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Belustigungen aus der physikalischen Sehkunst.

321. Lichtstärken zu messen. Willst du vielleicht die Lichtstärke zweier Lampen oder zweier Kerzen mit einander vergleichen, so prüfst du die Grade der Helligkeit mit Hilfe des Schattens, den beide erzeugen. Du stellst ein weißes Papier, senkrecht in einen Rahmen oder auf eine Schiefertafel geklebt, an den Rand des Tisches, in einiger Entfernung davor ein Stäbchen, etwa einen Bleistift, und an jede Seite desselben eines der zu prüfenden Lichter. Du kannst auch beide Lichter an dieselbe Seite stellen, es wird doch jedes seinen Schatten für sich werfen. Du rückst die Lichter so weit von dem Stäbchen weg, bis die Schatten beider gleichstark sind, und vergleichst dann die Entfernungen der Lampen vom Stäbchen. Diejenige Lampe leuchtet am hellsten, die am weitesten vom Stäbchen weggerückt werden muß. Da die Stärke des Lichtes erfahrungsgemäß abnimmt, wie die Quadratzahlen der Entfernungen von der Lichtquelle zunehmen, so muß die Flamme, die doppelt so weit steht als die andre, viermal stärker sein. Bei dreifacher Entfernung ist die Leuchtkraft neunmal stärker, bei vierfacher sechzehnmal u. s. f.

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Das Messen der Lichtstärken.

Bei Anstellung des Versuches kann man auch ein Papier mit einem durch Stearin hervorgebrachten Fettflecke so in die Mitte zwischen beide Lichter halten, daß er auf keiner Seite mehr dunkel erscheint. Die Berechnung der Entfernung und Lichtstärke ist die gleiche wie oben.

322. Die kreisenden Scheiben. Die kreisenden Scheiben sind eine optische Täuschung, erfunden von Professor Thompson in Bristol. Halte das Buch in Sehweite wagerecht mit beiden Händen und führe kleine, kreisförmige Drehbewegungen aus, als wolltest du Wasser in einem Topfe durch Kreisschwenken zum Umdrehen bringen. Sofort werden die gestreiften Scheiben anfangen, sich zu drehen, und zwar um so lebhafter, je schneller du das Buch bewegst. Gleichgültig ist es, wo dein Blick hinfällt, ob du genau auf die Zeichnung oder daneben siehst, die Ringe drehen sich stets.

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Die kreisenden Scheiben.

Willst du dir das merkwürdige Spielzeug selbst anfertigen, so zeichne mit Zirkel und Reißfedereinsatz die Kreise sauber auf eine mit weißem Papiere überzogene Pappe in Quadratform, von 10 bis 12 Zentimetern Seitenlänge. Dünnes Papier würde sich beim Zeichnen wellen.

323. Drehbilder. Einige schöne Drehbilder haben schon im Spielbuche für Knaben, unter Nr. 418, Erwähnung gefunden. Eine einfache optische Täuschung dieser Art kannst du dir herstellen, ohne Zeichner zu sein. Schneide dir ein Stück rechtwinkelige Pappe von 18 Zentimetern Länge und 6 Zentimetern Breite zurecht und überziehe die Ränder durch Umkleben derselben mit 4 Zentimeter breiten, bunten Papierstreifen. Schneide hierauf nebenstehende, bedruckte Rechtecke aus und klebe sie so auf die zwei Seiten deiner Pappe, daß die eine Schrift verkehrt steht, wenn du, wie bei einer Buchseite, umwendest. Willst du jedoch nicht dein Buch des Blattes berauben, oder gedenkst du eine zweite derartige optische Täuschung anzufertigen, so zeichnest du entweder die Buchstaben nach oder benutzest ähnliche aus Zeitungsanzeigen ausgeschnittene, die du in der erforderlichen Weise zusammenfügst. Beachte hierbei, daß auf jeder Seite der Raum für den fehlenden Buchstaben aus den Wörtern » Optische Täuschung« frei bleibt.

Die Verteilung der Wörter wäre also folgende

Tabelle

Hast du deinen Pappstreifen beklebt, so stich in die Mitte der schmalen Seiten desselben mit einer starken Nadel je ein Loch und knüpfe starken Zwirn (Heftzwirn), in der Länge von 5 bis 8 Zentimetern, ein. Erfassest du mit den Fingern beider Hände die Enden der Fäden und bringst sie durch reibende Bewegung der Zeigefinger auf den Daumen in Umdrehung, so wird sich die Pappe mitdrehen und dir die Wörter: Optische Täuschung deutlich zu Gesicht bringen.

Fertigst du deiner Schwester einen solchen Drehstreifen an, auf welchem die Buchstaben ihres Namens zweiseitig in oben angegebener Weise verzeichnet sind, so wird sie sich ebensosehr darüber freuen, als sie sich anfangs über die rätselhafte Schrift verwunderte.

324. Schlechtes Augenmaß. Schneide dir aus starkem, weißem Zeichenpapiere zwei gleiche Streifen in der aus der Abbildung ersichtlichen Größe und lege sie kreuzweise auf eine dunkle Tischdecke oder eine Schiefertafel. Stelle noch einen ebensolangen, aber nur halb so breiten Streifen her und lege ihn anstoßend in den Winkel, welchen die beiden ersten an ihrem Kreuzungspunkte bilden. Jeder, der die drei Streifen erblickt, wird auf Befragen sofort behaupten, daß der schmälere bedeutend länger sei, als die anderen.

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Schlechtes Augenmaß.

Legst du den schmalen Papierstreifen in schräger Lage als Verbindung der zwei parallel gelegten breiten, so wird er wieder kleiner erscheinen, als seine Nachbarn.

325. Wie groß ist eine Münze? Wie wenig sich der Mensch auf sein Augenmaß verlassen kann, zeigt folgender Versuch, den du mit deinen Freunden anstellen kannst. Laß von jedem den Durchmesser verschiedengroßer Geldstücke, z.B. eines kleinen Zwanzigpfennigers und eines Fünfmarkstückes, als gerade Linie mit Bleistift auf ein Stück Papier zeichnen und berichtige dann die verschieden angegebenen, meist zu klein gezeichneten Durchmesser durch Auflegen der bereitgehaltenen Münzen. Du wirst beim ersten Anblicke die hier genau angegebenen Durchmesser jedenfalls auch für viel zu groß halten, wenn du erfährst, daß der erste der des Zwanzigpfennigers (16 Millimeter) Meter), der zweite der des Fünfmarkstückes (38 Millimeter) ist.

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Durchmesser eines Zwanzigpfennigers und eines Fünfmarkstückes.

Stellst du die Aufgabe so, daß du verlangst, es möge angegeben werden, wievielmal der Durchmesser des Fünfmarkstückes größer sei, als der des Zwanzigpfennigers, oder mit andern Worten, wieviel Zwanzigpfenniger in einer geraden Reihe auf einem Fünfmarkstücke Platz haben, so wirst du auch stets mehr genannt bekommen als 2 [3/8].

326. Die geteilte Linie. Blicke aus der Ferne auf umstehend gezeichnete Linie und beurteile, welches Stück derselben, das geteilte oder das ungeteilte, größer ist. Ohne Zweifel bezeichnest du die rechte geteilte Hälfte als die größere. Nimmst du jedoch einen Zirkel zur Hand und mißt nach, so wirst du beide gleichlang finden. Die kleinen Teilungsstriche ließen die eine Hälfte dem Auge größer erscheinen.

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Die geteilte Linie.

327. Die weiße und die schwarze Kreisfläche. Betrachtest du nebenstehende Abbildung, so wirst du meinen, der weiße Punkt sei größer als der schwarze im weißen Felde. Ebenso erscheint dir das weiße Quadrat größer als das schwarze. Das Auge sieht stets weiße, helle Flächen größer als schwarze.

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Die weiße und die schwarze Kreisfläche.

328. Die beiden Streichhölzchen. Schneide von zwei Streichhölzchen die Kuppen ab, mache das eine um 2 Millimeter kürzer als das andre und lege sie in Form eines T so zusammen, daß das kürzere mit dem einen Ende rechtwinkelig an die Mitte des langen anstößt. Das angelegte, kleine erscheint dir dann länger als das querliegende, große.

329. Gleich oder ungleich. Zwei unter einander gezeichnete, gleiche Kreisausschnitte oder Trapeze erscheinen deinem Auge ungleichgroß, wenn die kleine Seite des ersten der großen des zweiten zugekehrt ist. Das Auge überblickt dann nicht die ganzen Flächen, sondern beurteilt deren Größe nur nach den naheliegenden Seiten. In unsrem Bilde erscheinen dir deshalb die unteren Figuren größer als die oberen.

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Die zwei Kreisbogen. Die zwei Trapeze.

330. Schätzen von Entfernungen. Aus der scheinbaren Größe eines entferntstehenden, erwachsenen Menschen kann man auf die Weite der Entfernung schließen. Leute mit mittelmäßiger Sehkraft unterscheiden auf 150 Schritte die Augen als schwarze Punkte, auf 300 Schritte das Gesicht, auf 600 Schritte den Kopf, auf 1000 Schritte den einzelnen Menschen und, falls derselbe geht, die Beine.

331. Das gebrochene Lineal. Nimm ein hölzernes Gitterlineal, ein sogenanntes Rastral, und befestige an der Hinterseite desselben ein gewöhnliches, schmales Lineal mit einer Kopierzwecke so, daß es sowohl senkrecht gestellt, als auch wagerecht umgelegt werden kann. Je mehr sich der geneigte Streifen hinter dem wagerechten Gitter der langen Seite nähert, desto mehr gewinnt es den Anschein, als bilde er einen gebrochenen Stab.

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Das gebrochene Lineal.

332. Das Zöllnersche Muster. Halte das Buch in einiger Entfernung senkrecht vor das Auge und sieh' dir das rechte Muster an, so wirst du bemerken, daß die starken Striche einander zu- oder abgeneigt erscheinen. Hältst du jedoch das Buch so vor die Augen, daß dein Blick von unten über das Papier hinsieht, und die Linien in verkürzter Gestalt erscheinen, so wirst du bemerken, daß sie vollkommen gleichlaufend sind. Die sie schräg kreuzenden Linien verwirren dein Auge. Da es dir schwer fallen dürfte, eine senkrechte Reihe dieser schrägen Striche aus freier Hand zu ziehen, da vielmehr bei dieser Übung der Anfang des nächsten Striches stets sich mehr unter den vorhergehenden drängen wird, so glaubt das Auge, diese in ungewöhnlicher Art gezogenen Striche seien den früher geschauten gleich, weshalb es die sie durchschneidende, starke Linie ein wenig neigt.

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Das Zöllnersche Muster.

Das linke Zöllnersche Muster bietet scheinbar, aus der Ferne betrachtet, senkrechte, starke Striche, aber in der Nähe angesehen und nachgemessen, erweisen sie sich als wirklich schiefstehende, die nur durch das getäuschte Auge für senkrecht gehalten wurden.

333. Optische Täuschungen im Kreise. Die linke Kreisfläche zeigt dir beim Betrachten die durchgezogenen, senkrechten und wagerechten Linien nach der Mitte zu eingebogen, während sie in Wirklichkeit vollständig gerade sind. Durch die vielen sich kreuzenden Linien wird gleichsam das Auge so verwirrt, daß es einen Ruhepunkt sucht, den es in der inneren, weißen Kreisfläche findet. Dahin geht der Blick unwillkürlich und drängt auch die geraden Linien mit diesem Ziele zu.

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Optische Täuschung im Kreise.

Das Gegenstück hierzu bietet die rechte Kreisfläche, deren sich kreuzende Linien nach oberflächlichem Betrachten gerade erscheinen, während sie doch alle nach außen gebogen gezeichnet sind, wie du dich durch Anlegen eines Lineales überzeugen kannst. Den absichtlich begangenen Fehler gleicht hier das Auge unabsichtlich aus, indem es die Linien nach dem Mittelpunkte der Kreise zu biegt und sie so gerade richtet.

334. Geknickte Parallelen. Nr. 1 und 2 zeigen dir die Wirkung der schrägen Strichlagen in andrer Weise. Die vom senkrechten Mittelstriche nach außen zeigenden, schrägen Linien ziehen auch die Parallelen mit nach außen, so daß sie in ihrer Mitte weiter von einander entfernt erscheinen, als an ihren Enden. Bei Nr. 2 würden sich die verlängerten, schrägen Striche alle senkrecht über der Halbierungslinie kreuzen, infolgedessen erscheinen uns die Parallelen zusammengedrückt.

Eine ähnliche optische Täuschung bietet dir eine Gartenlaube, die mit schrägen, dünnen Holzlatten benagelt ist, deren Reihen sich in spitzen Winkel treffen. Stehst du seitwärts von einer solchen Laubenseite, so werden dir ihre senkrechten Eckbalken geneigt erscheinen.

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Geknickte Parallelen.

335. Verschwinden und Erscheinen. Betrachte mit deinem rechten Auge bei geschlossenem linken aus einer Entfernung von etwa 25 Zentimetern scharf das kleine, linke Viereck. Hast du dies einige Zeit gethan, ohne dich stören zu lassen, so wird plötzlich der große, weiße Kreis aus deinem Gesichtsfelde entschwunden sein. Schließe das rechte Auge und blicke aus derselben Entfernung mit dem linken nach dem weißen Kreise, so ist das kleine Viereck unsichtbar geworden. Diese sonderbare Erscheinung rührt daher, daß bei dieser eigenartigen Augenstellung das Bild des verschwundenen Gegenstandes auf die Stelle der Netzhaut im Auge fällt, wo diese unempfindlich ist.

336. Das Nachbild. Wenn du ein glimmendes Streichhölzchen in finsterer Stube schnell im Kreise schwingst, so wirst du den Eindruck eines feurigen Kreises erhalten. Es kommt dies daher, daß jeder Lichteindruck eine Zeitlang im Auge verbleibt, auch dann noch, wenn schon neue Wahrnehmungen gemacht wurden. Deshalb sehen wir auch die leuchtende Masse einer Sternschnuppe als Rakete mit langem Schweife vom Himmel herabfahren. Diesen andauernden Lichteindruck, das sogenannte Nachbild, erhalten wir, wenn wir lange Zeit, etwa 30 Sekunden, einen Gegenstand, z. B. ein Fenster, eine brennende Lampe mit Milchglasglocke, ansehen und dann plötzlich den Blick gegen die helle Zimmerdecke richten. Wir erblicken dann den Gegenstand in dunklen Umrissen auf hellem Grunde.

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Der blinde Fleck.

Denselben Erfolg erreichst du, wenn du lange Zeit den nebenstehenden Stern fest ansiehst und dann nach einer weißen Fläche blickst.

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Der veränderte Stern.

337. Die verkürzte Schrift. Jeder Körper, den wir von der Seite oder von unten erblicken, erscheint uns verkürzt. Um diese Wirkung z. B. bei hochstehenden Statuen zu verhindern, muß ihnen eine ungewöhnliche Körperlänge gegeben werden.

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Rätselhafte Schrift.

Nebenstehende, ungemein gestreckt gedruckte Schrift wird erst bei Anwendung eines besondern Vorteiles leserlich. Demjenigen, welcher die Schrift zum ersten Male zu Gesicht kommt, ist sie ein unlösbares Rätsel, obwohl die einzelnen Lettern dem Druckalphabete der Lateinschrift nachgeahmt sind. Unkenntlich werden sie dadurch, daß sie sehr lang ausgezogen sind und der auf drei Stellen verteilte Druck durch sehr schwache Linien verbunden ist. Die Wörter erscheinen in ihrer gewöhnlichen Gestalt, wenn man das Auge nahe an das untere Ende des Buches bringt und so auf den Linien hinblickt, daß, infolge der Verkürzung, Anfang und Ende der langen Striche zu lesbaren Buchstaben zusammenschrumpfen, während die sie kreuzenden Striche verschwunden sind. Um sie auch zu lesen, muß man das Buch quer nehmen und auf ihnen in derselben Weise hinblicken. Die senkrechten Buchstaben ergeben: »Die Schrift ist da«, die wagerechten bringen die Fortsetzung: »Gedanken zu verbergen.«

Willst du eine solche Rätselschrift selbst anfertigen, so muß dies sauber mit Reißfeder und Tusche, nach einem Bleistiftentwurfe, geschehen.

338. Weit davon ist gut vorm Schuß. Unwillkürlich wird sich dein Kopf beim Betrachten des zielenden Schützen auf dem Anfangsbilde (S. 139) beiseite wenden, da du den Schützen genau nach deinem Auge zielen siehst. Doch er folgt deinen Bewegungen, und stets ist die Mündung der gefährlichen Schießwaffe auf dein Auge gerichtet, du magst dich entfernen oder nähern, vor- oder zur Seite treten. Die optische Täuschung liegt darin, daß der Gewehrlauf mit Korn und Visier ungemein verkürzt dargestellt ist. Dein Auge ergänzt stets das Fehlende in der Richtung des Blickes, es sieht demnach stets in das Gewehrrohr hinein. Eine ähnliche Täuschung bieten der Schaukasten eines Photographen oder die Ahnengalerie eines Schlosses. Die in Vorderansicht wiedergegebenen Personen in denselben verfolgen uns beim Kommen und Gehen mit ihren stechenden Blicken.

339. Erhaben oder vertieft. Betrachte umstehende Figur I. Dein Auge wird vor der Hand nicht wissen, was es daraus machen soll. Siehe Figur II an, die dich sofort belehren wird, daß auf einem hervortretenden Rahmen ( a) zwei Vertiefungen ( bb) eingeschnitten sind. Wende den Blick wieder nach Figur I, und du wirst dieselbe auch so wirken sehen, als sei sie etwa aus durchsichtigem Glase geschliffen.

Drehe nun das Buch herum, so daß die Druckschrift auf dem Kopfe steht. Figur I wird dann so lange noch in der alten Weise gesehen, als das Auge nicht die jetzt oben befindliche Figur II erblickt. Geht der Blick aber zu ihr über, so bemerkst du, daß der Rahmen ( a) nach hinten geht und die jetzt erhaben nach vorn tretenden, pyramidenähnlichen Teile ( b) umschließt. Siehst du jetzt wieder nach Figur I, so wirkt sie ebenfalls in der neuen Weise. Du kannst also die Flächen nach Belieben in Figur I nach vorn oder hinten treten lassen, je nachdem du das Buch drehst.

Dieses sogenannte Tiefsehen kommt oft vor, so z. B. wirken Abbildungen von Medaillen manchmal so, als seien sie, nach Art eines Petschaftes, graviert worden. Das Auge muß sich dabei anstrengen, die richtige Form zu sehen.

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Erhaben oder vertieft.

340. Das funkensprühende Auge. Welcher von unseren Spielkameraden wäre bei seinen Spielen nicht schon mehrere Male gefallen, und welcher Knabenkopf hätte nicht seine »blaugrüngelbe Brausche« aufzuweisen? Bist du aber unglücklicherweise einmal aufs Auge gefallen, dann hast du sofort »Feuer aus dem Auge« springen sehen, als sei mit Stahl an einen Feuerstein geschlagen worden. Dieselbe Wirkung erzielt man durch die unter Nr. 461 angegebenen Versuche. Diese Funken rühren keineswegs von wirklichem Feuer her. Durch den Fall oder durch den galvanischen Strom erleidet der Sehnerv eine unangenehme Reizung; da er aber ein Sehnerv und kein Gefühlsnerv ist, so übermittelt er diese ihm schmerzliche Behandlung dem Sitze des Denkens, dem Gehirne als dasselbe, was für ihn bei seiner tagtäglichen Beschäftigung störend einwirkt, nämlich als grelles Licht. Da der Schlag aufs Auge nur von kurzer Dauer war, so zeigt sich der scheinbare Lichtschimmer nur als Funke.

341. Die fliegenden Mücken. Wenn du nach langem Gebücktsein dich aufrichtest, so bemerkst du beim Sehen nach hellen Gegenständen merkwürdig geformte, blasenähnliche, durchsichtige Körper, die vor deinen Augen schweben; es sind dies die fliegenden Mücken ( Mouches volantes oder Skotome), die als einzelne Blasen in zusammenhängenden Gruppen, als Perlenschnüre, als Falten oder Bänder, am häufigsten früh, wahrgenommen werden. Willst du deine fliegenden Mücken recht genau sehen, so stich mit einer Nähnadel ein feines Loch in ein Kartenblatt und sieh durch dasselbe nach dem hellen Himmel.

342. Der Armschwenker. Die Erfahrung, daß jeder Gesichtseindruck eine Zeitlang im Auge fortdauert, hat man benutzt, folgendes kleine Spielzeug anzufertigen. Schneide dir aus schwarzem oder blauem, starkem Papiere fünf gleichgroße Männchen aus, von denen das erste die Arme senkrecht herabhängen läßt, das zweite sie ein wenig erhebt, das dritte sie wagerecht seitwärts streckt, das vierte sie schräg nach oben hält und das fünfte sie senkrecht nach oben hebt.

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Der Armschwenker.

Klebe deine Männlein, in weiter Entfernung von einander verteilt, mit Wachs oder Siegellack so an den Rand eines Tellers, daß sie senkrecht gleichhoch stehen. Setze deine Herrengesellschaft in einen mit Wasser gefüllten, größeren Teller oder in eine Schüssel, nimm nun ein Kartenblatt, stich ein feines Loch hinein und blicke durch dasselbe nach den Männern, die durch Anstoßen des Tellers, nach Art eines Karussells in schnelle, kreisende Umdrehung versetzt wurden. Du wirst zu deiner Verwunderung nur ein Männchen erblicken, welches seine Arme langsam hebt und schnell senkt.

343. Ergänzungsfarben. Das menschliche Auge besitzt die Eigentümlichkeit, zu gewissen Farben die dazu gehörigen Ergänzungsfarben (Komplementärfarben) selbstthätig hervorzubringen. Betrachtet man eine halbe Minute lang ein lebhaft gefärbtes Papier und sieht dann auf eine weiße Fläche, so erblickt man auf ihr das Bild des Papieres, aber in der Ergänzungsfarbe.

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Blau, die Ergänzungsfarbe zu Orange erscheint nach Auflegen des Seidenpapieres an Stelle des schwarzen Rahmens.
Violett, die Ergänzungsfarbe zu Gelb erscheint nach Auflegen des Seidenpapieres an Stelle des schwarzen Rahmens.

Sehr leicht erhält man die Ergänzungsfarbe, wenn man auf einer farbigen Fläche einen schwarzen Rahmen mit Tusche aufzeichnet oder einen aus Papier geschnittenen aufklebt. Denselben blickt man 20 bis 30 Sekunden lang an, und nach dem Darüberlegen eines weißen Seidenpapierblattes wird der Rahmen die Ergänzungsfarbe zum umgebenden Untergrunde zeigen.

Auf diese Weise kannst du zu jeder beliebigen Farbe sofort die Ergänzungsfarbe finden, wenn du ein aufgelegtes, schwarzes Papierstück durch Seidenpapier oder durch eine mattgeschliffene Glastafel betrachtest.

Als Beispiel sind drei Farbentafeln beigefügt. Die gelbe Tafel ergibt Violett, die orangefarbige Blau und die grüne Rot, wie du dich leicht durch einen Versuch überzeugen kannst.

344. Der farbige Schatten. Die Ergänzungsfarben (siehe vorhergehende Nummer) kann man auch auf andere Weise hervorbringen. Stelle eine halbzusammengebogene Papptafel, sowie ein geschlossenes Buch, in einiger Entfernung voneinander auf. Schneide aus Papier eine Figur, vielleicht ein Männchen, aus und stecke es mit den Fußspitzen ein wenig zwischen die Blätter des Buches. Hierauf stelle vor die Figur zwei Lichter hin, so daß jedes einen Schatten des Männchens an die Papptafel wirft. Fülle dann ein Glas mit Rotwein oder mit durch Anilinrot gefärbtem Wasser und halte es zwischen das rechte Licht und die Figur, so wirst du staunend bemerken, daß der rechte Schatten rot, der linke schwach grün erscheint. Färbtest du das Wasser im Glase durch Tinte lila, so sehen die Schatten lila und gelb aus. Durch Waschblau gefärbtes Wasser gibt einen blauen und orangefarbigen Schatten. Löst du grüne Farbe in Wasser auf, so gibt Rot die Ergänzungsfarbe zu Grün. Hältst du Weißwein oder sonst eine gelbe Flüssigkeit vor die Flamme, so zeigen sich die Schatten lila- und gelbfarbig. Hast du endlich durch Gelatine gefärbtes, orangefarbiges Wasser benutzt, so erhältst du, neben dem orangefarbigen, den blauen Schatten.

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Der farbige Schatten.

Statt der farbigen Flüssigkeiten kannst du auch gefärbte Glasplatten oder ein in Rahmen gespanntes, buntes Gelatineblatt vor die eine Flamme halten, du wirst denselben Erfolg sehen.

345. Der verschiedenfarbige Stern. Ein großes, viereckiges Stück Pappe wird in der Mitte, nach Art eines Buchdeckels, zusammengebrochen, so daß es als Schreibmappe Verwendung finden könnte. Stich durch die zusammengeschlagene Pappe mit einer starken Kuppennadel, ziemlich in der Mitte, ein Loch, setze in dasselbe die Zirkelspitze ein und schlage auf beiden Flächen gleichgroße Kreise, mit einem Durchmesser von 5 bis 8 Zentimetern. Zeichne hierauf in jede Kreisfläche ein gleichschenkeliges Dreieck derartig ein, daß das eine die Spitze nach oben, das andere die Spitze nach unten kehrt. Schneide mit einem scharfen Messer diese Dreiecke aus. Die ziemlich ganz geöffnete Pappe stelle nun aufrecht auf den Tisch und bringe dahinter die schon in voriger Belustigung benutzte, weiße Pappe als Schirm an. Dann stelle zwei Lichter so auf, daß die auf den Schirm fallenden Sterne sich decken. Dies erreichst du sowohl durch Seitwärtsschieben der Leuchter, als auch durch Höherstellen des zu tief stehenden Lichtes mittels untergelegter, entsprechend starker Bücher. Hältst du nun zwischen eine Flamme und den zunächst befindlichen ausgeschnittenen Stern die oben in Nr. 344 beschriebenen, farbigen Flüssigkeiten, Glastafeln oder Seidenpapierrahmen, so erscheint der sechsteilige Stern auf dem weißen Schirme dreifarbig: die Mitte des Sternes erscheint weiß, während die Spitzen desselben die Farbe der Flüssigkeit oder des Glases und Papieres, abwechselnd mit ihrer Ergänzungsfarbe, zeigen.

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Der verschiedenfarbige Stern.

346. Lichtmagnete. Schon 1602 machte der Schuster Cascariolo in Bologna die Entdeckung, daß eine bestimmte Art Schwerspat aus der Umgegend der Stadt, wenn er mit leichtverbrennlichen Stoffen geglüht und dann dem Sonnenlichte ausgesetzt wurde, im Dunkeln leuchtete. Man nannte diese Art Schwerspat deshalb Sonnenstein, Bologneserstein oder Lichtmagnet.

In der Neuzeit hat man eine Farbe bereitet, deren hauptsächlichster Bestandteil Schwefelbaryum ist, und die man zum Bestreichen von Schildern, Glockenzügen, Zifferblättern u. dgl. benutzt. Sind diese Gegenstände tagsüber dem Sonnenlichte ausgesetzt worden, so geben sie des Nachts das eingesaugte, gleichsam aufgespeicherte Licht wieder langsam von sich und leuchten im Finstern phosphorähnlich.


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