Frank Wedekind
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Frank Wedekind

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Erster Aufzug

Georg Sterner schreibt auf dem Drehstuhl am Mittelschreibtisch sitzend einen Brief. Max Bouterweck tritt ein.

Sterner: Was wünschen Sie?

Bouterweck: Geld.

Sterner: Wofür?

Bouterweck: Damit ich heute mittag etwas zu essen bekomme. Damit ich mir ein Paar Stiefel kaufen kann, die ich seit vierzehn Tagen dringend nötig habe.

Sterner: Ich kann doch die Herren nicht gut dafür bezahlen, daß sie sich hier in meinem Geschäft die Zeit vertreiben!

Bouterweck: Ich habe, wenn ich hier war, immer etwas für Sie gearbeitet.

Sterner: Haben Sie das vielleicht nicht bezahlt bekommen?

Bouterweck: Sie haben mir meine vierzig besten Gedichte für hundert Mark abgekauft. Das macht zwei Mark fünfzig pro Stück!

Sterner: Ein anderer Verleger hätte Ihnen nicht einen Pfennig dafür gegeben!

Bouterweck: Aber Sie drucken sie ja doch in Ihrem Blatt!

Sterner: Es tut mir furchtbar leid, Herr Bouterweck, aber Sie kommen an den Unrechten. Ich bin nicht mehr derselbe, der ich in Paris war. Ich muß jetzt endlich verwerten, was ich in Paris gelernt habe. Ich lasse mich nicht mehr ausbeuten. Sie hätten mich zwei Jahre früher kennen lernen müssen. Sie kommen zu spät. Das ist wahrhaftig nicht meine Schuld.

Bouterweck: Geben Sie mir zwanzig Mark Vorschuß auf das politische Gedicht, das Sie bei mir bestellt haben.

Sterner: Zwanzig Mark? – Wieviel bekommen Sie denn für ein politisches Gedicht?

Bouterweck: Dreißig Mark.

Sterner: Und darauf soll ich Ihnen zwanzig Mark Vorschuß geben? –Wer bürgt mir denn dafür, daß wir Ihr Gedicht brauchen können?

Bouterweck: Warum bestellen Sie es denn dann bei mir!

Sterner: Um Ihnen etwas zu verdienen zu geben. Aber wer bürgt mir denn dafür, daß Sie das Gedicht überhaupt fertig schreiben?

Bouterweck: Ich versichere es Ihnen.

Sterner: Sie versichern es mir? Das ist zum Lachen!

Bouterweck: Ich muß Sie dringend ersuchen, darüber nicht zu lachen!

Sterner: Haben Sie denn nicht vorgestern noch dem Justizrat Pinkas telephonisch versichert, daß ich seit acht Tagen nach Paris verreist sei?

Bouterweck (betreten). Ich habe das allerdings getan. Aber Sie haben mich hier doch selber an Ihr Telephon geschickt, damit ich ihm das sage.

Sterner: Sie möchten mir wohl gerne einreden, daß ich den Justizrat Pinkas angelogen habe?

Bouterweck: Sie haben mich hier in diesem Zimmer mit dem Auftrage an Ihr Telephon geschickt!

Sterner: Kurz und gut, wer hat den Justizrat Pinkas angelogen? Sie oder ich?

Bouterweck: Ich.

Sterner: Wie kann ich Ihnen denn dann noch glauben, daß Sie Ihr politisches Gedicht fertig schreiben werden?

Bouterweck: Ich bitte Sie, geben Sie mir die zwanzig Mark. Ich gerate in die schmutzigsten Konflikte . . .

Sterner: Lassen Sie mich doch bitte mit Ihren schmutzigen Geschichten in Ruhe!

Bouterweck: Dann adieu. (Will gehen.)

Sterner (sich erhebend): Sagen Sie mal, Herr Bouterweck, Sie haben doch Harry Gadolfi in Paris gekannt?

Bouterweck: Ich verdanke ihm Ihre Bekanntschaft. Er bezahlte mir hundertundfünfzig Francs pro Monat, damit ich ihm ein Drama über seine Geliebte schreibe.

Sterner: Das hat er Ihnen von meinem Gelde bezahlt.

Bouterweck: Das wußte ich. Er sagte einmal in einem Anfall begeisterter Selbstvergessenheit: Das Geld von Sterner. das fliegt ja nur so in der Luft herum!

Sterner: So war es auch! Er hat mich in zwei Jahren um 750 000 Mark begaunert. – Könnten Sie denn über den nicht vielleicht einmal eine geistvolle satirische Plauderei schreiben?

Bouterweck: Ich habe Ihnen meine besten Erzählungen für Ihren »Till Eulenspiegel« geschrieben. Sie haben sie mir mit dreißig Mark pro Stück honoriert, aber nun möchte ich doch wenigstens gern den Eindruck kennen lernen, den sie im Publikum hervorrufen. Warum veröffentlichen Sie sie nicht! Warum behalten Sie sie monatelang auf Lager! Warum nötigen Sie mich, nichtswürdiges Zeug zu schreiben, das meinen Wert als Schriftsteller in der Öffentlichkeit nur herabsetzt! Wenn Sie wüßten, wie mir dieses ewige ins Uferlose Hinausrudern die Seele vergiftet!

Sterner: Könnte man das nicht zu einem Witz für den »Till Eulenspiegel« verwerten?

Bouterweck: Wenn ich in der Klemme, in der ich stecke, Witze reißen könnte, dann verdiente ich, nie herauszukommen!

Sterner: Sehen Sie, da haben Sie schon beinah einen gemacht! – Ich gebe Ihnen ja gern zu, daß Ihre Erzählungen künstlerisch wertvoller sind, als die Plaudereien, die Sie für den »Till Eulenspiegel« schreiben. Aber darauf pfeife ich doch!

Leona Sterner tritt ein. Sie ist eine junge Frau von zwanzig Jahren. Rote Haare. Äußerst elegante Erscheinung. spricht mit etwas fremdländischem Akzent.

Leona (zu Sterner): Der Bildhauer Weber wartet draußen im Vorzimmer seit anderthalb Stunden auf dich. Er bat mich, dich zu fragen, ob du seine Statue für dreihundert Mark kaufen wollest, oder ob er sie wieder aus unserer Wohnung abholen lassen solle.

Sterner: Ich gehe jede Wette ein, daß er uns seine Statue mit Vergnügen für hundertundfünfzig Mark in unserer Wohnung stehen läßt. Der Rücktransport in sein Atelier kostet ihn ja allein schon mindestens zwanzig Mark. (Ab.)

Leona (zu Bouterweck, der sich an den vom Zuschauer aus links stehenden Schreibtisch gesetzt hat): Haben Sie mir denn jetzt endlich etwas in mein Album geschrieben?

Bouterweck: Nein.

Leona: Sie möchte ich gerne einmal in einem Käfig eingesperrt sehen, so wie man einen Papagei in seinem Käfig vor sich hat.

Bouterweck: Ich sitze in solch einem Käfig, gnädige Frau!

Leona: Gnädige Frau! Die deutsche Höflichkeit klingt plumper als in anderen Sprachen eine Beleidigung.

Bouterweck: Habe ich Sie nach Deutschland geschleppt?!

Leona: Das wäre Ihnen auch schwerlich gelungen! – Wenn ich Sie in dem Papageienkäfig vor mir hätte, dann würde ich Sie von außen mit einer Rute kitzeln und mich darüber freuen, daß Sie mir in Ihrer blinden Wut nichts zuleide tun könnten.

Bouterweck: Ich sitze im Käfig, Sie kitzeln mich mit Ihrer Rute, und ich kann Ihnen in meiner blinden Wut nichts zuleide tun. Sie haben alles, was Sie wünschen. – Übrigens wünschen Sie das nur, weil Sie selber in einem noch viel schlimmeren Käfig sitzen als ich. Und dabei liegen Sie Tag und Nacht auf der Folter! Jeden Abend, den Gott werden läßt, danke ich meinem Schöpfer dafür, daß ich mit Ihrem Manne wenigstens nicht verheiratet bin.

Leona: Wie kommen Sie dazu?

Bouterweck: Weil Sie ein Rasiermesser geheiratet haben!

Leona: Hm – vorgestern abend sahen wir Sie in der Anglo-American-Bar mit dieser Frau Washington zusammensitzen. Oder waren Sie es vielleicht nicht?

Bouterweck: Doch, ich war es.

Leona: Ich fragte mich: Wie kann sich ein anständiger Mensch nur mit solch einer Person zusammensetzen. Ich bin wahrhaftig nicht kleinlich. Ich begreife, wie ein Mann ein Mädchen von der Straße mit nach Hause nimmt. Aber das Mädchen muß doch wenigstens Geschmack haben. Das Mädchen muß doch wenigstens ein richtig gehendes Menschenkind sein.

Bouterweck: Sie urteilen über andere Frauen so streng, weil Sie jede andere Frau um das grenzenlose Glück beneiden, daß sie nicht mit Georg Sterner verheiratet ist.

Leona: Wenn Sie wüßten, wie viele andere Männer ich hätte heiraten können!

Bouterweck: Das weiß ich. Ich weiß auch, daß Sie Ihren Mann durchaus nicht etwa seines unermeßlichen Reichtums wegen geheiratet haben. Aber als die Tochter einer unserer größten Berühmtheiten hatten Sie von Kindheit auf nur Menschen um sich, die Schönheit und Seelenadel zu verehren gewohnt waren und die gerade Ihnen deshalb die größte Verehrung entgegenbrachten. Von all diesen Verehrern haben Sie keinen genommen, sondern den ersten, der Sie wie einen Dienstboten anschnauzte und in dem Sie deshalb einen Halbgott sahen, an dem eine Frau Zeit ihres Lebens mit Begeisterung emporblicken kann. – – Im Vertrauen kann ich Ihnen übrigens mitteilen, daß der Plan, die schöne Tochter Ole Olestiernas zu heiraten, ursprünglich gar nicht von Georg Sterner stammt, sondern von seinem Freunde Harry Gadolfi, dem im entscheidenden Augenblick nur das nötige Kleingeld dazu fehlte, so daß ihm Georg Sterner Sie noch gerade rechtzeitig vor der Nase wegschnappen konnte.

Leona: Sie haben diesen Hochstapler also auch gekannt?

Bouterweck: Der wäre ein Mann nach Ihrem Geschmack!

Leona: Schreiben Sie mir jetzt etwas in mein Album!

Bouterweck: Nein.

Leona: Warum nicht?

Bouterweck: Ich kann Ihnen in Ihr Album schreiben, was ich will, Ihr Mann wird über das, was ich geschrieben habe, irgendeinen ekelhaften Witz machen. Dafür danke ich doch!

Leona: Dann schreiben Sie nur Ihren Namen.

Bouterweck: Wozu denn?

Leona: Ich bitte Sie darum.

Bouterweck: Meinetwegen! Wo habe ich denn das Buch? – Hier in der Tischlade. (Er nimmt das Album aus der Tischlade, schreibt seinen Namen hinein, trocknet die Schrift mit dem Löscher und gibt Leona das Buch zurück.) So! Nun lassen Sie mich aber damit in Frieden.

Leona: Ich danke Ihnen.

Bouterweck: Bitte, es war mir eine Ehre.

(Sterner kommt durch die Flurtür zurück.)

Sterner (zu Leona). Was hast du denn da? (Zu Bouterweck): Ach, Sie haben meiner Frau etwas in ihr Album geschrieben. Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Darauf bin ich wirklich neugierig. (Seiner Frau das Album abnehmend): Laß doch mal sehend Wo ist denn das? Hier – So, Sie haben nur Ihren Namen hineingeschrieben. Hm. (Pfiffig): Dazu sind Sie aber doch wohl noch nicht berühmt genug! (Zu seiner Frau, ihr das Buch zurückgebend): Denke dir, Leona, eben ist unser Automobil verunglückt. Ich sehe schon die Zeit kommen, wo sich die Leute der Gesellschaft nach wie vor ganz einfach ihre Equipage halten . . .

Bouterweck (ist aufgestanden und verbeugt sich kurz). Ich empfehle mich. (Ab.)

Sterner (ihm nachsehend): Na endlich!

Leona: Du bist ein abscheulicher Mensch.

Sterner: Wie kannst du denn wissen, ob ich mich nicht bessern werde?

Leona: Ich hoffe immer noch darauf.

Sterner: Na also! Dann ist ja alles in Ordnung.

Leona: Für dich vielleicht. Für mich nicht. Ich frage mich jeden Tag, durch welches Verbrechen ich die Strafe verdient habe, daß ich den Mann, den ich geheiratet habe, für einen abscheulichen Menschen halten muß.

Sterner: Dann heirate einen andern!

Leona: Georg! Das ist der Weg nicht, der zwei Menschen zu ihrem Glück führt. Wir leben erst seit sechs Monaten zusammen. Es ist daher ganz selbstverständlich, daß wir in vielen Dingen nicht miteinander einverstanden sind. Ich habe dich aus freiem Willen geheiratet. Wenn ich auch erst achtzehn Jahre alt war, so wußte ich doch, was ich tat. Bin ich nicht zufrieden, dann mache ich nur mich dafür verantwortlich. Ich habe mich gefragt, woher es denn kommt, daß ich dich manchmal so abscheulich finde. Ich sagte mir: das kommt nur daher, daß meine Liebe zu dir nicht groß genug ist. Meine Liebe zu dir muß größer werden. Ich muß dich immer mehr und mehr lieben. Ich darf mir nicht eher Ruhe gönnen, als bis meine Liebe zu dir so groß ist, daß ich gar nichts Abscheuliches mehr an dir bemerke. – Das ist die Aufgabe meines Lebens.

Sterner: Haben wir heute vielleicht ein Dienstmädchen zu Hause?

Leona: Nein, bis jetzt noch nicht. – Aber dann habe ich noch eine andere Pflicht, nicht mir, sondern dir gegenüber. Mein Vater ist glücklicherweise der edelste Mensch, der auf Erden lebt. Seine Gedichte sind bis jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzt worden. Ich werde sie dir übersetzen, nur für dich allein, um dich dadurch zu veredeln. Ich übersetze sie natürlich nicht in Versen, sondern nur in Prosa. Ich werde dir jeden Abend, nachdem wir zu Bett gegangen sind, ein Gedicht meines Vaters übersetzen. – Oder glaubst du, daß dir das zu viel Zeit wegnimmt?

Sterner: Gott bewahre! Warum soll ich mich denn nicht veredeln lassen! – Aber warum haben wir denn kein Dienstmädchen zu Hause? Wir müssen heute abend eine Gesellschaft geben.

Leona: Das geht mich nichts an. – Jetzt frage ich dich: Warum hast du mir nicht von vornherein gesagt, daß dein Freund Harry Gadolfi dich auf den Gedanken gebracht hatte, mich zu heiraten?

Sterner: Das hat dir niemand anders als dieser verdammte Bouterweck erzählt! Warum, zum Henker, sollte ich dich denn nicht heiraten! Meine Schwester hatte mir eben dreißigtausend Mark geborgt, damit ich den »Till Eulenspiegel« begründen konnte. Ich habe das Blatt schließlich doch auch ganz regelrecht ins Leben gerufen!

Leona: Ich schäme mich nicht, dir offen einzugestehen, daß ich dich an dem Abend, als du mich auf dem Bahnhof in Berchtesgaden eine alberne dumme Gans nanntest, für einen Millionär von unerschöpflichen Mitteln hielt.

Sterner: Sind wir denn vielleicht bis jetzt nicht auch immer erster Klasse gefahren?! – Wirft der »Till Eulenspiegel« nicht genug ab, dann schätzt meine Schwester sich glücklich, sich mit ihrem ganzen Vermögen dabei zu beteiligen. Sie hat ihr väterliches Erbteil überhaupt noch gar nicht angegriffen!

Leona: Und du hast dir das deine in Paris von deinem Freunde Harry Gadolfi aus der Tasche holen lassen!

Sterner: Das hat nichts zu sagen. Wir haben einen Kontrakt abgeschlossen, wonach er mir die Hälfte davon ratenweise wieder zurückzahlen muß. Er hat mir das Verlagsrecht seiner lyrischen Gedichte dafür verpfändet.

Leona: Mit anderen Worten: Wir sitzen auf dem trocknen. Das erschreckt mich nicht. Aber du mußt mich an deiner Arbeit teilnehmen lassen. Ich will nicht müßig zu Hause sitzen. Gib mir irgend etwas zu tun. Ich kann die einlaufenden Manuskripte ebensogut ungelesen zurückschicken, wie deine anderen Mitarbeiter das tun.

Sterner: Ich habe gar nichts dagegen, daß du dich hier zu beschäftigen suchst. Großen Schaden kannst du ja doch nicht anrichten.

Leona: Ob ich Schaden anrichten kann oder nicht, darum handelt es sich nicht. Ich will nützlich beschäftigt werden! Ich will das Geld, das ich dich koste, selbst verdienen. Ich will mich nicht von dir aushalten lassen. Wenn du mir nichts zu tun gibst, dann suche ich mir in einem anderen Geschäft eine Anstellung.

Sterner (geht zu dem vor dem Privatkabinett stehenden Seitenschreibtisch): Bitte, bitte! Hier liegen ganze Haufen von Korrekturen, die notwendig durchgesehen werden müssen. Ich weiß nicht, ob du so viel Deutsch verstehst. Aber wenn du sie durchsehen willst, dann erfahre ich vielleicht endlich einmal, weswegen sie hier herumliegen.

(Leona nimmt hinter dem vom Zuschauer aus rechts stehenden Seitenschreibtisch Platz.)

Sterner: Übrigens ist das gar nicht so schlimm mit unserer Verarmung. Ich habe eine neue Redaktionsmethode für den »Till Eulenspiegel« erfunden, durch die man in wenigen Jahren unfehlbar Millionär werden muß. – Da kommen unsere Maler und Schriftsteller!

Durch die Flurtür treten Dr. Kilian, Kuno Konrad Laube, Burry und v. Tichatscheck herein, alle mehr oder weniger dürftig gekleidet, Dr. Kilian mit kurzer Stummelpfeife, Laube mit sorgfältig gescheiteltem schwarzen Haar, Burry mit langen Künstlerlocken, v. Tichatscheck mit Monokel, Laube, Burry und v. Tichatscheck tragen Zeichnungsmappen unter dem Arm, Dr. Kilian hält ein Manuskript in der Hand.

Dr. Kilian (aufgebracht zu Sterner): Sie tun sich wohl einbilden, wir seien eine verlaufene Viehherde, daß Sie uns zwei Stunden vor Ihrem Bureau da draußen warten lassen?

Sterner: Ich hatte bis jetzt wichtigere Dinge zu erledigen. Entschuldigen Sie bitte noch einen Augenblick. (Gedämpft zu Leona): Mit diesem Kilian mußt du immer so freundlich wie nur irgend möglich sprechen!

Leona (gedämpft): Mit diesem groben Zyklopen soll ich freundlich sprechen!

Sterner (ebenso): Gerade weil er so grob ist! Ich werde dann geschäftlich um so leichter mit ihm fertig. (Laut): Du kennst die Herren doch?

(Leona nickt mit dem Kopf, die Herren verbeugen sich.)

Laube: Guten Tag, Frau Sterner. Sie sehen heute ganz bezaubernd angegriffen aus. (Zu Sterner, seine Mappe öffnend): Ich bringe Ihnen da die Zeichnung zu dem wundervollen Auferstehungsgedicht, das keiner von uns verstanden hat.

Sterner: Das ist einfach grandios! Das haben Sie wohl sehr rasch gezeichnet? (Er zeigt das Blatt seiner Frau.) Sieh mal, Leona, diese prachtvolle Farbenwirkung! (Zu Laube): Schade, daß wir die Zeichnung nicht verwenden können. Das Auferstehungsgedicht ist zu altmodisch für den »Till Eulenspiegel«.

Laube: Wenn Sie etwas Zeitgemäßeres haben wollen, dann lassen Sie vielleicht eine Elegie über einen Börsenkrach dazu schreiben.

Sterner: Das ist vorderhand nicht notwendig. Ich behalte die Zeichnung trotzdem. (Er legt sie beiseite.) Nun, Burry, was haben Sie denn da?

Burry (zieht eine Zeichnung ans seiner Mappe): Ich habe hier den Witz illustriert, den ich Ihnen das letztemal vorgelesen habe.

Sterner (betrachtet die Zeichnung und rümpft die Nase): Hören Sie mal, Sie riechen aber stark aus dem Mund.

Burry: Ich rieche nur deshalb aus dem Mund, weil ich einen verdorbenen Magen habe.

Sterner: Sie haben wohl wieder zuviel Austern gegessen?

Burry: Nein, ich habe nicht zuviel Austern gegessen. Ich habe seit acht Tagen überhaupt nichts gegessen. Das ist eben der Grund, weshalb ich einen verdorbenen Magen habe.

Sterner: Diese Zeichnung haben Sie mir aber doch schon einmal gebracht?

Burry: Ich habe Ihnen die Zeichnung schon zehnmal gebracht. Und ich werde Ihnen die Zeichnung noch hundertmal bringen, wenn Sie so blödsinnig sind, daß Sie die Unterschiede nicht merken.

Sterner: Den Unterschied merke ich wohl. Das letztemal hatte die alte Dame im Hintergrund einen anderen Hut auf. Aber ich möchte nicht, daß Sie deshalb in Geldverlegenheit geraten. Ich werde Ihnen die Zeichnung trotzdem abkaufen. (Er legt sie beiseite.) Und Sie, Tichatscheck, haben Sie auch etwas Neues?

v. Tichatscheck (überreicht Sterner mit verbindlichem Lächeln eine Zeichnung): Ich fand noch gar keine Gelegenheit, mich zu erkundigen, wie Ihnen unser letzter geselliger Abend bekommen ist. Ihre verehrte Frau Gemahlin wird schon verzeihen, daß ich, wenn der Ausdruck in Damengesellschaft gestattet ist, so stinkbesoffen war.

Sterner (das Blatt betrachtend): Das ist wohl die Zeichnung zu Dr. Kilians Erzählung? – Nun, Kilian, wie finden Sie die Zeichnung?

Dr. Kilian: Als ehrlicher Mann muß ich Ihnen sagen: Zum Speien! Tut unser wackerer Herrgott solchen Kehricht in die Welt setzen? Sind das fühlende Menschenseelen? Tut sich das jemals eins hinter die Ohren haun?

Sterner: Seien Sie unbesorgt, Herr von Tichatscheck. Ich will Ihnen die Zeichnung trotzdem bezahlen. (Er legt sie beiseite.) Vielleicht können wir sie einmal für eine andere Erzählung verwenden.

Dr. Kilian (legt sein Manuskript auf den Mittelschreibtisch): Hier ist dann meine Erzählung von dem dreiarmigen Gletscherbauern. Tut Ihnen was daran mißfallen, dann lassen Sie sich Ihre Sachen in Zukunft gefälligst von diesem Herrn Bouterweck herstellen.

Leona (von ihrem Platz aus): Meinen Sie nicht, Herr Doktor, daß Sie sich etwas liebenswürdiger ausdrücken würden, wenn Sie Ihre Geschäftsangelegenheiten mit mir zu erledigen hätten?

Dr. Kilian: Was wollen Sie damit sagen?

Leona (erhebt sich und geht auf ihn zu): Ich glaube, daß Sie im Grunde Ihrer Seele der kindlichste Mensch sind, an dem eine junge Frau ihre helle Freude haben könnte.

Dr. Kilian: Tun Sie sich das nur ja nicht einfallen lassen, wenn Sie nicht wünschen, daß ich Sie auf die Kirchweih lade! Sie sind schon so ein Vampyr, bei dem sich ein gesunder junger Mann in vier Wochen die Lungen- und die Rückenmarksschwindsucht holt.

Leona (zu Sterner): Mir scheint, Georg, ich bin hier doch wohl nicht ganz an meinem richtigen Platz. Auf Wiedersehen!

Sterner: Auf Wiedersehen! Es ist nicht so leicht, an einer satirischen Zeitschrift mitzuarbeiten.

(Leona durch die Flurtür ab.)

Sterner: Ich möchte den Witz gerne noch einmal hören, Burry, zu dem Sie Ihre Zeichnung gemacht haben. Ich möchte sehen, ob er auch gut ist.

Burry (nimmt ein Stück Papier aus der Tasche und liest mechanisch): Auf der Festwiese. – Was fällt denn Ihnen ein, Herr Maier? Geht es denn wirklich schon so schlecht, daß Sie mit Luftballons hausieren müssen?

Sterner: Na? Und?

Burry (liest weiter): Jesus, nein! Das geschieht nur meiner Gicht zuliebe. Der Herr Doktor hat mir recht viel Bewegung verschrieben, und da hausiere ich halt mit Luftballons, nur damit die Füße nicht so viel zu tragen haben.

(Sterner biegt sich vor Lachen.)

Burry: Was finden Sie dabei zu lachen? Ich verbitte mir das dumme Gelächter von Ihnen! Sie denken, Sie haben einen Lausbuben vor sich! Dieser Witz ist meine ehrliche Arbeit. Wenn Sie sich einbilden, daß Sie sich über meine Witze lustig machen können, dann schlage ich Ihnen die Zähne in den Rachen!

Sterner (ganz trocken): Sie tun mir unrecht, lieber Herr Burry. Ich lachte gar nicht über Ihren Witz. Ich lachte im Gegenteil, weil ich Ihren Witz nicht verstanden habe.

Burry: Sie scheinen zu glauben, daß die Leser des »Till Eulenspiegel« ebenso ungebildete Menschen sind wie Sie!

Laube: Für die besseren Witze könnte man ja in der Annoncenbeilage des Blattes jeweilen eine ausführliche Erläuterung erscheinen lassen.

Sterner: Wenn ich einen Witz mache, dann geht es mir nämlich immer gerade umgekehrt wie Herrn Burry; dann lacht immer alle Welt darüber, während ich ihn selbst nicht verstehe. Ich habe schon als kleiner Junge in der Schule immer die glänzendsten Witze gerissen. Ich brauchte nur den Mund aufzutun, dann brach schon die ganze Klasse in homerisches Gelächter aus. Ich habe nie begriffen, weswegen gelacht wurde. Aber ich sagte mir damals schon: Damit kannst du noch einmal dein Glück machen!

v. Tichatscheck: Ich finde, für Witze gibt es gar kein reicheres Jagdgebiet als die feine Damenunterwäsche. In der feinen Wäsche galanter Damen jage ich mit der gleichen Leidenschaftlichkeit nach Witzen, mit der andere Kavaliere darin nach Flöhen jagen.

Sterner: Übrigens kommt es bei einem Witz auch gar nicht so sehr darauf an, daß man ihn versteht. Es kommt einzig und allein darauf an, daß möglichst viel über ihn gesprochen wird.

Burry: Wenn ich zu einem Witz eine ganzseitige Zeichnung mache, dann wird von einem Ende der Welt bis zum andern darüber gesprochen.

Sterner: Was Sie sich auf Ihre Zeichnerei alles einbilden, das finde ich einfach hahnebüchen.

v. Tichatscheck: Man müßte jeweilen den glänzendsten Witz einer jeden Nummer irgendeiner galanten Dame mit waschechter Tinte auf den Leib schreiben.

Sterner: Ach Unsinn! Mir scheint, meine Herren, Sie haben heute alle Ihren Erfindungsgeist zu Hause gelassen.

Dr. Kilian: Dann tun Sie uns doch einmal selber sagen, wie Sie es anstellen wollen, daß möglichst viel über unsere Witze gesprochen wird.

Sterner: Wozu, meine Herren, hat denn Gott im Himmel den Staatsanwalt geschaffen? Der Staatsanwalt muß dafür sorgen, daß jedermann von unseren Witzen spricht. Ich bitte Sie, wozu ist denn der Staatsanwalt sonst auf der Welt, als daß er uns hilft, den »Till Eulenspiegel« zu einem Weltblatt zu machen.

Dr. Kilian: Wollen Sie uns nicht vielleicht etwas genauer auseinandersetzen, wie Sie sich das vorstellen tun?

Sterner: Gott im Himmel, was sind das für schwerfällige Menschen! – Man bringt ein Zeitungsblatt nun einmal nicht durch Kunst oder Literatur in die Höhe. Man bringt ein Zeitungsblatt lediglich durch gerichtliche Konfiskationen in die Höhe! Man bringt ein Zeitungsblatt nur dadurch in die Höhe, daß man es alle drei Wochen einmal aus diesem oder jenem Grunde durch den Staatsanwalt konfiszieren läßt. Der Mann wartet ja Tag und Nacht nur darauf, daß wir ihm durch irgendeinen Witz, durch irgendein Gedicht, durch irgendeine Erzählung Gelegenheit geben, Reklame für uns zu machen und unsere Abonnentenzahl um das Dreifache zu vermehren.

v. Tichatscheck: Und kommt es dann zum Prozeß und wir werden eingesperrt?

Laube: Dann nehmen Sie einfach ein Paar mit Spitzen besetzte Damenbeinkleider mit ins Gefängnis. Dann fühlen Sie sich in Ihrer Zelle so glücklich wie in einem türkischen Harem.

Burry: Meinetwegen wäre es mir schließlich gleichgültig. Aber meinen Zeitgenossen tue ich das nicht an, daß ich mich einsperren lasse.

Sterner: Ihnen, meine Herren, kann ja aber nicht das geringste geschehen. Sie unterzeichnen doch Ihre Witze nicht. Für Ihre Witze habe ich als Herausgeber einzutreten; und ich würde, aufrichtig gesagt, ganz gern einmal sechs Monate im Gefängnis sitzen. Warum denn auch nicht, wenn es durchaus sein muß! So viel ist mir der »Till Eulenspiegel« schon wert!

Dr. Kilian: Das heiße ich noch männlich und ehrenhaft geredet! (Zu den andern): Ich begreife euch überhaupt nicht, weshalb ihr euch so gottserbärmlich fürchten tut! Hätte denn einer von euch ohne den »Till Eulenspiegel« etwas Warmes zu essen?!

Sterner: Eines, mein lieber Herr von Tichatscheck, muß ich Ihnen allerdings sagen: Wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit ins Gefängnis zu wandern, wäre mir nicht gerade das willkommenste. Wollen Sie mich durchaus durch einen unanständigen Witz ins Gefängnis bringen, in Gottes Namen, ich gehe natürlich mit Vergnügen hinein . . .

v. Tichatscheck: Herr Sterner haben nichts zu befürchten. Meine Witze werden in Zukunft nur noch von Palmenblättern und von Schwimmhosen handeln.

Sterner: Unvergleichlich erfreulicher, mein lieber Herr Burry, wäre es mir, wenn ich wegen Gotteslästerung, wegen Vergehens gegen die Religion, wissen Sie, mit einigen Monaten bestraft werden könnte.

Burry: Gotteslästerung? Das sind Witze über die Heilige Schrift? Darauf verstehe ich mich. – Wenn es Ihnen darauf ankommt, dann können Sie Ihr ganzes Leben lang von einem Zuchthaus ins andere wandern.

Sterner: Sie brauchen sich nicht gerade damit zu beeilen. – Am liebsten, mein verehrter Herr Laube, – ich habe mir das von jeher sehnlichst gewünscht! – möchte ich allerdings wegen Majestätsbeleidigung eingesperrt werden.

Laube: Wegen Majestätsbeleidigung? – Gewiß! – Eine Majestätsbeleidigung wäre dann für den »Till Eulenspiegel« ungefähr dasselbe, was für ein Pferd eine heiße Kartoffel ist.

Sterner: Könnten Sie im »Till Eulenspiegel« nicht einmal ein paar leichtverständliche Witze über das Staatsoberhaupt veröffentlichen?

Laube: Über das Staatsoberhaupt? – Kartoffeln sind teuer, mein verehrter Herr Sterner. Und außerdem gibt es mehr kalte Kartoffeln, als es heiße Kartoffeln gibt. Heiße Kartoffeln sind teurer als kalte Kartoffeln. Es kommt darauf an, was Sie anlegen wollen.

Sterner: Ich bezahle Ihnen unbesehen die höchsten Preise, die Sie fordern. Wozu ist denn ein Staatsoberhaupt anders da, als daß es uns den »Till Eulenspiegel« zu einem Weltblatt machen hilft!

Laube: Selbstverständlich! Warum sollen sich auch die Weltmächte nicht gegenseitig hilfreich unter die Arme greifen!

Burry (zu Laube): Wenn Sie noch ein einziges Wort sagen, dann schlage ich Sie zu Boden!

Laube: Was haben Sie denn?

Burry (von Dr. Kilian mühsam zurückgehalten): Ich schlage Sie zu Boden, wenn Sie nicht still sind!

Dr. Kilian (zu Burry): Machen Sie doch bitte, daß Sie nach Hause kommen! (Zu den andern): Der Burry ist nämlich ein Duzbruder vom Ohm Krüger und vom Präsidenten Roosevelt. Er kann über Staatsoberhäupter nicht so geschäftsmäßig reden hören.

Burry (nach Laube ausholend): Ich schlage den Kerl zu Boden!

Dr. Kilian (ihn zur Tür drängend): Trollen Sie sich nach Hause! Sie tun uns hier den ganzen »Till Eulenspiegel« über den Haufen werfen! Sie Kalmückenfürst!

Burry: Ich schlage den Kerl . . .

Dr. Kilian (ihn hinausdrängend): Hinaus mit Ihnen!

Sterner: Schade, daß Sie ihn hinausgeschmissen haben. Ich wollte ihn gerade zum Abendessen einladen.

Dr. Kilian: Wenn Sie sich so arg nach ihm sehnen tun, dann kann ich es ihm ja ausrichten. Wir wohnen bei derselben Vermieterin.

Sterner: Auf Sie, meine Herren, darf ich heute abend doch auch rechnen? Ich bitte Sie nur um alles: Machen Sie keine großen Umstände! Nur keinen Frack und keine weiße Binde! Ganz einfach, wissen Sie: Schwarzer Gehrock und graugestreifte Beinkleider!

v. Tichatscheck: Könnte man zu dem schwarzen Gehrock nicht vielleicht eine weiße Weste anziehen? Ich habe meine weiße Weste vor acht Tagen schon einmal angezogen und müßte sie doch sowieso nächste Woche in die Wäsche geben.

Sterner: Wenn es Ihnen Spaß macht, dann ziehen Sie nur ruhig Ihre weiße Weste an. – Sagen Sie mir, wie geht es denn dem Burry eigentlich so im allgemeinen?

Dr. Kilian: Wie es dem Burry so im allgemeinen gehen tut? – Dem armen Hungerleider geht es, seit er auf dieser Welt ist, ganz saumäßig elend.

Sterner: Ihnen, meine Herren, geht es doch aber auch nicht gerade sehr glänzend! (v. Tichatscheck die Hand reichend): Also, Tichatscheck, vergessen Sie den Staatsanwalt nicht!

v. Tichatscheck: Ganz wie Sie wünschen, Herr Sterner. Ich habe die Ehre, mich ergebenst zu empfehlen. (Durch die Flurtür ab.)

Sterner: Sagen Sie mir, wie geht es denn dem Tichatscheck eigentlich so im allgemeinen?

Laube: Freiherr von Tichatscheck kann nicht verhungern, weil er in einer Beziehung nämlich der fleißigste Arbeiter ist. Ich kenne niemanden, der so viel Damenbekanntschaften hat wie er.

Sterner (sich die Hände reibend): Das ist eine glänzende Veranlagung! Der Bouterweck läßt sich seit einiger Zeit auch von seiner Geliebten aushalten. (Laube die Hand reichend): Also, Laube, vergessen Sie den Staatsanwalt nicht.

Laube: Vergessen Sie lieber die teuren Zeiten nicht! – Sobald ich zur Tür hinaus bin, fragen Sie dann natürlich: (Sterner kopierend): Wie geht es denn dem Kuno Konrad Laube eigentlich so im allgemeinen.

Sterner: Wie kommen Sie auf den seltsamen Einfall? Sie sind doch nicht Burry oder Tichatscheck! – Bringen Sie heute abend bitte Ihren Mops mit, damit wir etwas haben, worüber wir sprechen können.

Laube: Aus Wiedersehen! (Durch die Flurtür ab.)

Sterner: Nun, Kilian, was wollten Sie mir sagen?

Dr. Kilian: Dieser Kuno Konrad Laube ist nämlich ein Mensch, wissen Sie – tun Sie sich abends mit einer Giftnatter in Ihr Bett legen, dann sind Sie Ihres Lebens sicherer, als wenn Sie mit dem am hellichten Tag in ein und demselben Gasthaus zusammen sitzen. Geben Sie diesem Kuno Konrad Laube so viel Geld, wie er von Ihnen verlangt, dann tut der seinem eigenen schlafenden Vater kaltblütig eine eiserne Hutnadel ins Herz bohren.

Sterner: Sagen Sie mir, wie geht es Ihnen denn eigentlich so im allgemeinen?

Dr. Kilian: Ich bin ein Mensch, wissen Sie – wenn Sie mir heute ein Geheimnis anvertrauen und im nächsten Moment tut Sie der Schlag treffen, dann kommt das Geheimnis binnen heute und fünfundzwanzig Jahren nicht über meine Lippen. Ich bin ein Mensch, wissen Sie – wenn mir so einer von der Sorte vor Augen kommt, die über das Mein und das Dein nicht richtig Bescheid wissen, dann tut mich eine solche Wut anpacken, daß ich den Kerl am Kragen fasse und ihn würge, bis er veilchenblau im Gesicht werden tut. Solch ein Mensch bin ich.

Sterner (Dr. Kilian die Hand reichend): Um acht Uhr also! Sie kommen doch auch?

Dr. Kilian: Haben Sie für ausreichende Getränke gesorgt?

Sterner: Sie finden Bier, Wein, Sekt – alles, was Sie wünschen.

Dr. Kilian: Dann bin ich pünktlich.

Sterner: Was ich noch sagen wollte: Vergessen Sie den Staatsanwalt nicht!

Dr. Kilian: Das werde ich mir überlegen. – (Durch die Flurtür ab.)

Sterner (allein, zieht sein Portemonnaie aus der Tasche und leert es in die offene Hand): Drei Mark fünfundsiebzig Pfennige und kein Dienstmädchen zu Hause. Nimmt mich wunder, wovon ich heute abend die Gesellschaft gebe.


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