Paul Wertheimer
Respektlose Geschichten
Paul Wertheimer

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Der Kreuzfahrer

Wo die Donau kräftig ein Knie gegen das Gelände streckt, steigt aus einem Gehölz morscher Weidenstämme, kranker Birken und einem Bestand schütterer Ahornbäumchen, aus dem Dunst des Flusses das Gemäuer einer verwitterten, vormals von Festen schimmernden Burg auf. Jetzt sind es nur mehr Trümmer einer gebuckelten, schwärzlichen Mauer, über die wilder Wein rankt, und im weitläufigen Turnierhof, wo es von Fahnen und Farben wehte und sich auf dem Handschuh der Falke spreizte, horstet auf einer Kiefer, die über das Mauerwerk hinausgewachsen, nur mehr eine Krähenfamilie. Aber noch vor Jahren, bevor ein Brand – niemand wußte woher – die Reste vergangener Herrlichkeit weggefegt, war es eine wirkliche Burg gewesen mit allem Zugehör und allen Bequemlichkeiten einer solchen.

Es fehlte nicht an einem Luginsland, wo eine künftige Ahnfrau in blonder, damals noch blühender Fülle am Rocken saß, über die Mägde streng gebietend, weithin über den wandernden Strom und die Hügel spähte und zu einer Nachbarsburg mit dem Tüchlein ein Zeichen gab, daß ihr Eheherr ausgeflogen, das Nest frei und sie selbst für die Minne des Zech- und Jagdkumpans ihres stahlumschienten Gebieters bereit sei.

43 Dieser aber, auf seinem Reithengst einherbrausend und stark schwitzend, war inzwischen über die Zugbrücke hinabgesprengt, seinem Geschäfte nach: Kaufleute, die mit Kram und Ware nach Wien und weiter in das verfluchte Türken- und Heidenland ziehen wollten – warum sollten gerade die verdammten Heiden die guten Sachen bekommen – zu fahen und stracks in das Verlies der Burg zu stecken.

Dieses Burgverlies war so feucht, finster und modrig, so belebt von Asseln und Ratten, wie man es nur von einem ordentlichen Verlies erwarten durfte, so recht geschaffen, um die hier Hinabgestoßenen anzueifern, die Sipp- und Freundschaft mit Bittbriefen wegen des Lösegeldes dringend anzugehen.

Es fehlte auch nicht an einer handlichen Folterkammer mit allen dazugehörenden kurzweiligen Geräten. Man hatte sich auch hier unten, an der Donau, der fortschreitenden Zeit mit ihren Erfindungen keineswegs versperrt, sondern aus Nürnberg ein Seufzerstreckbett, mit spitzen Nägelein wohl bespickt und eine mit Stacheln gezierte eiserne Jungfrau bezogen. Eine Trommel aus Menschenhaut begrüßte über dem mächtigen Ofen des braungetäfelten Speisesaals den Eintretenden. Kurz, man wußte auch hier, an der Donau, wie drüben am Rhein bis an die nebelferne Elbe, zu leben und sich des Lebens zu freuen. Auf dieser Burg nun, die sich mit Wimpergen und Fialen ansehnlich im Strom 44 spiegelte, hauste frohgemut, raubte immer ein bißchen und koste dazwischen traulich mit seiner zartblonden Gesponsin Gertrude Herr Konrad von der Türlin, einer der wohlgewaschensten Ritterbengel dieser gloriosen, aber nicht allzu reinlichen Zeit.

Konrad hatte diesen Besitz ohne Mühe von seinen Vätern ererbt. Nur ihn zu erhalten, nicht zu mehren, war sein hochfahrendes Streben. Denn Konrads Sinn war hochgemut und nur wenig auf irdische Dinge, wie Trank und Speise und Habe gewöhnlicher Art, gerichtet. Vor seinem Geist schwebte nur der Ruhm adeliger Ritterschaft gleich einer goldenen, langstieligen Blume. Aus Pergamenten, die er sorgfältig sammelte, reich ausgeziert mit künstlichem Bilderwerk, seltenen Vögeln, schwarzgepanzerten und goldumschienten Rittersmännern und schamhaft in ihren Schoß blickenden Jungfräulein, und aus allerlei Reimwerken, die von kühnen Fahrten in seltsame und helltönende Länder erzählten, hatte er den Glauben an das Heldentum, das auch in seiner hageren Brust glühte, in sich gesogen.

Hager war sein Wuchs in der Tat, ungleich den breiten Brustgewölben seiner Vorfahren, die in ihrer wohlgebauten Fülle eher derben Schmiedemeistern glichen und deren Bildern im Ahnensaal der Abkömmling herablassend zunickte. Er war glücklicherweise mehr gotisch ausgefallen, bemerkte er, nicht ohne Wohlwollen für sich selber, 45 zu Gertruden, die bei Tag und Nacht seine Rittertaten, die künftigen nämlich, zu bestaunen und anzubeten verpflichtet war. Der Geist des Rittertums selbst, dessen schlanke Blüte die Gotik war, die er in seiner Hagerkeit vorstellte, schien ihn gezeugt zu haben. Er war von der Vorsehung, an die er im Zusammenhang mit seiner Person brünstig glaubte, ersichtlich zu bedeutsamen Taten auserlesen, von denen noch einmal Bücher melden würden, wenn auch Gefahren und Abenteuer einstweilen noch nicht an den festen Bohlen seiner Burg mit den kunstreich geschmiedeten Schlössern rüttelten.

Denn es war eben daheim eine windstille Zeit. Der Türkenhund dort unten an den ehrwürdigen Stätten war wieder einmal gezähmt und an die Kette gelegt worden und sprang den Pilgern nicht mehr ins Genick. Auch war der Heerbann gegen die Ketzer, deren trügerisches Licht selbst hier im gesitteten Europa aufflackerte, schon lange nicht aufgeboten worden, um sie im Namen der christlichen Majestät zu brennen, zu rädern und zu sieden.

Sinnreiche Gemüter hatten also Muße genug, sich auf ihre künftige Sendung vorzubereiten – dieses Brennen, Rädern und Sieden.

Konrad bereitete sich einstweilen auf solche Taten nur in Reden vor, deren er unendliche hielt und in denen er sich so beräucherte, daß der Duft davon Gertruden in die feine Nase stieg und sie 46 ihn manchmal, still und klug wie sie war, von der Seite mit verdächtigen Augen anblitzte.

Öfters stieg er auch in die gute Stadt Tulln hinunter, wo er im Kreise rüstiger Trinkkumpane, die zinnerne Humpen in kräftigen Händen hielten, sich selbst reden und rühmen hörte.

Dort saß oder stand er nun als ein freier Jüngling und Mann von deutscher Zucht und strammer Sitte ehrengeachtet da, zumal er auch auf die Ergötzung seiner Trinkgenossen emsig mitbedacht war. Am liebsten, da er merkte, wie dies sie erheiterte, erzählte er ihnen, was er tagsüber trieb. Auf daß sein Leib nicht verweibse und weichlich werde, wusch er sich täglich, und seine Zuhörer vernahmen es staunend. Auch nahm er mit nackten Knien und nur einem Hemde über seiner kurzen, ledernen Behosung angetan, allerlei abenteuerliche Hantierungen vor und schwang sich auf Eisenringen, befestigt an einem Gestell, das sonst zum Trocknen des Hemdes der Gattin diente, wie ein Vogel in die Morgenluft. Hierauf lief er, hager wie er war und nackten Gebeines, im Morgentau über die Wiesen, wovon ihm Gertrude mit ihrem schiefen Blick wieder ernstlich abriet, weil der Anblick nicht lieblich sei. Auch stemmte er schwere Gewichte, worüber sich die Burggenossen sehr verwunderten, weil er dafür doch nicht bezahlt bekam.

Er war, wie man merkt, bereits ein Wasserpritschler und der erste Turner dazu. Auch unterwies 47 er in dieser schwunghaften Kunst seine Freunde, mit denen er nach also schwerem Tagewerk beisammensaß und bedachte, wie dem heiligen Reich zu helfen wäre. Denn schon damals war es Sitte geworden, daß Männer von der Ostmark bis zur Weser beim Bier über Fragen nachsannen, die sie nichts angingen, und über Gefahren, die dem Reiche drohen sollten – man wußte freilich nicht woher. Und schon damals kam von Spanien herüber, wo Alfonso, der Eisenharte, wie man weiß, damit angefangen, die Gewohnheit auf, auch hier unter dem kühleren Himmel alles, was die andern ärgerte oder drückte, den eben eingewanderten – Juden in die vom vielen Irregehen über die Erde hin zerrissenen Schuhe zu schieben. Und auch darin erwies sich unser Konrad, ohne dabei selbst Arges zu denken, als ein Führer und Wortangeber.

Er hätte sich freilich, weil er doch ein feiner Rittersmann gewesen, der das seidene Hemd seiner Fraue späterhin, da er in den Krieg gezogen, nach höfischer Sitte zierlich über dem güldenen Ringelpanzer trug, über seine Gefolgschaft in den weiteren, herandämmernden Jahrhunderten gewundert und gelächelt über die Wotanbrüder, bierbäuchig gebläht, aber mager im Geiste. Einstweilen aber fand er an solchen Scherzen seine Kurzweil.

Ihm waren nämlich auf der Straße, da er seinen künftigen Taten nachträumte, die noch immer 48 nicht kommen wollten, einige possierliche Männer begegnet, die, seltsam mit den Händen fuchtelnd und leise vor sich hinmurmelnd, die Donau entlang zogen, in das Avarenland hinunter und weiterhin durch Gefahren und Steppen zu den sagenhaften Quellen des Jordanflusses. Sie hatten lange Bärte und Nasen, trugen das Gelock in steifen Ringeln an den spitzen Ohren, die Nasen waren ihnen krumm gewachsen wie Türkenschwerter. Es gelüstete den Konrad sogleich, den Langbärtigsten und Krummnasigsten mit der Lanze zu kitzeln. Der also Gehänselte machte einen Sprung, aber Konrad erklärte die ganze Gesellschaft für gefangen und trieb sie vor sich her auf die Burg in eine nicht eben ritterliche Haft.

Es waren, wie man vielleicht erraten hat, Juden, die nach Jerusalem hinunter pilgern wollten, um ihren alten Gott aus dem Schutt der Tempelmauern auszugraben und unterwegs manches kleine Geschäftchen der irdischen Bedürfnisse willen und aus lieber Gewohnheit abzuwickeln. Da sie in ihren langen Röcken verborgen hielten, wessen die andern ermangelten, silberne und goldene Schaumünzen, so bestand kein Zweifel, daß dieses von den andern ersichtlich so unterschiedene Fremdvolk, das überdies gewitzten Geistes schien, an dem Niedergang der deutschen Nation allein die Schuld trage. Auch an den Steuern, die man zu entrichten hatte, an Pestilenz und Mißwachs, die zu Zeiten auch diese 49 gesegneten Gefilde heimsuchten, oder wenn ein Kalb mit drei Beinen zur Welt oder eine Jungfrau in die Wochen kam – wer anders konnte daran schuld sein als die Juden? Sie zu fahen, zu necken, am Barte zu zupfen, wann immer man ihrer habhaft wurde, sie zu räuchern und zu spießen, war dem Konrad und seinen Gesellen, wie drüben den hispanischen Zierden der Ritterschaft, christlich-ritterliche Pflicht und Kurzweil zugleich. Bei solchen Berichten konnten sie sich manche webende Sommernacht hindurch verhalten, und wenn einer von einem besonders geglückten Nasensticheln mit der Lanze erzählen konnte, ward ihm mit Hoi! und Hoioh! zugetrunken.

Aber da setzte sich eines Nachts ein witziger Fremder aus Gallien zu der Tafelrunde und bedeutete Konrad, daß der Vogel, den er im Wappen und sogar an seinem Helmbusch trug, ein schwarzer, krummschnabeliger Geier, genau das gleiche Nasenprofil aufweise, das die Urenkel des Moses vor den andern auszeichne.

Betroffen nahm Konrad sogleich Abschied von seinen Gesellen, verabreichte seiner Gertrude zerstreut ein Abschiedsküßchen und zog alsbald nach Worms, wo eben der Hof Lager hielt, um die Entfernung dieses verdächtig krummnasigen Tieres aus seinem Wappenschild bei kaiserlicher Majestät zu erwirken. Aber die gut gelaunte Majestät bedeutete ihm, daß auch des Reiches Wappen ein der werten Judenschaft, mit der er übrigens 50 durchaus gedeihliche Geschäfte angesponnen habe, ähnliches krummschnabeliges Tier aufweise, und Konrad mußte, Groll im Herzen, abmarschieren.

Da nun die Juden offenbar auch daran Schuld trugen, daß ihre Nasen denen des Geiers in seinem Schild glichen, war es ihm klar, daß dieses Geschlecht mit Putz und Stingel von dieser grünen Erde verschwinden müsse. Ach, er bedachte nicht, daß wir alle nur arme Hasen sind auf dieser buckligen Erde.

Inzwischen merkten Konrad und seine Genossen zu ihrem Ärger, daß sich bemeldetes Fremdvolk, obwohl es sich in den finstern Gäßchen hinter den Toren verkriechen und mit einem gelben Fleck auf dem Rücken einherächzen mußte, nach den Geboten seines Gottes wie Sand am Meeresgestade vermehrte – und es galt, sollte dieser Eifer, sich fortzupflanzen, nicht zu einer wirklichen Gefahr erwachsen, sie mit den gleichen Mitteln zu übertrumpfen. Die Vorbereitungen dazu mußten ohne Verzug getroffen werden. Als die um Konrad allabendlich gesellig Gesippten solches ihren jungen Weibern erzählten, lachten diese derb und ließen sich von ihren meckernden Eheherren auf die runde Wange tappen. Nur Gertrude war, als ihr Konrad im Verlauf einer der immer seltener gewordenen Minnestunden langwierig vortrug, man sei es der Nation schuldig, dieser endlich mit einigen kleinen, munteren Türlin aufzuhelfen – die eigen denkende Gertrude 51 war von diesen wahren Absichten seiner Zärtlichkeiten nicht eben erbaut. Und als dem Konrad in den Seufzern eines reizenden Augenblickes der Ausruf entfuhr: »Weib, bescher' mir einen starken Buben, daß wir es den Kerlen heimzahlen!« und sie also wahrnahm, daß er in ihren Armen gar nicht an sie, sondern an seine Sendung, oder was er dafür hielt, gedacht hatte – da stieß sie ihn weinend von sich und verlangte nunmehr mit Entschiedenheit – eine eigene Schlafkammer. Ein Ansinnen, das er, weil es dazumal völlig neu und befremdend schien, erstaunten Mundes aufnahm.

Die Genossen, denen er diesen absonderlichen Wunsch seiner Hausehre vertraulich eröffnete – in einer Stunde, da es mit Hoihoho! beim Bier besonders hoch herging – erwiderten mit einem heulenden »Hoh!«, er habe sich da ein eigentümliches Dämchen in sein Nest gesetzt. Die müßte von einer rechten Mannesfaust wieder zu Gehorsam gezogen werden, sonst werde sie noch hierher mit in die Trinkstube wollen und sich ein Räuschlein anzechen, worauf doch nur die Meister der Schöpfung ein Anrecht hätten.

*

Gertrude, die jetzt, in purpurner Gewandung, ein Kettlein vor der Brust, ein goldenes Schapel auf dem blonden Wuschelkopf und ein Blumenkränzlein darüber, in die Erscheinung tritt, war in der Tat ein nicht dutzendweises und bequemes 52 Frauenwesen. Sie war das Töchterchen und einzige Kind des Kastellans im Schlosse, eines etwas eigenbrötlerischen, früh verwitweten Mannes, der hier schon gemessen seines Amtes gewaltet und das Glöckchen, wenn Gäste in den Schloßhof fuhren, eifrig geläutet hatte, als noch Konrads Vater lebte und, ein wilder Ritterraubvogel, auf dieser steinigen Kuppe horstete. Der Kastellan mit dem demütig gezogenen Käppchen kannte nur eine Leidenschaft: früh am Tag, wenn noch alles im Schlosse schlief, sich über die Zugbrücke und den umbuschten Wall in den morgenlichten Wald zu begeben und den kleinen Singvögeln nachzustellen. Er hatte sich in diesem Tun einen König zum Beispiel genommen, nach dem ihm auch der Name Heinrich gegeben ward – der sich von seinen Regierungsgeschäften erholte, wenn er an seinem Vogelherd die zwitschernden Finken fing. Am liebsten aber machte sich Heinrich, der Kastellan, im Herbst auf den Fang, wenn die Zugvögel sich zum Flug zusammenscharten und in trunkener Lust in das Netz fielen. Dies war in jenen Tagen, da auch deutsche Wandersehnsucht den Flug nach Italien nahm; als wäre es nicht das gleiche Sehnen, das diese kleinen schimmernden Flügel, wenn es herbstet, hinab in die wärmeren, farbigen Länder trägt.

Gertrud, solcherart sich selbst überlassen, war ein fürwitziges Jüngferchen geworden, das durch den Schloßhof tollte und durch sein munteres 53 Geistchen jeden belebte, der in seiner Nähe ging. Jung Konrad, der trägeren Blutes war, wurde von dem Feuer, das heimlicherweise erst in ihr glühte, mitentzündet. Und so nahm er sie einmal in einer Mondnacht, da sie unter der Linde saßen, in seinen Arm, hielt ihr Köpfchen mit dem Schelmenblick, da es durch das Gezweige hervorguckte und wie ein Finklein süße Worte zwitscherte, fest und fester, was sie sich gerne gefallen ließ, weil er damals noch ein hübscher, handlicher Bursche war. Und er hielt sie noch, als der Vater Kastellan, der sich über dieses seltsame Geräusch verwunderte, mit dem Schlüssel und der Laterne herangeschlurft kam. Sie ließ ihn nicht los, Konrad steckte ihr ein goldenes Ringlein vor dem verdutzten Vater an den Finger, verlobte sich mit ihr feierlicherweise und erhob sie nach seines Vaters Tod zu seiner erkorenen Frau.

Dieses tat er, obwohl sie unter seinem Stande und noch nichts geschehen war, was ihn nach ritterlicher Sitte hätte binden müssen, wenn er aufrichtig gegen sich selbst sein wollte, nicht bloß deswegen, weil das Mädchen ihm wohlgefiel, sondern aus eitlen Gründen. Er fühlte sich als gnadenspendender Rittersmann, wie es erbaulich in den pergamentenen Reimwerken zu lesen ist, deren er viele besaß, und nach deren Vorbild zu leben er entschlossen war. Konrad rechnete auf Gertrudens Dank, weil er sie aus den Niederungen zu sich erhoben und zu einer stattlichen 54 Rittersdame gemacht hatte. Deshalb würde sie ihm, meinte er – wegen seines so bewiesenen Edelmutes – immer dankbar anhängen. Er brauchte nicht, wie andere brave Rittersmänner, vor dem heimlichen Minnewesen zu zittern, das damals durch die Burgen schlich – er konnte, Herr Konrad von der Türlin, ruhig in die Trinkstuben hinuntersteigen und sein bravgehorsames Weib allein mit ihren schwärmenden Gedanken lassen. Sie hatte geduldig zuzuhören, wenn er sich und seine Taten, die künftigen, versteht sich, pries. Gertrude hatte zu ihm aufzublicken als zu der gotischen Blüte der Ritterschaft.

Aber ach, wie wenig kannte er die Frauen. Er wußte nicht, wie dunkel die Wege des Eros sind und wie leicht sich eine Frauenseele, wird sie nicht behütet, darin verirrt. Und Gertrude hätte man besonders hüten müssen; sie trug ja über den schmalen Schultern ein eigenwilliges Köpfchen. Sie war eine Frau, die sich zu fremdem Minnespiel nie aus Laune herbeilassen würde oder weil es die Sitte der Zeit so mit sich brachte. Gertrude mußte nicht bloß verliebt in einen andern sein, sondern, ernsthaft erwägend, sich zu fremder Minne berechtigt fühlen. Ließ sie der Mann allein in ihrem Turmgemach, um Abenteuern nachzuziehen, so mußte sie nicht allein bleiben. Trudchen verlangte das gleiche Recht für die Frauen wie für den Mann. Sie war wirklich die erste befreite Frau, wie man heute sagen würde, wie er der 55 erste Pritschler, Turner und das Fremdvolk drangsalierende Eiferer war. Nur wäre auch sie gleich ihrem Konrad über die Nachfolger erstaunt gewesen, die sie einmal finden sollte und die sich ohne frauenhaftes Tun und anmutige Sitte derb um Mannesart bemühen. Gertrude aber war ein liebliches Frauenwesen, dem der Schalk in seinem eigenwilligen Nacken saß und mit seinen blonden Härchen spielte.

So lebten die beiden in ziemlicher Stille getrennt in ihren Turmgemächern. Manchmal erhielt sie von ihrem Eheherrn einen Pflichtbesuch, für den sie aber nur selten zu Hause war.

Auch das Land schien in verdächtiger Stille hinzudämmern, bis ein erweckender Windstoß darüber fuhr. Ein neuer Papst, war es ein Innozenz oder ein Klemens, hatte eben den Stuhl bestiegen und, um seine Weisheit und kirchlichen Eifer zu erweisen, den Heerbann des Abendlandes gegen die Muselmanen aufgeboten – aber die mit dem gelben Fleck waren gemeint. Weil Alfonso, der spanische Eisenharte, um sich beim Volke einzuschmeicheln, damit begonnen hatte, mußte die Eifersucht, die leider auch die Schritte der Kaiser und Päpste leitet, die päpstliche Konkurrenz, wie es jetzt heißen würde, zu diesem allerorts beliebt gewordenen Verfahren greifen.

Sie sollten, die mit dem gelben Fleck, endlich aus ihren alten Brutnestern in den Tempeltrümmern selbst gehoben und einmal gründlich 56 geräuchert werden. Da war unser Konrad, wie man sich denken mag, mit Heißa sogleich dabei.

Und so stand er eines Morgens im März, da der Schirokko von Süden her leicht über die Donau fegte und ein erstes Grünen aus den grauen Weidengehängen brach, abschiednehmend mit wehendem Helmbusch in Gertrudens Schlafgemach, wie Hektor vor seiner Andromache, die hagere Wade golden umschient, einen Ringelpanzer um die gotische Hühnerbrust. Den Geier im Wappen hatte er neu auflackieren lassen, das Flügeltier drohte schreckhaft von seinem Helm. Er wollte sein Weib in die geharnischten Arme nehmen, aber sie schrie leise auf, als sie diese Kühle fühlte, denn sie war empfindsamen Wesens.

»Daß du mich hier in Treuen erwarten wirst, mein Mädchen«, sprach er, »versteht sich . . ., da bedarf es nicht vieler Worte.«

»Warum bedarf es ihrer nicht?«

»Weil du weißt, was du mir schuldest, mein Mädchen!« Er nannte sie, ehemännisch kosend, noch immer gerne Mädchen und am liebsten in solchen Stunden, in denen sie es am wenigsten war.

»Schau' deinen Vater an, was wärest du ohne mich – eine aus dem Hofgesinde – und jetzt bist du . . .«

»Eine Frau, die man einsperrt in ihr Turmgemach – und die der Mann allein läßt.«

»Um Ruhm zu gewinnen!«

»Ach was – Ruhm! Man geht nicht in den 57 Kreuzzug und läßt die junge Frau zu Hause.«

»O wie schön ist es, zu wissen – da harrt daheim das Weib und wartet.«

»Fürchtest du nicht – das heimliche Minnewesen?« fragte sie, versuchend, nach Frauenart.

»Konrad von der Türlin fürchtet nichts«, antwortete er breit.

»Aber du weißt doch«, und sie wandte sich ab, »es ist nicht alles so zwischen uns beiden, wie es sein sollte. Vielleicht fliegt einmal ein wilder Falke«, träumte sie, »in mein Turmgemach.«

»Ich bin dein Falke, dein wilder, mein Mädchen, wenn ich heimkehre. Inzwischen werden mir deine Gedanken nachschwärmen wie junge Tauben.« Er lächelte süßlich. »Gelob' es mir überdies noch, mein Mädchen, daß du meiner harren wirst in Treuen!«

Da warf sie auf ihn einen merkwürdig schiefen Blick und sagte nur:

»In Treuen – vielleicht – vielleicht auch nicht . . .«

»Vielleicht auch nicht –?«

Er nahm den Helmbusch ab und wollte sich mit der beschienten Rechten in die Haare fahren, doch er fand so geschwind keine. Der Panzer rasselte, schon wollte ein Blitz aus seinen Augen sprühen – aber da schlug er sie erstaunt auf –, was war es, das da von unten her aus dem Turnierhof ihm verwirrend entgegenschmetterte – welche Töne, die sich jetzt ineinandermischten?

58 Es war zuerst wie das liebliche Locken einer Flöte, dazwischen wie Glöcklein an einer Triangel, und zuletzt ging es in das Pfeifen eines Dudelsacks über.

Gertrude riß das Fenster auf – da stand unten ein Fremder, wie die welschen Spielleute angetan mit gelb und rotem Wams, Schellen an den spitzigen Schuhen. »Ein schnurriger Bursch, aber wohlgestaltet.« Und sie fuhr dem Ankömmling mit dem Blick in den schwarzen Lockenkopf, nicht ohne mißbilligend nach dem kahlen Kopfgewölbe ihres Gatten hin zu blinzeln.

Sie waren beide auf den Söller hinausgetreten, und Gertrude winkte den Mann nunmehr mit dem Schleier ganz leise herbei.

Alsbald trat er über die Schwelle, verbeugte sich vor der Dame mit Galantezza, lüftete den Federhut und sagte, er wäre Angelo Donati, der Florentiner, ein Galantuomo, nur leider jetzt »bancrotto, molto bancrotto.« Darum müsse er eine Geschäft machen, »eine kleine Geschäft« – er zog ein Futteral geheimnisvoll aus dem Schnappsack und bat die Madonna mit einer zierlichen Verbeugung, ihn mit dem Cavaliere, wohl dem Gemahl, einen Augenblick allein zu lassen. Gertrude verstand und ging in ihr Schlafgemach, freilich nicht ohne mit einem raschen, prüfenden Blick bemerkt zuhaben, daß der Fremde ganz anderen Wuchses sei als ihr gotischer Konrad.

*

59 »Ihr seid«, sagte Angelo in dem feinsten Toskanisch, das Konrad aus seinen Ritterbüchern verstand, »wohl auf dem Weg in das Heidenland. Ihr müßt also die Madonna allein zurücklassen –.« Konrad schien gerade jetzt nicht gern daran erinnert, doch Angelo flötete unbefangen weiter: »Ihr seid nicht bloß, wie man weiß, ein ruhmreicher Ritter« – Konrads Miene wurde sogleich lichter –, »sondern gewiß auch ein ruhmreicher Gatte. Die Madonna ist schön – sehr schön« – seine Stimme wurde ganz schmelzend – »und treu – das hab' ich gleich aus dem Blick gemerkt, mit dem sie Euch betrachtet hat, Cavaliere, und mich. Oh, treu die Madonna!« rief er mit Emphase, »unsäglich treu –!« und er blickte gegen das Schlafgemach hinüber. »Aber in Florenz, wo doch die Frauen so stolz und tugendhaft sind wie die Lilien, wissen die Herren Cavalieri doch, wenn sie auf Reisen gehen, wie man die Madonna zu Hause beschützt vor der Versuchung, vor der treulosen Minne!«

»Ja, wie denn, wie?« fuhr ihn begierig Konrad an.

»So!« lächelte Angelo und entnahm dem Futteral einen Gürtel, wie ihn Konrad noch nicht gesehen, ein schmales, geflochtenes Eisenband, in das eine zierliche Zeichnung geätzt war, eine Schlange, die in eine Lilie biß.

»Sehr gut, sehr nützlich!« rühmte der Angelo und zwinkerte dem Ritter zu. »Hat großer Künstler gemacht in Florenz, Gürtel der Venus, heißt 60 man ihn, weil der alte Vulkanus, der Heidengott, der so eifersüchtig war, ihn für seine Frau, die Venus, erfunden haben soll –, wie er sie hat allein zu Hause gelassen, weil er in den trojanischen Krieg hat hinunter müssen –« schwadronierte der Italiener. Und er hatte den Gürtel in der Art, wie Händler ihre Ware anpreisen, vor Konrad, der immer neugieriger geworden, ausgebreitet.

»So wird er um die Hüfte gelegt – oh, um die schöne, süße Hüfte –« schwärmte er mit einem Feuerblick in das Schlafgemach. Doch er wurde sogleich kaufmännisch kühl und zeigte auf das Schloß an dem Gürtel.

»So wird das zugesperrt, so!« Der Signore steckt das Schlüsselchen ein, »dann kann der Cavaliere abreisen, hat Tugend der Madonna in der Tasche.«

»Das ist ja großartig«, und der Konrad lachte, wie nur ein Ehemann lachen kann, wenn er etwas recht Schlaues gefunden zu haben wähnt. »Vielleicht treu – vielleicht auch nicht!« sagte er zu sich selbst, aber Angelo hatte es doch gehört und wohl gemerkt.

»Nun, sind die Herren schon fertig?« sagte Gertrude, da ihr die Zeit lang geworden und sie wieder in den Söller getreten war.

»Ja, denk' dir, der Signore hat mir ein Geschenk für dich angeboten, ein Abschiedsgeschenk, diesen Gürtel – ›Gürtel der Venus‹ nennt man ihn. Da hat man die Frau fest – so, wenn man in das 61 Türkenland zieht, daß man fremde Minne nicht fürchten muß.«

»Ein Gürtel?« Sie errötete und erglühte dunkelrot, als sie seinen Zweck zu begreifen begann.

»Erlaubt, Madonna, daß ich mich entferne«, sagte Angelo, über diese Vertraulichkeit des Gatten vor ihm, dem Fremden, selbst betroffen, wofür ihm Gertrude mit einem Blick dankte, der blitzgeschwind zu ihm hinüberschoß.

Und er ging und verirrte sich dabei in Gertrudens Schlafgemach. Nur einen Augenblick blieb er darin, er legte auf den Polster huldigend ein Fläschchen Rosenöl.

»Damit soll ich mich umgürten!« rief Gertrude im Söller. »Mit diesem kalten Eisen?«

»Ja, meine Gute, damit ich sicher sein kann vor deinen Launen. Man sagt einem Konrad von der Türlin nicht: ›Vielleicht bin ich treu, vielleicht auch nicht!‹«

»Dieser Gürtel . . . das ist ein merkwürdiger Zierat für eine Frau! Auf diese Art glaubst du meiner Treue gewiß zu sein?«

»Na, kann es denn noch etwas Gewisseres geben?« und er lachte breit.

»Nie, niemals, lieber stürz' ich mich –.« Aber plötzlich war in ihrem ovalen Köpfchen ein Einfall aufgeblitzt, der sie sehr zu belustigen schien. Sie wurde nachgiebig und lächelte ihm sonderbar zu.

»Du bist, wie man weiß, nicht bloß ein kluger, 62 sondern ein Mann von Gerechtigkeit. Du willst also, daß ich so einen Gürtel trage, damit mir die schönen Ritter nichts zuleide tun. Nun gut. Aber du gehst zu den glutäugigen Sarazeninnen, von denen man so viel gehört hat. Die könnten dir gefährlich werden! Darum tu' ich dir kund, o Herr: Ich werde den Gürtel tragen, aber erst dann« – und sie lächelte immer schalkhafter –, »wenn du dir einen ganz ähnlichen umgetan hast, damit auch deine Tugend mir bewahrt werde.« Konrad stutzte. Dann aber fragte er treuherzig: »Glaubst du, wird das nötig sein?«

Und Gertrude, der jetzt der Schalk immer mutwilliger im Nacken saß, erwiderte, spitziger lächelnd: »Das glaub' ich, ein so schöner Mann wie du bist!«

Er nickte, dann wich er zurück: »So ist ja – mit einem solchen Gürtel ist noch nie ein Mann in den heiligen Krieg –.«

»Du wärst der erste, Konrad von der Türlin würde ein Beispiel geben edler Gerechtigkeit!«

»Aber wenn es die Genossen erfahren? Auch das noch!«

»Auch – das noch?« Da wußte sie mit einemmal, daß er die Geheimnisse ihres Turm- und Schlafgemaches den Zechkumpanen verraten hatte. Nun war sie entschlossen, ihm alles, vor allem aber diese Schmach mit dem Gürtel heimzuzahlen. Bisher hatte sie fremder Minne nicht nachgegeben. Aber jetzt, gerade weil er sie so mit dem kalten Eisen binden wollte – wie wäre es, wenn sie gerade dem 65 Mann zum erstenmal ihre ganze süße, verbotene Minne schenken würde, von dem sich Konrad den Gürtel hatte einreden lassen. Ein hübscher Bursch, dieser schwarze Krauskopf.

Der Gatte aber gab plötzlich ihrer Bitte nach, als sei er geheimer Schuld bewußt geworden.

»Gut, du sollst sehen, mein Mädchen, wie gerecht der von der Türlin ist. Ich gebe ein Beispiel, wie du sagst. Habt Ihr noch einen Gürtel?« wandte er sich dem wieder eintretenden Angelo zu. Der hatte zwar noch einen im Schnappsack. Doch er war ein gerissener Händler und wußte, daß man den Preis einer Ware erhöht, wenn man beteuert, es sei das letzte Stück gewesen. Darum sagte er nur, in sich hineinschmunzelnd, weil er die ganze Geschichte zu durchschauen begann: »Ein kunstfertiger Schmied könnte diesen da nachmachen. Ein wenig anders müßt' er natürlich geformt werden –.«

»Inzwischen könnt Ihr ja hierbleiben«, schloß rasch Gertrude, und wieder schwebte das spitze Lächeln auf.

Der Schmied kam eben aus Pechelaren herüber, wo er einem Nachfahren des braven Rüdiger gerade einen Harnisch angemessen hatte, und Angelo blieb in der Burg, bis der Schmied mit seiner Arbeit fertig war.

»Gut' Arbeit«, sagte Angelo, indem er das Werk prüfte, anerkennend.

»Made in Germany!« Er entwickelte sich, wie 66 man merkt, bereits zu einem Kaufmann weitläufigen Stils und gebrauchte englische Floskeln. »Very well, indeed!«

»Nur der Schlüssel für deinen Gürtel fehlt noch!« rief Gertrude mutwillig, wie sie denn überhaupt in der letzten Zeit merkwürdig erfrischt und ausgelassener schien als seit vielen Jahren.

Der wackere Schmiedemeister wollte sogleich auch den Schlüssel aus dem Eisen klopfen und schürzte schon vor der Esse die Ärmel.

Da nahm Konrad seinen Vorteil, den Schlüssel für beide Gürtel allein zu besitzen, wahr, probierte und rief: »Das eine Schlüsselin sperrt ja beide Gürtel auf – her mit dem Schlüsselin!« und er riß das Schlüsselchen von dem Gürtel seiner Frau an sich.

So war durch diesen Handstreich Gertrudens Tugend durch ihn eingeschlossen, während er über die seine nach altem Herrenrecht frei gebieten konnte. Darüber freute sich Konrad sehr, obwohl ihm schon jetzt der kühle, eiserne Ring, den die Laune seiner Frau um ihn geschlungen, lächerlich vorkam – auch mußte er ihr alsbald mit einem harten Eide geloben, daß er sich trotz der alleinigen Schlüsselgewalt seines Gürtels so wenig wie sie entledigen werde.

Einstweilen aber genoß er den Triumph seiner Überlegenheit, weil er den Blick nicht merkte, den sie über ihn hinweg mit dem muskelkräftigen Angelo getauscht hatte. Dieser Blick bekundete alles, 67 was zwischen den beiden in diesen Wochen vorgefallen sein mochte, während der Schmied den Gürtel für den Konrad angefertigt und dieser selbst in der Wirtstube zu Tulln den bereits ungeduldigen Genossen verkündigt hatte, er könne noch nicht in den Heiligen Krieg, weil seine Rüstung noch immer nicht fertig geschmiedet sei.

Der Blick Gertrudens indessen schien zu besagen: Jetzt glaubt er, weiß Gott wie gescheit zu sein. Ich bin aber noch gescheiter gewesen und habe die süßen Dummheiten schon begangen, bevor dieser Teufelsgürtel mich binden konnte.

Konrad aber begab sich mit ihr in das Turmgemach und legte ihr kosend den Gürtel um. Dann sperrte er ihn ab und versorgte den Schlüssel, überlegen lächelnd, in seinem Wams. An ihren Gürtel aber hatte er, mutwillig wie die Wasserpritschler und Turner manchmal sind, ein seidenes Bändchen geheftet, das, zierlich eingestickt, das Sprüchlein trug: »Gedenke min.« Sie nahm sich vor, allerdings seiner zu gedenken, aber anders als er gemeint: in den Besitz des Schlüsselchens zu gelangen und ihm dann erst recht seine plumpe Tat zu vergelten und solcherart zu erweisen, daß Frauenlist doch mehr vermöge als eiserne Mannesgewalt.

Konrad freilich hatte diesen letzten Blick so wenig gemerkt wie den ersten, den sie mit dem Angelo getauscht. Er rasselte über die Zugbrücke, winkte dem Angelo, der zugleich mit ihm durch das Tor hinauswanderte, mit dem Schlüsselchen, das er wie 68 in Gedanken wieder dem Wams entnommen hatte, hochmütig und gönnerhaft nach und warf der Gertrude mit der eisenbeschienten Rechten eine Kußfaust, wie man sagen müßte, zu. Dann trabte er die Straße gegen Tulln hinab, froh, was immer ihm draußen auch begegnen möge, zu Hause wenigstens, was seine Ehre ausmachte, wohlbehütet zu wissen. Er winkte noch einmal seiner Frau zum Söller hinauf. Gertrude dankte freundlich mit dem Handschuh und blickte ihm nach, bis er in den Donauniederungen hinter den Weiden verschwunden war.

Sie zog sich dann hinter die Vorhänge ihres Schloßturmgemaches zurück und errötete unwillig, als sie an ihrem blühenden Leib die metallische Kühle fühlte. Aber sie bedachte sogleich, daß, also bewehrt wie ihr Gatte, bis auf diesen Tag wohl kein Rittersmann der Christenheit jemals ausgezogen war, und da mußte sie wiederum lächeln. Plötzlich erinnerte sie sich des schwarzen runden Krauskopfes ihres Angelo, der Munterkeit seiner Rede und sie erwog, daß ihr die nahe Zukunft vielleicht andere, weit holdere Abenteuer aufgespart habe, als ihrem Konrad, der jetzt mit düsterm Visier gegen das Türkenland sprengte, wohl beschieden waren. Und mit dem erwachenden Tag glitt ein helles Lachen über ihr kätzchenhaft hübsches Gesicht, als sie es jetzt in den Polster schmiegte, der noch von dem Rosenöl des Angelo duftete.

*

69 Der von der Türlin wurde mit Hoihoho von den Genossen begrüßt und diese hätten gerne gewußt, mit welchem Stück seines Rüstzeugs der Schmied so lange nicht fertig geworden. Da ward er rot unter dem Visier; denn die Wahrheit zu gestehen, wäre ihm, Konrad von der Türlin, völlig unmöglich gewesen. Was er getan oder worin er nachgegeben hatte, das war – so meinte er wenigstens – in freier Entschließung geschehen. Aber es konnte gröblich mißdeutet und er als unmännisch, als ein Frauenknecht, verspottet werden. So zog er denn in den Heiligen Krieg und bedachte nicht, daß er, Konrad von der Türlin, der für Frau Wahrheit streiten wollte, bereits an seinem blanken Schild unsichtbar ein Lügenmal trug.

Sie ritten, ein wehrhafter Trupp, nach Wien hinunter, das auf ihr Kommen gewartet zu haben schien, denn es brodelte und brotzelte friedlich überall. Dort, unter den wohlgenährten Mannen der Stadt, fiel er auf durch seinen hageren Wuchs und ward deswegen beinahe bedauert. Wie wohl ward ihm aber, da er sich auf sein Pferd wie auf ein Reck schwang, durch die heiße, ungarische Ebene munter galoppierte, während die Wiener schwer unter der Fülle ihres Leiblichen einherstampften.

Und als er an der Spitze seines Fähnchens zuerst das Meer erblickte, das weiche, blauseidige Meer, hätte er gar nicht, wie die andern, verschnaufen müssen, sondern sich sogleich, wonach ihn, ach 70 so sehr, gelüstete, nackend hineinstürzen können. Aber da gedachte er, gottlob noch zu rechter Zeit, des peinlichen Bandes, das, um auch seine Treue zu sichern, die Fraue um ihn hatte schließen lassen. Er zog das schwere Visier nieder und schritt am Gestade, neidisch nach den badenden Genossen spähend, grollend wie ein Berglöwe auf und nieder.

Kaum hatten nämlich die andern Mannen, die aus der Provence, aus Burgund, aus Flandern und aus Engelland, das lockende Gewoge erspäht, so schnallten sie ihre eisernen Hemden, Ringhauben, Brünnen und Beinschienen ab und sprangen hinunter in die linde, kühlende Flut. Sie bespritzten einander wie die Jungen, trieben tausendfachen Schabernack und waren kindlich vergnügt. Nur der von der Türlin schritt, Schweres in seinem Sinn erwägend, umher.

Er löste nicht den Gambesson und nicht das Kettenhemd, sondern spazierte in seinen Schnabelschuhen ingrimmig und wünschte nur eines: auch in dem glitzernden Meer ein Bad zu nehmen. Die Genossen waren über diese Enthaltung schier betroffen. Man wußte, wie gerne er sich daheim im Strom getummelt hatte, galt er doch als der reinlichste Ritter der Christenheit. Ein Gelübde, so erzählte man alsbald, halte ihn dem Wasser fern. Daß er es so getreulich hielt, mehrte seinen Ruhm und er galt fürderhin erst recht als ein ganzer Mann und Ritter.

Sie zogen weiter bis zum Hafen von Aleppo, 71 ohne daß es zu einem Treffen mit dem Feind gekommen wäre. Aber auch die verdächtigen Nasen, gegen die eigentlich der Feldzug gemeint war, hatten sich noch nicht gezeigt, sondern sich vorsichtig nach Jerusalem zurückgezogen, wo sie inzwischen mit dem Sultan gute Geschäfte machten.

So wandelte Konrad denn in Aleppo am Strand unter den Agaven, mit sich und seinem Geschick hadernd, das ihn noch nichts der Reimkunst eines Bertrand de Born Würdiges hatte vollbringen lassen. Er blickte auf eine Stechpalme, die sich in die blaue Luft erhob, und dachte an seine stachelige Dame zu Hause, die ihn mit einem solchen halb lächerlichen, halb ärgerlichen heimlichen Panzer umgürtet hatte – er dachte an sie mit wirklicher Sehnsucht und in reiner Minne seit langem wieder zum erstenmal und ein Seufzer hob seine Brust wie der Schirokko das Segel dort, das eben über die opalne Flut in den Hafen glitt und das Venedigs Wappen zeigte, den geflügelten Löwen, wie er offenmäulig, mit der erhobenen Tatze zwei Tafeln festhielt.

Unter den Neugierigen am Ufer befand sich alsbald der schweigsame Ritter von der Türlin und er musterte die bunten, hellgrünen und violetten Wämser, unter denen gewiß nichts dergleichen schimmerte, was er zu seinem Ärger verborgen an sich trug. Warum hatte er ihr eigentlich nachgegeben? Nun, weil er ein Beispiel geben wollte. Ein Beispiel . . . aber niemand durfte doch davon erfahren! Nein, er hatte es nur getan, weil er 72 Gertrudens durch ihn erzwungene Treue gleicherweise vergelten wollte. Oh, sie war treu, seine Fraue, warum hatte er sich nur von ihrem mutwilligen Wort beirren lassen? Einem Konrad von der Türlin Treue zu wahren, verstand sich dies überhaupt nicht von selbst? Hatte es dazu eigentlich eines Gürtels bedurft? So war es edel und großsinnig von ihm gewesen, daß er das Selbstverständliche mit dem – wenn es bekannt wurde – so Lächerlichen erwidert hatte.

Unter solchen selbstbespiegelnden Gedanken hatte er gar nicht gemerkt, wie ein Fremder, stutzerhaft, in Schnabelschuhen von rotem Maroquin und einem Wams aus violetter Seide, sich ihm näherte.

»Der vielgerühmte Konrad von der Türlin?« fragte der Fremde.

»Der Nämliche.«

»Ja, kennt Ihr mich denn gar nicht mehr?«

»In der Tat, Ihr seid es, Signore Angelo Donati?« und Konrad blickte verwundert auf den Vaganten von einst, dessen jetzt feist gewordenes Gesicht glatt rasiert war. Die Locken waren kurz geschnitten und geglättet, die Augen hatten einen kalten, rechnenden Ausdruck, auch trug er an allen Fingern schwere, goldene Ringe.

»Ich habe mich etwas verändert, nicht wahr?« erwiderte Donati nicht ohne Selbstgefühl. »Ja, ich habe durch den Krieg einiges gewonnen«, und er streifte sich wohlgefällig mit den beringten Fingern über sein schroffes Kinn.

73 Und Konrad nickte verstehend, als erkenne er, daß Angelo Donati der erste kriegsgewinnende Ritter war, von dem die Geschichte meldet, wie er selbst der erste Turner und Wasserpritschler und Gertrude die erste, gleiches Recht heischende Frau.

»Ja, ich habe gute Geschäfte gemacht. Die Dinge da, wie Ihr selbst eines am Leibe tragt«, und er lächelte ihm vertraulich und, wie es Konrad dünkte, niederträchtig zu – »na, laßt nur Euren Flamberg stecken, ich erzähl' es ja niemand. Die Gürtel also sind reißend abgegangen. Jeder Ritter, der in den Kreuzzug mußte, hat einen haben wollen. Jetzt bin ich hier, dem Heer Getreide zu liefern und Rosenöl für die Damen Venedigs einzukaufen und«, seine Stimme wurde schmelzend, »auch für einige deutsche Damen meiner Bekanntschaft allerlei einzuhandeln, und – Euch diesen Brief zu übergeben.«

»Ja, seid Ihr denn wieder an meiner Burg vorübergekommen?«

»Ja natürlich, auf dem Rückweg. Eure Gemahlin harret Eurer in sehnender Minne. Sie blickt Tag und Nacht die Donau hinab und härmt sich sehr. Und sie schickt Euch dieses Brieflein. Wahrhaftig, es tut mir leid, daß ich Euch den Gürtel für die Madonna aufgeschwatzt, die Madonna hätte dessen wahrlich nicht bedurft.«

Seufzend stimmte Konrad bei.

Angelo aber verschwieg ihm, warum sich Gertrude besonders gehärmt hatte, mit ihm zusammen – darüber nämlich, daß Konrad sein Schlüsselein, 74 das beide Gürtel aufsperrte, mitgenommen hatte, worüber man sich wahrhaftig kränken und erbosen mußte. Der von der Türlin aber schritt würdevoll auch weiterhin unter den Palmen auf und nieder und las den Brief. Gertrude schrieb ihm, daß sie seiner, ihres edlen Herrn, gedenke, wie er es verdiene, und daß ihre Gedanken wirklich wie treue Tauben zu ihm hinflögen über das Meer. Nur quäle sie der harte Reif, mit dem er sie noch aus der Ferne umschlungen halte wie mit einer kalten Hand. Sie wäre ihm – des mög' er gewiß sein – durch ein zarteres Band verbunden als durch diese Eisenumklammerung. Habe er denn niemals sein eigenes Bild im Spiegel des Meeres betrachtet und könne er da noch argwöhnen, – ein Weib, das Konrad von der Türlins Minne, wenn auch zuletzt allzu selten, genossen, könne Gelüste hegen, mit anderen Locken zu spielen?

Da neigte er sich über die ölglatte Flut und betrachtete lange sein Bild, wie es mit dem Wipfel einer Platane im Wasser zusammenfloß. Er sah mit Stolz die gotisch-hagere Brust, den Spitzkopf mit dem spärlichen Haarflaum, die Ohren, die wie Henkel an einem Topfe hingen, und rief:

»Nein, so einen Mann betrügt man nicht! Konrad von der Türlin, er vertraut sich selbst und darum dir.«

Und er setzte sich in den Schatten einer Dattelpalme, zog ein Schreiberohr und ein Pergament, auf dem er sich jetzt selbst in allerlei Reimwerken 75 versuchte, aus seiner Gugelhaube, die mit den Farben seiner Dame geziert war, gold und blau, und schrieb eifrig, bis es dunkelte und das südliche Kreuz über dem pupurnen Himmel flammte.

»Der Bote mit deinem Brief«, so schrieb er ihr, »ist wohl angekommen. Ich bin erfreut, daß du nun aus der Entfernung, getrennt von mir, begreifst, was für einen Mann das Schicksal dir beschieden hat. Damit du aber mein ritterlich Tun und Denken ganz ermessest, send' ich dir, ohne daß du mich darum mit ausdrücklichen Worten gebeten hättest, den Schlüssel zurück. Nein – eine Fraue, die Konrad von der Türlin zu sich erhoben hat, bedarf einer solchen Wehr ihrer Tugend nicht; ein Türlin kann nicht wie eine andere betrogen werden!«

»Ich werde nun, weil das gleiche Recht, wie du sagst, den Mann wie das Weib binden soll, den Gürtel, mit dem mich deine Laune umgürtet hat, so lächerbar er ist, nicht früher von mir tun, bis nicht der Bote, den ich dir mit diesem Briefe sende, zurückgekehrt ist und mir den Schlüssel, mit dem du deinen Gürtel lösen magst, zurückbringt.«

»Ihr reiset wohl bald«, wandte er sich jetzt hochfahrend an Donati, weil dieser nur ein Händler war, »Ihr reiset wohl bald in unsere Marken zu den Burgen, wo es Männer gibt, die Eurer Gürtel zum Schutz ihrer Ehre mehr bedürfen als ich.«

»Aha, Ihr schickt der Madonna den Schlüssel zurück . . . durch mich«, schmunzelte Angelo und er war froh, daß der breite rote Schein des Mondes 76 das Lächeln verschluckte, das über seine prallen Wangen lief.

War es nun ein Etwas im Blick des Welschen, oder war es wieder Konrads eigenes dünkelhaftes Wesen, das ihn verlockte, vor seiner in Züchten daheim harrenden Fraue mit seinem schmucken Junker zu prunken – er rief seinen jungen Gesellen Erich herbei, der auf einer Mauer lehnte, die der Ast eines Feigenbaumes umkroch. Erich war der frischeste, flinkeste Junge im Lager; so war es natürlich, daß er niemand andern denn unserm Konrad als Knappe dienen konnte.

»Willst du einen Brief meiner Herrin bringen, die jetzt bald auch die deine sein wird – sie soll sehen, daß dem Konrad von der Türlin der hübscheste Junker dient und mich in dir loben« – und er betrachtete wohlgefällig, die Wirkung auf Gertrude ermessend, den Jüngling, der schlank wie eine Zeder des Libanon gewachsen war. Wie nun Jung-Erich das Wort »Herrin« vernahm, glühte in ihm zum erstenmal das Minnewesen auf, wie dort das Lagerfeuer an der vergitterten Mauer mit der Sykomore darüber. Er sah im Wind ihr wehendes Haar, hörte ihren Schritt zart wie den einer Antilope, das Blut rauschte in ihm, wie drüben das Meer, das ans Gestade schlug.

»Das will ich wohl – zu meiner Herrin –«, stammelte er.

»Morgen segelt ein Schiff mit Olivenöl und Wein nach Venedig. Das nimmt dich wohl mit. Wo 77 du landest, erstehst du ein Roß – hier sind türkische Dukaten –, aber ein schmuckes, damit du stattlich aussiehst, das bitt' ich mir aus – reitest die Straße und den Strom hinauf zu meiner Burg und bringst meiner Herrin diesen Brief. Und einen Talisman geb' ich dir auf den Weg, ein Schlüsselin, das in dem Brief steckt, achte dessen wohl, sie wird es dir lohnen.«

Und er reichte ihm ein vielfach umwundenes Pergament. Mit dem Schlüsselchen aber, das zwischen den Blättern haftete, hatte er vorher den eigenen Gürtel geöffnet, nicht abgetan – es bedurfte bei ihm so wenig wie bei seiner Fraue des Schlüssels. Erich nahm das Pergament und fühlte den Schlüssel darin. Er wußte nicht, was dieser bedeutete, aber es glühte ihm daraus wie ein betörendes Geheimnis, wie alle Seligkeit der Welt entgegen. Immer heller blinkerte und funkelte das südliche Sternenkreuz, immer sehnsüchtiger schwoll das Meer, und im Wehen des Windes wiegte sich die Sykomore. Erich schlief nur wenig in dieser Nacht, aber Konrad wickelte sich in seinen haarigen Mantel und schlummerte zufrieden, wie nur ein Eheherr schlummert, der wähnt, etwas sehr Kluges ersonnen zu haben und etwas sehr Törichtes ausgeheckt hat.

Der Talisman, den Erich an seinem Busen barg, schützte den Jüngling wohl. Er fuhr mit ihm über die Meere, und der Wind hatte seiner Sehnsucht, die Herrin zu sehen, nicht Flügel genug, und das Rößlein trabte nicht flink genug, und es sprühte 78 nicht Feuer genug aus seinem Huf, bis er im Schloßhof stand und den erwachenden Morgen mit seinem Tandaradei begrüßte.

Heinrich aber, der graue Kastellan, der mit seinen Vogelnetzen eben über den Hof einherschritt, dachte nur:

»Ei, was ist da für ein Falke zu meinem Töchterchen geflogen? Das gönn' ich ihr wohl und dem Konrad!« Er nahm nämlich Ärgernis an seinem Schwieger, weil ihm dieser hochmütig das Gnadenbrot, das er hier im Hause genoß, schon öfters zum Vorwurf gemacht. »Wenn ich so eine Witwe wäre, wie die Gertrude, während sich der Mann umtreibt in der Ferne«, brummelte er vor sich hin, »würde ich mir diesen Falken zahmziehen«, ging in seinen Wald und sagte weiter nichts.

Gertrude aber, die über dem langen Warten immer schöner geworden war und in zarter, fraulicher Fülle blühte, war, als sie die junge Stimme im Hof hörte, zunächst enttäuscht, weil sie den kräftigen Tenor ihres schwarzen Angelo erwartet hatte. Aber als sie die goldenen Ringellocken zwischen dem Efeugeranke und die blauen zu ihr hinaufschwärmenden Augen sah und den Arm, der sich in junger Kraft mit dem Brief und dem befreienden Schlüsselchen zu ihr hinaufbog: da wußte sie, Frau Venus selbst, die Heidengöttin, die gelösten Haares auf der Muschel thront, habe ihr dieses Abenteuer gesendet, während der Gatte wahrscheinlich bei den feurigen Sarazeninnen sein Vergnügen finde. Sie 79 winkte den Ankömmling in ihr Turmgemach, das die blanken Zweige umgrünten und das von dem gefiederten Volk wie von Maienfanfaren umschmettert war.

Ein Fragen und Antwortgeben, das süßeste Minnespiel begann alsbald, und es währte nicht lange, bis das Schlüsselchen aus seiner Hand und zu ihr hinüberglitt und sie von einer unziemlichen Unfreiheit löste, womit nicht so sehr eifernde Liebe als ehemännischer Dünkel sie aus der Ferne noch hatte binden wollen. Des Jünglings unschuldige Minne neigte sich zu ihrer wissenden. Sie zogen Hand in Hand zu den maiengrünen Wiesen und zu den Auen, und da der Nebel silbern über dem Fluß stieg und die Niederungen bedeckte, lag sein blondes Haupt in ihrem Schoß und er sang zu ihr hinauf die innige Weise: »dû bist mîn, ich bin dîn: des solt dû gewis sîn. dû bist beslozzen in mînem herzen: verlorn ist daz slüzzelin. dû muost immer drinne sîn.« Und sie blitzte ihn an, barg in ihrem zarten Busen den Schlüssel und endete schalkhaft das Lied: »Verloren ist das Schlüsselin.« Und als sie sich von ihrem blühenden Lager erhoben, sang er wieder: »under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ mûget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras.« Aber sie sagte nur: »Herrlich, daß er dich als Boten geschickt hat.« Sie zog ihn in ihr Turmgemach und in ihre Arme und hielt ihn solange darin fest, bis der Herbst über die bleichenden Halden zog. Da mußte er, schwer 80 aufseufzend, endlich von ihr Abschied nehmen.

Dem Junker Erich war schon vor dieser Abschiedstunde ein bittrer Tropfen in den Kelch seiner Lust und die Reue in das Gemüt gefallen. Er hatte, was kein rechter Edelknabe darf, um der Frauenminne willen die Herrenminne dahingegeben, und da dies nicht mehr zu ändern und er nun kein Jüngling mehr war, beschloß er, seinem Herrn, wenn er ihn nun schon so hatte kränken müssen, ein schönes Werk zu dessen Ruhm zu hinterlassen. Dieses zu fertigen, fiel dem Erich nicht schwer, da er verliebten Gemütes war und die Jugend selbst in ihm dichtete. Da er wußte, wie es seinen Herrn nach Ruhm gelüstete, schrieb er dessen Taten im Morgenlande auf weißem Pergament in Reimen auf – Taten, die alle gewissermaßen, wie man sogleich erfahren wird, dem Gürtel entsprungen waren, mit dem die herrische Laune seiner Fraue den Ritter eingeengt hatte.

Dieses Werk schrieb Jung Erich in den wenigen Stunden, die ihm Gertrudens Ungestüm vergönnte. Konrad sollte es nach seiner Heimkehr auffinden, ihm selbst aber wollte der Junker nie mehr begegnen. Sein Vorsatz stand fest wie ein Turm: zurückgekehrt, sich in das dichteste Getümmel der Schlacht zu stürzen und selbst den Tod zu suchen. Solches aber sagte er der zärtlich von ihm scheidenden Gertrude nicht, als sie ihm einen Brief an den Gatten mitgab und das Schlüsselin, das er dem Konrad zu dessen Befreiung bringen sollte, wieder in seinen 81 Händen glänzte. Mutwillig, wie Frauen in ihrer Freuden Taumel sind, hatte sie das Bändchen mit der Devise: »Gedenke mîn!« um das Schlüsselchen geschlungen, und nachdenksam und ein wenig ermüdet ritt Jung Erich wieder in das Morgenland hinab, das Schlüsselin in der umpanzerten Hand mit dem Bändchen daran, das lustig im Wind flatterte.

*

Inzwischen waren in Aleppo unten die flandrische und die bretonische Ritterschaft zu den Männern aus der Ostmark, vom Rhein und der Elbe gestoßen. Sie wurden freudig aufgenommen, weil man vor dem Ansturm der Männer mit dem halben Mond, denen die mit dem gelben Fleck zwar nicht mit den Waffen, aber mit ihrem Gelde halfen, zu weichen begonnen, obgleich der von der Türlin befehligte.

Daß er ihr Führer ward, ergab sich aber von selbst, weil er wegen seines tiefgründigen Ernstes, den er angenommen hatte, seitdem er den Gürtel trug, und weil er sich nie vor den andern entkleidete, vielmehr entpanzerte, ein Gelübde also offenbar mit zäher Entschlossenheit festhielt, für einen eisenharten Kopf und stählernen Charakter galt.

Konrad verrichtete aber auch wahre Wunder der Tapferkeit und davon ist, sonderbarerweise, dieser Gürtel die eigentliche Ursache gewesen. Er rannte den Feind an, wo er ihn traf, weil er von dieser 82 lächerbaren, eisernen Umklammerung zur steten Wut gestachelt wurde. Auch wehrte er sich mit Hieb und Stich gegen den Tod, nicht so sehr, weil er das Sterben, als die Gefährdung seines Nachruhms in den Büchern der Ritterschaft fürchtete, wenn man ihn als umklammert aufgefunden und dem Spott der Nachwelt überliefert hätte. So verbreitete sein schwarzes Visier, wenn er damit aus dem Getümmel hervorstampfte, Schrecken – und keiner aus den schreienden, fliehenden Scharen ahnte, welche absonderliche Gedanken der Kopf dahinter verbarg.

Konrad galt für einen grimmigen Haudegen und bald als der tapferste Held der Christenheit im Morgenlande – und niemand wußte, ach wie bei so vielen Taten, worin dieses Heldentum eigentlich seinen Grund hatte, und daß er aus dieser seltsamen Angst so tapfer war.

Auch war er allmählich, so viel und so feurig er früher über sich gesprochen hatte, in sich gekehrt und schweigsam geworden, was die Menschen immer als ein Zeichen der echten Mannesüberlegenheit deuten. Sie wußten freilich nicht, daß er nur darum schwieg, weil er sich selber mißtraute und besorgte: er könne sein Geheimnis in einer überfließenden Stunde ausplaudern.

Aber wie es sich zu ereignen pflegt: jene Eigenschaften, die er nur im Keim in sich getragen und die so lange vom Unkraut seiner Eitelkeit überwuchert gewesen, entschlossener Mut und schweigsamer Ernst – sie sproßten nun wirklich in ihm auf. 83 Zuerst waren sie nur dem Scheine nach vorhanden, Spiegelbilder gleichsam von Charakterzügen. Aber stetig zur Schau getragen und geübt, wurden sie wesenhaft in ihm selbst. Er wurde nun in der Tat, wofür er so lange gegolten: ein rechter Mann und Ritter. Dieser Gürtel, aus einer spielenden Laune um ihn geschlungen, der, was man sonst das Mannestum nennt, umketten sollte – hatte, seltsam genug, die eigentliche Mannhaftigkeit erst aus seiner Seele hervorgetrieben.

Dazu kam noch, daß er in zorniger Verzweiflung dahinlebte, weil Erich so lange ausblieb. Aus wütendem Mißmut hieb und stach er um sich und war darum immer obenauf im dichtesten Getümmel zu finden. Zum Feldherrn wegen dieser vorleuchtenden Tapferkeit erwählt, war er es, der auf Angriff gegen Jerusalem gedrungen hatte, damit doch endlich etwas Tüchtiges geschehe und der richtige Schlachtenkampf beginne, wo man sich mit Tartsche und Speer berennen und blutigschlagen könne.

Sie werden bald zu Gott und Jehova oder zu Allah um Sieg beten und sie werden einander in seinem dreifachen Namen so lange peinigen, bis er, verwundert über dieses Wirrsal, sein Haupt im Gewölk des Libanon zornig verhüllt.

Vor den Toren der heiligen Stadt nun geschah die Schlacht, bei der die Christen leicht unterlegen wären, wenn nicht Galeeren aus Venetien neue reisige Scharen zu Hilfe geschickt hätten, so daß der Kampf unentschieden blieb. Erich war unter 84 diesen. Er stürzte sich, wie sein Vorsatz war, in das blutigste Getümmel, weil er sich geschämt hätte, dem Mann, dessen Geselle er war und dessen Schlüsselin er, ach nur für sich selbst, genützt hatte, in das Antlitz zu schauen. Da traf ihn der Pfeil eines Arabers durch die Halsbeuge in den stahlumschienten Nacken, den vor wenigen Monden noch die zarteste Minne umschlossen hatte. Die Locken fielen ihm über den Helmbusch, und in der bepanzerten Rechten hielt er noch das Schlüsselin mit dem Bändchen daran, das noch immer im Wind, der über die syrischen Hügel strich, so lustig flatterte, als gäb' es nicht Gefahr und Tod.

Konrad von der Türlin war aber an diesem Tag besonders entflammt im Gemüte, weil sein Bote noch immer ausblieb und er nun gar nicht mehr wußte, was mit dem Schlüsselin geschehen war; so brauste er wie ein Ungewitter über das Schlachtfeld einher.

Da erblickte er, über einen Stein gesunken, seines Gesellen blondes Haupt. Er griff nach der stahlumschienten Hand und fühlte das kühle Schlüsselchen, und das Bändchen flatterte ihm entgegen mit dem sinnreichen Sprüchlein: »Gedenke mîn!« Nun durchfuhr ihn ein schmerzhaftes Erkennen: Wie war dieser junge Fant zu dem Bändchen gekommen, das er mutwillig um den Gürtel geschlungen hatte? Erich war so lange ausgeblieben – dieses Bändchen dazu – oh, welch ein Tor war er gewesen, daß er unbesonnener Jugend anvertraute, was die 85 reifenden Jahre selbst, wie es jetzt deutlich ward, nicht zu behüten vermochten.

Er setzte sich auf den Stein, schlug Bein auf Bein, wie es der Vogelweider getan, und nahm den Helm ab – so erspähte ihn ein Kerl aus dem Mohrenland, der nahte ihm rücklings, um ihn von hinten zu durchbohren. Todestraurig, weil er seinen Gesellen verloren und das Bändchen gefunden, hielt ihm Konrad den Schild entgegen und griff nach seinem Helm. Da wurde der Angreifer wie rasend, er hob die Axt, und schon war es um Konrad geschehen, aber da sah der aus dem Mohrenland den krummen Geierschnabel im Schild und rannte schreiend davon. Ein solches Geiertier galt als Schutzgeist seines Stammes. Und so hat den Konrad gerettet, was er mißachtete.

Er warf dem Mohrenkerl den Schild und seine Lanze nach, aber schon war ihm eine braune Türkenfaust im Genick. Der fromme Muselmann hätte den Christenhund seinem Allah geopfert, da erkannte er den ob seiner Tapferkeit auch im Feindeslager hochberühmten Feldherrn, von dem man überdies munkelte, daß er mit geheimnisvollen, wundertätigen Kräften begabt und wahrscheinlich ein Zauberer sei. Darum tötete er ihn nicht, sondern erklärte ihn für gefangen im Namen des Propheten und Konrad folgte ihm, das Schlüsselchen mit dem Bändchen noch immer wie träumend in Händen. So zog er nach Jerusalem, der ehrwürdigen Stadt, nach Jeruschalajim, wie es die Männer mit dem 86 gelben Fleck nennen, die am Wege zum Palaste des großen Sultans Saladin verwundert standen, als sie ihren gefährlichsten Feind so ergeben, traumverloren einherschreiten sahen, wie ein Knäblein, ein Schlüsselchen in der Hand, daran ein Bändchen baumelte.

*

Nun sehen wir zwischen zwei blanken Türkensäbeln den Gefangenen durch das Zionstor und felsige, abschüssige Straßen über den Platz Naronnesch Scherif schreiten, an der Moschee El Akta, der Grabeskirche und dem heiligen Tempel, die alle drei in Einigkeit hinauf in den Himmel glänzten, vorbei zum Palaste des Sultans Saladin. Dieser war in der Art der maurischen Paläste seiner Zeit gebaut, wie man sie später in Spanien nachgebildet hat, mit weiten, kühlen Marmorhallen, roten Säulen, umkränzt von Sprüchen des Korans, mit verborgenen, teppichumhangenen Gemächern, in denen die Fontänen rauschten.

Wo eine Fontäne in eine grüne Achatschale plätscherte, stand, in einen weißen Mantel gehüllt, Saladin, der Sultan. Er war von gemessenem Anstand und freiem Gehaben. Gedanken schienen kühn von dieser braunen Stirne zu fliegen, die Nase hatte sich offenbar früh gekrümmt, weil sie ein Haken werden wollte, der nun wieder dem Geierschnabel im Schilde des stolz Eintretenden in seiner energischen Krümmung glich.

»Ich bin Euer Gefangener«, und Konrad legte 87 Schild und Schwertgehänge an den Rand des Marmorbeckens.

»Allerdings, Herr Konrad von Türlin – so heißt Ihr wohl –, Ihr bleibt hier im Palast in ritterlicher Haft oder vielleicht –« und Saladin blitzte ihn mit dem Falkenauge an, halb bewundernd und halb zweifelnd.

»Ihr geltet als der tapferste Ritter der Christenheit. Aber – es sind sonderbare Gerüchte um Euch, Herr von der Türlin. Früher, da sollt Ihr in den Strom, der an Eurer Burg vorüberzieht, gesprungen sein wie kein zweiter in der Ritterschaft. Aber jetzt – kein Tropfen Wasser darf mehr an Euch – erzählt man. Sonderbar . . .«

»Es ist wahrscheinlich ein Gelübde«, knirschte der Ritter.

Der Sultan betrachtete ihn prüfend. Wäre er ein Christ gewesen, er hätte sich gedacht: ein sonderbarer Heiliger. Wäre er vom auserwählten Volk gewesen – er hätte erwogen: unser Herrgott hat einen großen Tiergarten. Aber weil er vom abergläubischen Stamm des Propheten war, besann er sich auf das, was ihm der Derwisch gesagt hatte: »Von einem Ritter mit einem Talisman wird dir, o Sultan, viel Leid kommen, aber zuletzt viel Glück . . .«

Er blickte auf wie aus einem Traum.

»Was habt Ihr denn da für einen Zauberschlüssel in der Hand, mit einem Bändchen daran?«

»Ein Talisman!« – schrie erbost der Ritter.

»Ein 88 Talisman! – Wie seid Ihr zu dem gekommen?«

»Das ist eine ganz furchtbare Geschichte«, erwiderte Konrad dumpf.

»Ihr habt etwas Seltsames an Euch, Herr Ritter.«

»Jawohl, das hab' ich.«

»Etwas, das nicht jeder aus der Christenheit an sich hat.«

»Er würde sich auch bedanken«, knirschte wieder ingrimmig der von der Türlin.

»Lasset mich nun in das Gefängnis führen« – brach er jetzt hochfahrend die Unterredung ab.

»Einen Mann wie Euch in das Gefängnis? Nein!« sagte hoheitsvoll-milde Saladin. »Ihr seid mein Gast hier an meinem Hof.«

»Euer Gast?« Erstaunt blickte Konrad auf. Und nun tat er ernstlich ein Gelübde. Dieser Gürtel, den er an sich trug, hatte sich wirklich als ein Talisman bewährt; er hatte ihn vor dem Tod geschützt und jetzt eben vor der Gefangenschaft. Darum gelobte er sich selbst: er würde ihn jetzt, da er doch den Schlüssel besaß, erst recht nicht von sich lösen, so lange er in diesem verdammten Heidenland bleiben mußte. Leben und Freiheit dankte er ihm, mit dem ihn die Frau noch aus der Ferne gebunden hielt. Nur davor hatte er ihn nicht bewahrt, seufzte er in sich hinein – daß ihm zu Hause inzwischen die Ehre abhanden gekommen war. Und hadernd mit seinem Geschick gelobte sich der Kreuzfahrer, daß er ihn überhaupt nicht mehr von sich tun, sondern wie ein Mönch fürderhin leben würde. Aber 89 weil er ein Mann und daher schwach war und mit sich reden ließ, fügte er in Gedanken hinzu: erst wenn er sich einmal wieder einem reinen Weibe nähern würde. »Aber das gibt es überhaupt nicht«, grollte er wiederum.

»Ihr könnt nun aus und ein gehen, wie es Euch beliebt«, sprach Saladin. »Nur eines noch«, fügte der eben so edelmütige wie abergläubische und ebenso vorsichtige wie neugierige Sultan hinzu: »Ihr müßt vor dem Palastwächter Euren Panzer abtun, ob Ihr nicht etwas verborgen bei Euch tragt. Eine Waffe vielleicht!«

»Was ich etwa verbergen muß«, erwiderte Konrad geheimnisvoll, »kann nur mich allein um die Lust des Lebens bringen.« Und Saladin darauf, immer neugieriger, drängend:

»Ihr müßt Euch entkleiden, Herr Ritter – nur vor der Wache des Palastes.«

»Dann stürz' ich mich vor Euch in den Brunnen hinab! Ich stürze mich in das Schwert!« Doch überlegte er sogleich, daß er nicht wie ein alter Römer sterben könne, weil man ja dann an ihm finden würde, was er durchaus verhehlen wollte. Saladin betrachtete ihn prüfend, lange. Er winkte ihm gnädig mit der weißen schmalen Hand, an der ein Amethyst glänzte, und bedachte, ob dies wirklich der prophezeite Ritter mit dem Talisman sei, der ihm tiefstes Leid und höchste Wonne dieser Welt bescheren werde. Er zweifelte noch, weil er ein Türke und darum mißtrauisch war. Aber da 90 erinnerte er sich des Zauberschlüssels in der Hand seines Gastes mit dem Bändchen daran und er wußte: »Dieser ist es!«

Nun entfaltete sich sogleich des Sultans milde Gesinnung. Er ließ in dem Gemach, das er dem Gast zur Wohnung bestimmt hatte und das von rötlichem Marmor und von Tapeten mit geheimnisvollen Blumen, Früchten und Gestalten überschimmert war, ein reichliches Mahl auftischen. Es fehlte sogar nicht an edlem Zyperwein, der ihm, dem Sultan selbst, verboten war und den er sich auch versagte. Dieser ward nun zu des Gastes Befremden nicht, wie sonst im Osten, von einem Palastsklaven kredenzt, sondern von einer älteren Frau, ersichtlich einer Beschließerin des Hauses. Sie ging unverschleiert; auch waren die Augen nicht durch eine weiße Binde verhüllt. Als der Fremde sich über diese freiere Sitte zu verwundern schien, bedeutete ihm die Frau, die sich Daja nannte und die betulich und ungefähr das war, was man ein gutes Huhn nennt, auch also geschäftig scharrte und gackelte – der Sultan, raunte Daja ihm geheimnisvoll zu, sei stolzen, eigenwilligen Sinnes. Er halte sich nur an solche überlieferte Gebräuche und Beschränkungen, die ihm einleuchteten. Übrigens sei er unvermählt und lebe hier mit Recha, seiner Schwester, mit der er fleißig Schach spiele. Dann sei noch ein Mädchen im Palast, ein gar holdseliges Geschöpf, das ihr zur Hilfe beigesellt wäre; sonst sei keine Frau im Hause. Wenn sich Saladin einmal 91 vermähle, werde er nicht mehrere Frauen nehmen, sondern seine Liebe ungeteilt der einen schenken, und diese nicht, nach der Sitte des Ostens, vor der Welt im Verborgenen verschließen. Hier gäbe es nicht und werde es niemals geben: verhüllte Frauengesichter, vergitterte Fenster und verschnittene Wächter der Frauengemächer. Saladin meine nämlich, fügte Daja hinzu, keines Weibes Tugend ist zu behüten, das nicht durch die sorgende Liebe des Mannes behütet wird.

Dieses Wort durchfuhr den Konrad schärfer als ein Sarazenendolch. Er nahm nur ein paar Tropfen des Weines, ein paar Datteln und Feigen und verabschiedete sich rasch von der erstaunten Daja. Er stieg in die Stadt hinab, die im Kreis um die Hügel lagerte, schritt über die heiligen Plätze mit den Kirchen und Moscheen, von denen der Muezzin die Stunde rief; durch die engen, winkeligen Gäßchen mit den flachen Dächern, auf denen Männer im weißen Burnus und Männer anderen Glaubens im langen, faltigen Rock, Frauen, die Binde vor dem dunkel hervorglühenden Blick und andere, unverschleiert, aber träumenden Auges, sich so friedlich im Abendschein sonnten, als stünde nicht draußen vor dem Tor gegen Damaskus hin der Feind noch immer gewappnet.

Er sah nun aus der Nähe die vierunddreißig festen Türme, die Saladin als Bollwerk gegen die kreuzfahrenden Heere aufgebaut, und Konrad mußte dem Geschick danken, das ihn mit diesem Gerücht 92 eines Zauberers umgeben, also vor der Strenge des gewaltigen Mannes so wunderbar behütet hatte.

Dies hatte er, wenn er es so recht bedachte, nur der eigenwilligen Laune Gertrudens zu danken, die ihm freilich, die Ungetreue, jetzt solche Qual bereitete – und schon mischte sich in sein zorniges und gekränktes, aber durch das Wort des Sultans seltsam aufgeregtes Gefühl ein Etwas, das er nicht deuten konnte und das von Vergebung und Vergessen sprach. Hatte er es im Grunde nicht ihr zu danken, daß die Frauen, die in ihre tönernen Krüge Wasser schöpften, und die Männer, die in ihren kleinen Butiken standen oder Früchte feilhielten, ihn, den fremden, eisenumschienten Mann, voll Ehrfurcht grüßten, weil er, wie die ganze Stadt bereits durch Daja wußte, wegen eines Zaubers, den er an sich trug, der Gast des Sultans war.

Am nächsten Morgen suchte Konrad die ehrwürdigen Stätten auf und reinigte im Gebet seine Seele. Er stieg in das Tal Josaphat nieder und von überall, aus dem Tal der Terebinthen und vom Flusse Kedron her rauschte es ihm entgegen – Vergebung, Vergessen. Und als Saladin, der an dem beherrschten Ernst des schweigsamen Gastes Gefallen gefunden hatte und öfters mit ihm Rede und Antwort tauschte, ihn einmal fragte, warum Blut und Mord hier in diesem Tal und überall in der Welt um das Zeichen der Liebe flackern, wußte der kreuzfahrende Ritter nichts zu erwidern, sondern nahm schweigend den Helm ab.

93 Saladin, betroffen über dieses offenherzige Tun, bot ihm die Freiheit an, zumal ein ehrenvoller Friede bereits geschlossen war und der Rauch des abziehenden Lagers sich am Horizont kräuselte.

»Wozu ist nun«, fragte Saladin, der eben seine philosophische Stunde hatte, den Gast, »soviel edles Blut geflossen? Ist es nicht Gott Allah gleich, wem ein Stückchen dieser buntscheckigen Erde, ein Sandkorn kaum in der Fülle der Welten, gehört? Welch ein Tor ist der Mensch – so zieh nun auch du, mein Freund, in Frieden.«

Aber Konrad bat, noch bleiben zu dürfen, weil er argwöhnte, sein häusliches Mißgeschick wäre bereits unter den Kameraden ruchbar geworden und er, wie mancher Eheherr nach ihm, das bedauernde Händeschütteln der Freunde zumeist fürchtete. Immer weicher wurde indessen an den frommen Stätten Konrads Sinn und als er der büßenden Magdalena und der Ehebrecherin und der Worte des Herrn gedachte: »Wer sich ohne Schuld weiß, werfe den ersten Stein!« beschloß er, von Saladins großmütigem Anerbieten jetzt Gebrauch zu machen, heimzukehren und ein Beispiel christlich verzeihender Liebe zu geben, wovon auch in den Ritterbüchern, sollte seine Schande in der Heimat bereits ruchbar geworden sein, gewiß rühmende Kunde der Nachwelt überliefert würde. Wie stünde er nun wieder da – Konrad von der Türlin, nicht polternd und strafend wie andere Männer ähnlichen, jetzt im Krieg nicht seltenen Mißgeschicks: nein, der 94 große Verzeiher, der – mit dieser milden Hand – die Gefallene von neuem zu sich hinaufhebt?

Dieser Entschluß mußte ihm um so großmütiger, nur einem Türlin möglich, dünken, weil er sich bisher selbst ohne Schuld wußte und nicht einmal in die Versuchung geraten war, sein Gelöbnis, den Gürtel betreffend, zu brechen; so viele Blicke aus verschleierten und frei spähenden Augen der Armenierinnen und Griechinnen ihn auch begehrend streifen mochten, ihn, den Fremdling aus dem Abendland, den das Geheimnis umfunkelte und der inzwischen zu einem Mann und Ritter auch von Stattlichkeit des Leibes gediehen war. Es hatte sich nämlich um den Einsamen und Nachdenksamen, der allmählich, wie man zu sagen pflegt, jetzt auch in die gestandenen Jahre kam, der sogenannte Kummerspeck angesetzt, so daß der Stil seines leiblichen Wesens sich änderte und die hagere, gothische Spitzbogigkeit sich zu romanischen Rundbögen freundlich zu wölben begann.

Auch hatte ihn Daja, in deren geschäftigen Händen es immer von Myrrhen und Spezereien duftete, eines Tages bei seinem nur von wenigen Härchen umflatterten Kopf genommen und diesen – hast du nicht gesehen – mit einer Rosensalbe eingerieben, so daß auf dem kahlen Grund bald eine üppige Haarwildnis gedieh. Es war also nicht zu verwundern, daß der gerundete und gesalbte, abendländische, in tiefgründigem Ernst einherschreitende Rittersmann, den der Zauber des Wunderbaren 95 umschwebte, manchen wildblütigen Frauen jener Gelände wohlgefiel und ihn, da er nunmehr zum Palast des Saladin seine gemessenen Schritte lenkte, neuerdings heimliche Blicke verwegen anglühten. Aber Konrad achtete ihrer nicht, sondern ging stracks auf den Palast zu; seiner treulosen Gebieterin Gertrude mit jener Süßigkeit gedenkend, die das milde Verzeihen gewährt. Er wußte nicht, daß eine zärtliche Neigung in ihm gerade darum wieder erwacht war, weil er sie begehrt von einem andern fand, der noch dazu so jung in das dürre Gras der syrischen Wüste hatte beißen müssen.

Da er nun mit solchen Vorsätzen in das dämmerkühle Schweigen der Marmorgemächer trat, in das nur die Fontänen rauschten, flog ihm aus dem letzten ein kleiner Schrei entgegen. Er kam von einem Mädchen zarten Wuchses und schmalen, weißen Gesichtes. Hadassa war es, die Jungfrau, deren Daja ihm Erwähnung getan hatte, ohne freilich anzumerken, daß Saladin gerade auf diese seine Neigung geworfen hatte und ruhig die Stunde der Werbung abwartete.

Hadassa, jenes Mädchen, das er zuerst gesehen, wußte natürlich, daß ein fremder Mann im Hause war und hatte sich die ganze Zeit über, ihm nicht zu begegnen, scheu in des Palastes verborgensten Gemächern aufgehalten. Aber sie hatte inzwischen von der geschwätzigen Daja über den schweigenden und geheimnisumgürteten Ritter vieles erfahren. So war das Feuer ihres stillen Herzens, das 96 bereits ihrem Herrn, dem Saladin, entgegenglühte, zu dem Fremden hinübergeflattert. Ihre Leidenschaft ward auf das süßeste durch seinen Blick genährt, der ihr jetzt begegnete und in der Erinnerung an eine andere Frau so schwermütig erglänzte. Der Wasserkrug, den sie in Händen gehalten, zerbrach klirrend auf dem Marmor. Sie wollte fliehen und floh ihm entgegen, und Konrad vergaß, verwirrt und aufgewühlt, seiner häuslich verzeihenden Vorsätze und seines Abschiednehmens von diesem Palast. Ein Bund war zwischen ihm und jenem Naturwesen so rasch besiegelt, wie dies nur unter östlicher Sonne geschieht. Bald wich sie ihm nicht mehr aus, suchte seinen Blick, seine Hand, und es konnte nicht fehlen, daß ihm, dem geduldeten Fremden, als erstem bestimmt war, was dem Beherrscher dieses Reiches aufgespart werden sollte.

Von Saladins Liebe zu Hadassa wußte Konrad freilich nichts und so überließ er sich ohne Reue einer Leidenschaft, die in ihm wie die Rose Jerichos spät aufgesprossen, und schon war zwischen ihm und der Geliebten die Stunde besprochen, von der er wußte, daß sie ihm das letzte Glück gewähren und ihn von seinem Gelöbnis befreien würde, weil Hadassa das erste reine Weib war, das ihm nach dem Betruge seiner Frau in den Weg getreten.

Saladin merkte wohl, was sich hier angesponnen. Er wußte nun zu seinem tiefen Schmerz, daß der Derwisch recht gesprochen, als er ihm verkündete, von einem fremden Mann werde ihm viel Leid 97 erwachsen. Nur ahnte er nicht, woher das Glück, das ihm auch geweissagt worden, noch kommen möge. Dies bedachte er trüb, doch er war viel zu stolz, um selbst in das Schicksal einzugreifen.

Daja aber, die wohl erkannte, was sie durch ihr Geschwätz angestiftet hatte und was sich hier im Palast vorbereite, ersann sogleich einen Plan, der Hadassas Tugend dennoch retten und den nicht zuletzt durch die Kraft ihres Rosenöls so gefährlich gewordenen, geheimnisumwitterten Fremden von dem Mädchen fernhalten sollte. Dazu bediente sie sich einer Frauenlist, auf die sie rasch gebracht ward – durch Konrads heftig geäußerte Abneigung gegen alles, was aus dem Stamme Israel gewachsen war, mochte es auch eine so liebliche Blüte sein wie dieses Mädchen Hadassa.

Der Name Hadassa war anscheinend hebräischen Klanges, obwohl das Mädchen selbst aus dem fernsten Morgenland stammte. Aber der König hatte ihr diesen Namen »Myrte« gegeben, gerade weil er biblischen Ursprungs war. Hier, am Ursprung so vieler Offenbarungen und Propheten, fließen ja die Quellen der Überlieferung ineinander.

Auf dieses Vorurteil des Ritters aus der Ostmark, das sie sehr wohl kannte, gründete Daja ihren Plan. Sie steckte es dem von der Türlin zu, ob er denn auf den Namen des Mädchens – das ihm zu gefallen scheine und dem er wohl auch nicht gleichgültig geblieben – eigentlich schon geachtet habe? Hadassa . . . Esther . . . ein judäischer Name ohne 98 Zweifel. Wenn er etwa noch einen solchen über des Mädchens Abstammung hege, möge er nur den schriftgelehrten Hebräer drüben im Judenviertel befragen, der dem Saladin befreundet sei und den man den »Weisen Nathan« nenne. Da gab es dem von der Türlin einen Ruck, und ein Schmerz begann ihn scharf zu stechen, daß er das Mädchen verlieren solle. Aber dann dankte er Daja und seinem Geschick, das ihn davor bewahrt hatte, sein Blut mit dem des verhaßten Fremdvolkes zu mischen. Doch, um die Wahrheit zu erfahren, mußte er einen dieses Volkes aufsuchen! Er überwand sich und ging zu dem soeben in Schriftrollen lesenden, weißbärtigen, besonnen blickenden Mann, über dessen gütigem Haupt eine Schwinge fernher zu rauschen schien wie von einem unsterblichen Gedicht . . . zu Nathan dem Weisen.

Nathan war bereits von Daja unterrichtet und um seinen Beistand gebeten worden, und obwohl es eine Heidin vor einem Christen zu beschützen galt, versagte er ihr seine Hilfe nicht, weil sein Sinn frei über menschlicher Begrenztheit schwebte. Oder war es nur der Spott des Weisen, der diesem fremden Toren den Haß wider sein Volk heimzahlen wollte und den er dafür, ein heiterer Vergelter, um sein schönstes Erlebnis zu bringen gedachte.

»Gebt mir Kunde, weiser Nathan«, fragte der Ritter nach höflicher Begrüßung, »ist Hadassa – Ihr kennt ja das Mädchen – wirklich – eine – Jüdin?« Da blitzte im dunklen Auge des Weisen 99 der Schalk und er sagte nur: »Der Vater ist immer ungewiß . . .«

Nathan der Weise bestärkte mit keinem bestimmten Wort den Verdacht des edelbürtigen, auf seine Ahnen in der Raubburg an dem ziehenden Strom so stolzen Ritters. Der aber war, als ihn der Weise lächelnd zum Pförtchen hinausbegleitete, überzeugt, Hadassa sei Hebräerblutes und darum, ihres Ursprungs wegen, kein reines, der Berührung eines Konrad von der Türlin würdiges Weib.

Er trat in das von einer saphirblauen Ampel überschimmerte Gemach und fuhr das Mädchen, das seiner in weißen Schleiern harrte, die bebende Myrte, an: »Du bist also eine – Jüdin, das muß ich erst jetzt erfahren, warum hast du mir das bisher nie gesagt?« Da warf sie sich auf das Ruhebett und schrie auf, sie sei eine Perserin und noch als Kind mit einer Karawane aus Samarkand hergebracht worden. Und ihre weißen Wangen glühten vor Scham und Zorn wie ein Granatapfel. Aber Konrad hielt an seinem Eigensinn fest und merkte nicht, daß ihm durch sein störrisches Beharren bereits das holdeste Abenteuer entflatterte. Er glaubte der Weinenden nicht, und ihre Tränen schwemmten seine Begierde weit fort und die ihre zugleich. Und da sie also warm dahinströmten, blühte aus ihnen alsbald in der Verschmähten heißer das Gefühl für Saladin, ihren Schutzherrn, dem solcherart nach dem Wort des Derwisch nun das süßeste Glück entgegenrankte.

100 Konrad aber, vor dem jetzt nur noch das Bild seiner häuslichen Gertrude schwebte, stand bald, froh, daß er sein Gelübde nicht gebrochen und der wunderbare Gürtel seine Mannestugend behütet hatte, Abschied heischend vor Saladin. Dieser entließ ihn, die schämig lächelnde Hadassa an der Hand, huldreich und mit vielen Geschenken, Geweben und kostbaren, wärmenden Tüchern und seltenen Kaffeebohnen für die gewiß zu Hause in Treuen harrende Gattin.

Er schenkte dem Konrad noch, weil dieser, wie der Sultan wähnte, aus der dankbaren Gesinnung des Gastfreundes Hadassa geschont und ihm zurück- und neugewonnen hatte, einen feurig arabischen Hengst. Der blies vor Eifer aus den Nüstern, daß man es bis nach Jericho hörte und die vierunddreißig Türme des Saladin in das Wanken gerieten.

*

So jagte nun Konrad auf seinem flinken Berberpferdchen den ferneziehenden Rauchwolken des Lagers nach, die sich mit dem Duft der Aloe und des Oleanders träumerisch mengten. Er spornte das Pferd, daß es zornig stieg, denn seitdem Konrad das Abenteuer mit dem Judenmädchen, für das er die schöne Hadassa noch immer und bis zum Ende seines Lebens hielt, so glorreich bestanden hatte, und der Gürtel der Tugend nicht von ihm geglitten, er also vor die sündige Gertrude als ein reiner 101 Mann hintreten konnte, wie er gottlob ein reiner Jüngling gewesen, war in ihm Sehnsucht nach der Fraue daheim erwacht, der so viel zu vergeben war, und die wohl sein, ihres edlen Herrn, in Reue im Söller gar traurig, der Strafe gewärtig, gedachte.

Dann aber würde er der Verzweifelnden vergeben mit einem huldvollen Augenaufschlag, wie nur er ihn vermochte, sonst niemand – und er übte, während er so dahinritt, das Verzeihergesicht; es war bald süß und bald säuerlich.

Dann, wenn er ihr vergeben und sie getröstet hätte – vergeben und getröstet in jeder Weise, wie es doch nur ein Konrad von der Türlin vermochte – wollte er das Geschenk vor ihr ausbreiten, das er hinten auf seinem Pferdchen in seinem großen Schnappsack trug. Es war ein perlengestickter, in allen Farben östlichen Gewölkes schillernder Mantel, von ihm doch wohl mit erlesenerem Geschmack ausgewählt, als er dem großen Sultan bei seinen Geschenken, diesen nahrhaften Kaffeebohnen und wärmenden Tüchern, zu Gebote stand. Diesen Mantel und den der christlichen Nächstenliebe wollte er um die – ei ja wohl und hoffentlich noch immer – so runden Schultern seines Weibchens breiten. Ja, das wollte er, weil er Konrad von der Türlin, und also auch als Ehemann noch ein Edelmann, nicht ein Rüpel wie die andern war.

Er zog also den Flatterwölkchen nach, umging aber das Lager, weil er doch insgeheim besorgte, die Gloriole, die er selbst um sein jetzt 102 dichtbehaartes Haupt gebreitet hatte, könne wieder in der Nähe der Kameraden, dieser rohen Gesellen, die nicht an das reine Weib und noch weniger an den reinen Mann glaubten, von ihm sinken. In Aleppo fand er bald ein rüstiges Schiff, der Wind blies günstig in seine Segel. Er landete just an der Stelle, wo Jung-Erich vor einem Jahr sich eingebootet hatte, und nun ging er dessen leichten Spuren nach. Ja, wie von einem närrischen Schicksal geführt, mußte er jede staubige Straße ziehen, über die sein Vorgänger geritten war, mußte in jeder Wirtschaft und jedem Gasthof einkehren, die dieser besucht hatte. Er aber schäkerte, als ein strenger, gotisch geharnischter Rittersmann, nirgends und mit keiner, auch nicht der handlichsten Magd. Durch seinen Vorsatz besser als durch den Gürtel gewappnet, blieb er standhafteren Sinnes, als es Jung Erich, auch nach dem Abschied von Gertruden, offensichtlich gewesen. Und ein Etwas zwang ihn, überall von dem blonden Junker zu erzählen, der nach so rühmlichen Werken so jung im Heidenland hatte versterben müssen. Da weinten die niedlichen Mägde, und er weinte mit, und die Trauer um den Jüngling, der ihn doch so sehr getäuscht hatte, senkte sich dem Konrad, je näher er seinem Hause ritt, in sein immer weicher hinschmelzendes Herz.

Und so ritt er über die Zugbrücke, die klirrend niederfiel, in den Turnierhof, ganz in schwarzes Eisen eingewickelt, hinter sich den Schnappsack mit dem Mantel der Nächstenliebe, in dem das 103 Schlüsselchen zitterte mit dem zerknitterten Band und der Devise: »Gedenke mîn!«

Heinrich, der Kastellan, läutete heftig, als er den Herrn an der kühnen Haltung auf dem Pferd erkannte, und dachte nur: »Ei, da ist er ja wieder! Bin nur neugierig, wie sich die Trude herauslügen und ob ihr der Gimpel wieder in das Garn fallen wird.« So sagte er zu sich selbst und dann sagte er wieder nichts, sondern ging, den Verlauf der Dinge abwartend, wieder pfeifend an seinen Vogelherd.

Konrad aber stieg klirrend die Stufen in das Turmgemach hinauf, öffnete die eisenbeschlagene Tür – da saß nun Gertrude und hielt auf ihrem Schoß ein Huhn, das sie mit Milch mästete, weil sie es noch heute zu schlachten und zu speisen gedachte. Denn sie war, wie manche der einsamen Rittersfrauen damals, in Entbehrung anderer Leidenschaft ein gefräßiges Dämchen und darum noch runder geworden, was der eintretende Gemahl sogleich nicht ohne Wohlgefallen vermerkte. Aber es war die Rundung der Lebensfreudigkeit, nicht, wie bei dem Gatten, der Speck des Kummers.

Als dieser seinen Helm abgenommen hatte und sie statt des kahlen Kopfes, den sie in der Erinnerung hatte, den Haarwald und seine Wangen wahrnahm, sprang sie ihm an den Hals mit ehrlicher Freude, über die der Chronist selbst erstaunt wäre, wüßte er nicht genauer, was sich inzwischen auch in der Seele Gertrudens, seit Jung-Erich abgezogen und sie ihre Tränchen getrocknet, ereignet hatte.

In den wenigen Stunden der Muße, die Gertrudens Ungestüm dem dort unten gespießten Erich gegönnt, hatte er, wie wir wissen, ein Reimwerk zum Lob seines teuern Ritters geschaffen, der inzwischen im Morgenland auf ihn und den Schlüssel geduldig wartete.

Dieses Werk beschrieb die preislichen Taten dessen von der Türlin, wie er die Türkenhunde abstach und die mit dem gelben Fleck hetzte, aber sonst ein Mann voller Milde und Minne, seiner Herrin – oh, dieser süßen, oh, der trauten mit den Rosenwängelein – ein in Treue nicht wankender Gatte war.

Da sich Gertrude nun langweilte, geriet sie über die mit Tusch und Gold zierlich bemalten Pergamentblätter und las das Lob ihres Gatten in sich hinein. Und da geschah es, daß der junge unpreisliche Geselle, dessen Taten niemand besang, der nur wie ein Märzwind herein- und wieder davongestürmt war, ihrem Sinn entschwand, während der Mann, den Erich aus seinem reuigen Gemüt so herzhaft rühmte, wieder in ihre Gedanken aufstieg.

»Eigentlich«, überlegte sie, »ist es schade, daß er nicht da ist und ich mich so langweile. Wenn er nur nicht gar so hager wäre und nicht gar so viel über sich reden würde, könnte man ganz erträglich mit ihm leben.« Da trat er nun selbst über die Schwelle, in sein eheliches Leid wie in seinen schwarzen Panzer gehüllt, in der Miene drohenden Ernst, aber dabei zutraulich gerundet – ein Held 105 – ein Löwe – mit einer wahren Löwenmähne. Er kam aus der Fremde, er wußte sicher viel zu erzählen, und sie langweilte sich so, und er hatte gewiß die hübschesten Dinge im Schnappsack, – nein, sie mußte ihm an den Hals springen, an seinen Storchenhals, der sich abwehrend zurückbog. Da sprach er dumpf: »Dein Buhle ist tot. Ein Sarazenenhund hat ihn von hinten –«

»Wer ist tot?« flammte sie auf.

»Herr Erich von der Hardt –«

»Er war noch so jung«, stammelte sie. Aber dann, rasch gefaßt, zornig: »Wie hast du ihn genannt?«

Ihre Entrüstung glühte auf und spiegelte sich in seinem Panzergehäuse.

Da wich er ungewiß einen Schritt und dann noch einen zurück und sagte nur: »Er war drei Monate hier, was hat er da wohl getrieben?«

»Das hat er getrieben –«, und sie öffnete das Turmgemach neben dem ihren und breitete das Buch vor ihm aus, das sie wie einen Kodex hatte schweinsledern binden und mit einem Schloß versehen lassen, fast wie jenes, das nach ihrem Wunsch den Gatten noch immer eisern umgürtete. »Dieses Heldengedicht des treuesten Gesellen über die treueste Frau und über dich, den gewiß im Morgenland ungetreuesten Ritter«, schluchzte sie auf. Da wehrte er, in der Erinnerung an Hadassa wiederum düster geworden, mit der umschienten Rechten ab, ohne doch einzugestehen, daß er seine Tugend heil zurückbringe, weil sie es ihm doch nicht glauben 106 würde und er sich auch, so preislich seine Treue, fast ein wenig dämlich schien. Er legte seinen Schild mit dem verdächtig benasten Vogel zur Seite und las, während die gekränkte Gattin den Spinnrocken schluchzend umklammerte, in dem Reimwerk von seinem heldischen Ruhm. Seine Taten waren nicht allein im Wort, sondern auch im Bilde festgehalten, wie man von solchen Werken heute sagen würde. Erich hatte ihn in Goldfarben und mit der Tusche verewigt, wie er gegen die Krummnasen anstürmte und Türkenköpfe brav niedersäbelte.

Je mehr nun der Konrad las und je öfter er sich erblickte mit dem kühnen Federbusch und dem gestachelten Schnabelschuh, desto tiefer ward er über die Treue seines Gesellen, der ihn so der Nachwelt überliefert hatte, und über die Treue des Weibes gerührt, das ihn in Leder hatte binden lassen und das ein Schloß um ihn gelegt hatte. »Darum ist also der Erich so lange hiergeblieben, um ein Werk zu schaffen –.« Gertrude nickte.

»Weib, mein trautes«, und schon wollte er sie vom Spinnrocken herüber in seine Arme ziehen. Aber da fiel ihm – dem Himmel sei Dank – noch das Bändchen ein, das an dem Schlüssel gehangen hatte und das der sterbende Erich so fest in der Eisentatze gehalten.

Konrad kramte es aus dem Schnappsack. Die Finger zitterten ihm leise, als sich Gertrudens noch üppiger gewordener Nacken darüber neugierig beugte, da sie in der Tiefe des Sackes den Mantel, 107 jenen Mantel seiner Nächstenliebe, wie er ihn bei sich selbst nannte, erspäht hatte.

»Wie ist der Erich dazugekommen?« versuchte er streng zu fragen, wenn er auch nur mehr stammelte.

Und er zog das Bändchen hervor und las mit bitterem Ausdruck: »Gedenke mîn!« »Der Erich . . . er hat es sich geraubt . . . vielleicht . . . so also hast du mein gedacht.«

Da trat sie beleidigt zurück und sagte: »Ja, hast du denn nicht einmal bemerkt, was ich hinten darauf gestickt habe – in meinen einsamen Nächten –, bevor ich es dem Erich mitgegeben habe für dich . . . zum Herzenstrost . . .«, schmollte das gescheite Trudchen.

Sie drehte das Band um, hielt es in das Licht und auf der Rückseite stand deutlich, was sie jetzt mit zärtlicher Betonung wiederholte:

»Wie ich dîn gedenke –«

»Wenn ich das nur früher gelesen und das Band – so dumm kann ein Mann sein – nicht aus lauter Wut eingesteckt hätte.«

»Ja, so dumm kann ein Mann sein –,« wiederholte sie und sie seufzte, wie befreit. »So dumm«, beteuerte sie, die Hand auf dem Busen, der in zarter Fülle aus dem Nesselgewebe ihres Morgengewandes schimmerte.

»Du hast also mîn, nur mîn gedacht?« fing er wieder an, bereits leicht verwirrt.

»Dîn, nur dîn«, jubelte sie an seinem Hals. Und 108 doppelsinnig fügte sie hinzu: »Genau so wie du mîn gedachtest.«

Da lachte er glücklich, weil er sich ja seiner Treue bewußt war, und noch immer ein bißchen dumm, weil er noch nicht verstand, was sie mit ihrem Spruch eigentlich gemeint hatte: daß sie – jene erste, die Rechte zwischen den Geschlechtern abwägende Frau – durch dieses schalkhafte Sprüchlein ihrem Eheherrn im Osten die gleiche Freiheit gestattete, die sie sich hier im Westen selbst eingeräumt. Daß er so wenig Gebrauch von dieser Erlaubnis gemacht hat, ist wirklich nicht ihre Schuld gewesen.

»In Sehnen also, in Züchten –« schloß er seine Betrachtungen ab – »hast du des fernen Gatten, hast sogar daran gedacht, hier seinen Ruhm zu mehren –« und er wies auf das Reimwerk – »mein göttliches, mein starkes Weib«, stürmte es jetzt jugendlich aus ihm hervor. »Nein, du bedarfst der Verzeihung nicht – mein Mädchen – nichts mehr von dem Mantel christlicher Nächstenliebe.«

»Was für ein Mantel? Den vielleicht?« und sie zog ihn aus dem Schnappsack; »den soll ich nicht bekommen?« schmollte sie wieder.

»Aber ich meine ja nur die Nächstenliebe«, erwiderte er mild.

»Die kannst du dir behalten, gib mir lieber den Mantel!« und sie streifte leis ihr Kleid zur Seite.

Da entfaltete er den türkisblauen Mantel, auf dem Sterne und ein Halbmond, krumm wie ein 109 Türkenschwert, glänzten, nestelte ihn um ihre vollen, runden Schultern und machte dazu ein leckeres und pfiffiges Mäulchen. Dann aber richtete er sich straff zu seiner ganzen Würde auf.

»Jetzt ist der Augenblick gekommen.«

»Welcher Augenblick?« fragte sie und errötete wieder, nicht ohne Schalkheit.

»Da ich mich von meinem Gürtel trennen werde!« schmetterte mit Emphase der Eheherr.

»Ja, trägst du den wirklich noch immer?« fragte sie erstaunt.

»Allerdings –!«

»Wie ich den meinen –« flüsterte sie wieder leis errötend – »trage zur Erinnerung . . .«

»Mein süßes, mein trautes Weib! Jetzt aber«, schrie er auf, »löse ich ihn von meinem Leib.«

Er trat in den Söller – mit einem Ruck war er von der Umgürtung befreit; er schwang ihn wie eine Trophäe. Mit einem Wurf der kriegsgewohnten Faust flog er durch das aufgerissene Fenster in die Wellen der Donau hinunter, die ihn gleich zur Tiefe rissen.

»Was tust du da?« fragte sie den Gatten. –

»Ich habe ein Gelübde getan, diesen Gürtel von meinem Leib zu lösen, wenn ein reines Weib sich mir liebend naht.« –

»Also das bin ich?« fragte sie, selbst verwundert.

»Ja, das bist du«, wiederholte er, auf das Reimwerk blickend. »Ein Weib, wie du, bedarf wahrhaftig einer solchen Wehre nicht!«

110 »Und doch bin ich meinem Gürtel«, sagte sie sinnend, »eigentlich so dankbar und dem Schlüssel, den mir Erich gebracht, der Arme. Ich danke ihm das schönste Glück –«

Erstaunt blickte Konrad auf.

»– dich verstanden zu haben . . . deine Klugheit, deine Größe«, und sie fuhr schmeichelnd über seine Wange.

»Verstehst du mich endlich, mein Mädchen?« seufzte er schwer – »meine Absichten?«

»Ich verstehe sie . . .«

»Aber nun« – sie sprang auf seinen Schoß – »beichte! Du hast doch natürlich den Gürtel – dort unten im Morgenland – vorher schon gelöst?«

»So wenig«, lächelte er selbstzufrieden, »wie du den deinen.«

»Ach so . . ., natürlich«, entfuhr es ihr lustig. Aber er bemerkte das glücklicherweise nicht.

»Und war sie wenigstens hübsch?« setzte sie hartnäckig ihr Verhör fort, »die sarazenische Jungfrau?«

»Aber nein, ich schwöre dir – –«

Sie glaubte es ihm aber trotz seines Schwures nicht und hielt ihn für einen argen Schelm und Sünder, während er hinwiederum auf ihre Tugend und Treue geschworen hätte. Und gerade weil sie ihn dafür hielt, für einen Frauenbezwinger, gefiel er ihr sehr, und sie gab sich ihm in dieser Nacht mit einer Inbrunst hin, in der sich Sehnsucht und Erinnerung an ein lenzeliches Glück und Mutwillen 111 so süß vermischten, daß er meinte, Frau Venus selbst wäre in seinen Armen.

Bei solcherart erneuerter Zärtlichkeit konnte es nicht fehlen, daß übers Jahr ein kleines Ritterfräulein auf dem Turnierhof krähte, dem bald ein noch viel kräftigeres Ritterbüblein folgte, das natürlich über Wunsch des dankbaren Vaters Erich getauft wurde. Wie er das Neugeborene, das rot wie ein Krebslein war, strahlend zu sich hob, betrachtete er zunächst, er wußte selbst nicht warum, dessen Nase und erschrak gelinde. War es möglich, die Nase seines Sprossen glich, welches Spiel und welche Verirrung der Natur, der Nathans des Weisen – oder des Saladin vielleicht? Es konnte aber auch die des Vogels in seinem Schilde oder des Reichswappens sein, oder vielleicht hatte sie den Schwung der römischen Benasung des Angelo? Aber jedenfalls war sie nicht so ausgefallen, wie es sich für den Stammhalter eines Türlin geziemte. Sie hatte vielmehr eine deutliche Krümmung wie die – es war nicht auszudenken – ja, wie die Nasen derer mit dem gelben Fleck. Das Näschen des Sohnes hatte sich offenbar, als es sich so kritisch gemustert fühlte, aus lauter Angst, es könne dem Vater nicht gefallen, gekrümmt. So suchte Gertrude das Wunder zu erklären. »Du wirst dich daran gewöhnen.« Und er gewöhnte sich, zumal ihm der Kleine sonst immer ähnlicher wurde, und sich der Vater darum täglich mehr in ihn verliebte.

Gertrude nährte, versteht sich, die kleinen Türlin, 112 die bald der Reihe nach anmarschiert kamen, selbst. Durch diese mütterliche Pflichterfüllung wurde sie immer rundlich-breithüftiger, sie bekam einen ansehnlichen Busen und gefiel darum ihrem Mann täglich besser. Aber auch er war ein seßhafter Rittersmann geworden, dessen Bauchgewölbe nach der erst romanischen Rundung noch üppigere Formen angenommen hatte. Er saß gerne bei seiner freundlichen Gesponsin und trank in Schälchen den Kaffee aus den guten Mokkabohnen des Saladin, die, gleich den erfreulichen Erinnerungen an das, was er damals erlebt oder eigentlich versäumt hatte, für ein ganzes Leben reichten.

In die gute Stadt Tulln hinunter ging er nur mehr selten, weil ihm die stichelnden Fragen lästig fielen, über die er freilich nur herablassend lächelte – was denn die Frauen der Ritter, während die Männer in den Heiligen Krieg gezogen waren, zu Hause wohl alles angestellt hätten?

Am liebsten saß er in dem Turmgemach, das einst Jung-Erich bewohnt hatte, vor dessen Reimwerk. Er hatte noch selbst einige Kapitel über die Taten des jungen Helden Erich nachgetragen, wie dieser durch so viele Gefahren und Länder gezogen war, der Herrin den Schlüssel zu bringen. Konrad las, wie natürlich, sein Werk Gertruden vor und fragte sie, wie ihr seine Stilkunst gefalle.

Da lobte sie seine Stilkunst sehr, fragte ihn aber behutsam: ob er denn alle Taten Jung-Erichs kenne, ob er nicht vielleicht gar manche 113 verschwiegen habe? Dabei fuhr sie dem Gatten schmeichelnd über den Kopf, daß dessen Haare sich vor Behagen nur so sträubten.

Von den Gürteln war zwischen beiden längst nicht mehr die Rede. Der ihre verstaubte draußen neben der Trommel aus Menschenhaut und der seine lag in der sandigen Tiefe des Donaugrundes.

So kamen und gingen die Jahre.

Es nahte die Zeit, da nicht mehr das Feuer der Venus, sondern das der Hestia den bauchumwölbten Ritter und die dicke Rittersdame anglühte und sich die Tugend ganz von selbst schützt und eines Panzers nicht mehr bedarf. Erst an seinem Ehrentage, da sich der Ehebund mit Gertruden zum fünfundzwanzigstenmal jährte, gedachte er wieder mit fast zärtlichem Dank seines Gürtels, der ihm soviel häusliches Glück beschieden hatte und jetzt unten in der Donau schlummerte und mit dem jetzt wohl die Nixen spielten.

Er stand auf dem Söller und blickte hinab. Da glaubte er aus der grünen Tiefe ganz deutlich ein spöttisches Blinkern des aufschimmernden Gürtels zu ihm hinauf zu bemerken.

Aber da brachte Getrude ihr hochzeitliches Geschenk herbei.

Sie hatte dem Reimwerk Jung-Erichs ein grünes Samtmäntelchen umgetan, wie es die Juden um ihre Tora breiten; darüber war nun der Konrad wieder hoch erfreut. Er las wieder von seinem Ruhm in der Ritterschaft und blieb glücklich bis zuletzt.

114 Der Gürtel lag auch in den Jahrhunderten, die seitdem darüber hinrauschten, verborgen in den Fluten der Donau, wie der Nibelungenhort auf dem Grund des Rheins, und niemand hat ihn seit damals wieder erblickt.

Nur Hochzeitsfahrer, die an der längst verwitterten und im Feuer geborstenen Burg vorbei in einer Mainacht die Donau hinuntergleiten, sollen aus dem grünen Gewässer herauf dieses verdächtige Blinkern gemerkt haben, wenn sie in junger Verliebtheit ihrer jungen Frau die gleichen Rechte zugestehen, die sie sich selbst einmal erlauben werden.

Da soll es von dem versunkenen Gürtel unten spöttisch hinaufblitzen.

Aber es ist doch wohl nur der Mond, der mit den grünen Haaren der Nixen spielt. 115


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