Edgar Wallace
Die gefiederte Schlange
Edgar Wallace

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6

Ein leichter Stoß gegen seine eiserne Bettstelle weckte ihn plötzlich auf. Durch die Spalten der Rolläden vor dem Fenster schimmerten Streifen gelblichen Lichts von der Straßenlaterne.

Er richtete sich auf. Die Tür seines Zimmers stand offen – er konnte das Fenster sehen, das auf der andern Seite des Ganges lag, seiner Zimmertür gegenüber. Angestrengt lauschte er und hörte plötzlich hastiges Atmen. Jemand stand dicht neben ihm!

Vorsichtig tastete Dewin nach der kleinen Taschenlampe, die stets auf seinem Nachttisch lag. Er knipste sie an und sprang aus dem Bett. Unklar erkannte er im Lichtkegel seiner Lampe eine zum Sprung geduckte Gestalt, deutlich sah er einen gesenkten Kopf mit stark gelichtetem grauem Haar. Im gleichen Augenblick bekam er schon einen so heftigen Schlag auf die Schulter, daß er die Lampe fallen ließ. Gleich darauf war er mit dem Einbrecher in einen heftigen Ringkampf verwickelt; mit Mühe machte er sich frei und holte zu einem kräftigen Stoß aus – stieß aber nur in die Luft. Dann krachte die Tür zu, und jemand drehte von außen den Schlüssel um. Das ganze Haus geriet in Aufruhr, Dewin hörte eilige Schritte auf der Treppe und hämmerte an die Tür.

Es dauerte einige Zeit, bis einer der aufgeregten Hausbewohner den Hausmeister geholt hatte, der mit seinem Hauptschlüssel aufschloß. Der ganze Raum war in Unordnung; der Einbrecher hatte sein Jackett mitgenommen; die Hosentaschen waren umgestülpt und ihr Inhalt verschwunden. Seltsamerweise hatte der Dieb zwar Taschenuhr und Kette aus der Weste gezogen, aber auf dem Tisch zurückgelassen.

Nach kurzer Untersuchung war es Dewin klar, wie der Einbrecher entkommen war. Das Fenster auf dem Korridor stand weit offen, und da es nicht allzu hoch über dem flachen Küchendach lag, war es leicht, von hier aus die Hofmauer und die Straße zu erreichen.

Der Morgen dämmerte bereits, als sich Peter Dewin zusammen mit einigen andern Bewohnern der Pension ins Eßzimmer setzte und Kaffee trank, den die erschrockene Pensionsinhaberin schnell gekocht hatte. Zu Peters großem Ärger bestand sie darauf, die Polizei zu holen. Er selbst war fest davon überzeugt, daß er das zufällige Opfer eines armseligen Diebes geworden war, der sich nur deshalb sein Zimmer ausgesucht hatte, weil es dem Flurfenster gerade gegenüber lag. Diese Meinung setzte er auch dem Kriminalbeamten auseinander, der bald darauf kam, um ein Protokoll aufzunehmen.

»Können Sie mir dann vielleicht auch sagen, warum der Einbrecher zwar Ihr Jackett gestohlen, Ihre goldene Uhr aber liegengelassen hat?« entgegnete der Beamte trocken.

Dewin konnte als Antwort nur mit den Schultern zucken. Einige Stunden darauf wurde das Jackett von einer Polizeistreife in einem benachbarten Hof gefunden. Man sah deutlich, daß die Taschen durchsucht worden waren trotzdem befand sich in der einen noch sein silbernes Zigarettenetui.

Er begann sich ernstlich den Kopf zu zerbrechen, aber die Lösung des Rätsels fiel ihm erst ein, als er zufällig das Kopfkissen seines Bettes umdrehte und den kleinen Geldbeutel sah. Es wurde ihm plötzlich klar, daß der nächtliche Besucher nur nach diesem Gegenstand gesucht haben konnte. Nicht im entferntesten hätte er daran gedacht, daß letzten Endes Daphne Olroyd für diesen nächtlichen Besuch verantwortlich sein könnte!


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