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XII.
Die Gesandten.

Die Akasavas kennen ein Sprichwort: »Der Isisi sieht mit seinen Augen, der N'Gombi mit seinen Ohren, aber der Ochori sieht nichts als sein Fleisch.«

Das ist schlecht übersetzt, aber in seiner ursprünglichen Fassung ist es unendlich fein ausgedrückt. In den alten Zeiten, ehe Bosambo Häuptling, König oder sonstwas bei den Ochoris wurde, ertrugen diese gelassen und ohne Empfindlichkeit jede beleidigende Beschreibung ihrer Schlafmützigkeit.

Aber das war Calacala, lange her, und heute sind die Ochoris ein stolzes Volk, und es ist nicht ratsam, beleidigende Sprichwörter gegen sie anzuwenden, ansonsten sie diese zurückwerfen mit etwas Dauerhaftem und Schwerem an deren Ende.

Das Eingeborenenhirn arbeitet langsam, und die Akasavas wurden nicht früher gewahr, daß die Ochoris nicht länger als Zielscheibe ihrer Witze dienen wollten, als bis jeder Stamm im Umkreise von dreihundert englischen Meilen einige deutliche Beweise von dem Wandel erhalten hatte, der über den Geist und den Charakter dieses einst so furchtsamen Volkes gekommen war.

Da lebte ein Unterhäuptling von den Isisis, der einen »großen« Bezirk regierte; denn obwohl »Isisi« »klein« bedeutet, darf dieser Name doch nicht wörtlich genommen werden. Dieser Häuptling hatte die Befugnis, im Auftrag seines Häuptlings Palaver über alle großen nationalen Fragen zusammenzurufen, z. B. über Mißernten, Verlegung der Fischereigründe und über die Untreue hochgestellter Weiber.

Eines Tages rief er das Volk zusammen – seine Räte, die Vorleute und alle Häuptlingssöhne – und unterbreitete ihnen einen bemerkenswerten Vorschlag.

»In den Tagen meines Vaters«, begann Embiri, »waren die Ochoris ein schwaches und feiges Volk. Letzte Woche überfielen sie die Akasavas und stahlen ihnen Ziegen und brachten große Demütigungen über sie, und siehe! die Akasavas, die große Krieger sind, taten weiter nichts, als daß sie Sandi die Geschichte ihres Kummers berichteten. Nun meine ich, daß das alles daherkommt, weil Bosambo, der Häuptling, einen Fetisch von großer Macht besitzt, und ich habe zu unserem Oberhäuptling geschickt, um ihn zu bitten, diesen Herrn Bosambo zu beschwören, daß er uns sage, warum das alles so ist.«

Die versammelten Räte nickten weise mit ihren Köpfen. Es bestand durchaus kein Zweifel darüber, daß Bosambo den Vorzug des vertraulichen Umganges mit einem solchen Dämon genoß; und wenn das nicht zutraf, war er doch zum mindesten in einem geringeren Grade vom Schicksal gesegnet dadurch, daß er mit einem jener Geister, an denen der Ochoriwald Überfluß hatte, auf dem Grüßfuß stand.

»Und folgendes sagt mein Herr, der König der Akasavas und aller Länder und der Flüsse und der unbekannten Gebiete jenseits des Urwaldes, so weit, wie das Auge reicht«, fuhr der Häuptling fort. »Er sendet mir seine Botschaft durch seinen Ratgeber und sagt: ›Es ist richtig, Bosambo hat einen Dämon, und um meines Volkes willen will ich zu ihm senden und ihn bitten, dessen Einfluß in unsere Hände zu legen, damit wir klug und kühn werden.‹«

Zu diesem Entschluß waren die sechs Stämme gleichzeitig gelangt, und obwohl die Gedanken ihrer Herrscher nicht offen dargelegt wurden, war der Glaube an Bosambos göttliche Eingebungen allgemein, und der Gedanke, daß man Bosambo auf solche Weise näher treten müsse, war eine heftige und schamlose Anmaßung des Häuptlings Emberi.

Eines Morgens im verflossenen Frühling kamen die Gesandten der Mächte in zwölf Kanus, begleitet von ihren Ältesten, Kriegern, Trommlern und Trägern, nach Ochoristadt heraufgepaddelt. Bosambo, der nicht das geringste Vertrauen in die Menschheit setzte, war von ihrer Annäherung unterrichtet und setzte die Stadt in Verteidigungszustand. Er selbst empfing die Abordnung in dem Vorgelände; der Sprecher war Emberi.

»Mr. Bosambo«, begann der Häuptling, »wir kommen in Frieden und im Auftrage der Häuptlinge und Könige und aller Völker dieses Landes.«

»Laß es so sein«, sagte Bosambo, »mein Herz ist voll Freude, euch zu sehen. Aber ich bitte, daß ihr eure Krieger, eure Speerleute und eure Trommler auf der anderen Seite des Flusses landet, denn ich bin ein ängstlicher Mann und fürchte, ich kann euch innerhalb dieser Stadt nicht die Ehre antun und die Liebe, die mir Sanders sogar dem gewöhnlichen Volke gegenüber zur Pflicht gemacht hat.«

»Aber Herr«, wandte der Häuptling ein, der, um ihm gerecht zu werden, keinerlei kriegerische oder beleidigende Absichten gegen seinen Gastgeber hegte, »auf der anderen Seite des Flusses sind nur Sand und Wasser und üble Geister.«

»Das mag wohl sein«, sagte Bosambo, »aber auf dieser Seite befinde ich mich und mein Volk. Und wir wünschen, noch viele Jahre glücklich zu leben. Ich sage dir, daß es besser ist, wenn ihr alle an Sand und Wasser und bösen Geistern sterbt, als daß ich von denen, die mich nicht lieben, erschlagen werden sollte.«

»Mein Herr ist ein großer König«, sagte Emberi aufgeblasen, »und liebt dich sehr.«

»Dein Herr«, antwortete Bosambo, »ist ein großer Lügner.«

»Er liebt dich«, wandte Emberi ein.

»Und dennoch ist er ein großer Lügner«, entgegnete Bosambo, »denn als ich ihn das letzte Mal traf, sagte er nicht nur, daß er kommen und mich auffressen würde, sondern er nannte mich mit üblen Namen, so z. B. ›Fischfresser‹ und ›Küken‹ und ›fetter Köter‹.«

Bosambo sprach ohne Furcht vor den Folgen, denn er hatte hundert von seinen auserwählten Leuten hinter sich und außerdem den Vorteil des abschüssigen Flußufers. Er hätte die Abgesandten nach ihrer Heimat zurückgesandt, aber dem hartnäckigen und aufgeregten Emberi gelang es, ihn an seinen Verheißungen zu interessieren, und – was wichtiger als alles andere war – von einem der Kanus wurden reiche Geschenke gelandet, Ziegen und Reis und ein Spiegel inbegriffen, der, so erklärte Emberi, »der wirkliche Kern von seines Gebieters Seele sei.«

Schließlich ließ Bosambo seine hundert Leute zurück, um das Flußufer besetzt zu halten, und Embiri überredete sein zögerndes Gefolge, ihr Heim auf dem sandigen gegenüberliegenden Ufer des Flusses aufzuschlagen.

Aber erst dann gab Bosambo nach, und er veranstaltete eins seiner berühmten Feste, zu denen alle seine Häuptlinge des Landes in Gestalt von Fleisch und Getränken beitrugen – alle Häuptlinge, das heißt, ausgenommen Bosambo, der es sich zum Grundsatz machte, keinem, unter welcher Bedingung es auch sei, etwas zu schenken.

Das Palaver, das darauf stattfand, war wirklich sehr interessant und zwar auch für den Häuptling der Ochoris. Von neun Uhr morgens bis um vier Uhr am folgenden Morgen sprachen die Abgesandten einer nach dem anderen.

Viele dieser Reden beschäftigten sich mit den unübertrefflichen Eigenschaften Bosambos, mit seinem hervorragenden Mut, seiner edlen Freigebigkeit – Bosambos Blicke schweiften schnell zu seinen Räten, die widerstrebend das Fest hergerichtet hatten – und mit der Zukunft, die alle die Stämme erwartete, die diese seine Tugenden nachahmten.

»Gebieter, ich spreche die Wahrheit«, sagte Emberi, »und so geht das Gerücht um, daß alles Volk von der See, wo der Fluß endet, bis zur Leopardenhöhle, wo er seinen Anfang nimmt, weiß, daß du gut bekannt mit Geistern bist, die dir Mut und Schlauheit verleihen, die dich die Zauberei lehren, so daß du sogar aus Ratten Menschen machen kannst.«

Bosambo nickte ernst mit dem Kopfe.

»Alles das stimmt«, sagte er, »ich habe mehrere Teufel, obwohl ich sie nicht immer gebrauche. Denn, wie ihr wißt, bin ich Anhänger eines besonderen Glaubens und war ein Leben lang Christ; damals glaubte ich an alle möglichen Geheimnisse, von denen ihr nichts wißt, – an Marki, an Luki und an Hännschen, den Täufer –, die aber nicht für euch sind.«

Er sah sich zwischen den erschrockenen Leuten um und schüttelte seinen Kopf.

»Ferner wißt ihr nichts von den Wundern, die sie vollbracht haben, wie z. B. vom Brandwunden Heilen und vom Totschlagen und vom Ohrenabschneiden. Nun, ich kenne diese Dinge,« fuhr er nachdrücklich fort, »daher liebt mich Sandi, denn er ist auch ein Gottesmann und kommt oft zu mir, um mit mir über diese weisen Männer zu sprechen.«

»Herr, was sind Teufel?« fragte ein ungeduldiger Gesandter.

»O, von Teufeln habe ich viele«, wiederholte Bosambo.

Er schloß seine Augen halb und schwieg zwei Minuten lang. Er machte den Eindruck, als ob er seinen Vorrat daran zähle –, und gerade diesen Eindruck wollte er bei seinen Besuchern hervorrufen.

»O, Ko!« sagte Emberi mit gedämpfter Stimme, »wenn das wahr ist, was du behauptest, dann wünscht unser Herr, daß du ihm einen oder zwei Teufel schickst, damit wir in der besonderen Art dieser wundervollen Geister unterrichtet werden.«

Bosambo hustete und blickte seinen Ratgebern in die nüchternen Gesichter.

»Ich habe viele Geister, die mir dienen«, begann er. »Einen kenne ich, der ist sehr klein und hat zwei Nasen – eine vorne und eine hinten – so daß er einen Feind, der ihn verfolgt, wittern kann. Ferner ist einer so groß, daß die höchsten Bäume wie Gras zu seinen Füßen erscheinen. Und ein anderer ist grün und läuft, den Kopf zu unterst.«

Eine Stunde lang verbreitete Bosambo sich über Dämonologie, obwohl er dieses Wort selbst wohl kaum gekannt haben dürfte. Er zapfte die nebelhaften Tiefen seiner Einbildung an. Er entledigte sich jeder Erinnerung, die mit der Wissenschaft etwas zu tun hatte. Er sprach von Geistern, die ihm traute Freunde seien und zu ihm in ungefähr derselben Weise kämen, wie ein gut gezogener Hund auf seines Herrn Pfiff hört.

Die Abgeordneten zogen sich für diese Nacht in einer Art von Panik in ihre Hütten zurück, als Bosambo ihnen verkündete, daß er eine besondere Sorte von Teufeln pflichtgemäß beauftragt hätte, für die persönlichen Bedürfnisse jedes einzelnen besorgt zu sein und sie gegen die Übel zu beschützen, denen das Fleisch erblich unterworfen ist.

Nun waren allerdings die Hauptstadt der Ochoris und der ganze Ochoristamm unter der wohltätigen und kräftigen Herrschaft Bosambos aus ihrem Zustand der Lethargie erwacht. Und es ist bekannt in der Geschichte der Völker, wie ursprünglich oder wie fortgeschritten sie auch immer sein mögen, daß, wie ausgezeichnet auch die eingeführten Änderungen sein mögen, es stets eine kleine, aber dicht geschlossene Masse geben wird, die den Reformator als eine überflüssige Last ansieht. Bosambo hatte in seinem eignen Volke eine kleine, aber mächtige Partei, die jede Änderung mit Abscheu betrachtete, und die in dem neuen Geist, den der Häuptling den Ochoris einflößte, den Anfang vom Ende sahen. Solche Anschauung findet sich nicht bloß bei den Ochoris.

Es gab alte Häuptlinge und Älteste, die sich jener faulen und fetten Tage noch entsannen, die dem Aufstieg Bosambos vorangingen; Häuptlinge, die sich erinnerten, wie leicht es damals war, sich Sklavenarbeit zu sichern; und wenn sie daran dachten, sprachen sie von Bosambo mit Unfreundlichkeit. Der Häuptling hätte diese Geisterangelegenheit stracks auf eigene Faust erledigen können und hätte zweifellos die Abordnung hinreichend befriedigt von solchen Koranstellen heimgeschickt, wie er sich deren aus den Briefbogen entsann, mit denen Sanders ihn für amtliche Zwecke versehen hatte.

Aber das war nicht Bosambos Art, noch war es die Art der Leute, mit denen er es zu tun hatte, um wichtige Palaver zu erledigen. Für gewöhnlich dauerte ein solches Palaver wie das, zu dem sie jetzt versammelt waren, drei Tage und drei Nächte, aber diesmal schien es, als ob die Zusammenkunft längere Zeit beanspruchen sollte, denn Bosambo hatte zum Überfluß eigene Sorgen.

Bei Anbruch des auf die Ankunft der Abordnung folgenden Tages kam ein staubbedeckter Bote, nackt, wie er das Licht der Welt erblickt hatte, im Laufschritt und mit keuchendem Atem den Buschweg entlang, der zu den Elivileuten führt, und stand ohne viel Förmlichkeiten vor der Tür der Königshütte.

»Lord Bosambo,« sagte der Mann, »Ifikari, der Häuptling von Elivi, bringt seine Krieger und Ältesten in einer Stärke von tausend Mann hierher zu einem Palaver.«

»Was ist in seinem Herzen?« fragte Bosambo.

»Herr«, antwortete der Mann, »dies ist in seinem Herzen: Es sollen keine Wege ins Ochoriland führen, denn die Leute von Elivi begehren auf gegen die ihnen zugemutete Arbeit. Sie wollen in Frieden und Bequemlichkeit leben.«

Bosambo hatte – unter voller Billigung Sanders' – aus eigener Machtvollkommenheit ein Gesetz geschaffen, ein Gesetz, dem zufolge jeder Bezirk einen geraden und gut benutzbaren Weg durch den Urwald von einer Stadt zur anderen anlegen sollte und eine größere Straße, die unmittelbar von einem Bezirk nach dem seines Nachbarn führen sollte.

Unglücklicherweise nahm nicht jeder kleine Stamm diese Idee mit der Begeisterung auf, die Bosambo selber fühlte, noch mit dem Beifall, der diesem ausgezeichneten Plane vom Gouvernement des Königs gezollt wurde.

Denn Wege anlegen ist ein schlechtes Geschäft. Das wirft den Menschen schon am frühen Morgen raus und hält ihn in der heißesten Tageszeit an der Arbeit, während einem der Schweiß vom nackten Rücken läuft. Und es gab Strafen und Abgaben, die einzuziehen Häuptling Bosambo eine gottlose Freude empfand, wenn irgendwie gegen seine Anordnungen gefehlt wurde.

Von allen widerspenstigen Stämmen machten die Elivis am wenigsten Hehl aus ihrer Abneigung. Während alle anderen Bezirke mit einem Netzwerk holpriger Wege – schlampig gemacht, aber trotzdem Wege – bedeckt waren, lag Elivi, ein unberührter Flecken jungfräulichen Landes von zweihundert Quadratmeilen, inmitten einer rührigen fortschrittlichen Bevölkerung.

Bosambo hätte rauh mit dem Feinde verfahren können, der außerhalb seines Tores stand. Aber es war eine weit bedenklichere Angelegenheit, wenn er mit einem Bezirk zu tun hatte, der passiven Widerstand leistete, und seine Wegangelegenheit drohte sich unglücklicherweise nach dieser Richtung hin zu entwickeln.

Er hatte Kundschafter nach Elivi gesandt, und der soeben angelangte Mann war der erste von ihnen, der zurückkam.

»Es scheint mir«, sagte Bosambo halb für sich, »daß ich alle meine Teufel für mich selber brauchen werde, denn Ifikari ist ein Mann, mit dem schlecht Kirschen essen ist, und seine Söhne und Ratgeber sind nicht viel anders.«

Er sandte seinen Vormann zu seinen Gästen mit der Botschaft, daß er den ganzen Tag über mit sich selbst wegen dieser Geisterangelegenheit zu Rate gehen würde. Und als um den Abend herum die Vorhut der Eliviheerhaufen östlich von der Stadt gesichtet wurde, saß Bosambo in seinen Staatsgewändern im prächtigen Palaverhaus, angetan mit so viel Christbaumschmuck, als ihm in den Weg gekommen war, und erwartete Ifikaris und seiner Leute Ankunft.

Limberi, Bosambos Hetman, begab sich hinaus, um der unzufriedenen Schar entgegen zu gehen.

»Herr«, sagte er, »es ist unseres Herrn Wunsch, daß ihr euere Speere außerhalb der Stadt laßt.«

»Limberi«, antwortete Ifikari, ein rauher Mann von vierzig Jahren, alles an ihm drahtige Muskeln und Sehnen, »wir sind doch von ein und demselben Stamm und mithin eure Brüder. Warum sollten wir unsere Speere draußen lassen? Wir, die wir Ochoris sind?«

»Auf andere Weise kommt ihr nicht hier herein«, erklärte Limberi entschieden. »Denn drüben, über dem Fluß, befinden sich viele Feinde unseres Herrn, und er liebt dich so sehr, daß er deine Bewaffneten, deine Lanzenwerfer und Schwertträger um seines eigenen Schutzes halber draußen wissen möchte. Auf diese Weise wird er zuversichtlich und glücklich sein.«

Weiter ließ sich an diesem Tage nichts tun, als zu gehorchen. Ifikari und seine Räte folgten dem Vormann Bosambos zum Palaver, und seine Frechheit war auffallend.

»Ich spreche für alle Elivis«, sagte er ohne irgendwelche vorhergegangene umständliche Einleitungen. »Wir sind ein unterdrücktes Volk, Lord Bosambo, und unsere jungen Leute wenden sich laut und vernehmlich gegen deine Grausamkeit.«

»Sie sollen noch lauter schreien«, antwortete Bosambo, und Häuptling Ifikari runzelte die Stirn.

»Herr,« antwortete er trotzig, »wenn es wahr ist, daß Sandi dich liebt, so liebt er doch auch uns. Und kein Mann ist so groß in seinem Lande, daß er es wagen dürfte, sein Volk bis zum offenen Aufstand zu treiben.«

Bosambo wußte, das verhielt sich so, wußte es, auch ohne das Beifallsgemurmel von Ifikaris Ältesten. Er ließ sein Auge über die kleine Versammlung schweifen. Sie waren alle hier, die Unzufriedenen. Tinif'si, der dicke Obmann, M'kera und Calasari, die kleineren Häuptlinge; und in ihren Ansichten drückte sich ein solcher Trotz aus, daß er Bosambo teilweise erbitterte. Einen oder zwei von ihnen, die sich seiner Autorität widersetzten, hätte er wohl zu bestrafen vermocht, aber hier hatte er es mit einer wohl organisierten Erhebung zu tun. Bestrafung bedeutete hier Kampf, und Kampf hätte seine Stellung bei Sanders geschwächt. Jetzt im Augenblick mußte er die Sache hinziehen.

Glücklicherweise war die Abordnung, die wegen Geisterangelegenheit gekommen war, nicht anwesend. Es galt als gegen allen höfischen Brauch verstoßend, daß Leute, die einem anderen Stamm angehörten, bei Erörterung häuslicher Angelegenheiten an den Ratssitzungen ihrer Nachbarn teilnahmen. Sonst wäre wahrscheinlich ein Zweifel über die Wirksamkeit von Bosambos Teufeln in diesem besonderen Augenblick im Busen Emberis entstanden.

»Und das möchte ich dir noch gesagt haben, Lord,« sagte Ifikari – und Bosambo wußte, jetzt kam das dickste Ende der ganzen Sache –, »wir Elivis sind deine Hunde. Um an deinen großen Festen teilzunehmen, schickst du niemals zu uns, noch um dir in irgendeiner anderen Weise Ehre zu erweisen. Aber, wenn's ans Kämpfen geht, dann rufst du nach unseren Speeren und nach unseren jungen Leuten und schickst uns raus, damit wir zuerst von unseren schrecklichen Feinden aufgefressen werden. Ach«, fuhr er fort, »wenn du deine Häuptlinge und Räte aussuchst, um auf angenehme Reisen nach solchen Orten zu gehen, wo sie geehrt und gefeiert werden, dann schickst du nur immer Leute aus Ochoristadt.«

Es mag an dieser Stelle gesagt sein, daß, aus welcher Quelle Bosambo auch immer seine Eingebungen bezog, er sicher königliche Gewohnheiten angenommen hatte, die seinem einfachen Volke fremd waren. So ordnete er Gesandtschaften und Botschafter zu feierlichen Besuchen ab, mit Gaben und Geschenken, die diese Gesandten selbst liefern mußten. Und sie kehrten mit Geschenken heim, reicher, als sie Bosambo selbst bekommen hätte. Das war, um die Wahrheit zu sagen, eine neue und angenehme Art, Erpressungen auszuüben; angenehm, weil sie Bosambo wenig Mühe machte und seinen Untergebenen einen angenehmen Kitzel ihrer eigenen Wichtigkeit verursachte. Und kein einziger war aufgestanden, um sich zu beschweren, außer diesen unglücklichen Städten der Akasavas, der Isisis und N'Gombis, die seine Vertreter zu unterhalten hatten.

»Es ist richtig,« gab Bosambo zu, »ich habe euch niemals zu einer solchen Mission verwandt. Und mein Herz wird wund bei dem Gedanken, ihr könntet Übles von mir denken, weil ich euch alle diese Mühe ersparen wollte. Denn mein Herz ist wie Wasser in meiner Brust, da es schon einen Monat her ist, seit ich Kili, meinen Obmann, mit Geschenken zum König des Zwergvolkes gesandt habe und diese ihn so zerstückelt haben, daß er gestorben ist; und nun fürchte ich mich, weitere Boten auszusenden.«

Ein nicht mißzuverstehendes Grinsen huschte über Ifikaris Gesicht.

»Herr,« sagte er rauh, »Kili war ein Narr! Und du hast ihn gehaßt. Denn er sprach schlecht von dir und machte dein Volk aufsässig. Darum hast du ihn zu dem Zwergvolk gesandt, von dem er nicht zurückkehrte.« Bedeutungsvoll fügte er hinzu: »Und das sage ich dir, wenn du mich zu dem Zwergvolk senden wolltest, ich ginge nicht hin.«

Bosambo dachte einen Augenblick nach.

»Ich sehe jetzt,« antwortete Bosambo beinahe heiter, »daß Ifikari, den ich mehr liebe als meinen eigenen Bruder« – und das traf zu – »mit mir hadert, weil ich ihn nicht auf eine solche Reise geschickt habe. Nun werde ich euch zeigen, wie sehr ich euch zugetan bin, denn ich werde euch alle – jeden von euch – als Gast meines Hauses ausschicken. Ihr sollt mein Wort zu solchen mächtigen Völkern tragen, wie es die Akasavas, die Isisis und die N'Gombis sind. Und auch zu dem Volke auf der anderen Seite des Flusses, das groß ist und reiche Geschenke gibt.«

Er sah, wie ihre Gesichter sich aufhellten, und ergriff den psychologischen Augenblick.

»Das Palaver ist aus«, sagte Bosambo mit majestätischer Geste.

Er ordnete ein Fest außerhalb der Stadt für seine unwillkommenen Gäste an und lud die Teufel- oder Geisterabordnung zu sich.

»Meine Freunde,« begann er, »ich habe über diese Dämonen- und Geisterangelegenheit eingehend nachgedacht. Und da ich mit euch und euren Herren in Freundschaft leben möchte, habe ich letzte Nacht in Gesellschaft sechs großer Teufel zugebracht, die meine besten Freunde sind, und die mir in allem beistehen. Nun sage ich das – und es ist nur mir und euch, denen ich traue, bekannt –, daß ich heute euren Herren sechs gewaltige Geister schicken werde, die mich mit ihren Eingebungen beglücken.«

Tiefes Schweigen. Das Gefühl der Verantwortlichkeit, das den Nervösen überkommt, der plötzlich mit der Ablieferung eines wütenden Bullen beauftragt wird, überkam die Männer der Gesandtschaft.

»Herr, das ist uns eine große Ehre,« sagte Emberi, »und unsere Herren werden viel mehr Geschenke senden, als Deine Lordschaft je gesehen hat. Aber auf welche Weise können wir diese Dämonen mit uns nehmen? Denn wir sind furchtsam und wissen auch nicht, mit ihnen umzugehen.«

Bosambo neigte gnädigst seinen Kopf.

»Auch das hat mich beschäftigt«, antwortete er. »Und deshalb habe ich befohlen: Ich werde sechs meiner Räte und Häuptlinge nehmen, die mir wie die Sonne und die Blumen sind – und durch Zauber werde ich in das Innere jedes Herzens dieser Häuptlinge und Obmänner einen großen Teufel verpflanzen. Ihr aber sollt diese Leute mit euch nehmen, und ihr sollt auf alles hören, was sie sagen, nur nicht auf das.« Er hielt einen Augenblick inne. »Diese Teufel lieben mich, und sie werden dringend danach verlangen, nach meiner Stadt und in mein Land zurückkehren zu dürfen, wo sie sich so lange aufgehalten haben. Nun sage ich euch, daß ihr sie ja gut behandelt! Dennoch müßt ihr sie festhalten und eine Wache über sie setzen und sie an einem verborgenen Platze halten, so daß Sanders sie weder findet noch von ihnen hört. Dann werden sie Glück und Gedeihen über euch bringen und den Mut von Löwen.«

* * *

Sanders kam den Fluß herauf, um ein Weiberpalaver zu erledigen, als er plötzlich zwischen eine Flottille von solcher Ausrüstung und kriegerischer Erscheinung geriet, daß er sich keinen Augenblick besann.

Auf ein Wort von ihm wurden die Segeltuchbezüge von den Hotchkiß-Revolverkanonen genommen und diese auswärts geschwungen. Aber diese Vorbereitungen waren überflüssig; das sah er ein, als Emberis Kanu längsseit scherte.

»Sage mir, Emberi,« fragte Sanders, »was für ein Wunder erlebe ich da? Die Akasavas und Isisis, N'Gombis und die Leute vom Unteren Walde segeln in brüderlicher Liebe und Eintracht vereint?«

»Herr,« gab Emberi zurück, »das ist Bosambos Werk!«

Sanders witterte Unrat.

»Nun, ich weiß ja, daß Bosambo ein gescheiter Kerl ist,« sagte Sanders, »aber daß er es fertig bekäme, alle Leute friedlich zu vereinen, wußte ich natürlich nicht. Eher hätte ich das Gegenteil angenommen.«

»Das hat er wegen der Geister getan«, antwortete Emberi wichtig. »Aber, Herr, es gibt gewisse Dinge, über die ich nicht zu dir reden darf, und dieses Palaver gehört auch dazu. Deshalb, Sandi, frage mich nicht weiter, denn ich habe einen Eid geschworen!«

Sanders sah nach der Seite und überflog die Flottille. Seine scharfen Augen musterten das Fahrzeug längsseit vom Bug zum Stern. Er bemerkte mit Interesse die Anwesenheit eines gewissen Ifikari, der ihm bekannt war. Und Ifikari in seinem Scharlachrock schien ein glücklicher und zufriedener Mann zu sein.

»He, Ifikari!« scherzte Sanders, »was wird aus meinen Wegen?«

Der Häuptling sah auf. »Herr, die sollen gebaut werden, und wenn meine jungen Leute dabei sterben! Ich bin eben im Begriff, für meinen Freund und Vater Bosambo zu einem großen Palaver zu gehen, denn er traut mir mehr als jedem anderen Menschen und hat mich zu den Isisis gesandt.«

Sanders hatte bereits eine Ahnung von Bosambos verrückten Ideen und nickte nur. »Wenn du zurückkehrst, will ich mit dir über diese Wegeangelegenheit sprechen. Sage mir, mein Freund, wie lange gedenkst du, bei den Isisis zu bleiben?«

»Herr,« antwortete Ifikari, »ich bleibe einen Monat dort. Danach gehe ich nach Ochori zurück; mit reichen Geschenken, die ich diesmal – mein Herr Bosambo hat mich's ihm in seine Hand schwören lassen – für mich selbst behalten werde.«

»So, so! Einen Monat!« wiederholte Sanders.

Er wandte sich, um die Maschine auf »Vorwärts« zu stellen, und sah nicht, wie Emberi seine Hand vor sein Gesicht hielt, um dort ein Lächeln zu verbergen.

* * *


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