Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Aus den Gedichten Waiblingers

Am Grabe der Scipionen

(1827)

In diesem Sarge ruht der Eroberer
Lukanias. Die Seele begrub der Leib
in dem Gestein, und seine Inschrift
trugen die Götter ins Ewige Buch ein.

Denn Männerkraft stirbt nie; und wenn Helden auch
geboren sind vom Weibe: sie sterben nicht!
Es wartet ihrer der Olympos –
und ihr Olymp ist die Weltgeschichte.

Dort sind sie gleich den Sternen des Himmels fest
in ihrer großen Ordnung gereiht. Auch wenn
der Strahl Jahrhunderte durchflieget
trifft er doch endlich noch unser Auge.

Nur daß dies Auge – sei es geklagt voll Scham –
unwürdig oft der heiligen Strahlen ist,
Die in ein Herz voll niedrer Wünsche
oder ins Leere hinunterschauen.

Der Vorwelt war es Schande, so tatenlos
zu leben; Schand' auch, Niedriges bloß zu tun.
Groß wollte sie die Tat; und eine
dünkt ihr nur groß: die dem Vaterlande,

sich selbst aufopfernd, Segen und Heil gebracht.
Nicht Lorbeer, aber Tugend erstrebte sie.
So sprach der weise Rat der Greise:
Der ist der Beste! – Das dünkt mir Lorbeer.

Darum, o Wandrer, komm in dies Grab herein!
Nur nimm den kleinen Kummer nicht mit! Das ziemt
dir nicht. Wo Scipionen schlafen,
sollst du erwachen, o Sohn der Nachwelt!

Den Sarkophag, aufschaudernd betracht ihn du!
Mit einer Frage siehet er stumm dich an:
Wenn du, o Mensch, dereinst gestorben,
sage, was gräbt in den Sarg man dir ein?

Antworte nicht! O gehe beschämt hinweg
aus diesem ew'gen Totengemach, das dir
allein eng ist, doch nicht den großen
Toten, die mehr, als du dachtest, taten!

Und wenn dich außen wieder das Licht begrüßt,
so sieh, wie schlicht und einfach der Weinberg grünt,
und wie am Grab noch junge Rosen,
selbst noch ein Lorbeer die Wand emporblüht!

——————

Abschied von Olevano

(1827)

Leb wohl, du unvergeßliches Felsendorf,
leb wohl! Mit heiter scherzendem Lied nicht mehr
will ich dich preisen, wie's den Kindern,
Göttern und Glücklichen ist gegeben.

Der leichte Scherz, der flüchtig, im Sommertag
dem Schmetterling vergleichbar die Blumen neckt,
ist nicht mein Erbteil; anders lenkt' es
jener zerstörende Geist, den schauernd

im Lebenskampf mein glühendes Herz erprüft.
Gefährlich ist's zu spielen. Die Nemesis
ist eine ernste Macht. Die Charis
fliehet vor ihr in das Reich der Kindheit.

Was dein Beginnen, armes getäuschtes Herz?
Ziemt es dem Krieger mitten im Graun der Schlacht,
dem Schiffer in des Meers Orkanen,
Bilder der Heimat, der Ruh zu nähren?

Den aus des Paradieses verlorner Lust
der unversöhnte zürnende Gott gejagt,
ziemt's dem, die süße Frucht zu wünschen,
deren Genuß ihm den Tod bereitet?

Still, Herz, dein wartet Rom! Noch empfängt dich heut
sein uralt Tor; und größerer Herrlichkeit
schwermütge Reste wirst du schauen!
Schäm dich des Wen'gen, das du beweinest!

Und dennoch einmal, einmal noch kehrt mein Blick
sich rückwärts, wo der wallende Nebeldunst
und milde Morgenwolken rötlich
mir mein Olevano schon umziehen.

Ist's nicht, als wär's der dampfenden Erd' entrückt?
Versteh ich dich, o Geist der Natur? Hinfort
wär's nimmer möglich, wär's vorüber,
wär' es verschwunden für mich auf ewig?

Und was auch hofft' ich, glücklich zu sein und es
zu bleiben für und für! O verwegner Wahn!
Mir reifen keine Früchte. Blüten,
aber hesperische, sind mein Alles.

Ach freilich, süß war's, menschlicher Irrtum nur,
was ich geträumt! Noch tief in der Schattenwelt
hofft ja der Tote, seine Qualen
mit der Erinnrung der Freude nährend.

Nach finstern Tagen bricht aus dem Nachtgewölk
oft noch ein holdwehmütiges Abendlicht;
und mancher, schon am Rande des Grabes,
lächelt und spricht noch vom Glück der Jugend.

O, wer nur einmal irrte! Zu schön, zu tief,
zu wahr ist doch die Täuschung, zu herb und leer
die Wahrheit, und in Wolk' und Nebel
bildet den Bogen die sanfte Iris.

Darum ist's dir nicht Schande, mein Dichterherz,
wenn du dem teuren Felsen, dem gastlichen,
und dem noch Teurern, was dir droben
atmet, noch einmal voll Liebe zuweinst!

Das sei der Opfer letztes und zärtlichstes!
Hinfort laß ab von Hoffnung! Du kennst dein Los.
Dein Glück, dein kurzes Zauberleben
flieht mit dem fliehenden Bild der Berge.

Und Wiedersehn? Sie hofft es, versprach es ja;
doch, ach, sie kennt den glücklichen Träumer nur;
kennt den Erwachten nicht. So lebe
wohl, o Geliebte! Die Götter geben's!

——————

 


 << zurück