Edgar Wallace
Die gefiederte Schlange
Edgar Wallace

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19

Peter Dewin machte die Erfahrung, daß es nicht immer leicht war, freundschaftliche Verbindungen mit Scotland Yard aufrechtzuerhalten. Er saß bescheiden im Büro von Oberinspektor Clarke, der ihm gerade einen Vortrag hielt.

»Es ist Ihnen doch bekannt, Dewin, daß Sie mir jede neue Einzelheit mitteilen müssen. Ich habe Ihnen eine der besten Geschichten zugeschoben, die es je gab, und Sie . . .«

»Ich habe Sie holen lassen, um Lightfoot zu verhören«, unterbrach ihn Peter höflich, »und Ihnen damit eine ganz neue Seite der Sache gezeigt.«

»Eine nicht besonders ergiebige«, brummte Clarke. Aber dann wurde er liebenswürdiger. »Nun, Dewin, Sie wissen doch noch einiges – was haben Sie mir vorenthalten?«

»Es gibt viele Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben«, sagte Peter herausfordernd. »Da ist zum Beispiel die Geschichte mit dem einsamen Haus in Epping Forest, dann die Sache mit dem goldenen Siegelring, weiter dieser mysteriöse Harry – der Barmann, der bei Joe Farmer angestellt war und zwei Tage vor William Lanes Verhaftung unter eigenartigen Umständen aus England verschwand. Dann vor allem William Lane selbst, der in Thatcham bei einem Unfall ums Leben gekommen sein soll und plötzlich am Grosvenor Square wieder auftauchte – offenbar ein vollkommener Verbrecher, der jede Möglichkeit voraussieht und auf alles vorbereitet ist.«

»Da Sie gerade von William Lane sprechen«, sagte Clarke, »ich habe alle Angaben über ihn zusammenstellen lassen. Danach wurde er einige Tage nach seiner Entlassung aus Dartmoor von einem Auto überfahren und getötet.«

Peter Dewin schüttelte den Kopf.

»Er ist nicht tot. Harry, der Landstreicher, der nicht identisch mit Harry, dem Barmann ist, William Lane und der kleine Hugg hielten sehr eng zusammen. Lane versuchte aber bald, seine beiden Gefährten loszuwerden. Wahrscheinlich ist ihm das auch gelungen, und ich glaube, daß er jetzt irgendwo in London lebt. Er hat den Mann, der als Hauptzeuge gegen ihn auftrat, bereits erledigt.«

Clarke nickte zustimmend.

»Bis hierher kann ich Ihrer Theorie folgen, Dewin, aber was ist mit Harry, dem Barmann?«

Doch darüber konnte auch Peter keine Auskunft geben. Er verabschiedete sich rasch von Clarke und fuhr in sein Büro. Dort erfuhr er, daß Daphne ihn mehrmals angerufen hatte. Er wollte gerade den Hörer abheben, um ihre Nummer zu wählen, als sein Telefon läutete. Eine aufgeregte Stimme rief seinen Namen.

»Ist dort Mr. Dewin? – Hier Gregory Beale. Könnten Sie vielleicht heute abend gegen neun Uhr zu mir kommen? Ich bin sehr beunruhigt – es klingt unglaublich, aber ich habe auch eine von diesen seltsamen Karten bekommen!«

Einen Augenblick war Peter Dewin fassungslos.

»Doch nicht etwa eine Karte von der gefiederten Schlange?«

»Leider ja. Ich habe Oberinspektor Clarke schon Bescheid gesagt. Er wird ebenfalls heute abend bei mir sein. Soviel ich weiß, bearbeitet er ja den Fall Farmer.«

Nachdenklich legte Peter den Hörer auf und vergaß ganz, Daphne anzurufen.

Er setzte sich an seine Schreibmaschine, aber der Artikel, an dem er arbeitete, wollte ihm nicht gelingen. Als er die erste Seite durchgelesen hatte, fand er sie so schlecht, daß er sie wütend in den Papierkorb feuerte. Dann begann er von neuem, aber auch der zweite Versuch mißlang. Schließlich ging er zum Nachrichtenredakteur und erklärte ihm, daß er heute nichts zustande brächte.

»Vielleicht kann ich eine ordentliche Geschichte schreiben, wenn ich bei Mr. Beale gewesen bin«, sagte er. »Vorläufig bin ich viel zu nervös dazu.«

Als er die Treppen zu Mr. Beales Haus hinaufstieg, sah er einen untersetzten, kräftigen Mann, der eben auf die Türklingel drückte. Mr. Beale öffnete selbst.

»Darf ich Ihnen Mr. Holden, meinen Rechtsanwalt, vorstellen?« sagte Mr. Beale zu Dewin.

Dann führte er sie beide in das Zimmer, in dem Daphne tagsüber gearbeitet hatte.

»Wir warten am besten, bis Mr. Clarke kommt«, begann er gerade, als es wieder klingelte. Er ging zur Tür, um den Polizeibeamten hereinzulassen.

Der Reporter stellte fest, daß Mr. Gregory Beale ziemlich aufgeregt war. Seine Bewegungen wirkten fahrig, und auch seine Stimme klang nicht so sicher wie sonst.

»Die Angelegenheit gibt mir wirklich zu denken«, sagte der Gelehrte, als er die Karte mit dem Bild der gefiederten Schlange aus der Tasche zog, »So was Ähnliches haben Sie ja schon gesehen, Mr. Clarke, aber lesen Sie doch bitte einmal, was auf der Rückseite der Karte steht.«

Der Chefinspektor nahm die Karte und setzte seine Brille auf. Peter las gleich über seine Schulter hinweg mit: »Leicester Crewe – sein richtiger Name ist Lewston – wird um halb zehn zu Ihnen kommen, um Ihnen seine Straßenbahnaktien von Buenos Aires zu verkaufen. Sie laufen eine doppelte Gefahr, wenn Sie ihn empfangen: Ihnen selbst droht Unheil – und ihm der Tod.«

»Ich fand die Karte auf dem Fußabtreter in der Halle, sie war unter der Haustür durchgeschoben worden – wahrscheinlich zwischen sieben und acht Uhr abends. Zuerst wollte ich sie wegwerfen, aber dann fiel mir ein, daß außer Mr. Crewe und mir niemand etwas von dem beabsichtigten Geschäft wissen konnte. Nur meiner Sekretärin, die Ihnen ja nicht unbekannt ist« – er lächelte Peter zu –, »habe ich gesagt, daß ich ihn erwarte.«

»Vielleicht war es einer seiner eigenen Angestellten«, warf Clarke ein.

Mr. Beale nickte.

»Kann sein. Auf jeden Fall bin ich durch diese Geschichte nervös geworden und habe Sie deshalb gebeten herzukommen. Auch meinen Anwalt, Mr. Holden, habe ich herbestellt, damit er den Kaufvertrag durchsieht, wenn es zu einem Abschluß kommt.«

Der Anwalt lachte.

»Auf Ihre alten Tage werden Sie noch vorsichtig, Mr. Beale«, sagte er und zwinkerte seinem Klienten zu, der die Bemerkung lächelnd quittierte.

»Stimmt, früher war ich sorgloser – aber wenn man viel Geld hat, wird man eben mißtrauisch.« Dann fügte er ernst hinzu: »Es wäre mir lieb, wenn Sie sich alle hier aufhielten, während ich mit Mr. Crewe spreche. Ich werde die Tür zu meinem Arbeitszimmer offenlassen, und sobald ich irgend etwas Verdächtiges bemerke, rufe ich. An und für sich ist es ja kindisch – aber diese verflixte gefiederte Schlange fällt mir allmählich auch auf die Nerven.« Er drehte sich um und ging in sein Arbeitszimmer, um die Dokumente zu holen, die er seinem Anwalt zeigen wollte.

»Von dieser Seite habe ich Mr. Beale noch nicht kennengelernt«, sagte Mr. Holden kopfschüttelnd. »Früher ließ er sich durch nichts aus der Fassung bringen und war auch lange nicht so vorsichtig und gewissenhaft. Als er noch jünger war, bestand einer seiner Lieblingspläne in der Idee, sich im sozialen Wohnungsbau zu betätigen und mustergültige Heimstätten für arme Leute zu bauen.«

Peter unterdrückte mühsam einen Ausruf der Überraschung.

»Damals fragte er weder seinen Anwalt noch seinen Bankier um Rat. Er war in dieser Beziehung so empfindlich, daß er einmal wegen einer Warnung seines Bankiers die Bank wechselte. Übrigens war er es, der Lion House baute, und auch das Jungmädchenheim von East End beruht auf seiner Stiftung von sechzigtausend Pfund . . .«

»War er nicht mit einem Architekten befreundet?« fragte Peter.

Der Rechtsanwalt nickte.

»Ja, mit Mr. Walber. Auch ein ziemlich schrulliger Mensch – wobei ich Mr. Beale nicht gerade als schrullig bezeichnen will, aber in jenen Tagen verteilte er tatsächlich sein Geld wahllos unter den Leuten. Wenn er nicht nach Südamerika gegangen wäre, um dort Ausgrabungen vorzunehmen, hätte er sich in kürzester Frist ruiniert.«

Beale kam zurück, und das für Peter äußerst interessante Gespräch fand sein Ende.

Mr. Holden beugte sich über die vorbereiteten Verträge und prüfte sie genau. »Es scheint alles in Ordnung zu sein«, sagte er nach einiger Zeit.

In diesem Augenblick klingelte es. Peter Dewin lief ein kalter Schauer über den Rücken; er war über sich selbst verwundert und versuchte vergeblich, seine Aufregung zu unterdrücken.

Beale ging zur Tür, und gleich darauf hörten sie Crewes Stimme. Er begrüßte Beale außerordentlich höflich.

». . . es tut mir sehr leid, daß ich Sie noch zu so später Stunde belästige, Mr. Beale, aber ich muß England plötzlich verlassen – es ist möglich, daß ich sehr lange Zeit fortbleibe . . .«

Die Stimmen wurden schwächer, Beale betrat mit seinem Gast das Arbeitszimmer.

»Crewe ist also tatsächlich gekommen«, flüsterte Clarke. »Wahrscheinlich ist . . . Um Himmels willen!« Aus dem Arbeitszimmer gellte ein schriller Angstschrei, der in einem langgezogenen Röcheln endete. Dann hörte man einen dumpfen Fall und Mr. Beales Stimme, der um Hilfe schrie. Clarke und Peter sprangen wie der Blitz auf und liefen in die Bibliothek hinüber.

Beale lehnte am Kamin und deutete mit entsetztem Gesichtsausdruck auf die reglose Gestalt Leicester Crewes, der vor der Wand gegenüber dem großen Fenster lag.

»Großer Gott, was ist passiert?« fragte Clarke und beugte sich über Crewe.

»Ich weiß es nicht . . . Er schrie plötzlich auf und fiel hin – ich sah und hörte sonst nichts . . . Es geschah im gleichen Augenblick, in dem wir ins Arbeitszimmer traten.«

»Machen Sie alle Lampen an«, sagte Clarke. Peter gehorchte.

Der Beamte drehte den stumm Daliegenden herum und untersuchte ihn.

»Erschossen.« Er hob seine Hand in die Höhe, die voll Blut war. »Mitten durchs Herz!«

»Tot?« fragte der Anwalt, der ebenfalls ins Zimmer gekommen war, mit bebender Stimme.

Clarke nickte.

»Ja, es gibt kaum einen Zweifel. Telefonieren Sie schnell nach einem Arzt.«

Peter rief einen Doktor in der Nachbarschaft an, den er kannte. Als er zurückkam, stand Clarke am Fenster und betrachtete die Scheibe. Er zeigte auf ein glattes, rundes Loch.

»Der Schuß ging durch das Fenster«, sagte er. »Die Scheibe ist aus splittersicherem Glas.«

Beale nickte.

»Ja, ich ließ es vor einiger Zeit einsetzen, weil ein paar Lausbuben von der Straße mit Steinen warfen und mich beinahe getroffen hätten.«

Er schaute wieder auf den Mann, der am Boden lag.

»Also tot«, sagte er dann langsam.

»Haben Sie keinen Schuß gehört?« fragte Clarke. Als Beale den Kopf schüttelte, öffnete der Beamte vorsichtig das große Fenster und kletterte in den Garten hinaus. Peter leuchtete ihm mit seiner Taschenlampe.

Ein gepflasterter Weg lief zu der Mauer im hinteren Hof. Von dem Mörder war nichts zu sehen. Der einzige Ort, wo sich jemand hätte verstecken können, war ein kleiner Schuppen, an dem außen ein Vorhängeschloß hing.

Auf einem kleinen Seitenweg sah Clarke etwas blitzen. Er bückte sich und hob es auf. Es war eine leere Patronenhülse. Mit einem Zweig machte er ein großes Kreuz an die Stelle, wo er sie entdeckt hatte.

»Das dürfte also stimmen«, sagte er mit Genugtuung. »Wir müssen aber wohl bis morgen früh warten, bevor wir die Mauer genauer untersuchen können. Dewin, rufen Sie doch mal bei Scotland Yard an, damit wir ein paar Leute zur Hilfe bekommen. Und dann – so leid es mir tut, alter Freund – müssen Sie verschwinden.«

»Wenn ich gehe, werden Sie wohl kaum den Mörder von Leicester Crewe schnappen!«

»Meinen Sie das im Ernst?« fragte Clarke nach einer Pause verblüfft. Er wußte, daß der Reporter diese Äußerung kaum ohne triftigen Grund gemacht hätte.

»Ich weiß nicht, welche Polizeibestimmungen in einem solchen Fall gelten«, sagte Peter. »Aber Sie tun gut daran, wenn Sie diesmal ein Auge zudrücken. Ich gehe jetzt, um noch ein bißchen herumzuschnüffeln, werde aber morgen früh wieder da sein, wenn Sie Ihre Untersuchungen beginnen.«

Der Oberinspektor zögerte.

»Also gut«, sagte er schließlich. »Telefonieren Sie jetzt aber erst mit Scotland Yard.«

Der Reporter ging durch das Arbeitszimmer zurück. Ein schneller Blick auf Leicester Crewes kalkweißes Gesicht sagte ihm, daß da jede Hilfe zu spät kam.

Er telefonierte gerade von der Halle aus, als die beiden Diener zurückkamen, die den ganzen Tag beurlaubt gewesen waren. Mr. Beale stand mit seinem Rechtsanwalt im Empfangszimmer und hatte seine Ruhe einigermaßen wiedergewonnen.

»Ich möchte nicht mehr darüber reden«, sagte er. »Bestimmt werden alle Zeitungen über den Mord berichten, und es scheint keine Möglichkeit zu geben, daß mein Name nicht erwähnt wird!«

»Haben Sie eigentlich mit Mr. Crewe gesprochen, Mr. Beale?«

Beale schüttelte den Kopf.

»Ich hatte gar keine Gelegenheit dazu. Er dankte mir, daß ich ihn noch so spät empfangen hatte, und fiel dann plötzlich um. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, was überhaupt geschah«, erklärte er erregt.

Tatsächlich hatte auch keiner der andern Anwesenden etwas wahrgenommen, bevor sie den lauten Schrei von Leicester Crewe und Mr. Beales Hilferuf hörten.

Peter Dewin eilte aus dem Haus, nahm ein Taxi und fuhr zu Daphnes Hotel. Sie war schon ins Bett gegangen, und Peter ließ ihr durch das Zimmermädchen ausrichten, daß er sie dringend sprechen müsse. Nach kurzer Zeit kam sie herunter und schaute ihn erschrocken an. Er erklärte ihr rasch, was heute abend in Beales Villa vorgefallen war.

»Es ist mir sehr unangenehm, dich so auszufragen, aber bitte denke doch einmal genau nach, ob du nicht irgend etwas Ungewöhnliches bemerkt hast. Jede kleinste Einzelheit kann uns dabei von Nutzen sein. Vielleicht erinnerst du dich an Besucher, die zu Mr. Beale kamen? Sind irgendwelche Handwerker dagewesen, die im Haus oder im Garten arbeiteten?«

Daphne dachte nach. Vom Garten wußte sie nur, daß Mr. Beale gewöhnlich dort seinen Morgenspaziergang machte und alle trockenen Blätter, die er fand, verbrannte.

»Ist Leicester Crewe früher schon einmal im Haus gewesen?«

»Nein, ich glaube nicht.«

»Auch niemand von seinen Bekannten?«

»Doch, Ella Creed hat mich besucht. Ich wollte dir das telefonisch mitteilen, aber du warst nicht zu erreichen.«

»Das ist ja interessant! Und was geschah, als sie kam?« fragte er, fiebernd vor Ungeduld.

Sie erzählte ihm alles, und er hörte gespannt zu.

»Miss Creed wurde also ohnmächtig, als sie die Plastik einer gefiederten Schlange betrachtete?«

Daphne nickte.

»Ja. Zur gleichen Zeit war auch ein Mann an der Tür, der mit Mr. Beale sprach.«

»Kannst du mir beschreiben, wie er aussah?«

Sie nickte wieder.

»Ich weiß sogar seinen Namen. Er ging mir nach bis zu Miss Creeds Wohnung. Anscheinend kannte er Mr. Beale von früher her – er sagte mir, daß er ihn um Geld für seine Rückreise nach Argentinien gebeten hätte.«

Peter starrte sie an.

»Merkwürdig – Miss Creed fiel in Ohnmacht, während Mr. Beale mit dem Fremden an der Haustür sprach. Wie heißt der Mann denn?«

»Harry Merstham.«

Peter schüttelte den Kopf.

»Der Name sagt mir gar nichts.«

»Er hatte früher eine Bar in Argentinien und wurde Harry, der Barmann, genannt.«

»Was sagst du da?«

Peter sprang auf.

»Harry, der Barmann! Weißt du auch, wo er wohnt?«

Der Zettel mit der Adresse war in ihrer Handtasche, und Daphne lief in ihr Zimmer, um sie zu holen. Nach wenigen Minuten kam sie wieder zurück.

»Ist der Mann so wichtig für dich?«

Peter nickte. Sein Gesicht glühte vor Erregung.

»Weißt du sonst noch etwas? – Es ist eigentlich unglaublich, was ich in der kurzen Zeit schon alles von dir erfahren habe!« Er steckte den Zettel mit der Adresse in seine Tasche. »Vielleicht kannst du mir noch weiter helfen?«

Sie erinnerte sich plötzlich wieder an einen merkwürdigen Umstand.

»Die Tür wird wohl kaum von Bedeutung sein«, meinte sie zögernd.

»Alles ist wichtig«, unterbrach er sie eifrig. »Von welcher Tür sprichst du denn?«

»Ich meine die Tür, die früher in der Gartenmauer war. Mr. Beale hatte sie in sein Arbeitszimmer gestellt und mit aztekischen Ornamenten bemalt. Es sah sehr seltsam aus.«

»Wo steht denn die Tür jetzt? Im Garten oder in seinem Arbeitszimmer? Im Haus roch es doch ziemlich aufdringlich nach frischer Farbe.«

»Sie stand im Arbeitszimmer«, erwiderte sie.

Er schaute sie nachdenklich an.

»Wann hast du die Tür zum letztenmal im Arbeitszimmer gesehen?«

Sie überlegte einen Augenblick.

»Heute nachmittag«, entgegnete sie dann. »Mr. Beale sagte, er wolle sie in den Schuppen stellen. Der Raum roch so stark nach Ölfarbe, daß es ihm selbst unangenehm wurde.«

Peter riß ein Blatt Papier aus seinem Notizbuch und zeichnete in groben Umrissen einen Plan des Zimmers darauf.

»Jetzt bezeichne mir bitte genau die Stelle, wo die Tür stand, als er daran malte.«

Sie zeigte ihm den Punkt, und er machte dort ein Kreuz. Dann faltete er das Papier zusammen und lächelte zufrieden.

»Ich muß dir noch etwas sagen.« Sie schob ihre Hand unter seinen Arm, als er sich erhob, und lehnte sich ein wenig an ihn. »Ich habe heute abend den Wagen mit dem Sprung im Scheinwerfer in der Nähe von Miss Creeds Haus gesehen. Ich habe ihn ganz genau erkannt.«

»Entschuldige einen Augenblick«, entgegnete Peter.

Er ging zum Telefon und wählte die Nummer des »Orpheums«.

»Nein, mein Herr«, beantwortete der Portier seine Frage. »Ich habe Miss Creed heute abend nicht gesehen. Soviel ich weiß, ist sie krank geworden und zur Erholung aufs Land gefahren.«

»War sie überhaupt nicht im Theater?« fragte Peter.

»Nein, sie hat nur angerufen.«

Ohne zu zögern läutete er bei Ella Creed an. Ihr Mädchen meldete sich.

»Ich kann das nicht verstehen, Sir. Man hat schon vom Theater aus angerufen und gefragt, wo Miss Creed bleibt. Meiner Meinung nach hat ihr nichts gefehlt, als sie fortging – außer daß sie vielleicht etwas nervöser war als sonst.«

»Hat sie das Haus zur üblichen Zeit verlassen, um ins Theater zu gehen?« erkundigte er sich noch.

»Ja, natürlich.«

Peter legte den Hörer mit einem düsteren Lächeln auf.

Die gefiederte Schlange war an diesem Abend nicht müßig gewesen.


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