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Dritte Abtheilung.
Zur Staats-, Gesellschafts- und Menschenkunde.

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LIX.

Formel zu einem politisch-chemischen Prozeß.

Ueber unsern Sinnen empfindbare Wirkungen sind alle Menschen einig. Sobald aber von den etwas verborgenen Ursachen dieser Wirkungen die Rede ist, so glaubt sich jeder au sait darüber raisonniren, disputiren und decidiren zu können. Selten jedoch legt sich einer zugleich auf's Beobachten.

Hundert schreiben von einer Sache, welche Neun und neunzig davon gar nicht kennen, und Tausend sprechen nach, was Jene geschrieben, weil sie zu dumm oder zu faul zum Selbstdenken sind. Auf diese Weise entstehen öffentliche Meinungen. Eine solche öffentliche Meinung ist die Religion.

Große Politiker und große Dichter haben freilich schon entschieden, die Religion sei eine Stütze des Staats, und in königlichen Cabinetsordern sieht man diesen Satz als unleugbare Wahrheit aufgepflanzt. Laßt uns ihn gleichwol unparteiisch prüfen.

Ich bin weder Staatsmann, noch Dichter, noch König; ich bin nichts als Natur- und Menschenforscher. Dies Studium treibe ich nicht mit und aus Büchern, sondern an den Gegenständen selbst. Auch brauche ich gegenwärtig keine Creditive, um mich zu meinem Berufe zu legitimiren: ich liefere Beweise.

Den Herren, welche so gern ganze Bände über Dinge schreiben, die sie durch einen einfachen Versuch ausmachen konnten, will ich zu ihrem Gebrauche ein Specificum mittheilen, wonach sie verfahren mögen, um, wenn mehrere Ursachen einen bestimmten Effect hervorrufen, die wahre zu finden.

Recipe: Wenn zwei Ursachen a und b vorhanden zu sein scheinen, welche die Wirkung c erzeugen, so sondere b ab und lasse a allein wirken. Findest du nun, daß c doch erfolgt, so schließe ohne weiteres Kopfzerbrechen, daß es die Ursache b allein thun könne. Und vice versa.

Folgt aber nach der Absonderung des Einen oder Andern die verlangte Wirkung nicht, so müssen wol beide Kräfte in Verbindung dazu gehören. Folglich wirkt keine für sich und an sich allein.

So erstaunlich simpel nun dies Mittel ist, in einem verwickelten Falle die Wahrheit zu finden, so wenig Gebrauch wird dennoch davon gemacht. Man sieht Staaten blühen, Jeden seine Pflicht thun, bürgerliche Tugenden ausüben: Wirkungen, die kein Mensch leugnet: aber die Ursachen davon? liegen sie in Religion oder Natur?

Man ist gewöhnlich der ersten Meinung. Ohne Religion, glaubt man, lasse sich keine bürgerliche Verfassung denken; ohne Religion würde es keine gehorsame Unterthanen, keine Redlichkeit, keine Tugend geben; mit Wegnahme der religiösen Meinungen würde sich eine wohlgeordnete bürgerliche Gesellschaft in eine Räuberbande verwandeln. Folglich wäre die Religion einer der Hauptgegenstände der Gesetzgebung.

Um nicht in Zweideutigkeiten zu gerathen müssen wir gewisse Begriffe festsetzen. Ein Zusammenhang von Meinungen, welche ein übernatürliches, auf die Welt wirkendes, von der fühlbaren Materie verschiedenes Wesen betreffen, nenne ich Religion. Bürgerliche Pflicht den Gehorsam, den die Unterthanen den Obrigkeiten leisten, Abgaben und Dienste, kurz Alles, was im Kreise der öffentlichen Gesetze liegt. Gesetz eine Vorschrift, zu deren Beobachtung ich durch äußere Macht bewogen werde. Tugend den innern Trieb, der zu einer guten Handlung, zur Sittlichkeit und Menschenliebe bestimmt – ein ganz freier, selbstständiger Trieb.

Fragt sich nun, wo liegt die Ursache zur Ausübung der bürgerlichen Pflichten, so antworte ich: bedient euch unseres Prozesses, sondert die Ursache a von der Ursache b ab und habt Acht, welche Wirkung daraus entspringt.

Zum Beispiel:

Hebt das Gesetz und seine Zwangsmittel auf; laßt die Geistlichen folgende Kanzelrede halten: »Liebe Christen und Schafe, ihr wißt, daß unser Meister und Herr seinem Jünger Simon Petrus befahl, den Zinsgroschen zu entrichten. Auch wißt ihr, daß geschrieben steht: gebt dem Kaiser was des Kaisers ist. Ferner sagt die h. Schrift: so Jemand von dir verlangt Eine Meile zu gehen, so gehe zwei. Unser Durchlauchtigster nun und seine Räthe, die von der Lehre des Evangeliums entbrannt sind, haben alle Beamte, Soldaten und Büttel in die Hölle geschickt. Fernerhin wird man weder Steuern noch Dienste ausschreiben, sondern der Fürst verläßt sich auf euer Gewissen. Er weiß, daß ihr freiwillig, aus Religion, abtragen werdet, in Hoffnung der Seligkeit, welche Denen bereitet ist, die ihre Zinsgroschen ungemahnt darbringen und für Eine Meile zwei frohnen.« Trügt mich nun meine politische Chemie nicht, so darf ich mich erbieten, die Leistungen, welche diese Predigt bewirken wird, auf mich allein zu übernehmen.

Wendet nun den Prozeß um, gebt ein durchaus weltliches Gesetz, laßt eure Büttel an der Rathhaustreppe ausrufen: »Morgen sind die Steuern zu bezahlen, daß ihr's wißt! Bei einem Thaler Strafe! Und übermorgen ist Hasentreiben! Bei fünfzehn Jagdhieben!«

Ich wette, das Experiment wird sich selbst übertreffen, es wird zum Erstaunen wirken.

Was bewirkt demnach die Ordnung der bürgerlichen Pflichten, die Religion oder die Ruthe? Worin liegt der Haltpunkt der Gesellschaft, im Fanatismus oder in der Furcht? Ein faßliches, simples Experiment.

Bewirkt aber die Religion nicht wenigstens die Tugend? Laßt sehen. Ist Gottesfurcht die wirkende Ursache der Tugend, so müssen Alle, welche Religion haben, nothwendig tugendhaft sein. Dieser Schluß ist rund und schneidend.

Erkundigt euch nur bei Jenen, welche entweder aus Beruf oder Philosophie mit dem großen Haufen umgehen, die in täglicher Verbindung mit der Klasse sind, deren Gang ganz kunstlos, ganz natürlich und unverdeckt ist, und welche die Triebe der Handlungen dieser Klasse klar vor Augen haben: sie werden euch einstimmig sagen, wie sie mit Schmerzen wahrnähmen und sich es nicht verhehlen könnten, daß gerade die, welche am meisten Profession von der Religion machen, die Nichtswürdigen, wo hingegen die sogenannten faulen Christen und die Kirchenverächter großentheils gute Bürger und edle Menschen wären. Ein Experiment, das auf der Gasse liegt, das Jeder machen kann und höchst wohlfeil ist.

Was wäre nun das Resultat unseres Prozesses? Das, daß der Satz: die Religion sei die Grundfeste des Staats, die Seele der bürgerlichen Gesellschaft, nichts weiter als ein Gemeinplatz ist, den eine gewisse Art Menschen kurzsichtigen Gesetzgebern aufzubinden verstand, um ihre überflüssige Existenz zu bewahren.

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LX.

Ueber bürgerliche und politische Freiheit.

Vollkommen Meister seiner Handlungen sein, insofern sie innerhalb der Grenzen der Gesetze liegen, nenne ich bürgerliche Freiheit.

Aeußerstes Gleichgewicht zwischen den drei Mächten des Staats, dem Herrn, der Regierung und dem Volk, ist politische Freiheit.

Eine Gemeinschaft ist nicht politisch frei, sobald die ausübende Gewalt sich des gesetzgebenden Amtes anmaßt, oder wenn einer Nation die Mittel abgehen, ihren Vorstellungen Nachdruck zu verleihen.

Die bürgerliche Freiheit steht an ihrem Abgrund, sobald die politische Freiheit gestört ist.

Jeder Körper trägt den Keim der Selbsterhaltung in sich. Dieser Keim entspringt aus der Zusammenstimmung seiner Theile. Sobald sie sich trennen erfolgt der Tod, oder, was eben so viel ist, eine unheilbare Krankheit. Die Theile, welche einen politischen Körper formiren, sind die gesetzgebende, die vollziehende und die vermittelnde Gewalt. Auf ihrer richtigen Harmonie beruht das Naturell, der Gang und das Schicksal eines jeden Staats.

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LXI.

Politische Pädagogik.

Zwei Bänder sind es, welche die Gesellschaft zusammenhalten: Religion und Patriotismus. Das erstere leitet zur Tugend hin, das andere zur Ehre.

Warum unterschied also Montesquieu diese Prinzipien? Warum machte er charakteristische Systeme daraus? Als wenn man sie nicht bei allen Nationen anträfe, als wäre es nicht angeborne Pflicht jedes Menschen – in welcher Gesellschaft er auch lebt – die Tugend und das Vaterland zu lieben!

Es ist wahr, wir haben sehr wenig Bücher, welche uns über die wahre Natur des gesellschaftlichen Systems belehren. Einst machte ein Bodin, ein Grotius Epoche. Wir haben sie dahin geworfen wo sie herkamen, unter die Schulbank.

Bossuet erschien auf sie. Sein Gemälde der allgemeinen Weltgeschichte ist glänzend; aber es hat den großen Fehler, daß es alles auf einen einzigen Gesichtspunkt zurückführt: auf die Religion. Dieser Gesichtspunkt verschlingt in dem Werke, das sonst ein Meisterstück der Darstellung und Kunst ist, alle übrigen. Er gestaltet also dies System einhüftig.

Rousseau's gesellschaftlicher Vertrag fällt in denselben Fehler von einer andern Seite: er paßt nur für Republiken, die Anwendung auf monarchische Regierungen ist darin vergessen. Dieser große Philosoph scheint den Irrthum der Einhüftigkeit zweier Staatslehrer angenommen zu haben, die seiner in der That nicht würdig waren: Macchiavelli und Fra Paolo. Ersterer arbeitete nur für die kleinen italienischen Tyrannen, der zweite für eine aristokratische Despotie.

Uebergehen wir andere Schriften, und fragen wir einfach: Was ist der Grundsatz der Religion?

Friede!

Was ist Patriotismus?

Liebe zum Frieden!

Diese beiden Prinzipien wären also von gleicher Natur, sie wären mit einander verbunden.

Inzwischen ist Eins doch stärker als das Andere. Die Religion hat sich nur mit den Sitten zu befassen, der Patriotismus hingegen umfaßt Alles, er dehnt sich auf alle Facultäten des Menschen aus.

Patriotismus ist bürgerlicher Sittencurs, und Religion die Metaphysik desselben.

Ist dies richtig, so ist und bleibt das beste Lehrbuch für unsere Erziehungsanstalten die Geschichte der Römer und Griechen.

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LXII.

Politische Kanzeln.

Nichts unter den vielen Dingen, die ich der Vollkommenheit meines Zeitalters abgehen sehe, nimmt mich so sehr ein, als die Errichtung von Bürgerkanzeln. Dies war meines Erachtens das Mittel, wodurch die Alten sich das Regieren erleichterten; dies war das Geheimniß der berühmten römischen Polizei.

Die Tribüne ist's, woher die schönsten Meisterstücke kamen, die wir von der Redekunst und der Politik des Alterthums besitzen. Sie ist's, die den Patriotismus entstammte, die Tyrannen erschütterte, den Verstand der Nation bildete und die bürgerlichen Pflichten lehrte.

Was hindert uns denn, neben jede Kirche, jede Capelle eine Volkskanzel zu stellen? Warum besolden die Regierungen nicht politische Redner, wie sie geistliche besolden? Sollte der mündliche Vortrag eines geschickten Volksredners nicht mehr Wirkung erzeugen als die schönsten geistlichen Sermone? Kurz, warum rufen wir nicht die Industrie der Cicerone, Cäsare, der Demosthene zurück?

Stellen wir uns einen Augenblick zwischen diese zwei Kanzeln. Der Jünger St. Pauls declamirt, wie gewöhnlich, über einen langweiligen Gemeinplatz, so interessant als:

                   

»Thara zeugte Abraham,
Abraham zeugte Isaac,
Isaac zeugte Jacob,
Jacob zeugte Benjamin,
Benjamin zeugte David.
In diesem liegt der Same aller Welt.«

Sein Gegenüber, der Schüler Cicero's dagegen ruft:

                   

»Die Banken erzeugen den Geldwucher;
Der Geldwucher erzeugt den Credit;
Der Credit erzeugt den Luxus;
Der Luxus erzeugt den Verfall der Familie;
Der Verfall der Familie erzeugt den Abwerth des Landes;
Der Abwerth des Landes erzeugt Entvölkerung;
Entvölkerung ist die Quelle des Staatsuntergangs.«

Je nun: welcher von diesen Sätzen verdient mehr Aufmerksamkeit und Beherzigung, welcher enthält mehr Salbung, eilen wir zu St. Paul oder zu Cicero?

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LXIII.

Die Seuche zu Abdera.

Apologie der Publicität.

Zu Abdera herrschte eine seltsame Seuche. Man ging nicht ohne die größte Vorsicht aus. Man verschloß seine Hausthüre und Fenster. Die Schergen liefen mit Wurfprügeln und Schlingen durch die Gassen; die Aerzte verordneten Maikäferbutter und die Poltrone trugen Strümpfe und Handschuhe von Büffelleder.

Ein fremder Hund, der sich nach Abdera verlaufen, war Schuld daran. Zehn bis zwölf Spießbürger hatten sich's gefallen lassen müssen, von ihm gebissen zu werden, vornehmlich der Linnenbleicher Meister Grünauge. Alle litten an der Wasserscheu, mit Meister Grünauge aber ging's am schlimmsten: er lief auf allen Vieren, er reckte eine schwarze Zunge zum Halse heraus, der Schaum stand ihm vor dem Munde; er kollerte.

Dergleichen war zu Abdera noch nicht erlebt worden. Alle Gevattern und Gevatterinnen liefen zusammen. Ein ehrbarer Rath berathschlagte. Die Prediger schrieen von den letzten Dingen, vom Ende der Welt. Man sprach von Nichts mehr als vom tollen Hunde und dem Koller der zwölf Spießbürger.

Alles kam darauf an den Hund zu fangen. Sein Schicksal hatte der wohlweise Rath bereits entschieden: er sollte geviertheilt und über jedes Stadtthor einer seiner Schinken aufgesteckt werden. Allein er war bereits in salvo.

Nun wurde von Bürgermeisteramtswegen eine Klopfjagd auf alle Hunde anbefohlen. Der wohlweise Rath hatte die Ausrottung des gesammten Hundegeschlechts nothwendig erachtet. Ein Gerichtsdiener, von einem Trompeter begleitet, mußte in Abdera herumziehen und an allen Ecken ausrufen, wer einen Hund besäße, solle ihn sogleich dem Abdecker einliefern, und sich bei schwerer Strafe hüten, einen dergleichen fernerhin zu beherbergen, ihm Aufenthalt zu gewähren, mit ihm Umgang zu pflegen u. s. w.

Inzwischen thaten die Maikäferbutter und die Diät ihre Schuldigkeit. Die Patienten überstanden die Krankheit völlig, die zurückbleibenden Narben ausgenommen. Das Hundegeschlecht aber war mittlerweile vertilgt.

Was geschah nun? Hausdiebstahl und Straßenraub nahmen überhand; Bettler stießen die Thüren ein; das Wild hauste erbärmlich in den Feldern, die Jagd hingegen war um die Hälfte heruntergebracht.

Jetzt begann Jedermann der Nutzen der Hunde einzuleuchten.

Von ewigen Zeiten her war's zu Abdera Sitte, mit der Tabakspfeife im Munde und einem Hunde an der Seite zu Bier zu gehen. Da letztere nicht mehr existirten riß eine neue Seuche unter der Bürgerschaft ein: die Langeweile. Bei Tausende starben dahin, und innerhalb drei Jahren glich die Stadt Abdera einem Leichenacker.

Nun gingen dem Rathe die Augen auf. Er empfand seinen Irrthum. Er erkannte, daß ein Dutzend kollernder Bürger weit erträglicher sei als ein allgemeiner Schaden. Man verfaßte eine Ehrenerklärung für die verfolgten Thiere und setzte sie wieder in den vorigen Stand ein.

Nehmt für die Hunde Journalisten, für Meister Grünauge die Unterdrückungs- und Verfolgungswuth, für Abdera das Publicum: so habt ihr den Sinn meiner Fabel.

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LXIV.

Ueber Preßfreiheit.

Es giebt politische Uebel, die ihre Nahrung nur von der Dunkelheit empfangen, worin sie ruhen. Wenn die Preßfreiheit auch sonst keinen Nutzen hätte, so müßte es immer wenigstens der sein, daß sie die Großen lesen lehrte, sie zu brauchbaren Erörterungen verleitete, sie daran gewöhnte den öffentlichen Willen in den Druckwerken zu suchen.

Die Sprache der Schriftsteller wird immer der Maßstab der bürgerlichen Freiheit sein. Sie ist eine Art Thermometer, der uns mit einem einzigen Blick zeigt, wie weit eine Nation gefallen oder gestiegen, vorwärts oder zurück ist.

Alle Hochachtung verdienen daher Diejenigen, welche uns lehren, wie wir uns dieser Wohlthat auf eine gemäßigte, auf eine der Menschheit und dem Talent würdige Weise bedienen sollen.

Umsonst verschreit der Despotismus das Genie; nimmer wird er die in den Händen desselben flammende Fackel der Wahrheit ferner ersticken. Die Regenten scheinen einzusehen, daß sie einen großen Theil des Wohlstands und der Ruhe ihrer Staaten der Feder der Weltweisen schulden, die ihnen ihre Einsichten geliehen und ihren Gesichtskreis erweitert hat.

Die Philosophen sind in der Ordnung der Politik, was die Engel in der Ordnung der Welt sind: wir empfinden ihren Beistand, ohne sie gewahren zu müssen.

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LXV.

A quelque chose le malheur est bon.

Man muß gestehen, das Revolutionsfieber ist ein garstiges Ding. Es ist die maladie honteuse der Politik. Welche Wehen macht es nicht! Bei jedem rauschenden Blatte zittern übeleingerichtete Regierungen, bei jeder sauern Miene eines entschlossenen Mannes taumelt ein schlechter Beamter. Man sagt, daß in gewissen Städten den Rathsherren der Schweiß auf die Stirne tritt, wenn sie einer Laterne begegnen. Vermuthlich wird es bei dem großen Friedensschlusse, womit sich einige Weltbeglücker beschäftigen, mit in den Vertrag kommen alle Laternen abzuschaffen.

Allein die Natur thut, wie das alte Sprüchwort sagt, nichts umsonst. Wäre kein Aufruhr mehr in der Welt, so hätten ja die Dummköpfe und Aufklärungsfeinde keine Gelegenheit, die Philosophie und alle Wissenschaft zu verschreien; manchem bösartigen Beamten entginge ein Mittel sich an einem Unterthan zu rächen, sei es auch, daß er ihn blos anschwärze; Neid und Niederträchtigkeit verlören eine schöne Gelegenheit ehrlichen Männern eine Klette anzuwerfen.

So ist also auch dies Unglück zu Etwas gut. Es lebe die Revolution! Unterdessen möchte ich doch gewissen Herren in's Ohr flüstern: ein Philosoph schätzt den Pöbel zu gering, um seine Ruhe für ihn aufzuopfern. In seinen Augen ist die Welt nicht werth, daß sich ein Weiser um ihr Schicksal kümmert. Man fordert zu viel, wenn man glaubt, daß sich die Vernunft für Schurken und Narren in Gefahr setzen müsse.

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LXVI.

Die letzte Revolution.

Einer meiner Freunde, ein schlichter Landgeistlicher, der die Chronologie zu seinem Privatstudium erwählt hatte, behauptete, wenn man der Menschengeschichte mit einiger Aufmerksamkeit nachginge, so müßte sich unbedingt finden, daß von ohngefähr fünfhundert zu fünfhundert Jahren der Welt eine Haupterschütterung bevorstehe.

Zum Beispiel: Vom Jahrhundert Alexanders des Großen, das hieße vom Jahrhundert der Sophokles, Plato, Euklides, Apelles u. A. oder von den eigentlich historischen Zeiten ausgegangen treffe man um 316 auf die Constantinische Epoche, nämlich den Flor des Christenthums und den Sturz der heidnischen Mythologie. Damit ändert sich die ganze Moral der bekannten Welt.

Ein halbes Jahrtausend später erscheint Karlmann; in der Mitte des sechszehnten Säculums Luther.

Hieraus schloß er, daß die Währungen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts sich fortsetzend endlich zu einer die ganze Menschheit erfassenden Revolution führen müßten, und daß diese den geschichtlichen Prämissen zufolge ungefähr im Jahre 2440 sich vollenden dürfte.

Ich setze hinzu, daß mein Freund weder ein Schwärmer noch ein Plattschädel war. Er spielte in seiner Hütte eine Art von Pyrrhoniker, das heißt, er glaubte weder an die Aufklärung noch leugnete er sie.

Hierauf ist jedoch zu versetzen, daß es solcher Berechnungen gar nicht bedarf, weil die Bahn, welche der Menschenverstand betreten, unaufhaltsam fortgesetzt nothwendig zu einem Ziele führen muß. Auf dieser Bahn muß die Nachwelt zu der großen Wahrheit gelangen, daß die Gesellschaft zu ihrer Erhaltung keiner positiven Religion bedarf. Und dieser Fund wird das ganze System der Sitten und Gesetze umändern.

Der Grundsatz, daß der Staat nicht ohne Religion bestehen könne, ist eine Steckenpferd für Tyrannen, welche kein anderes Vehikel besitzen um sich zu behaupten. Bricht dieses Pferd zusammen, so hört der Lohn auf ein Tyrann zu sein. Die Gesetzgebung verändert ihre Achse. Das an der Leineführen und das Häckerlingfüttern in der politischen Reitschule kommt ab.

Dies dürfte allerdings die wichtigste Epoche sein, nämlich die Epoche des Völkerglücks, der tugendhaften Regierungen, der Menschenfreiheit und der Harmonie der Gesetze.

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LXVII.

Der Krieg.

Ist der Krieg etwas Löbliches? Ist er es nicht? Abgedroschne Frage. Das Gewinsel über den Krieg ist die Schelle der Zeitungsschreiber und ihrer Frau Basen. Giebt es aber nützliche Kriege? So fragen sich Männer.

Die philosophischen Bewohner des Ganges und Hidaspes, sagt man, die Braminen, führten nie Kriege.

Vermuthlich weil sie zu feige waren.

Die Lappen, die Samojeden, die Kamtschadalen wissen nichts von der Kunst sich mit seinen Nachbarn herumzubalgen.

Weil sie nichts zu verlieren haben.

Unter den zwei Schlußangeln der Erde herrscht also Ruhe? So muß die Bewegung in der Mitte sein, denn die moralische Ebbe und Flut ist in der Natur eben so begründet und nothwendig als die physische.

Oder ist es nicht klar, daß Widerspruch und Veränderlichkeit die Devise der Welt ist? Ja, die Erschütterungen, welche die Staaten treffen, haben ihren Grund in den unerbittlichen Gesetzen der Natur, und die Leidenschaften der Menschen sind nichts als Walzen, um die Decorationen auf dieser großen Bühne hervorzubringen und das Spiel zu unterhalten.

So gäbe es also natürliche Kriege? Gewiß, wie es natürliche Krankheiten giebt. Beide gehören einmal zu dieser besten Welt. Ohne Fieber giebt es keine Gesundheit; ohne jenes Spiel, das wir Krieg nennen, würde dieser Planet immer der nämliche bleiben; es würde sich keine Krisis in seinem Körper ereignen; die Schicksale der Nationen würden eine ewige Gleichheit haben, einige stets glücklich, andere stets unglücklich sein, und die Erde würde an der Langeweile sterben.

Hört also auf über den Krieg zu klagen! Er gehört zur politischen Diätetik. Die Vorsehung macht es zum öftern wie die Aerzte: sie erregt Erbrechen um den Magen zu reinigen und eine desto festere Gesundheit herzustellen.

Nicht genug. Der Krieg hat noch einige andere gute Seiten. Wären jene Braminen, jene Lappen, deren Friedfertigkeit wir bewundern, nicht emsiger, thätiger, gebildeter, folglich glücklicher, wenn sie die Neigung und Kunst zu kriegen besäßen? Der Krieg erfordert Anstrengungen aller Art, und macht uns also mit unsern Kräften und Fähigkeiten bekannt. Er ähnelt den Vulkanen: er ist erschütternd, aber befruchtend.

Dies ist so wahr, daß Europa nicht halb so polizirt wäre, wenn Alexander nicht nach Persien gezogen oder die Raserei der Kreuzzügler nicht entstanden wäre. Rußland hätte noch nicht die Hälfte seiner Macht und seines Wohlstandes erlangt, wenn Peter I. durch die Kriege, die er unternahm, seine Nation nicht an Bedürfnisse gewöhnt und ihr Genie beseelt hätte.

Verschont uns also, ihr Moralisten, mit euren Declamationen über den Krieg. Die ihr die Welt durch das Loch eines Maulwurfhaufens betrachtet, ihr Zeitungsschreiber, laßt den Monarchen ihr Spiel und Paläste auf Ruinen bauen. Dies ist die Absicht der Vorsehung – Sieg des Friedens und der Künste! Mars war der Günstling Minerva's.

Traun, so wie er sich unter unsern Händen verfeinert, ist der Krieg nimmermehr das Spiel bewaffneter Räuber. Wir haben den Kitzel beseitigt, im Hemde zu tanzen, um unsern Nachbar nackt hüpfen zu sehen.

In der That, die Kriege haben dermalen das Eigene, daß sie die Lust zu kriegen benehmen und die Menschen zu ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Frieden, anhalten.

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LXVIII.

Ueber Krieg und Frieden.

Unstreitig schmeichelt es der Einbildungskraft eines isolirten und tugendhaften Weltweisen, die Menschenfamilie friedlich beisammen wohnen, alles mögliche Blut erspart zu sehen. Der Gedanke, den Krieg unter Geschöpfen abzuschaffen, die zur Geselligkeit geboren, ist der Philosophie unsers Zeitalters würdig. Aber hält man ihn an's Licht, dringt man mit einiger Weltkenntniß und mit der Fackel der Geschichte in der Faust in sein Inneres, so schwindet der lockende Nebel, der ihn umhüllt, sofort. Man empfindet alsdann, daß es nie der Krieg war, welcher den Sturz der Reiche verursachte, sondern die Ruhe; daß sich jene Laster, welche der Menschheit Wohl untergruben und die Wurzel des Verfalls der Staaten wurden, nicht im Kriege, sondern mitten im Frieden einschlichen, daß zum Beispiel Babylon, Tyrus, Karthago, Rom, Lacedämon, Constantinopel u. a. nicht durch Waffen, sondern durch ein Sittenverderbnis fielen, welches die Frucht allzulanger glücklicher Ruhe war; mit einem Wort, daß der Krieg dem Menschen nimmermehr so feind ist als der Friede.

Dies sind dem Anscheine nach gewagte Sätze, und man zähle sie getrost unter meine Paradoxa, gönne mir indeß für folgende Glosse einige Aufmerksamkeit.

Ohne Zweifel ist der Krieg ein fürchterliches Uebel. Man kann nicht ohne Entsetzen daran denken, daß es unvermeidlich ist. Und doch scheint es im Wesen der Gesellschaft begründet, nothwendig für sie zu sein.

Ein Volk, das weder von außen noch innen auf seine Vertheidigung zu denken hätte, müßte sehr bald seine Elasticität verlieren: ohne einen Gegenstand seiner Furcht und ohne den zur Zusammenhaltung des bürgerlichen Bandes nöthigen Grund würde es in sich selbst zerfallen, sein eigener Feind werden.

Ein fester und ewiger Friede müßte alle gesellschaftlichen Pflichten erschlaffen! Nichts würde eine stärkere Versuchung zur Ueppigkeit, zur Zerstreuung, zur Unordnung und zum Aufruhr werden, als gänzliche Sicherheit über unsere politische Existenz.

Im Schatten dieser Sicherheit war es, wo sich die Gifte erzeugten, welche die Nerven jener alten Monarchien ertödteten. Fängt der Fall Roms da an, wo die Republik von Pyrrhus, den Mithridaten und Hannibalen bekriegt war? Nein, sondern als sie sich aus einer Kriegsschule in eine Galanteriebude verwandelte.

Ich bin weit entfernt dem Kriege eine Lobrede zu halten. Ich glaube nur nicht an den süßen Traum eines allmeinen Friedens, und noch weniger halte ich ihn für nützlich, ja ich bin überzeugt, daß es nichts Gefährlicheres geben könnte.

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LXIX.

Kopfpreis.

So oft ich in den öffentlichen Blättern lese, daß die Justiz einen Preis auf die Habhaftwerdung eines Uebelthäters aussetzt, so bebe ich jedesmal zurück. Wie unglücklich sind wir, spreche ich dann zu mir selbst, daß wir kein Verbrechen bestrafen können, ohne ein zweites zu begehen.

Ist dies der gepriesene Geist unserer Volkserziehung, unserer Cultur, daß wir das Laster durch Belohnung ermuntern?

Zorntrunkene Justiz, die Blut mit Geld aufkauft, um ihren Durst zu löschen, die das Laster bezahlt, um die Rache zu sättigen!

Soll dieser Uebelstand fortdauern? Soll dieser Fleck, der die Nachwelt trotz unseres Geräusches von Tugend und Erleuchtung zum Spott anreizen wird, immer in unsern Zeitungen schreien?

Seht da die Weisheit unserer Gesetzgebung und Erziehung: auf der einen Seite von Moralität, von Menschenliebe predigend, auf der andern das Laster krönend!

Ihr Zeiten, ihr Enkel, was werdet ihr von uns sagen, wenn ihr seht, daß wir Preise für die Verrätherei, für die Rachsucht haben, aber keine für die Treue und das Mitleid?

Wie? sollte es etwa ein größeres Uebel sein, wenn ein Unglücklicher, dessen That noch zweifelhaft, erst zu beweisen ist, der Justiz entrinnt, als wenn ein Herz in der Kette der Gesellschaft verderbt wird?

Sollte das Publicum mehr am Schauspiel einer Bestrafung, einer Hinrichtung verlieren, die oft nur ein Denkmal des Irrthums der Obrigkeit ist, als wenn es einen heimlichen Schurken durch Verborgenbleiben zu einem andern Leben gewonnen hat?

Kurz, ist unser Geld da, die Paraden der Justiz zu bedienen, die Verräther zu bezahlen und die Verrätherei zu fördern?

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LXX.

Ueber den Criminalgeist.

Reißt eure Galgen nieder, sage ich euch! verwandelt eure Gefängnisse in Besserungsschulen! Wie lange muß man euch vergebens zurufen: »Der Grundsatz der Polizei liegt auf dem lichten, offenen Wege der Natur!«

Der Mensch ist – um glücklich zu sein, lehrt letztere; sein Glück zu vermehren, dies ist die Absicht, mit welcher er in die Gesellschaft tritt, mit der er darin lebt. Alle Strafen, insofern sie ihn am Genuß seines Selbstwohls hindern, widersprechen also der Stimme des natürlichen Vertrags. Es giebt, sagt diese, keinen Verbrecher: es giebt nur bürgerlich Kranke.

Und dies wollt ihr nicht glauben? Ihr wollt nicht begreifen, daß eure Strafgesetze nichts verrathen als daß ihr weder des Menschen Bestimmung noch den Ursprung des gesellschaftlichen Bandes kennt?

Hört zu! Da ihr euch vermöge des Vertrags der Sicherheit verbunden haltet, jeden Bürger beim möglichsten Genuß seiner Existenz zu schützen, scheint es nicht, es sei eine offenbare Verletzung der Gesellschaft, wenn man die Justiz anwenden will, so lange es noch nicht bewiesen ist, daß der sittliche Mensch ganz und gar nicht anders gebessert werden könne, als durch die Strafe, das ist, so lange es eine unvergängliche Wahrheit bleibt, daß jedes erschaffene Wesen immer auf dem Wege seiner Ausbildung begriffen sei?

Also wäre unsere ganze Gerechtigkeitspflege nur eine Tyrannei?

So spricht die Natur!

Also wäre sie nichts als ein Beweis vermöge dessen der Staat seine eigene Unfähigkeit eingesteht, die wahre und schickliche Heilungsart eines bürgerlich Kranken ausfindig zu machen?

Leider!

Wozu nun unser Codex!

Werft ihn in's Feuer!

Dieses ehrwürdige Werk der Zeit und des Fleißes unserer Voreltern wäre also verloren?

Je nun, es ist traurig, daß ihre Staatskunst so beschaffen war, daß sie immer auf Glück und Unglück warten mußte, um ihre Richtung zu erfahren.

Nichts hingegen ist gewisser, als daß die Gesellschaft die öffentlichen Strafen völlig entbehren kann, um zu bestehen. Das Criminalsystem widerspricht der Menschlichkeit der Natur, der gesunden Vernunft selbst, welche uns überzeugt, daß die sittliche Welt gleich der physischen unter dem Gesetze der absoluten Nothwendigkeit steht: ein Gesetz, welches will, daß Tugend und Laster in ewigem Gleichgewicht schweben sollen.

Bedient euch der natürlichen Empfindungen des Menschen, um die Herrschaft der Vernunft und die Liebe zur Ruhe zu befestigen. Hierdurch werdet ihr die Leidenschaften bewegen, von sich selbst unter's Joch zu gehen und der Tugend den Schwung zu lassen: so spricht der Criminalcodex der Natur.

Ein so wichtiges, so neues Theorem, wie das hier aufgestellte, erfordert ohne Zweifel soliden Beweis. Giebt's in der menschlichen Logik einen, den man eindringend nennen kann, so ist's, deucht mich, das Beispiel der Erfahrung.

In dieser Art nun bietet mir mein eigenes Zeitalter eins an, das zu glänzend, zu schön, zu theuer ist, um an ihm vorüberzugehen. Gönnt mir daher eure Aufmerksamkeit.

Unter dem südlichen Wendekreis, jenseits des atlantischen Oceans, liegt ein großes, edles Land. Es enthält wenigstens eine Achtelmillion cultivirter Menschen. Hier herrscht seit undenklichen Jahren ein ewiger Friede, eine immergleiche Ruhe und ein Wohlstand, der nichts zu wünschen übrig läßt. Die Sitten sind rein und liebenswürdig. Es giebt weder Reiche noch Bettler. Alle Welt ist gut gekleidet, gut genährt, gut bewohnt. Die schönen Künste blühen neben den häuslichen. Man heiratet aus Neigung, weil die Kinderzahl keine Last ist, sondern eine Freude. Die Lüderlichkeit ist unbekannt, und sie kann weder Reichthümer corrumpiren und Elende machen, noch der Bevölkerung schaden.

In diesem Lande nun giebt's keine öffentliche Justiz. Nie wagten sich Prozesse und Steuern, diese zwei schrecklichen Geißeln des menschlichen Geschlechts, welche den Rücken der Völker sonst überall zerfleischen, in seine Grenzen; nie war die öffentliche Rache jemals in der traurigen Nothwendigkeit, einen Bürger zum Opfer auszuerlesen. Ohne ein bürgerliches Gesetzbuch ist die Nation gerecht, emsig und glücklich; ohne ein peinliches Gesetzbuch ist sie gehorsam und ruhig.

Wie, ruft ihr, mag sich dies Feenland nennen, wo suchen wir's?

Wenn man die Ruhmredigkeit unserer Gesetzgebungskunst und unsere Staatsverfassungen betrachtet, so sollte man kaum glauben, daß es weit entfernt liege: inzwischen muß ich euch außerhalb Europa weisen. Wenn man den wahren Zustand unserer Regierungen betrachtet, muß man billig zweifeln, ob es möglich sei, daß sich irgendwo ein glückliches und tugendhaftes Volk finde; gleichwohl werde ich's euch zeigen.

O Land, dem Niemand seine Bewunderung und Ehrfurcht versagen kann, unvergleichliches Paraguay, du bist's, das ich meine! Du sollst mir zum Beweis dienen von der Macht der Ueberredung und der Sitten.

Daß man die Existenz dieses Staats einer Gesellschaft schuldig ist, welche die öffentliche Ruhe und das Interesse der Sitten aufzuheben gebot, das ist ein trauriger Gedanke; er soll mich aber nicht hindern das Bild auszuführen.

Als die Jesuiten ungefähr 1721 in die Fußstapfen der tigerhaften Brut des Diaz traten und die Provinz Paraguay gleichsam zum Lehen übernahmen, da wußten sie nichts Klügeres zu beginnen, als daß sie das Muster der alten Beherrscher des Landes, jener Inkas, die wegen ihrer Regierungstugenden mit Recht so berühmt sind, zurückriefen. Sie theilten die Erde in drei gleiche Theile, wovon der erste den Göttern, der zweite dem Staat, der dritte der Gesellschaft bestimmt war. Hierdurch hoben sie vorerst die Vermischung des Eigenthums auf. Jede Klasse bearbeitete ihr Antheil auf eigene Kosten: die Diener der Religion jenen der Gottheit; die Obrigkeit jenen des Staats; die Bürger das Ihrige. So wurden sowohl Steuern als Zehend unnöthig. Blos eine Art von Frohn blieb, und diese bestand darin, daß die Grundstücke der Waisen, Wittwen, Greise und Gebrechlichen im Gemeindienst bebaut wurden.

Um aber auch diese Last, die schönste, welche sich die Menschlichkeit auferlegen kann, zu erleichtern und überhaupt die Liebe zur Arbeit zu beleben, so waren öffentliche Feste mit dem Feldbau verknüpft und auf jede häusliche oder öffentliche Tugend ein Preis ausgesetzt.

Doch, würde dies hinlänglich gewesen sein, die öffentliche Gerechtigkeit, die Sicherheit, die Ordnung, diese zur Handhabung eines Staats so wesentlichen Springfedern, zu bewirken? Nein. Dazu war ein anderes Triebwerk nöthig: und dies ist's, worauf ich führen will, um von der Möglichkeit meines Problems zu überzeugen.

Nun weiß man, daß die Guarani's, d. i. die Nationalen von Paraguay, keine öffentliche Justiz hatten: aber sie hatten die Beichte. Die Religion, welche den Staat bewachte und welche Scepter und Rauchfaß in Einer Hand hielt, hatte eine Art von bürgerlichem Beichtstuhl eingeführt. Dieser war das Tribunal des Publicums. Das Gewissen, welches in dem Herzen des Paraguayers schlug und durch alle äußeren Mittel der Ueberzeugung in Regung erhalten wurde, führte ihn zu den Füßen der Obrigkeit. Hier, weit entfernt seine Fehler zu bemänteln, bewog es ihn solche mit allen Umständen zu entdecken. Er war auf das aufrichtigste Geständniß stolz. Anstatt sich wider die Buße zu sträuben, bat er vielmehr auf den Knien darum. Je strenger und auffallender sie war, desto mehr Selbstzufriedenheit und Seelenruhe flößte sie dem Verbrecher ein.

So that zu Paraguay die Ueberredung mehr, als anderwärts Folter und Waffen.

Und was war die Folge dieses Systems? Die Polizei kam dem Laster immer zuvor. Jeder Missethäter war sein eigener Ankläger, Richter und Büttel; die Laster errötheten, sie gaben der Tugend Raum; und der Staat rechtfertigte den Beweis, daß es möglich sei die Theorie der sittlichen Ordnung in wirkliche Ausübung zu bringen.

Gütige Vorsicht, die du das Loos der Nationen in der Hand hast, schenke uns mehr dergleichen Beispiele! Ist's wahr, daß ein goldnes Alter für uns aufbewahrt ist, o so mache uns zu Guaranis, und es wird da sein. Holde Götter! Ihr zeigt am Muster von Paraguay, daß unsere Idee möglich sei: entflammt die Regenten sie zu ergreifen! Zeigt ihnen, wie thöricht ihre Principien von Zwangsmacht und peinlicher Moral sind. Und wollen sie widersprechen – so deutet auf Paraguay.

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LXXI.

Wie verringert man Prozesse?.

Ein politisches Hausmittel.

Wir nehmen ein Land an, das 24,000 Feuerstellen enthält. Ist's nun an dem, wie die Moralisten behaupten, daß immer die eine Hälfte der Menschheit mit der andern Hälfte im Streite liegt, so muß es jährlich 12,000 Prozesse geben. Dazu sind 100 Justiz-, Appellations-, Hof- und andere Räthe, 50 Secretaire, Taxatoren, Executoren und andere Thoren, 150 Kanzlisten, Thürsteher, Heizer, Boten und dergleichen erforderlich – der Unterrichter nicht zu gedenken.

Gesetzt nun, es bestünde eine Einrichtung in diesem Lande, daß jeder Pfarrer, Küster, Gastwirth, Bader, Büttel oder Söldner, dem die Beilegung eines Streits gelänge, ehe er vor das Gerichtsamt käme, eine Prämie von 1 bis 25 Thaler genösse: so würde vermuthlich die Hälfte der Prozesse unterdrückt werden. Die Regierung würde also 50 Räthe, 25 Secretaire, 75 Automaten ersparen.

Sehen wir nun, wie die Bilanz ausfiele.

Staatskasse.
Credet: Debet:
50 Präsidenten- und Rathsbesol-
      dungen, im Durchschnitt

      à 800 . . . . . . . . . . 40,000 Thlr.
6000 Prämien im Durch-

      schnitt à 10 Thlr.

      . . . . . . 60,000 Thlr.
25 Secretair-Besol-

      dungen à 150 . . . 12,500 "
 

 
150 Automaten-Be-

      soldungen à 150 . 22,500 "
 

 
Schreibmaterialien

      und Aehnliches . . . 5,000 "
 

 
Pensionen für Jubi-

      lare, Wittwen etc. . 10,000 "
Reiner Ge-

      winn . . 30,000 "
                       Summa 90,000 Thlr.                    90,000 Thlr.

Hierzu kommen:

So und soviel ersparte Seufzer;

Soviel unterdrückte Flüche auf die Gerechtigkeit;

Soviel vermiedene falsche Eide;

Soviel dem Bürger gewonnene Stunden;

Soviel abgeschaffte Advokaten-Stänkereien;

Soviel unterdrückte Bestechungen;

Soviel der Regierung ersparte Sottisen;

Soviel aus den Gerichtsstuben verjagte Schlafmützen.

Heilige Themis: Lehre die Deinigen rechnen!

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LXXII.

Ueber den Esprit de Corps.

Nicht ihre Lehre ist es, noch weniger ihre Wissenschaft, was die europäischen Imane so starrköpfig macht, sondern ein gewisses Gift, das man Zunftgeist nennt. Unter so vielem Unkraut, das die Philosophen jäten, blieb dies immer verschont.

Dies Gift, sagen sie, sei arabischen Ursprungs. Es soll dasselbe sein, das Moses seinen Leviten eingab. Man soll die Wurzel gerade unter dem Tempel zu Memphis finden.

Tausend auf Eins läßt sich wetten, die Theologen wären hier nicht unheilbar, und die Hälfte der Arbeit gethan, wofern man die Sache an diesem Fleck angriffe. Einer der Hierophanten der modernen Philosophie pflegte seinen Jüngern auf die Frage, ob der Mensch von Natur nicht gut sei, zu antworten: Der Mensch? Ja; aber die Menschen!

Mit größtem Fug läßt sich dies auf Theologen, Aerzte, Juristen und Schneider anwenden. Sehr oft sind diese Leute raisonnabel, artig, verträglich, wenn sie vereinzelt sind. Unter allen Ständen finden wir höchst liebenswürdige und billigdenkende Individuen.

Sobald sie aber in Verbindung gesetzt sind, so wirkt das Gift; dann vergessen sie sich selbst, werden das, worüber man sie verachtet.

Jenes Giftkraut ist ein Sideroxylon. Es wächst in der Mitte jeder Zunft, sie nennen sich Facultät, Ballei, Armee, Akademie oder Tischlergilde. Der Aufwärter beschmiert heimlich die Stühle damit; sobald nun der Sitz warm wird, löst sich das Gift auf und steigt dem Zunftmann in den Kopf. Von dem Augenblicke an rappelt es bei ihm.

Wo immer eine Zunft besteht, da haben Gewohnheiten und Mißbräuche ihren geschwornen Schutz. Alles Neue ist ohne Wahl verworfen. Wehe dem, der eine Erfindung macht, eine Wahrheit in Gang bringen will: Jagd auf ihn! Einer steht für des Andern Fehler und Unsinn. Das Feldgeschrei ist: Haltet zusammen! und die Parole: Denke der Meisterschaft!

Man nimmt einen Corpus doctrinae an, das heißt einen Leisten. Ueber diesen muß sich Alles schmiegen. Pereat dem Verräther, dem Ketzer, der anders denkt als hergebracht ist, denn ein Grundgesetz jeder Zunftverfassung ist, neue Entdeckungen anzufeinden, nützliche Wahrheiten zu verfolgen, Laien Weide und Wasser abzugraben, jedes mögliche Fremde zu unterdrücken, todtzuschweigen, zu chicaniren.

Alle Vorurtheile, welche statutenmäßig und also geheiligt sind, müssen ohne Prüfung unterschrieben und mit Gut und Blut vertheidigt werden. Da hilft weder Sasafras noch Guajac: der Zunftgeist greift Kopf und Herz zugleich an.

Leider ist jenes unglückliche Kraut so giftig und ansteckend, daß auch sonst aufgeklärte und philosophische Köpfe nicht immer ganz frei davon sind.

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LXIII.

Der Werth der Maximen.

Friedrich II. von Preußen war seinen Heldenschwung einem Verse schuldig, den er im La Fontaine fand, und der bis an sein Ende seine Bewunderung blieb:

                   

»– – – seul il passe en puissance
Le monde d'alliés vivant sur notre bien.
Le Lion en a trois, qui lui ne coutent rien,
Son courage, sa force avec sa vigilance.«

Laßt euch also nicht überreden, ihr Prinzenerzieher, daß Maximen Schulfuchsereien seien. Man sieht, daß Eine bisweilen für den ganzen Erziehungscursus eines Menschen gelten kann.

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LXXIV.

Ueber den Selbstmord.

Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß der Selbstmord bei uns in dem Maße zugenommen, als die Stimmung der Andächtigkeit und Gläubigkeit verloren gegangen und die Philosophie zu herrschen begonnen.

Einst gab es, wie wir wissen, eine Zeit, wo jene Sünde heroisch war: es war die Zeit der Catone, des Antonius, des Otho. Damals galt es als groß unter seiner eigenen Faust zu sterben.

Die Religion trat aber auf, und nun änderte sich die Mode. Sollten ein Biron, ein Montmouth, ein Montmorency etwa weniger Muth besessen haben als die Brutusse, weil sie den Henkertod wählten? Nein! die Gewohnheit brachte es mit sich. Fünfzehn Jahrhunderte zuvor würden sie sich mit so kaltem Blute den Degen in die Brust gestoßen haben als Andere.

Sie wird jedoch wiederkommen, die Epoche der Religion. Denn, wie ich die Umwälzung unserer Denkungsweise nirgend anders begründet finde als in jenem sichtbaren und ewigen Naturgesetze, vermöge dessen sich alle Dinge im Kreislaufe fortbewegen, so muß sie ihre Periode wieder erhalten.

Eine neue Religion wird sie ablösen.

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LXXV.

Physiognomisches Fragment.

Man pflegt zu sagen, rothe Haare wären falsch. Ich weiß nicht, ob die Tugend auch in den Haaren steckt, aber es leben die Blonden!

Worauf mag sich jene Meinung gründen? Auf eine altfränkische Physiologie. Bei Gott! wenn die Farbe der Seele sich auf der Haut oder in den Haaren ausdrückt, so halte ich's mit den rothen. Messalina, Cleopatra, Maria von Medici waren Brünetten.

In der That, man hat einen andern Waidspruch: »Unter einer schwarzen Larve liegt selten eine weiße Seele.« Vielleicht schreibt er sich aus der nämlichen seichten Quelle her, aber er lügt nicht so oft.

Die Nordländer sind großentheils von einem edeln Charakter und haben blonde Haare. Man sagt, daß es nirgend so gefühlvolle Herzen unter dem weiblichen Geschlechte gäbe, als wo das blonde Haar vorherrschend ist. So oft man hingegen von tückischen, rachsüchtigen und gefährlichen Nationen spricht, denkt man an die Italiener, an die Griechen und Schwarzen.

Mich dünkt, der Streit über die Blonden und Brünetten läßt sich weit eher vom moralischen als physiologischen Standpunkte entscheiden. Man rächt sich gern für Ungerechtigkeiten der Natur.

Blonde Gesichter sind, wie Kenner behaupten, reizender als schwarzbraune. Sie haben etwas Schmachtendes, Sanftes, Empfindsames. Diese Züge lassen selten eine Mischung von Falschheit zu. Meine Freunde versichern mich, daß sie nie von Blonden betrogen worden.

Brünetten sind lebhafter und geborne Koketten. Denn da sie die Natur nicht zu demselben Siege berief wie ihre Nebenbuhlerinnen, so suchen sie diese durch Kunst, durch Galanterie, durch listige Eroberungen zu übertreffen. Ich wollte wetten, Proserpina, Xantippe und Frau la Fontaine wären Schwarzbraune gewesen.

Belinda's Haarlocke aber war blond. So leuchtet sie aus den Sternen herab, wohin sie der Heldendichter versetzte. Agnes Sorel, die zärtlichste aller Seelen, war blond. Washington, Pitt, der Herzog von Südermanland hatten dieselbe Haarfarbe; Linguet, van Eupen und Maurojeni hingegen schwarzes Haar.

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LXXVI.

Ueber die Pfuscherei der Reisebeschreiber.

Mit welchem Rechte prahlen die Reisebeschreiber, daß sie uns durch ihre Zerrbilder aufklären? Man hat in der Naturlehre die lächerliche Eintheilung der menschlichen Temperamente in vier Formen abgeschafft: in der Ethnographie aber unterhält man uns immer noch mit Nationalcharakteren. So wahr ist es, daß wir von der Natur zu Pedanten bestimmt sind.

Nichts widerspricht dem gesunden Verstande mehr. Bestimmt etwa das Klima unsern Charakter oder die Lage, worin uns das Schicksal versetzt? Ueberall sind die Reichen trotzig und der Pöbel kriechend, die Soldaten stolz, die Pfaffen tückisch, die Verliebten eifersüchtig, die Stutzer fade und die Schönen gefällig. Ueberall liebt das Volk die Freiheit, der Regent die Macht, und der Pöbel das Geld. Ueberall giebt's dummstolze Junker, steife Bettler, rasende Schwärmer und platte Reisebeschreiber.

Der schöne Geist aber kennt nur zwei Menschenklassen: Feine Welt und Pöbel. Diese Eintheilung ist ganz einfach, sie paßt auf alle Länder; aber sie ist freilich nicht das Fait der Reisenden noch der Mode.

Diese Herren reisen nicht um die Welt zu beobachten, sondern um Bücher zu machen. Auch haben sie es dahin gebracht, daß das Reisehandwerk bis zum Zigeunerleben her abgewürdigt ist.

Einer meiner Freunde pflegte die reisenden Gelehrten unseres Tags mit den Musterreitern zu vergleichen. Nichts ist treffender. Sie haben dies mit ihnen gemein, daß sie uns den Schund anhängen, uns überlaufen und ihr Leben in Kneipen hinbringen.

Wenn einst eine Reichsstreiferei auskäme, so müßte man sich wundern, wenn nicht reisende Gelehrte eingefangen würden.

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LXXVII.

Ueber den Tanz.

Unsere Bälle haben nicht genugsam Gefühl, die Regungen, die sie einflößen, sind zu grob, zu leblos; wir müssen einen feinern Tanz ersinnen, einen Tanz, woran die Seele Theil nimmt.

Wir haben Alles bephilosophirt, warum bephilosophiren wir den Gesellschaftstanz nicht? Es ist nicht genug, daß unsere Tänze den Tact ausdrücken: um für den Zuschauer nicht leer zu bleiben, sollten sie etwas mehr ausdrücken.

Es ist kein Raisonnement in unsern Bällen. Wenn man einen Türken fragen würde, was er in unsern Tänzen sehe, so würde er versetzen: Dies, daß sie eben nichts zeigen, nichts sagen, nichts schildern, nichts darstellen, nichts wollen.

Aus einem Taumel der Wollüste, was er in den Pyrrhiken der Alten war, haben unsere Vorfahren den Tanz in eine Schule des Anstandes und conventioneller Bewegung umgewandelt. An uns wäre es nun, ihn zu einem Spiel der schönen Vernunft zu erheben.

Sollte das ungereimt sein?

Wenn wir ein gewisses Thema in den Gesellschaftstanz zu legen vermöchten, dann müßte er für die Tänzer wie die Zuschauer interessanter werden. Alsdann könnte auch das Alter daran Theil nehmen, ja es würde von der Jugend nimmer, wie jetzt, verdrängt werden. Talent und Schönheit würde eine Seele bekommen und nicht mehr Sclaven der Musik sein. Der Körper aber würde weniger erschöpft und gefährdet werden.

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LXXVIII.

Symbol

eines Bürgers aus dem 19. Jahrhundert.

Ich glaube an einen einigen, unendlichen, anbetungswürdigen Gott, Schöpfer, Erhalter und Regierer der Welt – in quo vivimus, movemur et sumus.

Ich glaube, daß alle Menschen der Erde Brüder sind, und daß Gott keinen andern Unterschied zwischen seine Kinder gesetzt, als Tugend und Laster. –

Ich glaube, daß jene die beste Religion ist, welche das geringste Maß von Geheimnissen und Streitsätzen enthält, und sich blos auf eine einfache reine Moral gründet, worüber alle Nationen einverstanden sind, und die in allen Theilen der Erde sich ähnlich ist. –

Ich glaube, daß die Summe der Religion, welche Gott von den Menschen verlangt, in den zwei Grundsätzen besteht: Liebe Gott und deinen Nächsten! –

Ich glaube an die Toleranz, und daß nächst der Pest, der Hungersnoth und dem Kriege die Glaubensverfolgung die abscheulichste Geißel der Erde ist. –

Ich glaube, daß Fleiß, gesellschaftliche Tugenden und gute Sitten weit gedeihlicher sind als Religionsdispute, und daß ein tugendhafter und gerechter Samojede bei Gott besser angesehen ist, als ein erbitterter und spitzfindiger Doctor der Theologie. –

Ich glaube an die Rechte der Herrschaft, der Gesetze und des Staats. –

Ich glaube, daß unter allen Regierungsformen diejenige die rechtmäßigste und heilsamste ist, wo die Menschen blos unter dem Gesetze stehen. –

Ich glaube, daß sich die Gesetze nicht besser ausdrücken können, als durch den Willen Eines gerechten und tugendvollen Regenten. –

Ich glaube, daß das, was ich unter dem Schutze der Gesetze erworben habe, mein Eigenthum und ein Heiligthum ist, welches ich mit meinem Blute zu vertheidigen schuldig bin. –

Ich glaube, daß ich schuldig bin einen Theil meines Erwerbs und meines Genusses zur Erhaltung der allgemeinen Gesellschaft, das heißt zu den Bedürfnissen des Staats herzugeben, es sei unter dem Namen Steuer, Taxe, Mauth oder sonst welchen. –

Ich glaube, daß meine und meiner Familie Sicherheit nur in der allgemeinen Sicherheit beruhe, und daß ich folglich verpflichtet bin, mich für letztere mit meinem Vermögen und Leben zu stellen. –

Ich glaube, daß der Lehrsatz, man sei einem schlimmen Regenten keinen Gehorsam schuldig und man dürfe sich am Leben eines Tyrannen vergreifen, ein vermaledeiter, blasphemischer und falscher Lehrsatz sei. –

Ich glaube, daß Freiheit eine Chimäre ist.–

Ich glaube an den Ackerbau als die Urquelle aller menschlichen Nahrung und die vornehmlichste Stütze des Staats. –

Ich glaube an das Handels- und Manufacturwesen als an die Mittelhände des Gewerbes und der Glückseligkeit. –

Ich glaube, daß die mechanischen Künste achtungswerther sind als die sogenannten schönen Künste, und die Gelehrsamkeit der Oekonomie nachsteht. –

Ich glaube, daß eine der edelsten Pflichten eines guten Bürgers und einer der würdigsten Gesichtspunkte des Staats in der Sorgfalt für die Armuth bestehe, indem die Unterstützung unseres Gleichen die eigentliche Religion des Herzens ist, welche die Gottheit von uns fordert; daß aber das Mitleid gegen die Armen nicht insbesondere im Almosengeben beruhe, sondern die wahre Menschenliebe sich dadurch ausdrücke, dem leidenden Nebenmenschen mit Rath und Trost beizuspringen, das Verdienst aus der Verborgenheit hervorzuziehen und es zu beschützen, die Unschuld an den Tag zu bringen, den Unterdrückten mit eignem Arm zu retten, die Thränen der Waisen und Wittwen durch Freundlichkeit zu trocknen, den Armen von der Bahn des Bettels auf den Weg des Fleißes zu weisen und ihm die Quelle der Vorsicht zu zeigen. –

Ich glaube an Muth, Tapferkeit und Vaterlandsliebe, als die ursprünglichsten Tugenden des Menschen und die ersprießlichsten zum Wohle des Staats. –

Ich glaube an die Vernunft und ihre Rechte.–

Ich glaube an alle großen und berühmten Männer, welche die Freiheit der Menschen, das Glück der Tugend, den Gehorsam gegen die Obrigkeit und die Vervollkommnung der Regierung gelehrt haben. –

Ich glaube, daß gegenwärtiges Symbol Alles in sich schließt, was zu einem wahren Gottesdiener, einem tugendhaften Bürger und zu einem rechtschaffenen Menschen nöthig ist.

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