wurde verhört, und da man nicht das mindeste Strafbare auf ihn bringen konte, wieder auf freyen Fuß gesezt. Seine Freude, wieder ungehindert spielen zu können, erstickte seinen Zorn gegen den Grafen: er lachte seiner öffentlich und rächte sich mit Spott. Das Gefährlichste bey diesem kurzen vorübergehenden Sturme war, daß ihn eigentlich Schwinger veranlaßte, dem Nikasius von Dresden aus gemeldet hatte, daß sein Freund sich in schlimmer Gesellschaft und wüstem Leben befinde. Der äußerst gutmüthige nachsichtige Mann schloß daraus auf die Ursache, warum ihm 416 Herrmann auf seinen lezten verzeihungsvollen Brief nach LeipzigEbendas. a. d. 373. S. nicht geantwortet haben möchte; und weil er einmal auf einen bösen Argwohn wider ihn gebracht war, vermuthete er, daß seine ganze Reue wegen seines schändlichen Briefs aus BerlinEbendas. Seite 169. S. 342. u. 343. nur erdichtet gewesen sey, um ihm ein Paar Louisdor abzulocken. Der Gedanke, sich durch einen Menschen, den er so zärtlich liebte, dem er so viele Wohlthaten und so viele Nachsicht erwiesen hatte, mit der schändlichsten Undankbarkeit hintergangen zu sehn und mit falscher Reue von ihm betrogen worden zu seyn, brachte seine gute Seele so gewaltig auf, daß er ernstlich beschloß, an seiner Bestrafung und durch sie an seiner Besserung zu arbeiten, weder Mühe noch Antreiben bey dem Grafen zu sparen, und seinen Entschluß durch keine Bitten, Reue und Demütigungen erschüttern zu lassen. Herrmanns Arrest war die erste Wirkung dieses Entschlusses.

 


 

Ende des dritten Bandes.


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