Wilhelm Waiblinger
Bilder aus Neapel und Sicilien
Wilhelm Waiblinger

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Bilder aus Neapel.

Hundert Gedichte.

Zum Begleiter durch Meer und Land
Eignet sich dies Büchlein schicklich:
Leg' es nie aus deiner Hand,
Lieber Freund, und lebe glücklich.

 

I.
        Gönnt mir mein flüchtiges Glück, und scheltet ihr mich, daß ich feire,
    Tödt' ich dennoch die Zeit, nordischer Eiferer, nicht.
Ja, und tödtet' ich sie, der Erinnerung holde Verklärung
    Weckt sie zum schöneren Sein ew'ger Vergeistigung auf.
 
II.
Vieles brauchst du, o Freund, willst du dich freu'n in Neapel,
    Vieles, und fehlet dir Eins, fehlt dir das Ganze zugleich.
Erstlich bringe mit leidliches Geld, doch reichlich ist besser,
    Jugend erhalte dich noch, Kraft und Gesundheit dich frisch.
Sorgen plagen dich nicht, kein Kummer drücke das Herz dir,
    Kein ermüdend Geschäft halt' im Gemache dich fest.
Sei nicht gelehrt, doch kenne die schöne Vorwelt erträglich,
    Wenig wisse mir nur, aber das Wenige gut.
Doch ein offenes Aug' ist dir vor allem zu wünschen, 4
    Und ein empfänglich Gemüt für die lebend'ge Natur,
Reiner Sinn für die Macht der Farben, den Zauber des Lichtes,
    Für die Schönheit der Form, wie sie dem Geist auch erscheint.
Urteil fehle dir nicht, und den Menschen kenne mir tüchtig,
    Wie er bieder, verschmitzt, ernst sich und lächerlich zeigt.
Redest du dann noch die Sprache des Volks, so preis' ich dich glücklich,
    Preise für solch ein Geschenk dankbar mein günstig Geschick.
 
III.
Immer schlendr' ich umher, und keiner Arbeit gedenk' ich,
    Unter dem wilden Gewühl irr' ich betrachtend herum.
Meer und Hafen und Stadt, und der rauchende Berg und die Inseln,
    Und dies tobende Volk fesselt mein Auge, mein Herz.
Gegenwärtiges freuet mich nur, dem Glücklichen lächelt
    Nur der goldne Moment, lächelt die Wirklichkeit nur.
 
IV.
Sitz' ich auch nicht am Pult, und hab' ich Buch und Papier auch
    Nicht zur Seite, mein Freund, bin ich so müßig doch nicht.
Vieles wälz' ich im Kopf, wenn's gleich das flüchtigste Lüftchen
    Wieder verweht, und im Nu andre Gedanken erweckt.
Meine Natur ist zu stolz, wie ein Lazzarone zu schlummern,
    Und zu schwach, wie ein Gott, stets im Olympe zu ruh'n. 5
 
V.
Warum plagt' ich mir auch mit bittern Grillen und Sorgen,
    Selbst mit des neidischen Ruhms wilden Entwürfen das Herz?
Kaum umschleichen sie morgendlich noch mein einsames Lager,
    Doch sie treffen mich wach, Anderes hat mich geweckt!
Fernher braust der Toledo mit tausendstimm'gem Geräusche,
    Hurtig kleid' ich mich an, eil' auf die Straße hinab,
Und im Volke verlier' ich mich schnell. Olympische Kronen
    Achtet in solchem Tumult nur wer im Stillen sie trägt.
 
VI.
Wie vergäß' ich dich je, o parthenopäischer Molo,
    Morgens hab' ich dich oft, Abends mit Wonne begrüßt.
Schwärme geschäftigen, müßigen Volks umgeben mich lärmend,
    Dutzende bieten den Arm, bieten die Barke mir an.
Schreiend preist der Verkäufer die Südfrucht, preist mir die Waar' an,
    Die er im ärmlichen Korb Tausenden rednerisch zeigt.
Wiehernd Gelächter, es lockt mich: der Pulcinella begeistert
    Einen Haufen, der dort gaffend die Puppen umsteht.
Hier im lauschenden Kreis des zerlumpten Pöbels erhebt sich
    Eine zerlumpte Gestalt, und Ariosto's Gedicht
Trägt er wütend den Hörenden vor, und ein Blinder, sich stützend
    Auf die Krücke, beginnt eben sein wunderlich Lied. 6
Hoch in den Lüften hängt im Labyrinthe der Taue
    Dort der Seemann, und hier plätschert die Barke vorbei.
Und ich tret' ans Gemäuer, es schäumt die tosende Welle
    Grünlich wie Lavageblöck wachsend und schwindend empor.
Rötlich glüht der Vesuv, der schöne, gefährliche Nachbar,
    Mit dem dampfenden Haupt über des Meeres Azur;
Heitere Städte, dem mächtigen Berg zu Füßen gelagert,
    Lächeln im Sonnenschein dort am Gestade mich an.
Weiter schweifet der Blick, und es wächst mit der Ferne die Sehnsucht,
    Ihr lustseliges Blau öffnet dem Auge die Bucht!
Taub schon bin ich der Menge, die mich umrauschet; hinüber
    Ueber die lachende Flut gaukelt die Seele sich hin,
Bis wo in goldenen Lüften, dem Wirklichen täuschend entnommen,
    Deine Insel, Tiber, duftenden Fernen entsteigt:
So aus dem zauberlosen Gewirr alltäglichen Lebens
    Flüchtet ins Fabelreich gerne der schwärmende Geist.
 
VII.
Anderer Gottheit weiht' ich von je mein Sinnen und Trachten,
    Heilige Musen, an euch richtet' ich nur mein Gebet!
Doch vergebet ihr mir, daß nun bei'm Amen zuweilen
    Mein andächtig Gemüt, deiner, o Plutus, gedenkt.
 
VIII.
Ob ich verschwende? Du schüttelst den Kopf, du drohst mit dem Finger;
    Halte, sagst du, o Freund, klüglich zusammen dein Geld. 7
Aber so laß mich verschwenden, so laß mich zahlen! Ich tausche
    Für dieß todte Metall ewiges Leben mir ein.
 
IX.
Dichter leben im Traum! Nun doch, so gönne den Traum mir,
    Wenige Tage nur reich, reich wie ein Krösus zu seyn.
 
X.
Willst du glücklich leben, o Freund, so erkenne den Menschen;
    Doch du verstehest ihn nur, wenn du dich selber erkennst.
 
XI.
Willst du nicht ewig irren, so stelle zur Welt dich erträglich,
    Sieh, was Andere tun, sieh, was du selber vermagst.
Setze Keinen zu hoch, und setze Keinen zu niedrig,
    Greife zur Mitt', und du gehst frei durch die Mitte hindurch.
 
XII.
Anfangs betest den Menschen du an, und siehest nur Großes,
    Kraft und Beständigkeit, Tugend und Hoheit in ihm.
Jetzt beginnst du zu lieben, beginnst zu wirken und handeln,
    Und du findest dich schwer, findest dich bitter getäuscht.
Noch erkennst du dich nicht, noch liebst du dich selbst zu entschieden,
    Darum legst du die Schuld alle dem Menschen auf's Haupt. 8
Du verachtest ihn tief, und möchtest selber ihn hassen,
    Zürnender Schwärmer, bis du endlich vernünftiger wirst.
Bis du die eigenen Gränzen erkennst; und ist dir's gelungen,
    Achtest du weniger dich, achtest du Andere mehr.
 
XIII.
Dränge keck den Toledo dich durch, und höre sie lärmen,
   Höre sie schreien und sieh jeden in seinem Geschäft.
Hunderte bieten Fische dir an, und Hunderte Früchte,
   Und, auf die Körbe gelehnt, Hunderte Schulter und Arm.
Hier versperrt dir der Kutscher den Weg mit Kalesch' und Karosse,
    Fahren sollst du, und fast nöthigt er dich mit Gewalt!
Bettler winseln dir nach und Krüppel! Aus lustiger Bude
    Spendet der Acquarol Wasser, Limonen und Eis.
Weiche, dich stößt hier der Esel, mit Gartenfrüchten beladen,
    Und der Verkäufer Geschrei hörst im Tumulte du nicht.
Peitsche warnt dich und Ruf! Zweirädrige Wägelchen fliegen
    Grün und golden und rot, hurtig wie Winde vorbei.
Dort der Wechsler am Tisch sein geordnet Kupfer betrachtend,
    Hier der Kuppler, der dir fröhliche Nächte verheißt.
Hier Orangen in goldener Pracht, dort Blumen in Fülle:
    Willst du schenken, so winkt gleich dir ein artiges Kind.
Lüstern siehst du ihm nach, und achtest des warnenden Ruf's nicht,
    Bis die Last des Facchins schon dir die Seite bestreift.
Was dir begegnet, und was du erblickst, Lebend'ges und Todtes, 9
    Mensch und Sache, zum Kauf steht's im Momente dir frei.
So vom dämmernden Morgen erbraust's in der staubenden Straße
    Bis zum Abend, zur Nacht, nimmer ermüdend hinab.
Mahnet der Berg sie auch mit drohendem Donner, wie flüchtig
    Ungesichert der Mensch selber der Erde vertraut,
Seine Stimme verhallt im Lärmen des Tags: das Bedürfniß
    Ist der begehrlichen Welt Gott und Orakel zugleich.
 
XIV.
Laß sie gewähren, sie sind nicht so schlimm! Den eigenen Vorteil
    Sucht ein Jeder, und du suchst ihn so eifrig, wie sie.
Sorgst du treu für den eigenen Heerd, so bist du vernünftig,
    Denkst du der Andern dabei, nennt man dich bieder und gut.
Schadest du Andern, indem du dir nützest, so heißest du böse,
    Tust du keines, mein Freund, hält man mit Recht dich für dumm.
 
XV.
Ein Tag fast wie der andre! So laßt uns, Freunde, genießen.
    Jubelt heute zu Land, schwärmet mir morgen zur See.
Spielt mir die Herrn! Es erwartet uns treu ein eigener Wagen,
    Spielt mir die Herren, es steht unsere Barke bereit.
Und zur Vollendung des Fests bring' euch der hurtige Fischer 10
    Abends bei'm Mahl des Kastells treffliche Austern herbei.
Denn nichts ist mir zu gut auf der Welt; das Schönste, das Beste
    Dünkt mir eben noch recht, eben erträglich zu sein.
 
XVI.
Kennet ihr ihn, so gebet mir Recht, und saht ihr ihn nie noch,
    Hört mich, ich gebe so gern euch sein vergnügliches Bild.
Arm, wie ein Bettler ist er, sein Eigentum ist ein Korb nur,
    Hat er ihn glücklich geleert, labt ihn der Schlummer in ihm.
Wenn der Sirius brennt, läuft er halb nackt in den Straßen,
    Winters siehst du ihn nur in sein Capotto gehüllt.
Wie Diogenes lebt er in philosophischer Ruhe,
    Nur daß er weiser, als er, nie mit der Armut geprahlt.
Heute sucht er zu leben und lebt; für den kommenden Morgen
    Sorget er nicht, was er braucht findet er morgen, wie heut.
Will er schlafen, genügt ihm die Treppe, genügt ihm die Straße,
    Will er trinken, es steht Eis und Citrone bereit.
Fühlt er Hunger, so dampft in der Bude die köstliche Nudel,
    Reicht es heut nicht, so genügt Brod und die südliche Frucht.
Alles wird ihm bequem und behaglich; jedes Bedürfniß
    Wird, wo er geht, wo er steht, ohne Befremden gestillt. 11
Hat er sattsam geschrie'n, und einem Besessenen ähnlich
    Rennend von Haus zu Haus glücklich sein Wen'ges verkauft,
Ist an jeglicher Ecke gesorgt für ein kleines Vergnügen,
    Lockt hier Tanz und Gesang, lockt auch die Puppe herbei.
Jeglicher wagt und prüfet das Glück im gefährlichen Spiele,
    Deutelt und träumet und zählt, wenn auch die Nummer verliert.
Lauter Bewegung ist er, er spricht mit tausend Gebärden,
    Drückt mit Zeichen so klar, wie mit der Zunge sich aus.
Staunend sehn Nordländer ihn an: ein anderes Wesen,
    Regsam, wie ein Polyp, scheint die lebend'ge Figur.
Und in Lumpen und Schmutz gewahrst du griechische Bildung,
    Geistreich lächelt der Kopf unter der Mütze dich an.
Unvertilgbar erhält die Natur noch südliche Grazie,
    Formen des Altertums spähest im Nackten du aus.
Mag er bejahn und verneinen, dich überlisten und preisen,
    Immer erscheinet er dir lustig und fein und gewandt.
Siehst du den Einzelnen an, gutmütig triffst du ihn immer,
    Ehrlich ist er, wenn du anders vernünftig nur bist.
Aber bist du ein Tor, so mag er mit Recht dich betrügen,
    Und der bess're Verstand feire den schuldigen Sieg.
Nicht wie der Römer, gemessen und stolz, einsilbig und mürrisch,
    Freundlich ist er, und häuft Titel an Titel dir auf.
Wie der Einzelne, so die Masse. Sie schleppt sich behaglich
    Froh und arm in der Zeit herrschendem Takte dahin.
Nur wenn sich dieser verstärkt, und in schnelleren Schlägen ertönet,
    Regt, wie bei'm Sturme die See, wild auch die Masse sich auf. 12
Eine Welle, sie schadet dir nichts, doch empört sich das Ganze,
    Droht es dem Steuermann, droht es dem Schiffe Gefahr.
 
XVII.
Sieh die Gruppe nur an! Der schiebt den gewaltigen Bündel
    Maccaroni hinab in den gefräßigen Schlund!
Jener schläft; der zählt im Korbe die salzigen Fische;
    Diese spielen und dort streitet ob Nummern man sich.
Der ist faul an den Esel gelehnt, und schmauchet die Pfeife,
    Jener bettelt, und der säubert dem Fremden den Schuh.
Nahe dich nur, so hast du sie all', sie umschanzen dich alle,
    Jeder ist dein, und du bist plötzlich von Zwanzig bedient.
So ist der Mensch in der Ruh', im Schlendriane des Lebens,
    Wenn ihn die Leidenschaft nicht, nur das Bedürfniß beherrscht.
Der verträgliche Haufen, der Händ' und Füße dir leihet,
    Um das tägliche Brod jeglichem Dienste sich weiht,
Stürme die Leidenschaft ihn empor, so greift er zum Dolche,
    Mordet und brennet und stiehlt, wütet und raubt und zerstört.
 
XVIII.
Zürn' ich auch oft, wie die Hierarchie mit tyrannischen Ketten
    Und mit Nebel und Dunst Geister und Herzen entehrt, 13
Dennoch möcht' ich ihr danken, betracht' ich den Haufen, bedenk' ich,
    Wie's um mich stünde, wenn er handelte, dächte wie ich.
 
XIX.
Täglich wächst meine Trägheit, zwar keine Heimat auf Erden
    Hab' ich, und trenne mich doch mühsam von jeglichem Ort.
Schon der Liebling des Knaben war einst der homerische Wandrer,
    Seitdem hat sich mein Herz stets nach dem Aetna gesehnt.
Heute scheidet das Schiff; zwar klopft mir der Busen, doch hält mich
    Der bequeme Genuß noch in Neapel zurück.
 
XX.
Findest du keine Gränzen für all' dein Wollen und Wünschen,
    Sieh Neapel, und dir bleibet kein anderer Wunsch.
Lerne genießen im südlichen Geist, und verloren beklage
    Jeglichen Tag, den du nicht in Parthenope lebst.
 
XXI.
Ob ich der Heimat gedenke? So oft ich mich trüb' an der Jugend
    Irrtum erinn're, so kehrt auch mir die Heimat zurück.
 
XXII.
Möchte, wo ich geboren, doch bald mein Gedächtniß erlöschen,
    Jedem mein Name, mein Bild gleich einem Traume verwehn. 14
Dann wohl kehrt' ich zurück, wenn ein zweites Geschlecht nun geboren,
    Und genösse den Trost Neuen ein Neuer zu sein.
 
XXIII.
Fühllos nennest du mich und hart; es bleibe die Heimat,
    Sagst du, jedem Gemüt heilig und teuer und wert.
Höre, noch will ich ihm wohl, dem ergiebigen Boden, doch hab' ich
    Leider im Irrtum in Dorn, Nessel und Disteln gesät.
 
XXIV.
Was auch riefe dahin mich zurück? Die Umarmung der Freunde,
    Oder die Sehnsucht der Treu'n, wieder den Wand'rer zu sehn?
Aber ich zähle sie auf – doch nein, ich habe der Finger
    Mehr als der Teuern, und so bleiben wir besser uns fern.
 
XXV.
Viele vermeinen – ich kenne sie wohl – engbrüstigen Herzens,
    Daß ich dem Guten verlernt, Werk und Gefühle zu weihn.
Weil ich nicht bin, wie sie, so bin ich die Beute des Abgrunds,
    Weil ich sie kenne, der Sohn, der sich vom Vater verirrt;
Weil ich mich und And're getäuscht, ein sträflicher Sünder,
    Der die schreckliche Schuld büße mit knirschendem Mund; 15
Weil mich Jugend verführt und die Leidenschaft mich geblendet,
    Weil ich die zehrende Glut noch in so Vielen entfacht,
Weil mich, dem stürzenden Bergstrom gleich in den schäumenden Felsen,
    Unglück einst in die Nacht sittlicher Klippen geführt,
Weil es keinem gelang, am Gängelband mich zu leiten,
   Weil mich der Widerstand wilder gereizt und empört,
Weil keine mächtige Kraft mit der Uebergewalt des Verstandes
    Mich in gefährlicher Bahn kühn zu regieren gewußt,
Weil ich mir selbst verdanke, was ich gedacht und errungen,
    Und die Wahrheit erkannt, die im Verbotenen liegt,
Weil ich zu oft und zu feurig geliebt, und aus jeglicher Liebe
    Mir das neid'sche Geschick eine Tragödie schuf,
Ja ist's möglich, o Musen, weil ihr die Gabe zu singen,
    Weil ihr mir Kraft und Talent, Fleiß und Empfindung verliehn:
Darum verwünschten sie mich; und da ich endlich entwandert,
    Da ich dem Schlendrian endlich die Schulter gekehrt,
Und dem Dienste der Musen, dem frei'n, selbst Freuden des Herzens,
    Lieb' aufopfernd und Glück, mich aus der Heimat verbannt,
Hätten sie selbst noch gejubelt, wenn mich am Tiber Jugurtha's
    Hungertod noch ereilt, hätten dem Himmel gedankt –
Aber still, der Abend ist schön, die Lüfte sind golden,
    Ruhig und eben das Meer: nimm denn, o Barke, mich auf! 16
 
XXVI.
Reinere Lust, wo fänd' ich sie nur, als eben im Kahne,
    Wenn er mich über die Flut, über die glänzende, trägt.
Kräftig rudert der Alte, mir längst zum Fährmann geworden,
    Weiß von Bart und von Kopf, ist er mir treu und vertraut.
So entschwebt man dem Hafen. Neapels Getöse verhallet,
    Und die freundliche Stadt breitet am Ufer sich aus.
Farbige Häuser, mit ebenem Dach, hellschimmernd im Lichte,
    Lachen voll südlichem Reiz über dem Spiegel der See.
Drohend streckt das Kastell sich in's Meer, und auf grünendem Hügel
    Ragt St. Elmo, die Stadt mächtig beherrschend, empor.
Heitere, luftige Berge, mit euern blühenden Gärten,
    Hain' und Villen und dich, ewig lebendiges Grün,
Grüß' ich alsdann, ich grüße den Park von Tapo di Monte,
    Floridiana, und dort grüß' ich Posilippo's Fels!
Blick' ich aber zum Golfe hinweg, zu den schönen Gestaden,
    Wie sie die Perlenschnur sonniger Städte begränzt,
Ueber die schimmernden Reihn, vom Abendlichte gerötet,
    Hier des dampfenden Bergs aschiges Bild sich erhebt,
Dort St. Angelo's waldiger Fels und die Ufer Sorrento's
    In hesperischem Licht schwellen und duften und glühn,
Aber ferne, dem Auge so süß, dem Herzen so teuer,
    Capri's Zaubergestalt ewig hinüber mich lockt,
Himmel und Meer sich verklärt, und hell im lauteren Aether
    Sich des alten Vulkans düstere Wolke verliert, 17
Dann, o Neptun, dann wünsch' ich, in einen Triton mich verwandelnd,
    Ewig im Meere zu sein, ewig solch Wunder zu sehn.
 
XXVII.
Oft in vertraulicher Nacht wiegt mich der Kahn in der Bucht noch,
    Stille athmet die Luft, Stille der Himmel, die See;
Kaum daß ein Fischer mich stört, der plätschernd zum Hafen zurückfährt,
    Kaum daß am dunkelen Strand noch eine Stimme verhallt.
Dann betracht' ich gerne, Vesuv, dein erhabenes Nachtbild,
    Schaudernd fühlt das Gemüth, was du im Innern verbirgst;
Und es entwallt dem schrecklichen Haupt ein düsteres Glutroth,
    Das die südliche Nacht flüchtigen Scheines erhellt.
Welche Klarheit, o Götter, was ist's? Aus dem Krater der Somma
    Dämmert es mählig auf, fast wie ein zaubrischer Tag.
Du bist's, lieblicher Mond, du entsteigst in schüchternem Lichte,
    Und nur tiefer verstärkt seh' ich die Schatten des Bergs.
Aber sie ruhen umher, wie in Traum und Schlummer versunken,
    Und verschwimmen in Duft, Küsten und Inseln und Meer.
Stille wink' ich dem Greis: es funkelt die Well' um das Ruder,
    Und der nächtlichen Stadt rudern bedächtlich wir zu. 18
 
XXVIII.
Rühm' ich die freundlichen Plätze, wo oft die Sehnsucht mich hintreibt,
    Sei auch ein Distichon dir, Santa Lucia, geweiht.
Abends bist du mir gern ein Spaziergang. Rauschend umgiebt mich
    Mancherlei Volk, und es rollt Wagen an Wagen vorbei;
Lustige Mädchen sie schauen herab von hundert Balkonen,
    Alter und Jugend lärmt, rennet und spielet und läuft,
Müßig oder beschäftigt; es sitzt vorm Haus die Familie,
    Plaudert und schwatzt, und im Haus bleibet die Sorge zurück.
Alle Wunder des Meers, sein tausendfältig Gewächse,
    Muscheln, Korallen und was sonst noch der Abgrund verschließt,
Seh' ich geordnet: ein tobender Schwarm umschreiet die Waage,
    Wo der Fischer den Fang gierig mit Anderen theilt.
Alles find' ich beisammen, gewaltige Krebs' und den Schwertfisch,
    Triglie, Calamar, Aal und Muräne dazu.
Austern bietet ein Junge mir an, es winselt der Bettler;
    Geb' ich einem, so hinkt gleich noch ein Dutzend herbei.
Lazzaronen halten ihr Mahl, auf die Erde gelagert,
    Kinder beim Tamburin hüpfen im hastigen Tanz.
Schreiend warnet der Kutscher, es fliegt die Kalesche vorüber,
    Aus dem düstern Kastell wirbelt die Trommel darein.
Fast betäubt das Getöse: doch unterm Pizzo Falcone
    Kehren bei feurigem Wein bald mir die Sinne zurück. 19
 
XXIX.
Richte weise dich ein, wie du die Länder durchwanderst:
    Zu viel Seltenes ist dir zu betrachten bestimmt.
Alles umfassest du nicht, und es lohnt sich auch selbst oft der Müh' nicht.
    Siehe nur an, was dir nützt, was dir als Eigenthum bleibt.
 
XXX.
Jahre durchzieh' ich die Welt, und das kirchliche Rom ist mir Heimat,
    Tausende hab' ich schon glänzender Kirchen gesehn:
Drum verarge mir nicht, daß ich vor Kirchen mich fürchte,
    Daß in Neapel mir besser die Straße gefällt.
 
XXXI.
Marmor hab' ich sattsam gesehn, und heilige Bilder,
    Säulen, Kerz' und Altar, Decken und Kuppeln genug.
Lieber betracht' ich den Menschen im Frei'n, als auf Knie'n in der Kirche,
    Lieber im Handeln und Thun, als im gelernten Gebet.
 
XXXII.
Bibliotheken, Museen, Kabinette, Paläste, Fabriken,
    Hab' ich aus Neugier erst, endlich aus Pflicht nur besucht.
Längst schon hab' ich sie all' und mit ihnen die Zeit auch verloren,
    Aber ein Abend am Meer bleibt bis zum Grabe mir noch. 20
 
XXXIII.
Denk' ich einst in der Ferne des lustigen Völkchens, wie's lebet,
    Und wie's treibt, wird gewiß auch der Kalesche gedacht.
Wie den mageren Klepper die Feder schmückt, und in Lumpen
    Auf der Deichsel ein Kerl, leicht wie ein Hermes, sich hält.
Pyramidalisch baut ein halb Dutzend Männer sich aufwärts,
    Und die Mütze, sie ziert jedem den munteren Kopf.
Zwischen den Rädern liegt gleich einem Hund noch ein Bube,
    Und das gegeißelte Roß fliegt durchs Gedränge dahin.
Werden die Knochen auch derb dem faulen Völkchen durchschüttelt,
    Nun, was kümmert's, man geht immer ja noch nicht zu Fuß.
 
XXXIV.
Immer schwebst du vor Augen und Herz, erhabenes Rom, mir
    Und entfachst im Gemüth immer den glücklichen Streit,
Ob ich mehr als Neapel dich preis'! Am Strande des Meeres,
    Oder beim Grabe Virgils, und auf Posilippo's Höh',
Oder wenn vom rauchenden Haupt der brennenden Somma,
    Wenn von Tamaldoli's Grün, und von Puteoli's Berg,
Wenn von Misenums Kap, vom Epomeo, vom Schlosse
    Procida's, und von Tibers schaurig entlegener Burg, 21
Von den Felsen Sorrents und dem Vorgebirg der Minerva,
    Meer und Städte mein Blick, Inseln und Berge beschaut:
Dann vergess' ich des traurenden Roms palatinische Schwermuth,
    Denke des Capitols, denke der Tempel nicht mehr.
Bringt mir aber der Abend das Bild der hohen Paläste,
    Forum, Kirch', Obelisk, die Pyramide zurück,
Alle die ernsten Plätze, von Säulen geschmückt und Fontänen,
    Aquädukt und des Stroms Brücken und Häuser und Strand,
Mausoleum, dein Riesengewölb und des heiligen Vaters
    Labyrinthisches Haus, Raffaels himmlische Welt,
Deine Fluren, Pamfili, und deine Haine, Borghese,
    Steigst du, o Pantheon, gar mir vor den Sinnen empor,
Oder denk' ich mich nur ins altertümliche Dunkel
    Nächtlicher Osterie'n unter die Sänger zurück . . .
Stille! genug ist's längst; ich brauche kein Liebchen zu nennen,
    Um den Vorzug euch schon, theure Quiriten, zu leihn.
 
XXXV.
Eines hast du voraus, Parthenope! Was die Natur dir
    Liebreich gegeben, warum pries' ich es liebreich nicht an?
Rom ergreift mit den Schauern des Grabs, doch in deinen Ruinen
    Scheint mir das Alterthum fast noch lebendig zu sein.
 
XXXVI.
Wohnst du auf Roma's Hügeln, der Welt uralte Geschichte:
    Hast in Parthenope du, Mythe, dein Reich dir erwählt. 22
 
XXXVII.
Fesselt in Rom die Idee der Gewalt, und der Macht, und ihr Sturz dich,
    Heitert die Liebe dich hier, bleibende Freude dich auf.
 
XXXVIII.
Wenn in Rom das Schicksal dir nur und die Parze begegnet,
    Mahnt dich der Schmetterling hier nur an das Glück des Moments.
 
XXXIX.
Gehst du dort auf der Straße, du siehst nur Pfaffen und Mönche;
    Gehest du hier, du erblickst nur Lazzaronen um dich.
 
XL.
Scheid' ich einst von Neapel, wenn auch auf kürzere Frist nur,
    Manches vermiss' ich mir doch auch in dem klassischen Rom.
Du vor allem bist es, o Meer von allem auf Erden:
    Bist du das Wechselndste mir, bist du das Schönste mir doch.
Dann den Vulkan, und die lustige Fahrt durch die Städte des Ufers,
    Schmerzlich verlier' ich auch Capri und Ischia dich!
Ferner das immer lebendige Volk und die rauschenden Straßen,
    Ja mich verlangt auch gewiß, köstliche Austern, nach euch. 23
 
XLI.
Ohne dich, o Vesuv, und euch, holdselige Inseln,
    Dünkte Neapel auch nicht mir Neapel zu sein.
 
XLII.
Was noch fehlte mir hier? So reich die große Natur ist,
    Blühet täglich ein Lenz holder Genüsse mir zu.
Oft nur seufz' ich geheim, wenn die Sterne glänzen am Himmel,
    Ruht' ich doch wieder bei dir, römisches Liebchen, mich aus!
 
XLIII.
Mancherlei dünkt mir nöthig, um froh und glücklich zu leben,
    Schöne Natur und Geld, oder doch sichrer Kredit.
Unverdorbene Kraft, wohlwollende, sinnige Freunde;
    Aber, merke mir wohl, fehle das Liebchen dir nicht!
 
XLIV.
Irdische Habe, was kümmr' ich mich drum, und Häuser und Güter,
    Hof und Garten, es hat nie nach Besitz mich verlangt.
Was ich zu tragen vermag, das wünsch' ich mir nur, doch der Freuden
    Hab' ich noch selten genug, aber der Leiden gefühlt.
 
XLV.
Daß ich zu stolz nicht werde, mich nicht im Elysium glaube,
    Stimmt mich bei jeglichem Schritt wieder ein Bettler herab. 24
 
XLVI.
Kommt und höret den Bettler mir an, o Pred'ger der Heimath,
    Winseln lernet mir ihm, Haltung, Beredsamkeit ab!
 
XLVII.
Endlich sah ich ein Volk im Schlaraffenleben sich taumeln,
    Und im Schlaraffenland dünkt' ich mir selber zu sein.
Tausende kränzt der phantastische Schmuck, die komische Zierde;
    Feder und Tannenreis, hölzerne Gabel und Nuß
Trägt auf dem Strohhut jeder, und gar Lebkuchen und Backwerk;
    Und auf geschältem Baum friedlich zusammengereiht
Schleppt man jauchzend das Bild der Mutter Gottes, und Bänder,
    Fahne, Kübel und Schau'r, Schuh und Kastanie dabei.
Ueppig deckt der Bacchantin das Haupt großblättriges Weinlaub,
    Und aus der Rebe Grün athmet ein glühend Gesicht.
Diese schäkert vom Esel herab und jene vom Wagen,
    Dem ein farbiges Tuch Schatten und Decke gewährt;
Stiere ziehen den einen und klingelnde Rosse den andern,
    Aber aus allen erschallt Jubel und Klang und Gesang,
Aber aus allen das Lied zum Tamburine gejauchzet,
    Geigen und Flöten, es tobt alles im wilden Verein.
Karavanen ziehen herbei zu Pferde, zu Esel,
    Jeder höhnet und wird wieder von Andern verhöhnt.
Allenthalben in Lauben und Höfen, vor schattigen Thoren
    Kreiset der Wein, und es wird Becher um Becher geleert; 25
Auch der Eßlust gedenket das Volk, denn Trinken und Essen
    Dünkt ihm das einzige Gut, ist ihm der edelste Wunsch.
Aber in lachenden Gärten und Vignen, auf Wegen und Straßen,
    Unter Feigen und Wein wechselt der südliche Tanz,
Klappert die Castagnette zur Tarantella begeisternd,
    Pauken des Tamburins bacchische Schläge den Takt.
Lumpen siehst du in Menge, den Lazzaronen im Festschmuck,
    Barfuß, aber voll Wein, aber zum Faunen verzückt!
So vom buchtlosen Hang des Vulkans, dem rebenbegrünten,
    Zieht man zu Wagen, zu Roß, zieht man zu Fuß in die Stadt!
Wär' es wirklich ein Fest, der Madonna dell' Arco geheiligt,
    Ist es ein Carneval oder des Bacchus Triumph,
Was die Sinne berauscht dem saturnalischen Völkchen,
    Was zu Jubel und Tanz, Springen und Possen es treibt?
Gönn' ihm, nordischer Freund, die beneideten Freuden, und schelte
    Keinen um flüchtigen Rausch, keinen um menschliches Glück!
Nur in frostiger Ferne lernst du das Heilige sehen,
    Und unsichtbar und todt, ist's ein Gedanke dir nur;
Aber dem Süden ist's erst zum irdischen Fleische geworden,
    Und in lebend'ger Gestalt sitzt es zu Tische mit ihm.
 
XLVIII.
Stört dich in Rom der Britte, der Platz und Kirche behauptet,
    Gallerie und Palast, Tempel und Forum beherrscht, 26
Ist dir die Miß ein Greuel, die Modepuppe zu Pferde,
    Wie sie Vespasians Riesentheater begafft,
Ist sie dir das Modernste, was je Roms Gräber und Tempel
    Zum langweiligen Spiel ärmlicher Neugier entweiht;
Lächelst du auch, wenn dir im Kostüm vergang'ner Jahrhundert
    Langen Haares und Barts so ein germanischer Thor
Mit dem Feldstuhl begegnet, und siehst du deutscher Studenten
    Purschikosen Gebrauch unter Quiriten versetzt:
Freund, so stört in Neapel dich oft der helvetische Blondkopf,
    Allenthalben ertönt dir das verdorbene Deutsch.
Fast gefällt dir der Schweizer noch besser, denn Stock und Kaserne
    Wahret wenigstens doch vor dem Gehässigen ihn.
Jener ist frei, und verstehet es nicht, wie ein Freier zu leben,
    Besser wär's, das Geschick hätt' ihm zum Schweizer gesellt.
 
XLIX.
Hörst du die Trommeln wirbeln, und all' den soldatischen Lärmen,
    Wahrlich, du glaubtest fast nicht in Neapel zu sein.
 
L.
Hätt' ich nur einen Abend, wie ich mit dem Liebchen im Hader
    Viele verdorben, o wie nützt' ich so friedlich ihn jetzt! 27
 
LI.
Dank euch, Götter, daß ihr mich dem Sturm und den Felsen Sorrento's,
    Daß ihr dem Wellentod gnädig den Dichter entrisst!
Zwar ich bin kein Tasso, doch wär's auch eben nicht billig,
    Daß ich stürbe, wo er euere Erde betrat.
 
LII.
Jenes Moments mich erinnernd, da uns zu sterben bestimmt war,
    Freunde, kehret auch ihr mir ins Gedächtniß zurück.
Zufall führt' uns zusammen, und Zufall trennet' uns wieder,
    Denn der Zufall bestimmt selbst dem Gemüthe das Ziel.
Herzlich wollt' ich euch wohl, und ihr auch fandet mich leidlich,
    Wenn mein munt'rer Humor lustige Stunden euch schuf.
So durchstricht ihr mit mir die reizenden Fluten von Bajä,
    Freutet in Ischia mit mir, freutet in Procida euch,
Auf dem Vesuv, in Pompeji, bis fern im griechischen Pästum
    Hielt uns gemeinsame Lust, Eintracht zusammen und Scherz.
Längst schon trieb das Geschick in den Norden euch, aber der Dichter,
    Den die Heimat nicht ruft, blieb in dem Süden zurück.
Möchte der Genius uns, der aus den Wellen von Meta
    Uns gerettet, dereinst wiederzusehen verleihn!
 
LIII.
Aber o zürne mir nicht, o vergieb mir, Vater Lyäus,
    Daß kein dankbarer Vers noch deine Gottheit gelobt! 28
So ist der Mensch, er gedenkt des Unbedeutendsten dankbar,
    Und vergißt das Gestirn, das ihm das Leben erhält.
 
LIV.
Göttern gefällig und fromm, so nannte den Sänger die Vorwelt,
    Darum sei dir getreu, Bacchus, dein Opfer gebracht.
Sei's, daß dunkel das feurige Blut des Vulkans mich begeistert,
    Das der menschliche Witz Lacrimä Christi genannt,
Sei's, daß Ischia's Traube, daß Capri's goldener Nektar
    Oder Calabriens Trank kühnere Geister erweckt,
Oder daß euer flammend Gewächs, Sirakus und Marsala,
    Mich in die Heldenzeit griechischer Vorwelt versetzt:
Immer verehr' ich die Macht allgegenwärtiger Gottheit,
    Wo sie in Strahlen des Lichts Göttliches zeuget und schafft.
 
LV.
Warum nennt' ich sie nicht, es schämte die Muse sich ihrer?
    Haben die Grazien ihr doch Körper und Seele geweiht!
Nein, Caroline, mein Distichon preis' auch deine Behausung,
    Wo du den täglichen Gast freundlich bewirthend empfingst.
Abends sitzt er in traulicher Eck', im gemüthlichen Stübchen,
    Wo ihn dein goldner Saft, Torre del Greco, erquickt.
Kaum daß der Lazzarone mich sieht, der muntere Fischer,
    Bringt er im Korb auch zugleich Austern zu Dutzenden her.
So verschmaust man die Stunden der Nacht, mit Plänen der Zukunft,
    Im Genuß des Moments, in der Erinnerung Glück, 29
Bis, o Bacchus, dein Gold, in mir allmählich geläutert,
    Bald mir Geist und Gemüth, reinern Gehaltes, entflammt.
 
LVI.
Dich beneid' ich, Beherrscher des Meers, Neptunische Gottheit,
    Nicht um die hohe Geburt, und die Verwandtschaft mit Zeus,
Nur um die Austern, die dir des Abgrunds freundliche Nymphen,
    Dem Unsterblichen dir, bringen zum göttlichen Mahl.
 
LVII.
Sizilianisches Eis, mit des Aetna Kälte durchrieselst
    Du dem Lechzenden oft leckeren Gaumen und Mund;
Keiner Gottheit weiht dich der Mensch; was die kältere Nachwelt
    Erst erfunden, beschützt keine unsterbliche Macht.
 
LVIII.
Schöneres Männervolk, du suchst es auf Erden vergebens,
    Lazzaronen sind sie, aber von griechischem Blut;
Auch die Weiber, ich tadle sie nicht, die freundlichsten Männer,
    Aber kein schönes Weib sind sie zu zeugen geschickt.
 
LIX.
Könnt' ich ohne des schweigenden Roms melancholische Tempel,
    Ohne das Capitol, ohne das Pantheon sein, 30
Würd' ich zum dauernden Wohnsitz dich, Parthenope, wählen:
    Führt' ich doch wenigstens dich, römisches Liebchen, hinweg.
Denn stets seid ihr von mir als die Schönsten eures Geschlechtes,
    Römische Frauen, und ihr, römische Katzen, gerühmt.
 
LX.
Hier im Herzen des Südens, wer dächt' es, daß mich die Erinn'rung
    An mein Vaterland oft trauererweckend besucht.
Um Jahrhunderte kehr' ich zurück, des Geschlechtes gedenk' ich,
    Das im Süden die Kraft, Leben und Krone verlor.
Seit der Staufische Friedrich Neapel den Apfel der Schönheit
    Zuerkannt, war der Tod, schwäbisches Haus, dir bestimmt.
 
LXI.
Auf den Markt del Carmine führt mich der Genius oftmals,
    In der Verkäufer Gedräng' irr' ich verlassen umher.
Hunderte stehen von Eseln, Campagnenbauern und Säcken,
    Auf dem Platz, der Tumult Ohren betäubt er und Sinn;
Wagen rasseln vorüber am nahen Strande des Meeres,
    Fischer beschäftigt das Netz, andre die drückende Last,
Andere schaaren sich müßig um eine Schlange zusammen,
    Die der zaubrische Stab eines Betrügers berührt. 31
Laß mich fliehn aus dem Lärmen, und in der Kapelle beweinen,
    Daß auf dem Blutgerüst einst hier ein Conradin starb.
 
LXII.
Hat die Natur mich ersättigt, und kommt der Abend, so wähl' ich
    Mir Sanct Carlo zur Ruh, lieber Carlino mir aus.
Helden triffst du hier nicht, noch Algerisches Pathos,
    Noch der Crusca Gepräng' oder Goldonisch Geschwätz.
Aber freut dich die Sitte des Volks, sein Witz und Charakter,
    Findest Neapel du hier trefflich ins Kleine gemalt.
 
LXIII.
Einen Vers nun, o Studien, euch! Schon wollt' ich euch rühmen,
    Aber die süße Natur hat mich, das Leben gestört.
Welche Schwelle betret' ich? Es lockt der Farnesische Stier mich,
    Hier der Alcide und dort fesselt der Flora Gestalt.
Saal an Saal durchwandr' ich, verweile bei dir, Aristides,
    Und in der Venus Gemach schleicht sich der Lüsterne ein.
Und ich bewund're des reizenden Theils sanftschwellende Wölbung,
    Weil ihn bewundert die Welt, weil ihn die Göttin beschaut.
Ob er würdig der Himmlischen ist, nicht wüßt' ich's zu sagen:
    Göttliches wünscht' ich, und nicht, was sie mir zeiget, zu sehn. 32
 
LXIV.
Buonarotti's Kapell' und Sanzio's Säle vermiss' ich,
    Wenig des Trefflichen zeigt unter den Malern sich mir.
Tizian aber sei, der Maler sinnlicher Wahrheit,
    Domenichino, und du Maler der Seele, gelobt!
 
LXV.
Wo ich Tage zu weilen, und täglich wünschte zu kehren,
    Seid mir immer und bleibt, Bronzen des Alterthums, ihr.
Fern erscheinet die Vorwelt uns, wenn ihr Geschichte
    Unserm nordischen Geist sich aus den Büchern entrollt.
Wie Jahrtausende zaubern, du fühlst's; kaum dünkt es dir möglich,
    Daß die römischen Herrn aßen und tranken wie wir.
Oeffne die Thüre des Saals und staune, du trittst in die Küche,
    Findest jeglich Geräth, wie's das Bedürfniß verlangt.
Was zu des Hauses Schmuck, und mannigfachem Gewerbe,
    Was zu Ordnung und Putz, was zu Bequemlichkeit dient,
Alles findest du hier, der Vorwelt sämmtlichen Hausrath,
    Schminke, Bürstchen und Kamm, Leuchter und Glock' und Gewicht.
Nichts vermeldet Plinius uns von diesem Geräthe,
    Doch willkomm'ner ist es, wicht'ger als Plinius dir.
Dient es auch nur zu niederm Gebrauch, das gemeine Bedürfniß
    Hat ein verschönernder Geist sinnig veredelnd geweiht.
Alles hast du beisammen, was Alte brauchten und schufen,
    So erstehen sie selbst leicht, die Geschiedenen, dir. 33
 
LXVI.
Stunden der Muse geweiht, o Pompejanische Fresken,
    Dank' ich euch, und ihr habt einzig bis jetzt mir gefehlt.
Nur die plastische Form hat mir die Vorwelt gewiesen,
    Aber die Farbe hat sie nun, die lebend'ge, durchglüht.
Vieles freilich erinnert an wunderlich steifes Geschnörkel,
    Wie's der barocke Geschmack unter die Franken gebracht,
Doch mir begegnen Gestalten so geistig vollendeter Schönheit,
    Wie sie der Grazien Gunst später in Sanzio gelegt.
 
LXVII.
Eins nur störet mich stets, mich verfolgt der leid'ge Kustode,
    Und das Gehässigste dünkt mir ein Professor zu sein.
Will Sankt Peter mir einst den Himmel öffnen und endlich
    Gar mich begleiten, ei nun! möcht' ich fürwahr nicht hinein.
 
LXVIII.
Klarer Himmel von Frühling bis Herbst, versteht ihr's im Norden?
    Aber der Hitze, des Staubs trugen wir wahrlich genug.
Selbst das laute Neapel wird still in der Schwüle des Mittags,
    Schatten zu stärkendem Schlaf sucht sich ein Jeglicher auf,
Der auf weichlichem Pfühl, und der auf verlassener Straße,
    Der am Strande des Meers, der in die Barke gestreckt.
Nur mit der sinkenden Sonne belebt die Straße sich wieder,
    Und es athmet die Welt frischer und freier nun auf. 34
Eis und Limonie labt der Lazzaronen, der Bettler
    Brennenden Durst, und ein Gran reicht zur Erfrischung ihm hin.
Reichere stärkt Palermo's Sorbet! Doch selber des Abends
    Ist der Spaziergang mir in die Campagna erschwert.
Denn es drohet der wallende Staub mir den Athem zu rauben,
    Jede Karosse, sie regt, wirbelt in Wolken ihn auf.
Wiesen, die Ulm' umrankende Rebe, der Pinie Krone,
    Berg und Vigne bedeckt, Felder und Gärten der Staub.
Keines Krauts lebendiges Grün erquickt mir das Auge,
    Der versengenden Glut neiget die Pflanze das Haupt.
Nur die Freuden des Meers, sie laden mich ein, und ich flehe
    Täglich: erbarm dich mein, Jupiter Pluvius, du.
 
LXIX.
Wochen voll einsam vertraulicher Lust, voll geheimer Genüsse,
    Hab' ich glücklich auf dir, felsiges Capri, gelebt.
Aus der rauschenden Welt und der Stadt betäubendem Lärmen
    Flüchtet' ich sehnsuchtsvoll mich in dein magisches Reich.
Muse, du riefst mich dahin! es gedeiht dein zärtliches Leben
    Nur in der Einsamkeit, nicht im Gewühle der Welt.
Keiner Blume schüchtern Gewächs entknospet der Straße,
    Wo das rasselnde Rad, und wo der Hufschlag ertönt.
Fern, wie vom Meere zaub'risch umgränzt, die Insel vom Festland,
    Schließt du vom Tagestumult, himmlische Muse, dich ab. 35
 
LXX.
Stürme hielten noch lange mich dort, es konnte der Schiffer
    Sich der schäumenden Flut lange nicht sicher vertrau'n.
Tage verstrichen an Tage, doch immer sausten die Winde
    Ueber das rauschende Meer, über den dunkelen Fels.
Oft von der schaurigen Klippe Tibers, wo in schwindelnder Tiefe
    Brauset die Brandung, hinweg sah ich den wogenden Golf.
Nah erhebt sich Minervens Gebirg, ich erkenne den Oelhain,
    Aber der Adler nur flöge hinüber zu ihm.
Endlich wagt man die Fahrt, und dem traulich befreundeten Hause
    Sag' ich ein Lebewohl, geb' und empfange den Kuß.
Aber o Götter, ihr hättet bestimmt, daß im Schlunde des Meeres
    Finde der Dichter sein Grab, jeglicher Wanderung Ziel?
Einen Tag in der Brandung des Meers, in den wüthenden Wellen
    Schleudert Aeolus ihn, schleudert Neptun ihn umher.
Hilf dem Beängstigten du, o freundliche Göttin des Oelhains,
    Steige vom Berg du herab, sänftige Wellen und Wind.
Jetzt im Abgrund verschwindet der Fels des duftigen Eilands,
    Jetzt zum Himmel empor schwingt sich das fliegende Schiff.
Schrecken erweckt der Matrosen Geschrei, der ermunternde Zuruf,
    Die verzweifelte Kraft ringt mit dem feindlichen Gott. 36
Flügel wünsch' ich mir nun, und wünsche zurück mich zum Eiland,
    Von der unendlichen See wendet das Auge sich weg.
Zweimal prüften die Götter den Muth mir, zweimal beschützte
    Mich das milde Geschick, zweimal gewann ich das Land.
Dankbar spring ich ans Ufer, noch wankt es unter dem Fuß mir,
    Und durch die Berge Sorrents setz' ich die Wanderung fort.
Unglück droht mir nur hier. So schwur ich denn einst: ich betrete
    Nie dich wieder, Sorrent, treibt mich der Sturm nicht zu dir.
Und ich büßte das Wort! In deine Limoniengärten,
    Heimat Tasso's, hat mich wieder das Schicksal geführt.
Doch mit dem Morgenroth schon wandr' ich in Eile den Fußpfad
    Ueber Vicos Gebirg', wandr' ich Parthenope zu.
Sei mir dankbar gegrüßt, o lautes Neapel! Es rauschet
    Deiner Straßen Tumult fröhlicher mir, als die See.
 
LXXI.
Müßig gesell' ich mich gern zu dem Schwarm, der sich auf dem Molo
    Täglich versammelt und dort, Roland, dein Heldengedicht
Gierig vernimmt und die Lumpengestalt angafft mit Entzücken,
    Die mit Begeisterung dich, schwärmender Dichter, erklärt.
Alles lauscht, es naht aus dem Schiff der ermüdete Seemann,
    Halbnackt setzt man im Kreis sich um den Leser herum.
Nieder zur Erde stellt der Lazzarone die Körbe,
    Wasser bringt auch das Weib, Traub' und Zitrone herbei.
So vernimmt man die Thaten des Helden, die Wunder der Dichtung,
    Und des Himmels Azur lächelt auf Alle herab.
Meer und Stadt und den schönen Vesuv, und den Golf und die Insel
    Immer vor Augen, verweilt gerne der Dichter sich hier.
Und der Vorzeit gedenkt er, da unter glücklichem Himmel
    Einst vom Achill und Ulyß Griechen der Sänger erzählt.
 
LXXII.
Grab Virgils, wer ehrte Neapel, wer ehrte die Vorwelt,
    Ohne dir eines Besuchs dankbares Opfer zu weihn?
Düster verbirgt sich das alte Gemäu'r in Posilippo's Felsen,
    Und abschüssig und jäh führet der Felspfad zu dir.
Aber unten im Tiefen, da zieht in die nächtliche Grotte
    Wandrer an Wandrer gedrängt wie in die Unterwelt ein.
Steig' ich zur Vigne hinauf, wo zumal aus dem üppigen Weinlaub
    Sich die glänzende Stadt, Berg sich entfaltet und Meer,
Zeigt sich die Landschaft mir, der Natur holdseligste Dichtung,
    Vom wollüstigen Hauch südlichen Himmels beseelt: 38
Dann beneid' ich dich nicht um dein Grab, o römischer Sänger,
    Besser wäre mir hier ewig zu leben vergönnt.
 
LXXIII.
Was in der Stadt ich gethan und genoß, ich erzählt' es dir redlich,
    Folge, Freund, mir denn auch in die Campagna hinaus.
 
Pompeji.
Zürnet dem Dichter der Nachwelt nicht, o Götter der Vorwelt,
    Daß er im spielenden Ton leichtern Gesanges euch naht.
Eine römische Stadt mit Tempel, Forum und Wohnung
    Würdig zu preisen, vielleicht wär's nur dem Römer geglückt.
Römer ehrten sie gern mit der Glorie der That, doch die Vorwelt
    Dankbar zu ehren ist uns kaum mit den Worten vergönnt.
Vieles hab' ich bewundert, und da ich Leben und Menschheit,
    Welt und Völker erkannt, hab' ich zu staunen verlernt.
Aber als mich des einsamen Wegs hochrankende Reben
    Schattend umgaben, und ich, sel'ger Erwartungen voll,
Näher ihm kam und näher, und nun urplötzlich der Gräber
    Heilige Straße sich mir, gleich dem Aïdes erschloß,
Da erbebte mein innerstes Herz, da verwirrte mein Geist sich,
    Ungewiß, ob ein Traum, ob mich die Wahrheit getäuscht. 39
Alles erschien mir so nah und bekannt, so gewohnt und befreundet.
    Mir durchwühlte das Herz freudiger Wehmuth Gefühl.
Also kehrte vielleicht ein Wandrer zurück, in der Vorzeit;
    Jahre voll Wechsel und Noth hat er die Erde durchirrt;
Endlich führt ihn das Loos in die glücklich errungene Heimat,
    Zitternd vor freudiger Angst sieht er dem Thore sich nah.
Wieder erblickt er die Gräber, und bange beflügelt sein Schritt sich,
    Meine Lieben, o Zevs, hast du sie alle bewahrt?
Furcht erfüllt ihm das Herz, er liest manch' traurende Inschrift,
    Eilt, und schweigend empfängt schon ihn die traurende Stadt.
Haus und Straße, noch kennt er sie wohl, und Tempel und Forum,
    Und dem Entfremdeten kehrt manche Erinn'rung zurück.
Da erreicht er das Ziel. O meine Lieben, wo sind sie,
    Ruft er in steigender Angst, grüßet sein heimatlich Haus.
Aber ach, er findet es leer! Kein Freund, keine Mutter
    Sinkt ihm an's Herz, und ihm bleibt außer der Thräne kein Glück.
 
LXXIV.
Wieder durchwandr' ich die Straßen, und wieder die lieblichen Häuser,
    Bald zu frommem Gebet ladet der Tempel mich ein. 40
Bald erwart' ich des Helden Kothurn im trag'schen Theater,
    Bald hält attischer Witz mich in dem komischen fest.
Dann empfängst du, o Pantheon, mich; die entflohenen Götter,
    Das verschwund'ne Geschlecht ruf' ich zum Tempel zurück.
Dann auf dem Forum irr' ich umher, und suche den Redner,
    Suche des Reuters Bild auf dem verlass'nen Gestell,
Das versammelte Volk, und im Haus der Gerechtigkeit such' ich,
    In der Basilika dort Richter und Schuldige auf.
Venus, dein Heiligthum, es umgiebt mich, aber die schönen
    Priesterinnen, sie sind in den Olymp dir gefolgt.
Götter, wer nennt es all, wie's ist, wer dächte, wie's einst war;
    Wer beschwört aus der Nacht alle die Schatten herauf?
Ins verschwiegne Gemach, in des Hauses reinliche Zellen,
    Unter die Säulen des Hofs zieh' ich mich schüchtern zurück.
Reizende Bilder, sie lachen mich an, und muntere Farben,
    Kunst und Schönheit belebt selbst die verborgenste Wand.
Hier ist der Heerd, hier speiste man einst, hier erquickte der Schlummer,
    Hier aus dem Muschelborn sprang der lebendige Quell.
Diese Bilder zärtlicher Lust, sie lehren verräterisch,
    Daß ein Glücklicher einst hier sich der Liebe gefreut.
Heiter scheinet die Sonn' in des Vorhofs farbige Säulen,
    Nur die Hausfrau sie fehlt, spielende Kinder dir nur. 41
Jedem Gemach entathmet der Vorzeit gediegene Ruhe,
    Reinlich verschönernder Geist, Ordnung und häuslicher Sinn.
So durchwandr' ich die Stadt, die mit der Jugend des Phönix
    Wieder dem Aschengrab wunderverkündend entsteigt.
Und zu dem schwarzen Nachbar, dem drohenden, blick' ich hinüber,
    Dessen Rachen noch heut Feuer und Lava entströmt.
Und Jahrtausende schwinden zu Nichts mir im Geiste zusammen,
    Nur ein flücht'ger Moment dünkt die Geschichte mir nun.
Ewig flammt das Herz des Vulkans, die grünenden Berge
    Kleidet der Frühling, besucht noch der entblätternde Herbst.
Aus der Asche blühet der aufgegrabenen Vorwelt
    Ueppig die Reb' und es reift neben den Gräbern die Frucht.
 
LXXV.
Vesuv.
Steig' ich, o Berg, auf dein rauchendes Haupt, und es treibet mich oftmals
    Unerforschter Natur großes Geheimniß hinan,
Denk' ich stets an die Reise durch's unermeßliche Leben,
    Dessen Abgrund ein Geist ewigen Feuers bewegt.
Erst aus dem muntern Städtchen, vom frommen Thiere getragen,
    In des Führers Geleit steigt man behaglich hinan. 42
Mitten in lachender Fülle des schwerbeladenen Weinlaubs
    Bist du und üppiges Grün hüllet die Ferne dir zu.
So das glückliche Kind, bis dem reifenden Jüngling das Weite
    Sie durchs zaubrische Reich blühender Gärten erschließt.
Nicht der Sonne beschwerlichen Druck, ihr verklärendes Licht nur
    Fühlt er, genießt und durchschwärmt muthig die heitere Welt.
Sieh, da hemmt ihm den eilenden Fuß die erkaltete Lava,
    Ihre Strömung umstarrt finster das seltnere Grün.
Glühend einst in versengender Glut aus dem Krater gestrudelt,
    So begegnet die Flut düstrer Erfahrungen uns,
Die erst brennend für's liebende Herz, und sein fruchtbares Streben,
    Tod für's Getäuschte, dem Schlund feurigen Lebens entströmt.
Weiter klimmt er verwegen, noch schützt ihn Athem und Jugend,
    Fällt er zuweilen, behend richtet er wieder sich auf.
So erreicht er den Krater, und steigt vom ermüdeten Thiere,
    Weiter bringt ihn und trägt nur ihn die eigene Kraft.
Also der Mann. Und empor die pfadlos steinige Höhe
    Hilft er sich keuchend hinan, Athem und Stimme versagt.
Asche stäubet um ihn, und in Asche watet er stöhnend,
    Rauch umdampft ihm den Sinn, donnernd erschallt es im Berg.
Selten blickt er ruhig zurück auf den fröhlichen Abhang,
    Wie auf die Jugend, belebt, stärket die sinkende Kraft. 43
Da erreicht er das herrliche Ziel, und es öffnet die Welt sich
    Groß und gewaltig vor ihm: freudig zum Krater hinab
Schaut er und sieht, wie prasselnd dem Aschenhügel die Flamme
    Prachtvoll entsteigt, und des Schlunds feurige Kräfte verströmt.
So erkennet der Mann die verborgene Quelle der Dinge,
    Und das Menschengemüth, wie es sich selber verzehrt.
Stückweis nicht, es entfaltet sich ganz das unendliche Leben,
    Gränzenlos, wie das Meer, das zu den Füßen ihm liegt.
Höher steiget er nicht; es senkt die Sonne sich unter,
    Abwärts führt ihn der Weg schneller in schweigender Nacht,
Die er, die Ruh' ersehnend, durcheilt, und eh' er sich's denket,
    Wie der Mensch an sein Grab, ist er zum Ziele gelangt.
 
LXXVI.
Portici und Resina.
Wer nicht stiege hinab in herkulanisches Dunkel,
    Irrt' im Scheine des Lichts, wie durch den Eribos hin?
Doch vergebt dem Lebend'gen, herakleische Schatten,
    Wenn er mit höherer Lust hier in der Oberwelt weilt.
Würd ein günst'ges Geschick mir der Wünsche jeden gewähren,
    Führ' ich täglich von dir, Torre del Greco, zur Stadt. 44
Heitere Straßen voll wimmelnden Volks, voll rasselnder Wagen,
    Lachende Häuser, des Meers wellenumrauschtes Gestad,
Lustige Gärten, das wilde Bereich des dunkeln Vulkanes,
    Und der entzückende Blick über Parthenope's Golf,
Fruchtbare Wiesen, der Stadt jungfräulich lächelnde Schönheit
    Würde täglich mein Herz, Augen und Sinnen erfreu'n.
Blühte der Vorzeit doch der Moment, und genoß sie ihn weise,
    Dünkte der Mitwelt denn nur das Vergangene schön?
 
LXXVII.
Pozzuoli.
Manchen Abend verdank' ich auch dir, wo im Kreise der Freunde
    Jugend und fröhlicher Geist Becher in Fülle kredenzt'.
Leicht ja fliegt durch die Grotte der Wagen ans Meeresgestade,
    Unter'm Olibanus weg bringt er mich eilends zu dir,
Altes Puteoli! Dann an Caligula's Brücke verweilt man,
    Wird des ägyptischen Zevs mächt'ge Ruine besucht,
Schlendert man froh durch die Vignen des leukogäischen Felsen,
    Bis wo im Rebenlaub sich das Theater versteckt,
Bis zum Tempel Neptuns und des Klosters entzückender Aussicht
    Ueber Busen und Cap, Felsen und Inseln und See'n.
Oft auch in Bajä's Golf umspülte die Flut mir die Glieder,
    Oft nach Misenums Fels trug mich hinüber der Kahn. 45
Doch ich gesteh', auch Leiden verfolgen mich, Kutscher, Kustoden,
    Ciceronen, ein Schwarm Schiffer und Bettler dazu
Hängen im klassischen Lande sich dir, wie kritische gelehrte
    Kommentatoren dem Text klassischer Dichter sich an.
 
LXXVIII.
Solfatara.
Lauter vulkanischer Boden! Das Eingeweide der Erde
    Brennt und siedet und wirft Schwefel und Flammen hervor.
Wenn der vulkanische Geist mit Gewalt ausbricht aus der Tiefe,
    Berge versenkt und erzeugt, schafft er Verderben und Tod.
Aber beruhigt er sich, entsproßt ihm wieder die Rebe,
    Und der flammende Grund theilet sein Feuer ihr mit.
So das Gemüth. Im Sturm des Affekts verbreitet's Verderben,
    Wieder besänftigt, erzeugt's Freuden und Sorgen und Glück.
Aber laß das kämpfende Herz, und warte den Brand ab,
    Desto Schöneres wirkt's, wenn es die Ruhe beglückt.
 
LXXIX.
Allenhalben ein See! Vom ärmlichen Sumpf des Lucrino
    Unter Myrten und Schilf führt zum Avernus der Pfad.
Doch ich verweile mich nicht! Zwar düstert am Ufer ein Tempel,
    Aber Melancholie tödtete selber den Gott. 46
Und des Acherons Teich umgrünt das elysische Feld hier,
    Todtenurnen, doch sonst trifft hier der Lebende nichts.
Dort an Misenums Kap, in der Grotte reichte zur Speise
    Seiner Muränenbrut Menschen der röm'sche Tyrann.
Drum misdeute mir nicht unschuldig menschliche Neigung,
    Hat dir die Auster den Sieg, See von Fusaro, verliehn.
 
LXXX.
Grotte der Sybille.
Haustest du noch in der Höhl' am Avern, Sibylle von Cumä,
    Triebe die Andacht mich nicht, schwerlich der Glaube zu dir.
Nun da du nicht mehr bist, trägt mich im Scheine der Fackel
    Hülfreich des Fischers Arm, trägt mich die Neugier hinein.
 
LXXXI.
Bäder des Nero.
Nackt entstürzen wir eilig des Gangs erstickendem Dampfe,
    Und in glühendem Strom rinnet vom Leibe der Schweiß.
Wahrlich, mich wundert, daß noch dem Volk kein Pfaffe verkündet,
    Innen im höllischen Pfuhl büße der Heide die Schuld. 47
 
LXXXII.
Bajä.
Wo ist die Stadt sybaritischer Lust und korinthischer Freude,
    Schwelgt der Genuß in Begier, schwelgt die Begier in Genuß?
Wohl noch grauet am Strande des Meers der Tempel der Venus,
    Aber zerfallen und leer, ohne der Priesterin Dienst.
Statt der Rosen bekränzet ihn Moos, auf verwüstetem Hügel
    Deuten die bacchische Stadt ärmliche Trümmer nur an.
Fieber athmet die Luft, kaum grünt der spärliche Weinberg,
    Und verschmachtet, versiecht siehst du die edle Natur.
Häßliches Bettlervolk durchschwärmt den verödeten Boden,
    Wie Insecten, die gern Krankheit und Seuche gebärt.
Also endet die flüchtige Lust ausschweifender Sinne,
    Lern', und wähle mir nur Freuden, die schöner verblühn.
 
LXXXIII.
Cicerone.
»Das ist die Villa des Nero, des Marius, Julius Cäsar,
    »Tempel hatten hier einst Venus, Diana, Merkur!«
So der Führer. Es schreit, sich ermunternd, der hungrige Schiffer:
    »Maccaroni!« – doch hat jeder dasselbe gemeint. 48
 
LXXXIV.
Camaldoli.
Seh' ich aus deiner Bäume gewaltigem Schatten hinunter
    Ueber das blühende Land, über das duftige Meer,
Breitet Neptun sein unendliches Reich in die goldenen Fernen,
    Steigen, wie Wunder des Meers, alle die Inseln mir auf,
Treibet des Feuers Gott aus dem Heerd des Vulkanes die Flamme,
    Wallen in heitrer Luft Wolken an Wolken empor,
Lächelt des Bacchus begeisternde Frucht am grünenden Abhang,
    Deckt Minervens Geschenk dort die Olive den Berg,
Buhlen der Flora Kinder am See, und entfaltet Dianens
    Heiligthum, und der Jagd üppige Waldung sich mir,
Naht der Wächter mir gar der Geschichte, der ewige Kronos,
    Führt in des Alterthums graueste Ferne er mich,
Zur Kumäischen Stadt und den negropontischen Wand'rern.
    Oder gar zu Ulyß, dort an Misenums Gebirg,
Deutet er Cicero's Villa mir an, wo die Weisen einst gingen,
    Einsame Schaafe nun weiden am blumigen Berg,
Blick' ich zum Hafen hinüber, der einst Roms Flotte bewahrte,
    Steigt Caligula mir, Nero im Geiste mir auf,
Agrippina's schrecklicher Tod, und Scipio's Grabmal,
    Dort auf des Eilands Fels, Erde, dein größter Tyrann, 49
Lehrt der ergraute Gott mich solche Namen und Thaten,
    Zaubert in diese Natur Phöbus unsterbliches Licht,
Jeglicher Farbe Glanz: – so ergreift mich ein himmlischer Wahnsinn,
    Mehr als ein Mensch, mich bedünkt fast der Olympier zu seyn.
 
LXXXV.
Sorrent.
Schön ist's immer, vorüber die Felsen, vorüber die Grotten
    Durch die spiegelnde Flut lustig zu gleiten im Kahn,
Schön, auf felsigem Pfad durch Vignen und Gärten zu irren,
    Wo der Aloë Wuchs blühend der Mauer entragt,
Und durch Lorbeer und Myrte, durch's Schattengewölbe der Pinie
    Manchmal im sonnigen Duft schimmernde Ferne sich zeigt.
Freut dich Limon' und Orange, du findest Thal und Gebirge
    Von goldprangendem Grün, südlichen Hainen bedeckt,
Liebest du Schatten, so bleibe mir hier; so triffst du sie nirgends,
    Wie im schönen Sorrent, Sommer und Winter vereint.
Nichts als Orang' und Mauer um dich, und Mau'r und Orange,
    Siehst du die lautere Glut weder des Meers noch der Luft.
Suchest du Menschen von besserem Schlag, so hast du Torquato's
    Alterndes Haus, doch sonst Gauner und Schelmen um dich. 50
Bist du ein Feind des Weines, so komm, hier wirst du ihm Todfeind,
    Hassest du Führer und Wirth, zank' und vertheid'ge dich hier.
Willst du ertrinken, vertrau' dich getrost dem kundigen Schiffer,
    Glaubst du mir nicht auf mein Wort, komm' und erprob' es mir selbst.

 


 

Inseln

LXXXVI.
Nisita.
        Gleich dem lieblichen Kinde, von schalkhaft lächelnder Wange,
    Das noch schüchtern, sich nicht weit von der Mutter gewagt,
So enttauchst du der spielenden Flut voll freundlicher Anmuth,
    Drängest dem Mutterland kindisch verzagend dich an.
 
LXXXVII.
Procida.
Dich vergleich' ich dem Reiz der jung aufblühenden Nymphe,
    Der jungfräulich noch kaum Busen und Nacken erschwillt.
Auch nur halb entknospet, ergriffst du doch das Gemüth mir,
    Lockte die Nachbarin mich, nicht die Vollkommenheit an. 51
 
LXXXVIII.
Ischia.
Eriträisches Eiland, als herrlich erwachsene Jungfrau
    Stehst aus tyrrhenischem Meer mächtigen Wuchses du auf.
Ausgebildet und üppig gereift zur süßen Umarmung,
    Wartet des liebenden Gott's schon dein uranischer Leib.
Wenn, o Enaria, vulkanische Kraft dich flammend erschüttert,
    Und aus dem brennenden Mund Lava in Strömen erfließt,
Deutet mir's an, daß dich schon der Unschuld Friede geflohen,
    Amors gefährlichste Glut schon dir den Busen durchbebt.
Schön und reizend bist du, so oft am Tag, in der Nacht dich
    Schmachtend Verlangen erblickt, aber am schönsten vielleicht,
Wenn dein lachend Gesicht dem niedertauchenden Gotte
    In holdseliger Schaam züchtigen Rosen erglüht.
Dann nicht Phöbus' allein, du scheinst die Geliebte des Donn'rers,
    Danae scheinst du, vom Strom goldenen Regens umarmt.
 
LXXXIX.
Capri.
Reizt mich die Freundin mit weiblicher Macht, mit dem Zauber der Jugend,
    Zeigst du mir männlichen Sinn, Kraft und Beständigkeit nur. 52
Kein Erdbeben erschüttert, kein Liebesfeuer das Herz dir,
    Schäumend umrauscht dir die See klippiges Felsengestad.
Aber du bleibst und ragst, neptunischem Drachen vergleichbar,
    Jäh und steil aus des Meers finsterer Heimat empor,
Rauh, unfruchtbarer Art, erscheinst du dem flüchtigen Blicke,
    Wenn dein gewaltiger Fels Brandung ermüdet und Sturm,
Aber das sinnige Haupt kränzt Bacchus freundlich mit Weinlaub,
    Und auch ihr heilig Geschenk hat dir Minerva verliehn.
 
LXL.
Salerno.
Lob' ich den reizenden Weg vom Pompejanischen Weinberg,
    Stabiä's waldigen Berg, Ulmen und Reben und Au'n,
Südliche Häuschen mit ebenem Dach, Nocera Pagani
    Oder La Cava's Thal, grünend Dianengebirg?
Nein, erst fühl' ich mich wohl, wenn aus südlich bekleideter Felswelt
    Plötzlich der griechische Golf strahlend in's Auge mir glänzt.
Heiter täuschest die Zeit du mir weg, o freundlich Salerno,
    Fehlt dir der Vorwelt Ernst, schmückt dich der Gegenwart Lust. 53
Abende streich' ich umher, mich ergötzt die lust'ge Marine,
    Und das lebendige Volk und das unendliche Meer.
Einst in munterer Nacht mit den Freunden saß ich beim Mahle,
    Unter Scherz und Gespräch kreiste trinakrischer Wein:
Durch des offenen Thors gelüfteten Vorhang erhellte
    Wetterleuchtende Glut flammend die nächtliche See,
Innen aber erscholl der Gesang und die Harfe des Greisen, –
    Wer beneidete so Helden und Könige noch?
 
LXLI.
Amalfi.
Findet der Maler in dir, in Grotten, Felsen und Schluchten,
    Brücken und Häusern sich, Gärten und Klöstern beglückt:
Wähnt der Dichter zu schwärmen im Reich fantastischer Märchen,
    Wie's Ariosto im Spiel kühner Erfindung geträumt;
Irr' ich in schattiger Schlucht, wo in überschwenglichem Reichthum
    Schwelgerisch Mutter Natur Pflanzen an Pflanzen gedrängt.
Wie in Orlando's Gedicht, im Zauber einer Erscheinung
    Gleich den romantischen Pfad wieder das Auge verliert,
Ueberragt der gigantische Fels in wilder Gestaltung,
    Himmel bedeckend und Meer, drohend das schattige Thal.
Dann aus der Enge flieh ich durch labyrinthische Wege,
    Bis von des Klosters Balkon wieder die See mir erscheint. 54
Fernen lieb' ich, nur Heit'res gefällt mir im heiteren Süden,
    So auch lieb' ich dich nur, griechischer Himmel, zu schau'n.
 
LXLII.
Pästum.
Einst, als die Fabel noch, der Geschichte lieblicher Frühling,
    Blüten zu goldener Zeit, Blumen in's Leben gestreut,
Dufteten Rosen hier, wo deine verlassenen Trümmer
    Nun, sybaritische Stadt, einsame Wand'rer durchziehn.
Aber da allzufrühe das Blumenleben der Myrte
    Eines traurigen Herbst's brausende Stürme zerstört,
Als die Olympischen floh'n, da nahm die Göttin der Schönheit
    Von der verwilderten Flur auch ihre Rosen hinweg,
Und das unsterbliche Haupt bekränzt sie dem schönen Geschlechte,
    Das den Ewigen einst ewige Tempel geweiht.
 
LXLIII.
Tempel des Alterthums, ich betrachte sie täglich gelassner,
    Denn es führt mich der Weg täglich an ihnen vorbei.
Wag' es ein launiger Gott, und versetze der Sterblichen Einen
    In den Olymp, er gewöhnt bald sich behaglich an ihn.
So der Sänger, dem Rom zur bessern Heimat geworden,
    Der Pompeji vertraut gleich einem Bürger bewohnt. 55
Doch so heimatlich fühlt er sich nicht am verlassenen Ufer,
    Unter der griechischen Stadt wilder Ruine sich nicht.
Freundlich nah ist dein Pantheon ihm, o Roma, getreten,
    Späterm Göttergeschlecht ist es von Spätern geweiht.
Seh' ich aber der griechischen Kunst gigantische Bilder,
    Dorische Majestät, Alter und Einfalt und Kraft,
Dünkt mir fast kein menschliches Werk, urweltliche Schönheit,
    Unerschaffne Natur, große, gewalt'ge, zu schau'n.
Oder war sie von Anfang nicht, und erbauten sie Hände,
    War's der Beherrscher Neptun, der sich am schäumenden Meer
Riesensäulen zum göttlichen Haus in die Erde gegründet,
    Wenn er zu Opfer und Fest rauschenden Wassern entstieg?
 
LXLIV.
Tag verstreichet an Tag, und schlendr' ich über den Largo,
    Fragt mich der Vetturin, fragt mich der dicke Sensal.
Aber noch hält es mich fest, und dennoch meinen Quiriten,
    Dennoch dem heimischen Rom sehnt sich entgegen mein Herz.
So wohl schwankt' in der Schönheit Streit der Schäfer vom Ida
    Zwischen Minervens Ernst, und Amathusia's Reiz.
Doch es kommt mit Briefen von Rom mir Amor geflogen,
    Und fast dünkt mir, der Schalk hat sie dem Liebchen diktirt.
Einen Verräther nennt er mich gar! dem geschriebenen Worte
    Glücket fürwahr oft mehr, als dem lebendigen glückt.
Sieh, da nah'n auch die Musen, und besser glaub' ich zu dichten,
    Wenn im verschloßnen Gemach Amor die Fackel mir hält.
Auch der Winter, er redet sein Wort, im vertrauten Kamine
    Knattert die Flamme, wer kos't, plaudert und schäkert mit dir?
Eile, spricht er, in's heilige Rom, ich entblättre die Bäume,
    Und du wolltest, daß nie Freuden und Wonnen verblühn?
Nur das Edelste bleibt, es grünt die Myrte, der Lorbeer,
    Kränzt dich die eine, so bleibt auch dir der andre nicht fern.
 
LXLV.
Endlich hab' ich entschieden; noch einmal durchwandr' ich die Plätze,
    Wo ich gerne verweilt, wo ich empfand und genoß,
Alle von Carmine's Thurm bis hinab zu Posilippo's Palme,
    Sage mein Lebewohl Bergen und Ufern und Meer.
Und indem ich scheidend es fast als Vergang'nes genieße,
    Dünkt die Gegenwart auch schon mir Erinn'rung zu sein.
 
LXLVI.
Einmal noch in Anakreons Glück zum fröhlichen Abschied
    Hat mich des alten Vulkanes purpurner Nektar beseelt. 57
Und man schied in der Stille der Nacht aus dem stillen Neapel,
    Ausgestorben und leer scheint nun die schlummernde Stadt.
Nur der Rosse klingelnd Gespann ertönt durch die Straßen,
    Und in die Ecke gelehnt, schlummert ein Jeglicher ein.
 
LXLVII.
Capua und S. Agata.
Wie die Zeiten sich ändern! Wir sind am alten Volturnus,
    Wo sich in Lüsten einst Hannibals Krieger entnervt.
Jetzt entsteigen dem Wagen am Gasthof Britten und Pfaffen,
    Maler und Antiquar, selber ein deutscher Poet.
Wieder begrüß' ich das schöne Minturn und die Berge Falerno's,
    Und ich fühle mich fast klassisch im klassischen Land,
Doch bald seh' ich mich wieder modern, es zwitschert der Britte,
    Catos Sprache, sie spricht hier ein Kanonikus nur.
 
LXLVIII.
Molo di Gaëta.
Wieder blauet das südliche Meer durch die fruchtbaren Gärten,
    Aloe blüht, es entglänzt auch die Orange dem Laub.
Schöne Frau'n in reizender Tracht durchwandeln die Straßen,
    Durch die lachende Bucht gaukelt der Fischer im Kahn. 58
Diese Berge, dies Meer hat oft Camaldolis Kloster,
    Hat mir dein Gipfel, Vesuv, oft aus der Ferne gezeigt.
Noch in Neapel zu sein, träumt hier die schwärmende Sehnsucht,
    Aber das Lebewohl geb' ich zum letztenmal ihm.
 
LXLIX.
Bald durch Itris grünes Gebirg' und Myrtengesträuche
    Führt der felsige Pfad mich zum Limonienthal,
Wo in Bäumen versteckt das lästrygonische Fondi
    Manchen Unhold im Schmutz häßlicher Lumpen mir zeigt.
So zur Küste gelangen wir bald am röthlichen Abend,
    Und dein heilig Gebiet grüßet das kindliche Herz,
Rom! Von des Berges Wildniß herab steigt einsam der Hirte,
    Seine Pfeife sie tönt, welcher Erinnerung Lust!
Eingewiegt in der Zukunft Traum, im Gefühle der Wehmuth
    Merk' ich kaum, wie die Nacht Felsen und Ufer geschwärzt.
Selten störet die Wache mich auf, die an einsamer Straße
    Vor des Räubers Gewalt nächtliche Wandrer beschützt.
Mondhell rauschet das Meer, und brandet an schäumender Klippe,
    Tief in den Mantel gehüllt, schläft der Gefährte schon ein,
So im Spiel der Gedanken, im süßen Schmerze der Sehnsucht
    Träum' ich hin, und du nimmst, volskisches Anxur, mich auf. 59
 
C.
Welche Pein bereitet ihr mir, pontinische Sümpfe!
    Immer so nahe dem Ziel, bleib' ich ihm immer so fern!
Keine Ruh' erquicket mich mehr. Schon schwebt mir im Rücken
    Circes blumiger Berg, und das Latinergebirg.
Mählig dämmert es auf! Es schwimmt im Kanale der Büffel,
    Und mit gewaltigem Stab folgt ihm im Boote der Hirt.
Bleiche Menschen begegnen mir nur, und es wächst mit der Nähe
    Stündlich die Ungeduld, bis ich Velletri erreicht,
Und heimkehrender Frauen erhabene römische Schönheit
    Und Albanische Tracht wieder den Wandrer entzückt.
Eine Nacht noch verstreicht in rastlos glühendem Sehnen,
    Aber das Morgenroth grüß' ich auf Cynthia's Berg,
Wandle begeistert die Vignen hinan, und die schatt'ge Olmata,
    Sehe, wie wieder das Meer meine Campagna besäumt.
Und in Albano bin ich. Da pocht das Herz mir in Schlägen
    Süßer schmerzlicher Angst. Götter des ewigen Roms,
Haltet die taumelnden Sinne mir fest, noch heftiger beb' ich,
    Als da zum erstenmal Rom vor den Augen mir stand.
Denn was in Jahren voll wechselndem Glück, voll Freuden und Leiden
    Mir ein launig Geschick aus dem Olympe gesandt, 60
Alles durchfühl' ich wieder! Und nun, erhebe Sankt Peter,
    Ueber der sonnigen Stadt duftigem Streifen dich nur!
Hoff' ich ja doch, daß vielleicht auch mich Roms bleibende Hoheit
    In der flüchtigen Zeit dauernd zu bleiben gelehrt.

 


 


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