Weiß-Ferdl
Es wird besser
Weiß-Ferdl

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Aufheiterung

                          Bel ami

Zur Zeit, da gehts den bel amis gar schlecht,
Sie sind von niemanden geachtet recht,
Denn alle Mädchen und auch alle Frauen,
Die interessieren jetzt nur die Feldgrauen.
Wenn er sich noch so schnigge herausputzt –
O, in Zivil das heute gar nichts nutzt:
Er wird von allen ignoriert,
Man frägt ihn nur pikiert:
»Du hast Schiß vorm Kommiß, bel ami,
So viel Schiß vorm Kommiß, bel ami,
Frauenliebling nur sein
Ist zur Zeit gar nicht fein.
So ein Held ja gar niemand gefällt!
Kannst gut tanzen, doch 's gibt keinen Ball,
Meld dich lieber da drübn beim Westwall,
Sei charmant und galant,
bel ami, bel ami, sonst holns di! 10

Jetzt ist Soldat der seine bel ami
Und muß aufstehn um fünf Uhr in der Früh,
Er kriegt kein Bad, auch sonst tut manches fehlen,
Er muß sogar selber Kartoffel schälen,
Beim Exerzieren er sehr schwer kapiert,
Drum wird mit Liebe er da fein dressiert.
Sein ganzer Charm ihm da nix nützt,
Er schnauft, er bläst, er schwitzt.
Hast kein Glück beim Kommiß, bel ami,
Gar kein Glück, beim Kommiß, bel ami,
Jeder brüllt, jeder schreit,
Oh, so grob sind diese Leut!
Für so'n Held mir ja alles doch fehlt,
Ach wie leicht war es doch bei den Fraun,
Braucht sie nur lächelnd mal anzuschaun,
Doch bei meinem Korporal
Wirkt das nicht – auf keinen Fall
Bel ami, was grinsen Sie, Sie Rindvieh!

 

Der Krieg daheim

Erlauscht und beobachtet von Weiß Ferdl

In Kriegszeiten ist alles ein bißchen nervös. Es gibt Leute bei uns, die rennen, wenn die Wasserleitung ein bißchen surrt und burrt, gleich in den Keller. Gleich in den ersten Tagen war ein falscher Fliegeralarm. Nachträglich hat es geheißen, eine Lokomotive in Moosach sei schuld gewesen. Das stimmt nicht; ich weiß, wer schuld war.

Schuld war nur der Moser Xaverl. An dem betreffenden Tag ist der Moser Xaverl in der Früh um dreiviertl auf zwei erst heimgekommen. Seine Frau – sie haben eine Erdgeschoßwohnung – wartete seit halb zwölf Uhr am offenen Fenster. Sie bimste vor Wut. Ihr üppiger Busen wogte auf und nieder; man konnte es wegen der Verdunkelung nicht sehen, aber ihre Augen glühten wie bei einer Katze. Endlich um dreiviertel zwei schlich der Schwerverbrecher – immer an der Wand lang wegen der herrschenden Dunkelheit – daher. Als er am Fenster vorbei kam, zischte sie ihn an: »Wo warst denn du so lang? Jetzt mitten im Krieg läßt du deine arme Frau die ganze Nacht allein!« Er verteidigte sich: »I kann nix dafür. Ich hab anderthalb Stund auf die letzte Trambahn gewartet, die ist nicht kommen. Vielleicht ist sie entgleist, dann bin ich heimgangen und dadurch ist es so spät wordn!«

»Ouuuuuuiiiii, wia der lügt«, schrie die Moserin. Dieses schrille Ouuuuuiii hörte in der stillen 12 Septembernacht ein Polizist, hielt es für eine Leitsirene, setzte auch sein Heulinstrument in Bewegung – und dann haben alle mitgemacht. Schuld ist also nur die gschroamaulat Moserin gewesen.

Es ist eben alles so gereizt. Dabei haben wir gar keine Ursache, es tut uns niemand etwas außer dem Luftschutzwart. Der ist ja allerdings sehr streng. Er gibt keine Ruh, bis der Keller ausgebaut ist wie der Westwall. Er bohrt so lang in die Hausbewohner hinein, bis alle Fenster und Ritzen verpappt und verstopft sind, daß auch nicht der leiseste Lichtschimmer durchdringt. Kommt dann einer und meldet: »Herr Luftschutzwart, ich krieg keine Luft mehr!« dann sagt er seelenruhig: »Dafür bin ich nicht zuständig, d' Hauptsach is, wenns bei uns finster is!«

Es gibt wieder Marken und Bezugscheine. Die älteren kennen dies schon; die jüngeren werden es auch bald lernen. Diese Einrichtung ist dazu da, daß die vorhandenen Waren gerecht verteilt werden. Am Anfang klappt natürlich noch nicht alles gleich. Es soll jetzt Leute geben, die haben Bezugscheine und kein Geld, andere hingegen haben sehr viel Geld aber keine Bezugscheine. Doch das gleicht sich bald aus.

Für diejenigen, die bisher im Überfluß gelebt, ist die Einschränkung wohl etwas bitter. Neulich war ich bei einer Dame zum Kaffee geladen. Kein Neid, er war nicht gut der Kaffee, es war Marke Westwall »uneinnehmbar«. Kuchen hat es auch gegeben. Das schönste und größte Stück hat das Dienstmädchen bekommen. Ich lobte diesen Gemeinschaftssinn der gnädigen Frau. 14 »Ja«, meinte sie, »ich muß nett zu ihr sein, sie hat mich neulich erwischt, wie ich einen ausländischen Sender da hatte!«

Dabei kann einem das jetzt sehr leicht passieren, denn die unseren reden oft französisch – und die anderen deutsch. Man kennt sich nicht mehr aus. Es kann dem besten Deutschen passieren, daß er schon eine halbe Stunde zuhört und plötzlich erst draufkommt – daß er falsch gehört hat. Auch das werden wir noch lernen.

Jetzt ist die Hauptsache, daß wir alle zusammenstehen. Daß jeder schaut, daß er zu seinem Sach kommt und gut aufpaßt, daß der andere nicht mehr kriegt. Auf diesem Gebiete gibt es sehr eifrige Helfer und Helferinnen.

Die Frauen sind zum Teil sehr unglücklich, weil sie nicht mehr so hemmungslos einkaufen können wie früher, wenigstens nicht mehr alles. Jetzt kaufen sie halt das, was sie kriegen: Zahnbürstln, Farben zum Färben der Ostereier, Vogelhäusl, Teppichklopfer usw. Alles in großen Mengen.

Die Männer denken weiter. Der Krieg begann gerade 14 Tage vor dem Oktoberfest. Sorgenvoll sprachen sie davon, wer wohl jetzt das gute Wiesenmärzen trinken wird, was mit den Brathendeln geschieht. Ein Fachmann wußte Bescheid. Die Brathendel sind von der Heeresverwaltung beschlagnahmt. Da es sich um ganz junge Henderln handelt, werden sie umgeschult auf Brieftauben.

Am Stammtisch wird politisiert. Jeder weiß was und jeder will der Gescheiteste sein. Haarsträubende 15 Geschichten werden da verzapft. Ein Miesmacher beginnt geheimnisvoll: »Gell, da steht nichts in der Zeitung, daß der Nordpol bis heute keine Neutralitätserklärung abgegeben hat. Mit die Flieger werden wir noch was erleben, grad bei uns in München. Weil München so dumm angelegt ist. Das muß ja jeder Flieger finden, im Osten haben wir den Ostbahnhof, im Süden den Südbahnhof und im Westen den Hauptbahnhof, da kann er sich leicht orientieren.«

Aber es gibt Gott sei Dank auch am Stammtisch aufrechte wackere Männer. Der Herr Quasslmeier ist so einer:

»Geh, redets do net so dumm daher. Wo mir jetzt Rußland im Rücken haben, kann uns doch gar nix passieren. Wenn der Franzos gscheit is, laßt er die Engländer hänga, dann wird England versteigert an den Meistbietenden gegen Barzahlung. Dö pfeifen ja doch schon aus'm letzten Loch, die da drübn. Unsere U-Boote, dö hoazn eahna richtig ei! Der Tschämberlin kennt si nimma aus. Alle schimpfn in eahm eini. Nirgends hat er Ruah, neulich is er in sei Wochenendhäusl naus gfahrn; aber er hat nix ghabt davon, weil seine Hennen den ganzen Tag gackert habn: ›Protektorat, Protektorat, Protektoraaat!‹«

Das ist der Krieg daheim. Unblutig, aber voll Leidenschaft. 16

 

So soll ein Verteidiger reden

Vom Dr. M., einem sehr tüchtigen Rechtsanwalt in früherer Zeit, wird folgendes erzählt.

Ein gesunder Bauernbursch steht vor dem Richter. Die Anklage wirft ihm vor, er hätte sich an einem unschuldigen Bauernmädchen vergangen, die geistig minderwertig sei. Der Angeklagte behauptet, er habe nicht gewußt, daß das Mädchen geistig minderwertig sei, und er glaubt es heute noch nicht. Das Gericht wollte dies feststellen und gab dem Mädchen eine Augsburger Abendzeitung. die damals sehr viel von den Beamten gelesen wurde, mit der Aufforderung, einen Artikel daraus zu lesen und dann dem Gericht den Inhalt des Gelesenen zu erzählen.

War es nun wirklich Dummheit oder nur Schüchternheit, das Mädchen brachte das nicht fertig. Das Gericht erklärte das Mädchen für geistig minderwertig. Dieses wäre für den Burschen straferschwerend gewesen. Da erhob sich Rechtsanwalt Dr. M.:

»Hohes Gericht! Es war Mai! Ein schöner Maienmorgen, der Angeklagte soll aufs Feld hinausfahren, steht da in seiner Jugendkraft, voll Lebensmut und Freud. Die Sonn hat gscheint, die Vögl habn gesungen. 17 Die Zeugin Marie hätte mit hinausfahren sollen. Scheinbar hatte sie verschlafen. Der Angeklagte wollte sie holen, ging hinauf in die Mädchenkammer und wie er die Tür aufmacht, steht das Mädl vor ihm – so wie sie Gott erschaffen hat, wie Eva vor dem Sündenfall! Meine Herren, es war Mai, die Sonne hat gescheint, die Vögel haben gesungen, und das Mädel steht da vor ihm wie Eva vor dem Sündenfall! Ja, meine Herrn, hätt er ihr da zuerst die Augsburger Abendzeitung zum Lesen geben solln?« 18

 

In der Zeichenstunde

Die Lehrerin sagt zu ihren Schülerinnen: »Ihr seid jetzt schon vierzehn Jahre und jede von euch wird sich schon klar sein, welchen Beruf sie später ergreifen will. Nun nimmt jede einen frischen Zeichenbogen und zeichnet etwas, was mit ihrem späteren Beruf zusammenhängt!«

Mit Feuereifer stürzten sich die Mädchen auf diese Aufgabe. Die Schneiderinnen machten Modellentwürfe, die Tippmädchen zeichneten Schreibmaschinen, die Modistinnen Hüte, die Köchinnen eine moderne Küche, wo alles elektrisch ging. Nur ein Mädchen starrte auf das Papier und zeichnete nichts.

Da frug die Lehrerin: »Na, was ist denn mit dir? Was willst denn du später werden?«

»I möcht heiraten, aber i weiß nicht, wie man das hinzeichnet!« 19

 

Der Herr Kurgast

Wenn man in die Jahre kommt, wo es einen bald da zwickt, bald da druckt und – das ist Grundbedingung – über die nötigen Mittel verfügt; erwacht plötzlich das Bedürfnis, in ein Bad zu reisen.

Man läßt sich Prospekte schicken. Verlockende, herrlich bunte Bilder bekommt man da in die Hand. Merkwürdig diese grundverschiedenen Wässerchen heilen alles, aber auch schon alles.

Gicht, Rheumatismus, stoffwechselfördernd. Sie helfen bei Blasen, Nieren, Gallensteinen, fürs Herz Asthma, Verkalkung usw. Man wundert sich, daß bei diesen vielen guten Kuren überhaupt noch Menschen krank sein können.
 

Meine Wahl fiel auf Bad Ix in der Ostmark. Man muß doch die ins Reich Heimgekehrten in jeder Weise unterstützen. Die Brüder und Schwestern empfangen einen sehr freundlich. »Küß d'Hand« hin und »Küß d'Hand« her, sobald man aber in nähere Fühlung kommt, fangen sie gleich zum Jammern an. »Wissen S', gnä Herr, die reichen Ausländer, die fehln halt. Das war a Gschäft früher, die haben was sitzen lassen. Die Herrschaften vom Altreich, mir habns ja recht gern und freun uns a so, daß wieder kummen – aber na jo, die Herrschaften vom Altreich – die sind halt nur alt, aber net reich!«

Am nächsten Tag beim Frühstück kriegst du eine Kurkarte und bist Kurgast. Alle Einrichtungen des Kurortes gehören dir, das heißt, du darfst sie benützen. 20

Zuerst geht man zum Badearzt, das muß man machen, denn wenn man die Kur nicht richtig macht, dann kann sie mehr schaden als nützen, behauptet der Badearzt.

Der Herr Sanitätsrat, ein sehr liebenswürdiger Herr, frägt dich: »Wo fehlt es denn?« Nachdem man ihm sämtliche Gebrechen gebeichtet hat, versichert er dir: »Da sind Sie ja bei uns prächtig aufgehoben, lesen Sie diese Broschüre, da steht alles drinn, und kommen Sie jede Woche einmal zu mir. Die erste Untersuchung kostet 20 Mark, die weiteren nur mehr zehn!«

Er drückt dir die Verhaltungsmaßregeln in die Hand und ruft: »Der Nächste!«

In den Kurvorschriften heißt es:

»Es ist natürlich unmöglich, bei noch so genauer ärztlicher Untersuchung, lückenlos den Kurgebrauch festlegen zu können. Darum ist es zweckmäßig, sich alle drei Tage dem Arzt vorzustellen.«

»Es ist unbedingt notwendig, daß Sie jeden Tag ein Bad nehmen.«

»Bad Ix hat eine herrliche Luft. Bewegen Sie sich viel in dieser ozonreichen Luft und atmen Sie tief die radioaktive Ixer Luft ein.«

»Die Kurzeit soll eine Arbeitsentlastung für alle Organe sein. Essen Sie daher so wenig wie möglich!«

(Dabei hat man sich mit voller Pension eingemietet.)

Nun kommen in der Broschüre, die anscheinend der Arzt im Einverständnis mit den Hotels und Pensionen gemacht hat, vier Seiten von herrlichen Gerichten, lauter Leibspeisen, die man nicht essen soll. Dann kommt eine halbe Seite von Speisen, die erlaubt sind. 21 Zum Beispiel: Junges Lamm, Ölsardinen, Milch, Topfenkäs, grüne Salate, Zwieback. Sehr zu empfehlen, statt der Mahlzeit die bekannten Ix-Pillen zu nehmen. Große Packung 8 Mark, kleine Packung 4.80 Mark.

Mit anderen Worten, man soll seine volle Pension bezahlen und sich das Essen in der Apotheke holen. Unwillkürlich drängt sich einem die Ansicht auf: Der Doktor, der Apotheker und das Gastronomiegewerbe stecken unter einer Decke. 22

Diese Vorschriften befolgt man selbstverständlich nur die ersten Tage. Bald wird man mit anderen Kurgästen bekannt und bekommt von diesen gute Winke und Ratschläge.

»Mein Herr, ich besuche dieses Bad schon 15 Jahre, ich sage Ihnen, diese Pillen können Sie ruhig wegschmeißen!«

War ich froh, daß ich nur die kleine Packung zu 4.80 gekauft hatte. Doch einige Tage später lernte ich einen sehr freundlichen, alten Herrn kennen, der sagte:

»Ich bin seit 28 Jahren jeden Sommer hier – glauben Sie mir. Sie brauchen keine Bäder, wenn Sie jeden Tag morgens, mittags und abends Ihre Pillen nehmen. Das wirkt am besten. Nehmen Sie gleich die große Packung!«

Der muß es doch wissen, wenn er schon 28 Jahre diese Kur macht. Ich ging in die Apotheke, kaufte die große Packung zu 8 Mark. An der Kasse stand der freundliche alte Herr, der schon 28 Jahre das Bad besucht – es war der Apotheker selber.

Es fällt kein Kurgast vom Himmel, alles muß gelernt sein.

 

Es ist mir aufgefallen, daß dort die Geschäftsleute sehr poetisch sind. Bei einer Jausenstation stand eine Tafel mit folgendem Verslein:

»Wanderer, ruh dich hier ein bißchen aus,
Genieß den Blick, auch etwas Trank und Speise,
Und fühl dich wie bei dir zu Haus:
Wir haben bürgerliche Preise.
« 23

An der Kurpromenade war ein Stand mit Vogelfutter. Unzählige Vögelein flatterten lustig herum und pickten einem von der Hand die Körnlein. Der geschäftstüchtige Futterverkäufer hatte folgendes Verslein angebracht:

»Ich hab die Vöglein für dich dressiert
Drum kauf bei mir 's Futter, damit sichs rentiert.
«
                      (Arisches Geschäft)

Die Verslein scheinen auch nicht von Intellektuellen gemacht worden zu sein. Mir gfalln sie und den beabsichtigten Zweck erreichen sie auch. In der Großstadt nähme man sich nicht Zeit, so was zu lesen, aber ein Kurgast hat so schrecklich viel Zeit, der liest alles.

 

Diplomat

Ein Bauer fährt mit seinem Sohn übern Chiemsee. Mitten auf dem See überrascht sie ein böses Gewitter, die Wellen werfen die Zilln hin und her. In ihrer Angst fangen sie zu beten an, doch der Sturm läßt nicht nach. Der Bauer gelobt eine heilige Messe lesen zu lassen, es hilft nichts. Er verspricht drei Messen – umsonst, die Wellen werden immer größer, da gelobt er eine Wallfahrt nach Lourdes. »Aba, Vatta«, mahnt der Bua, »so vui Geld hamm ma ja gar net!«

»Red net so dumm, wann ma guat drübn san, wern s' scho segn, was kriagn!« 24

 

Der Herr Stationsvorstand

Die Bauernburschen von Hugldaxlfing haben sich eine pfundige Sprungschanze gebaut. Diese wurde an einem schönen Sonntag eingeweiht. Großartig hat alles geklappt, die Hugldaxlfinger sind am allerweitesten gesprungen. Da es im Kreisblattl gestanden ist, sind auch sehr viele Fremde gekommen. Beim untern Wirt habns siebnmazwanzg Hektoliter braucht. Es ist schon was Schönes um an Sport. Die ganze Veranstaltung ist reibungslos verlaufen, nur beim Abtransport der 25 sportbegeisterten Massen stellte es sich heraus, daß ein Organisationsfehler begangen war. Als der Zug mit den drei Waggon in Hugldaxlfing hielt, waren dieselben schon sehr gut besetzt und zirka 100 Personen konnten einfach nicht mehr untergebracht werden. Unter den Sportgästen waren natürlich auch einige Norddeutsche, die tadelten in ihrer bekanntlich harten, beißenden Redensweise diesen Mißstand.

»Eine unglaubliche Schlamperei. Da werden die Leute hierher gelotst, und keen Aaas kümmert sich, wie wir wieder fortkommen. Wir können doch nich hier in diesem Negadorf bleiben?! Hören Sie mal, Herr Stationsvorstand, Sie haben doch gesehen, daß da heute ein außergewöhnlicher Verkehr ist – warum haben Sie nicht Sorge getragen, daß da mehr Wagen angehängt werden? Das müssen Sie doch sehen, daß das viel zu wenig ist?!«

Der Stationsvorstand in Hugldaxlfing war wohl etwas schuldbewußt, doch wollte er dies nicht zugeben. Er verteidigte sich: »Naa, naa, Wägen sans gnua – d'Leut san halt zviel!« 26

 

Frauen können alles!

Anfangslied:
Uns hat das Vaterland gerufen,
Wir folgten diesem Ruf sogleich.
In allen Ämtern und Berufen,
Da stellen wir dem Mann uns gleich.

Wir kennen nichts als unsre Pflicht,
Bestechlich – nein! – das sind wir niemals nicht.
Ja, alles, was sonst macht der Mann,
Beweisen deutlich wir, daß auch die Frau es kann.

Wir sind stets pünktlich und korrekt,
In unserm Dienst, da sind wir ganz perfekt,
Eins haben wir dem Mann voraus:
Wir können schweigen sehr – aus uns bringst nix raus!

(Alle vier fangen zu gleicher Zeit zu reden an)

Postschaffnerin: »Was glauben Sie, was wir von der Post alles hörn und z'sehn kriegn. Wir kommen doch mit unsern Postsachen überall hin. Da erfahrt man Sachen, Sachen, an die man gar nicht denkt. Aber als Beamtin red ich net drüber, oh, da könnt ich ja tagewochenlang erzählen – – –«

Trambahnschaffnerin: »Es gibt wohl nicht leicht eine Stelle, wo man die Leut besser kennen lernen kann, als bei uns in der Trambahn. Da hat man alle Viecher, große und kloane, wie in der Arche Noah – beinanda. Da kann man so seine Betrachtungen machen. O mei, o mei – –« 27

Schalterbeamtin (stößt mit der Zunge an): Wenn man so von der Früh bis abends an seinem Schalter sitzt, da erlebt man ja allerhand. Man möchte es nicht für möglich halten, wie umständlich sich die Leute stellen können. Wenn man sich noch so viel Mühe gibt und den Leuten alles auf das deutlichste erklärt – immer und immer wieder –«

Tankwärterin: »Ich habs ja nia glaubt, daß auf der Welt so vui Unverschämtheit gibt – aber jetzt an meiner Tankstelle, bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß es auf der Welt nichts Ausgschamteres gibt als die Auto- und Motorradfahrer. Was die unsereinem alles zumuten – – – –«

Schalterbeamtin (allein): »Meine verehrten Kolleginnen, wäre es nicht besser, wenn nur eine von uns sprechen würde?«

(Sofort setzen alle drei gleichzeitig ein.)

Postschaffnerin: »Das wollt ich nämlich grad auch sagn. Man versteht ja sonst sein eignes Wort nicht – – –«

Trambahnschaffnerin: »Freili in meim Wagn gehts manchmal aa so zu – da sollst nacha d'Haltestelle ausrufen – – –«

Tankwärterin: »Na ja, weil halt a jedes so vui zum Derzähln hat. Von was das Herz voll ist, laaft der Mund über – – –«

Schalterbeamtin (wehrt mit beiden Armen ab, nachdem Ruhe eingetreten): »Bitte, wer spricht zuerst?« 28

Postschaffnerin: »Also, dann fangen halt Sie an!«

Trambahnschaffnerin: »Was werden Sie schon erlebn in Eahnern Verschlag drinn?«

Tankwärterin: »Bei uns gehts wuid auf. Mir stehen mitten drinn im Handgemenge!«

Schalterbeamtin: »Glauben Sie ja nicht, daß unser Dienst so leicht ist! Das kostet Nerven!«

(Alle drei wieder gleichzeitig.)

Postschaffnerin: »Was wollt da i sagn, den ganzen Tag Stiegn rauf und runter. O mei, o mei – –«

Trambahnschaffnerin: »An meine Nerven derf i gar net denka. Die Leut sind ja so boshaft, die sekieren einem bis aufs Bluat. Gräusli!«

Tankwärterin (fängt etwas später zu sprechen an, damit ihr letzter Satz verstanden wird): »Da graust mir scho, wenn oane mit dö Nervn ofangt. I hab meine Nerven schon lang fürs Winterhilfswerk hergebn.«

Schalterbeamtin (etwas pikiert): »Das hab ich nicht getan, denn ich brauch meine Nerven sehr notwendig. Was man so am Schalter alles anhören muß, Sie machen sich keinen Begriff!«

Trambahnschaffnerin: »Moana S', mir müaßn nix ohörn?« 29

Tankwärterin: »Dö moant, sie alloa reden s' dumm o!«

Schalterbeamtin: »Neulich kommt einer und fragt ganz höflich: ›Bitte, können Sie mir eine Sonntagskarte nach Konstantinopel ausstellen?‹ Es war ein netter, junger Mann, drum hab ich ganz höflich gesagt: ›Nein, das kann ich leider nicht!‹ Darauf sagt dieser unverschämte Lausbub: ›In Ihrem Alter sollten Sie das schon können!‹«

(Die drei andern lachen boshaft.)

Postschaffnerin: »Die Mannsbilder sind ja so frech, die glauben, sie können sich mit uns alles erlauben. Mußt ich da kürzlich einen Einschreibbrief zustellen. Die Adresse lautete: Herrn Josef Maier. Ich läut im dritten Stock, auf dem Türschild steht Josef Maier. Eine Frau macht auf, ich sag zu ihr: ›Ich hab einen Einschreibbrief für Herrn Josef Maier!‹ Drauf sagt sie: ›Ja, gebn S' nur her, das bin ich!‹ Sag ich: ›Sie können doch nicht der Herr Josef Maier sein?‹ ›Nein‹, sagt sie, ›ich bin die Josefa Maier, seine Frau!‹ Gemäß meiner Dienstvorschrift sag ich: ›Ich darf den Brief nur Herrn Maier persönlich abgeben!‹ ›So‹, sagt sie ärgerlich, ›dann gehn S' da hinein!‹ Ich klopf an der Tür, eine Männerstimme ruft: ›Herein!‹ Ich geh hinein, ich hab gedacht, mich trifft der Schlag, steht dieses unverschämte Mannsbild pudlnackert da und rasiert sich grad!«

Schalterbeamtin: »Sie sind doch hoffentlich sofort wieder hinaus? Ich hätte dös gemacht!« 30

Postschaffnerin: »Hinaus bin ich nicht. Ich hab mich umgedreht und ihn gefragt: ›Sind Sie der Herr Josef Maier?‹ ›Freili, das werden Sie doch gsehn habn, daß ich nicht die Frau Maier bin!‹«

Schalterbeamtin: »Sie haben ihn doch gleich angezeigt?«

Postschaffnerin: »O'zoagt hab ich ihn net, er hat mir ja nix getan!« 31

Schalterbeamtin: »Ich hätt mir das nicht bieten lassen!«

Postschaffnerin: »Ja mei, was soll ma da macha?«

Tankwärterin: »So was muß eine schwache Frau über sich ergehen lassen!«

Trambahnschaffnerin: »Was muß i oft anhörn von dö Mannsbuida. Neulich is mir die Stange rausgesprunga, ich habs nicht um alles in der Welt hineingebracht. Was i da alles anhörn hab müaßn!«

Tankwärterin (lacht laut): »Das kann ich mir denka!«

Trambahnschaffnerin: »I hab mi so gschamt, daß i die Stange Stange sei hab lassen, und bin in den Wagen hinein.«

Tankwärterin (neugierig): »Was haben s' denn gsagt?«

Trambahnschaffnerin: »Das kann i net sagn!«

Schalterbeamtin: »Wir sind Beamtinnen, wir reden nicht über dienstliche Sachen.«

Trambahnschaffnerin (ablenkend): »Man muß oft wieder lachen aa. Neulich frag ich einen: ›Wohin bitte?‹ Sagt der: ›Landshut.‹ Sag ich: ›So weit fahrn ma no net. Landshuterallee kann ich Ihnen gebn?‹ – ›Gut, dann gebn S' mir Landshuterallee, dann geh ich halt noch das Stückerl!‹« 32

Schalterbeamtin: »Solche Witze läßt man sich noch gefallen, aber was mir neulich passiert ist. Kommt ein alter Mann – er hat nicht mehr recht gehen können – führt einen kleinen Buben an der Hand und fragt: ›Wann geht der letzte Zug nach Mühldorf?‹ Sag ich: ›Um zwanzig Uhr zweiundzwanzig!‹ Nach fünf Minuten kommt er wieder: ›Bitte, wann geht der letzte Zug nach Mühldorf?‹ ›Um zwanzig Uhr zweiundzwanzig!‹ Es dauert nicht lange, kommt er noch einmal daher gewackelt und frägt wieder. ›Um zwanzig Uhr zweiundzwanzig, schreiben Sie sichs doch auf, wenn Sie es sich nicht merken können!‹ ›Ich woaß schon‹, sagt der alte Kracher, ›aber mei' Enkel hört Sie so gern reden!‹«

Postschaffnerin: »Sachen kann man erleben. Bei Müller & Co., das ist ein Versandgeschäft, die kriegen jeden Tag so viel Post. Neulich in der Früh sag ich zu dem alten Buchhalter: ›Heut hab ich viel Drucksachen!‹ ›Gut‹, sagt er, ›dann bin ich so frei‹ – und fangt bei mir 's Tappn an!‹«

(Die anderen lachen.)

Schalterbeamtin (entrüstet): »Das hat sich bei mir noch keiner erlaubt. Getappt hat noch keiner!«

Tankwärterin: »Das glaub i scho! Wo soll er denn da hintappn? Das is ja noch gar nix gegen das, was ich jeden Tag erleb. Ihr seids Beamte, da traun sie sich doch net so, aber bei mir. Kommt so ein Motorradfahrer daher, ich frag ihn: ›Was beliebt?‹ – Dann 33 gehts los: ›Tun S' mich amal richtig abschmiern!‹ Gut ich schmier ihn ab. ›Sonst noch einen Bedarf?‹ ›Ja, in mein Hintern brauch ich etwas Luft!‹ Nachdem dies geschehen, frag ich: ›Kriegn S' auch Benzin?‹ ›Natürlich, so viel neigeht! Marken hab ich keine!‹ ›Dann darf ich Ihnen nichts geben!‹ ›Nicht? So, dann kannst mich gern haben, Benzintandlerin, stinkete!‹ Hat mich noch a bisserl angestunken, dann hat er mich voll Dreck und Speck stehn lassen! – Aber was willst machen, man muß auf seinem Posten aushalten!«

Schlußgesang:
Uns hat das Vaterland gerufen
Wir folgten diesem Ruf sogleich.
In allen Ämtern und Berufen
Da stellen wir dem Mann uns gleich. 34

 

Der Untröstliche

Ein Mann steht sichtlich gerührt vor einem Grabe, nickt immer mit dem Kopf und murmelt: »Daß jetzt grad du so früh hast fort müssen von der Welt? Grad du!«

Eine Witwe, die in der Nähe steht, hört diese Worte. Neugierig kommt sie näher und hört nochmal:

»Ach ja, grad du hast so früh fort müssen! Grad du, ach!«

Sie kann ihre Neugierde nicht mehr länger zurückhalten und fragt:

»Wer liegt denn da drinn? Ihre Frau?«

»Nein. Der erste Mann meiner Frau!«

 

Nur für scharfsinnige Leser

Andreas Brummer war ein wortkarger Mensch. Ausgerechnet er mußte, weil sein Kollege krank wurde, Schalterdienst machen. Um das viele Reden zu vermeiden, kam er auf die Idee und ließ sich drei Schilder machen. »Ja.« »Nein.« »Ich weiß es nicht.«

Mit diesen drei Schildern hoffte er den Parteiverkehr regeln zu können. Die Praxis lehrte ihn, daß er damit nicht auskam. Schon nach einer Stunde machte er sich ein viertes Schild mit der Aufschrift:

»Sie mich auch!« 35

 


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