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Noch habe ich diesen Stern nicht verlassen!

Wie nichts erkennend

Ich reichte einem Kranken meine Hand
Und gab ihm Wunsch und Mitgefühl bekannt.
Doch während treulich meine Worte waren,
Sprach wohl ein Herz, das nur sich selbst empfand.
Mittäglich sah ich einen Droschkenstand,
Wo sich beweglich alte Gäule sonnten.
Da hat ein klarer Kopf sich umgewandt,
Und tief durchfühlt traf mich ein schweres Auge.
Bin aber dumpf des eigenen Wegs gerannt,
Und nicht durchfloß mich dieses Bruderleben.

Am Abend hab' ich heißes Wort genannt.
Verzweiflung, Liebe, Sehnsucht nannt' ich mein.
Mein, mein und mein! Und immer diese Wand!
Warum bin ich nicht durch die Welt gespannt,
Allfühlend gleicherzeit in Tier und Bäumen,
In Knecht und Ofen, Mensch und Gegenstand?!
So ist's mein Teil, sternhaft dahinzurollen,
Gebunden zwar, doch niemandem verwandt,
Wie nichts erkennend, so auch unerkannt.

 

Das andere Dasein

für Frau Elisabeth Wolff

Ein dicker Spatz im Nordwind saß auf meinem Fensterbaum.
(O kleiner Atemrauch, silbern, zu sehen kaum!)
Auf einem Ast saß er, den Schnabel himmelwärts gewandt.
Ich im geheizten Zimmer hab' ihn friedevoll genannt.
Ich im geheizten Zimmer sagte laut:
Wie wohlig ist dir selbst die Winterwelt und traut!
Du schwingst dich auf und ab durch dieses Tages grauen Schein.
Weltunbewußt fällt dir, was jetzt mich schauern macht, der Tod nicht ein.
     Da ließ der Vogel plötzlich
     Sein Köpfchen los.
     Auf schlaffem Halse taumelt
     Und tanzt es bloß.
Ringsum die Federn stäubten, die schmerzlich aufgesträubten.
     Und nieder sank
     Ein runder Ball
     (Draußen knackt's leis –)
          Langsam und feierlich aufs unbegrenzte Weiß.

 

Balance der Welt

Ich klag' und klage: Harte Welt!
Doch fühl' ich wie's mich auch umstellt,
Wie mir hier alles harte Welt,
So bin ich allem harte Welt!

Ja Schuld ist das gewaltige Wort.
Es dreht die alten Globen fort.
Und eh' noch unsre Zeit beginnt,
Werden wir schuldig, daß wir sind!

Daß mich, o Freund, dein Mordstoß traf,
Zerbrach ich meiner Mutter Schlaf,
Fluchte der Vater seinem Sohn.
Du Weltgesandter bringst den Lohn.

Gott, ich erkenn' dich Zug um Zug!
Und dich, Gesetz, in deinem Lauf!
Es bricht hier keine Wunde auf,
Die ich mir nicht in andern schlug.

 

Nachtfragment

Bald hat dies, hat dies alles ausgeschlagen.
Was muß ich noch im machtvoll einsamen Nachtbahnhof stehn,
Und sehn, daß Lichter sind und Träger gehn,
Die Felsen tragen, und sehn die schon verblichenen Wagen?

So vieles weiß ich mit mir, Herz- und Atemschreiten.
– Ein Pikkolo schläft, ein Schutzmann schaut in den Wind. –
Wer weiß es denn, wie sehr wir alle beisammen sind!
Auch deine leichten Schlafseufzer, Fernste, fühl' ich mit mir gleiten.

Gestern, wie tauchtest du in Astern dein Gesicht!
Und tanztest mit den Zähnen, tanztest mit den frechen Knien.
Und ach, dein Gemsenlachen, das mich zu höhnen schien,
Nun ist es eingestimmt in mich, o Nacht, und weiß es nicht!

Auch du, Azucena, Mutter, von Traum zu Traum,
Suche den klaren Jungen im Waldpensionat!
Eng ist die Erd'. Wie fand ich deinen Pfad?
Wir sehn uns an und schweigen im gleichen Raum.

Ihr Unerreichbaren all', die wir voneinander wissen,
Wie sind unsre gleichen Hände uns fremd!

 

Die Mondstunde

Aus mattem Lichthof mir empor,
Von fern entbranntem Tag gespeist,
Ein abgespiegelt windiger Geist,
Wallt Mond durch meinen Korridor.

Ich öffne diese Türe, und
Mein Fuß tritt einen weichen Fund.
Da, eine Katze faucht mich an,
Der ich im Dunkel weh getan.

Ihr aus geschlitzten Augen bricht
Ein abgespiegelt wildes Licht
Von Feindschaft, die im Weltall steht.
Wie sie in Kätzchens Blick gerät,
Erwidert sie auch mein Gesicht.

Ich hebe meinen Knotenstock
Mit einem schweren Zauberwort,
Zu ihrer Herrin Unterrock
Schmiegt sich die Katze feindlich fort.

Anzünd ich, nun mich Schmerz befällt,
Die kleine Kerze unverwandt,
Geh mit dem Flämmchen in der Hand,
Geh auf den Gang und klage – Welt!

 

Verzweiflung

Nacht kam herein.
Und morgen, wähnen wir, ist Tag.
Da gehn die Wagen wieder,
Und an den Türen läutet es.

Die Mutter mein sitzt da.
Ihr Antlitz ist nicht meins.
Sie redet viel an mich.
Ich denk an fremdes Nichts.

Die Schwester mein lacht auf.
Leicht könnte ich sie hassen.
In meiner Öde brodelt
Schon ein gemeines Wort.

Ich bin so zugebaut!
Und alles rauscht nach Liebe.
Ich auch nach Liebe weine,
Und hab doch keinen gern.

 

Der Sonntagabend

Noch habe ich diesen Stern nicht verlassen!
Noch umfängt mich süß untätiges Leid.
Doch eh' mich Bestimmung der Seele
Flutet aufs morgige Gestirn,
Fließe ich noch durch die lange Weltnacht,
Flattre ich noch mit den Abgeschiedenen
Durch unerwachte Forste und Wiesen.
Süße sinken durch mich
Des Verlassenen weinende Bilder.
Eh' die ersten Stürme schmettern,
Eh' die fremden Strahlen fallen,
Eh' im bitteren Arm das furchtbare Morgen mich hält.

 

Besessenheit

Bleibe mein, du edle Geste!
(Leben ist so alles eins.)
Nichts bewegt mich mehr,
Was Leben heißt.
Alles drängt zum Händebreiten,
Alles alles mir zum Wort.
Was Menschen mengt
In Kuß und Mord und Tun,
Was Leben heißt – –
Entschwebend, über mir, geworden
Blickt es mich an,
Wie blickt's mich an
Aus großen, ewigen Augen!

 

Welche Lust auf Erden denn ist süßer

Taucht nur, senkt nur eure wilden Fratzen
In mein reines, fließendes Wesen!
Diese Seele brandzuschatzen,
Seid ihr alle, allesamt erlesen.

Märtyrer, gegrüßt, wollüstige Büßer!
Heil dem Busen, durch und durch geschlagen!
Welche Lust auf Erden denn ist süßer,
Als verwundet werden und nichts sagen.

Komm, Verräter, daß ich dich erbose,
Du mit müden Händen, list'ger Späher!
Hier Gesicht und Brust!! Mit jedem Stoße
Bin ich ja dem Tempo Gottes näher!

 

Der Feind

Mein Feind, dem ich entgegenspeie,
In meiner Brust versammelnd kleine Schreie
Und in den Händen ohne Mut
Zerkrampfte Ohnmacht, halbverlöschte Wut, –
Mein Feind, du trittst auf einen Pflasterstein!
Und da aus deinem Auge fällt der Abendschein,
Der niedertropft in bläulich süßen Flammen.
Und weinend, unter Schwalben, ungeheuer sinke ich zusammen.

In mir steht der Erzengel groß,
Versöhnung bricht unendlich los.
Daß wir uns schlugen und zerrissen,
Mit dumpfem Witz und List beschmissen,
Daß wir dies trugen, jetzt erst kann ich's fassen,
Dies Meucheln, dieses Auf-sich-tanzen-lassen.
Dies schlechte Leiden, alten Rache Trick,
Die Passion zu diesem Augenblick!

Nun braust der Himmel als Posaunenmeer,
Triumphtrompeten schnellen drunterher.
Aus mir stürzt Liebe, Lieb', Weltsinn, der dunkel lag.
Und golden durch mich donnert jüngster Tag!

 

Rache

Du, der du keine Gnade kennst,
Nicht des Verzeihns hinregnendes Entzücken,
See der Versöhnung nicht und Hügelrücken
Des Opferseins! Der du dich grausam nennst,

Eitel und ungerührt durch Stunden rennst,
Und Herr dich dünkst in allen Stücken,
Der niemals du im Tanz der kleinen Tücken
Begeistert am Unendlichen verbrennst!

Einst quältest du mich ab mit Macht und Strafen,
Doch dieses Herz, zerbittert, als sie trafen,
Wie schwebt es jetzt im höchsten Abenteuer!

Entschreite nur auf deinen Stärkestelzen!!
Einst wird dich meine Liebe niederschmelzen
Und meine Gnade sei dein Höllenfeuer!


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