Heinrich Leopold Wagner
Die Kindermörderin
Heinrich Leopold Wagner

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Vierter Akt.

(Evchens Schlafzimmer; rechter Hand der Bühne ist die Thür, gegenüber sind Fenster, die auf die Straße gehn. Fr. Humbrecht macht eben, wie der Vorhang aufgezogen wird, das Fenster zu: Evchen ließt.)

Fr. Humbrecht. Noch seh und hör ich nichts von ihm.

Evchen. Heut wird er schwerlich mehr kommen, Mutter! geh sie lieber ins Bett! Die Thore sind ja schon längst zu.

Fr. Humbrecht. Wer weiß, kommt er nicht zum Judenthor herein? es hat ja noch nicht eilf geschlagen.

Evchen (seufzend.) Daran dacht ich nicht.

Fr. Humbrecht. Schon wieder ein Seufzer! – hast du mir nicht so eben versprochen, das ewige Geächz und Gekrächz zu unterlassen? bist mir ein rechter Mann von Parole!

Evchen. O wenn ich ein Mann wäre!

Fr. Humbrecht. Was wärs?

Evchen. Noch heute macht ich mich auf den Weg nach Amerika, und hälf für die Freyheit streiten.

Fr. Humbrecht. Und ließest Vater und Mutter allein hier sitzen? Pfui Evchen! aber ich weiß schon, wo es steckt, du liebst uns halt nicht mehr.

Evchen. Wie kan sie das denken, Mutter!

Fr. Humbrecht. Wie? – weil du kein Zutrauen mehr zu deinen Eltern hast, wo das nicht ist, ist auch keine Liebe.

Evchen (gerührt.) Mutter!

Fr. Humbrecht. Nicht anders: es thut mir leid, daß ich dirs sagen muß; – sonst, wenn dir nur ein Finger weh that, kamst du zu mir geloffen es mir zu klagen; jetzt, verzeih dirs der liebe Gott, geht dir allemal eine Gänshaut aus, wenn du eins von uns beyden erblickst.

Evchen. Gewiß nicht! – sie thut mir das gröste Unrecht von der Welt, Mutter! wenn sie das sagt: ich lieb sie noch immer eben so stark – aber –

Fr. Humbrecht. Nun? –

Evchen (schüchtern.) Aber – es giebt Sachen, die man niemand entdecken kan.

Fr. Humbrecht. Warum nicht?

Evchen. Weil sie noch nicht reif sind; weil man sie sich selbst nicht so gestehn mag oder kann.

Fr. Humbrecht. Lauter Rätzel! – wenn dein Vater wieder so eine Antwort hörte, fuchswild würd er darüber: – Du weißt, er kann das hinter dem Berg halten nicht ausstehn! ich auch nicht. Gestern, eh er zu Pferd stieg, glaubt ich, er wollte rasend werden: da er dich so recht vertraut auf seinen Schoos setzte, dir die besten Wort gab, dich herzte und drückte – –

Evchen. Und auf einmal von sich stieß, daß ich bis ans Bett dort taumelte –

Fr. Humbrecht. Da war dein Starrkopf schuld dran; und doch thats ihm gleich wieder leid, das konnt ich ihm an den Augen ansehn. – Noch an der Trepp aber hat er sich heilig vermessen, wenn er zurück käm, und du den Kopf noch so hiengst, und ihm die Ursache nicht gestehn würdest, so wollt er dich nicht mehr für sein Kind erkennen. Länger, sagte er, will ich mich nicht von ihren Kaprissen, wie ein Kalb am Seil, herumzerren lassen.

Evchen. So wahr Gott lebt! Mutter! es ist keine Kaprisse; wollt es wär! – Soll ich aber die Wahrheit gestehn, Mutter, so hat der Ungestüm, mit dem sie mir die Ursache meines Kummers, die ich mir selbst noch nicht gestehn mag, bald in den Augen lesen, bald mit Drohen, bald mit Liebkosen herauspressen wollten, sehr viel dazu beigetragen, meine Melancholie oder Kopfhängerey, wie sies nennt, zu vermehren. Es ist von ihrer Seit gut gemeint, das weiß ich, das fühl ich, und leide doppelt drunter, weil ich ihnen jetzt wenigstens keinen Dank für diese Zärtlichkeit geben kann. – Probier sies einmal Mutter! laß sie mich ein Weilchen in meiner Träumerey so hinschlendern, thu sie, als bemerkte sies gar nicht, überlaß sie mich mir selbst, bered sie den Vater es auch zu thun; nur auf ein Weilchen! vielleicht hebt sich alles – es muß sich heben, und dann bin ich wieder ganz ihre Tochter, oder –

Fr. Humbrecht. Oder? –

Evchen. Ein Kind des Tods.

Fr. Humbrecht. Wieder ein neuer Stich ins Herz! – O Evchen! Evchen! Du wirst uns noch ins Grab bringen. –

Evchen. Nicht doch, Mutter! nicht doch! euch nicht! mich eher, wenn ihr mir nicht Ruh laßt. Probierts nur, wie ich gesagt habe, ich bitt euch darum: es wird noch alles gut werden. – (fällt ihr um den Hals.) Hier an ihrem Hals hängend beschwör ich sie, versperrt eurer Tochter den einigen Weg nicht, auf dem sie sich noch retten kann.

Fr. Humbrecht (wickelt sich los.) Dein Vater! – ich hör ihn.

Evchen. Sie verspricht mir doch –

Fr. Humbrecht (nimmt ein Licht vom Tisch, ihm entgegen zu gehn.) Was kann ich halt machen! ich muß wohl.

Humbrecht (kommt gestiefelt und gesport.) Was zum Henker sitzt du denn da oben Frau! und läßst das Haus drunten leer stehn?

Fr. Humbrecht. Den Augenblick gieng ich herauf zu sehn, was sie macht.

Humbrecht. Allerliebst! wenn die Mutter der Tochter entgegen gehn muß: hat sie nicht eben so nah zu dir? – Wie das wieder da steht, als wenn ihm Gott nicht gnädig wär! – Dem Vater nicht einmal guten Abend zu sagen!

Evchen (schüchtern.) Guten Abend, Vater!

Humbrecht (spottend im nemlichen Ton.) Guten Abend, meine Jungfer Tochter!

Fr. Humbrecht. Du fährst sie aber auch immer so an; – kein Wunder, wenn sie sich vor dir fürchtet.

Humbrecht. Fürchtet! vor mir! – Tausend Element! bin ich nicht ihr Vater! he, Evchen, bin ichs nicht? soll ich etwa, wenn ich mit meinem Kind rede, jedes Wort auf die Goldwaage legen? – Das gieng mir, hohl mich der Kuckuck, noch ab!

Fr. Humbrecht. Närrchen! wer sagt denn das? – nur dein Ton –

Humbrecht. Mein Ton, mein Ton! ist freilich keiner von den zuckersüßen, mit Butter geschmierten, in dem unsre glattzüngichte Herren ihre Komplimenten herkrähen; – meine Tochter, dächt ich aber, hätt in siebzehn, achtzehn Jahren, ihn schon gewohnen können! – Ich bin doch auch, bey meiner Seelen Seeligkeit, kein Menschenfresser nicht! – Komm her, Evchen, komm! – bist ein guts Mädchen gewesen, hast deiner Mutter gebeichtet? gelt! du hast?

Evchen (verwirrt.) Liebster Vater!

Fr. Humbrecht. Ja ja! sie hat; laß sie nur zufrieden jetzt, sollst alles hören.

Humbrecht. Das ist brav! Das ist recht! – (küßt sie.) jetzt bist du mir wieder doppelt lieb. – Wars denn aber auch der Müh werth, den Kopf so zu hängen?

Fr. Humbrecht. Du wirsts schon hören, sag ich.

Humbrecht. Fast sollt ich bös werden, daß du mir die Gunst nicht angethan hast; gestern erst, meynt ich, ich müßt dirs heraus hexen. – Da war aber mein Ton wohl schuld dran. Wirst also wieder hübsch munter seyn, Evchen?

Evchen. So viel mir möglich.

Humbrecht. Wieder in Gesellschaften, in die Kirch gehn? nicht immer in deinem Stall sitzen?

Fr. Humbrecht. Puh! was Fragen! das wird sich schon finden: eins nach dem andern. – Jetzt ists Zeit Schlafen zu gehn, es schlägt gleich zwölf. – Komm Alter! (zieht ihn am Ermel fort.) Gut Nacht, Evchen!

Humbrecht. Busoir, Busoir! – heut will ich dir einen Stiefel wegschnarchen, Frau! – (macht sich los, kehrt um, und nimmt Evchen bey der Hand.) verzeih dir der liebe Gott alle die schlaflosen Nächte, die du uns eine Zeither gemacht hast. – Schau! ich weiß er hat alle meine Seufzer, alle Thränen deiner Mutter gezählt; mög er dir keine aufrechnen, mein Kind! – keine! – sonst müßten sie aufs neu fließen. – (Evchen fällt ihm weinend um den Hals, und küßt ihn.) Jetzt schlaff wohl! (ab.)

Evchen (ihm nachsehend.) Armer Mann! guter, unglücklicher Vater! – (tiefseufzend.) ich fürcht, ich fürcht, die schlaflosesten Nächte hast du noch zu erwarten! – Sein Zorn ist mir fürchterlich, aber, Gott weiß es, seine Liebe noch mehr! – – (setzt sich hin, und ließt eine Zeitlang.) – Umsonst! es thuts nicht – ich les und lese, und wenn ich das Blatt umschlag, weiß ich kein Wort mehr von allem, was drauf steht. – (legt das Buch hin, geht sehr bewegt, ein paarmal auf und ab.) – Gröningseck! Gröningseck! was hast du nicht zu verantworten! –

v. Gröningseck (der mittlerweil ganz angezogen, doch ohne Hut und Degen, zur Thür hereinschlich, stellt sein Licht auf den Tisch, und stürzt ihr plötzlich zu Füßen.) Das weiß ich, Liebste, Theuerste! wills verantworten, will alles gut machen. –

Evchen (bebt zurück.) Wie! sie erkühnen sich – um Mitternacht – was wollen sie? was ist ihre Absicht?

v. Gröningseck. Die reinste, tugendhafteste, die je ein Mann gehabt hat. Ihnen ihre Ruhe wieder zu geben –

Evchen. Können sie das? können sie geschehne Sachen ungeschehn machen? – oder wollen sie sich zum Gott lügen, und mich noch einmal täuschen?

v. Gröningseck. Das nicht, Evchen! wahrhaftig nicht! Das letzte mag ich nicht, das erste kann ich nicht und doch wollt ich, ich könnts! mit meinem Blut wollt ich ihn wiederkaufen, den unglücklichen Augenblick, da ich im Taumel –

Evchen. Er ist mir tief genug in die Seele gebrennt, sie brauchen mich nicht noch selbst daran zu erinnern; – oder – sind sie Satans genug, Verführer und Kläger zugleich zu seyn? –

v. Gröningseck (springt auf.) Ums Himmels willen, für welch ein scheusliches Ungeheuer halten sie mich! – Ich kam hieher –

Evchen. Zu einer Zeit, in einer Stunde, in der sie nicht gekommen wären, wenn sie nur die geringste Hochachtung noch für mich hätten.

v. Gröningseck. Verzeihn sie! Evchen! ich schwör ihnen das Gegentheil: da ich ihre Delikatesse kenne und billige, so stand ich lang an, eh ich mich zu diesem unzeitigen Besuch entschließen konnte: es mußte aber gewagt seyn! – ich war ihnen und mir es schuldig, sie nochmals allein zu sprechen, eh ich nach Haus reise.

Evchen. Sie verreisen?

v. Gröningseck. So bald als möglich, um noch zu rechter Zeit wiederkommen, und ihnen meine Hand anbieten zu können.

Evchen. Ist das ihr Ernst, Gröningseck? spricht ihr Herz so? mich deucht, sie schwuren mirs schon ehmals.

v. Gröningseck. Und wiederhohls hier aufs feyerlichste. – Ihrer beleidigten Tugend alle mir mögliche Genugthuung zu geben, war, so bald ich fand, daß sie das nicht waren, für das ich sie in meinem Leichtsinn versehn hatte, meine erste Empfindung, und wird auch da noch, wenn alle andren Empfindungen mit Blut und Athem stocken, meine letzte seyn. – Möchte sie dieses Versprechen doch in etwas beruhigen! Ich hab nur ein Wort. – Aber, du Evchen – hast mir nicht Wort gehalten.

Evchen. Wie so!

v. Gröningseck. Versprachst du mir nicht, dir Gewalt anzuthun – dir nichts merken zu lassen! –

Evchen. Es ist wahr, ich versprach, mir alle Mühe desfalls zu geben; thats auch, und –

v. Gröningseck. Und doch kam ich niemals ins Zimmer, daß du nicht bis in die Augen roth geworden wärst! – Wars Zorn, Verachtung, Abscheu?

Evchen. Das wars nicht, Gröningseck! ich liebte sie, so wie ich sie kennen lernte, jetzt kann ichs ihnen sagen – sonst hätten sie mich nicht so schwach gefunden, – und kann sie auch noch nicht hassen, wenn ich auch nie die Hofnung hätte, die Ihrige zu werden: – aber den Gewissenswurm, der mir am Herzen nagt, zu ersticken, hab ich noch nicht gelernt! – wenn ichs könnte, würde ich doppelt vor mir erröthen.

v. Gröningseck. Göttliches Mädchen! (ergreift ihre Hand, und führt sie dem Mund zu.)

Evchen (zieht sie schnell zurück.) Ich dachte, sie hätten nur ein Wort! – ists Vergessenheit? –

v. Gröningseck. Vergessenheit! Ergießung der Seelen! wie dus nennen willst – Kurz, ich kann nicht, ich muß den Schwur meiner ewigen Treue mit einem Handkuß versiegeln. (will ihre Hand mit Gewalt küssen, sie stößt ihn von sich.)

Evchen. Nein, Herr Lieutenant! – Sollten sie es auch für Ziererey halten: ein Handkuß ist nichts, das weiß ich, und dennoch kann er zu allem führen. – Wenn sie in Kleinigkeiten nicht Wort halten, wie soll ich ihnen in wichtigem Angelegenheiten trauen? Ich will ihnen wenigstens einen Meyneid ersparen. – Wer einmal in Feuersnoth gewesen, und das zweytemal nicht vorsichtig ist, verdient es, daß er darinn umkommt. – Bis wann denken sie wieder hier zu seyn?

v. Gröningseck. Zwey Monat werden mit der Reise wohl drauf gehn.

Evchen. Zwey Monat! – Da wird mir das Herz noch manchmal klopfen: – aber, das muß nun seyn, folglich muß ich mirs auch gefallen lassen. – Ich heiß sie nicht eilen, wenn sie ihr Herz das nicht selbst heißt, – so bin ich ohnehin verlohren. –

v. Gröningseck. Das thuts gewiß.

Evchen. Jetzt, Gröningseck! ja! das glaub ich ihnen, traus ihrer Rechtschaffenheit zu. Wer kann mir aber für die Zukunft stehn? – niemand; sie selbst nicht! – Keins von uns hat im Buche der Vorsehung sein Schicksal gelesen: – eine innre Stimme, die ich aber immer zu betäuben suche, sagt mir, das Meinige wäre mit Blut geschrieben.

v. Gröningseck. Evchen! wie kommen sie da dran?

Evchen. Wie? auf die leichteste, simpelste Art von der Welt. – Den Fall gesetzt, sie hielten ihr Wort nicht –

v. Gröningseck. Der Fall ist aber unmöglich! –

Evchen. Das kann nur die Zeit lehren: – ich setz indessen – hören sie nur! – sie hielten ihr Wort nicht, überließen mich meinem Schicksal, dem ganzen Gewicht der Schande, die mich erwartet, dem Zorn meiner Anverwandten, der Wuth meines Vaters, glaubst du, daß ich dies alles abwarten würde? abwarten könnte? – gewiß nicht! – die grauenvollste Wildniß würde ich aufsuchen, von allem was menschliches Ansehn hat entfernt, mich im dicksten Gesträuch vor mir selbst verbergen, nur den Regen des Himmels trinken, um mein Gesicht, mein geschändetes Ich nicht im Bach spiegeln zu dürfen; und wenn dann der Himmel ein Wunderwerk thäte, mich und das unglückliche Geschöpf, das Waise ist noch eh es einen Vater hat, beym Leben zu erhalten, so wollt ich, so bald es zu stammlen anfieng, ihm statt Vater und Mutter, die gräßlichen Worte, Hure und Meyneid, so lang ins Ohr schreyn, bis es sie deutlich nachspräche, und dann in einem Anfall von Raserey durch sein Schimpfen mich bewöge, seinem und meinem Elend ein Ende zu machen. – Wär das nicht blutig? Gröningseck! –

v. Gröningseck. Nur zu sehr – die Haar stehn mir – ich bin Soldat – war sehr jung schon im Feld mit; hab manche schreckliche Scene mit angesehn – aber so was –

Evchen. Kannst nur du veranlassen, und ich ausführen!

v. Gröningseck. Da bewahr sie Gott vor! – mir schaudert schon beym Gedanken! – Ums Himmelswillen, Evchen! entsagen sie doch allen diesen melancholischen Träumereyen, schlagen sie sich dieselben ganz aus dem Sinn – verlassen sie sich auf mich, auf mein gegebenes Ehrenwort, auf meinen Überrest von Gefühl und Tugend; wenns auch nur ein Fünkchen wär; so haben sie es doch wieder angefacht.

Evchen. Gut, Gröningseck! so seys denn! – ich versprechs ihnen.

v. Gröningseck. Versprechen sie mir aber auch ruhig und gelassen die Zeit zu erwarten?

Evchen (nachdenkend.) Ich möchte nicht gern mehr versprechen, als ich halten kann.

v. Gröningseck. Du kannst es, Liebchen! so bald du mir zutraust, daß ich ein ehrlicher Mann bin.

Evchen. Will ich mich nicht selbst verrathen, und meine Eltern auf die wahre Spur bringen, so werd ich wohl müssen. – Sie glauben nicht, wie nah sie mirs schon gelegt, wie sehr sie mir zugesetzt haben! – mehr als einmal zitterte mir das fatale Geheimniß auf den Lippen, nur die Furcht –

v. Gröningseck. Behalten sies ja bey sich; ich beschwöre sie darum; ich zittre, wenn ich mir ihren Vater denke; – wenden sie alles an, bieten sie ihre ganze Munterkeit auf, ja keinen Verdacht zu erwecken. – Es muthmaßt doch wohl niemand –

Evchen. Dem Magister trau ich am allerwenigsten; seine Luchsaugen haben mich schon mehr als einmal außer Fassung gebracht. – Der Auftrag, den sie ihm gestern gaben, gieng ihm gewaltig im Kopf herum; ich sahs ihm an, und stellte mich, als wäre mir gar nichts daran gelegen.

v. Gröningseck. Sollte er wohl niederträchtig genug seyn, ihnen schaden zu wollen?

Evchen. Das nicht, Gröningseck! – bös meynt ers nicht mit mir, vielleicht nur zu gut. So viel ich merke, hat er heimlich Absichten auf mich; meine Mutter mag mit drunter stecken. – Die Herren sinds gewohnt, sich als Kandidaten schon ihr Mädchen zu wählen; kriegen sie hernach in zehn, funfzehn Jahren eine Dorfpfarrey, so dörfen sie nicht lang nach einer Frau suchen.

v. Gröningseck. Bis dorthin können wir ihm vielleicht selbst mit einer Tochter bedient seyn.

Evchen. Sorgen sie nur, daß sie sich ihrer Mutter nicht schämen darf. – Jetzt gehn sie; die Nachbarn sinds nicht gewohnt, so lange Licht bey mir zu sehn. –

v. Gröningseck. Bekümmert sich Evchen auch um die? –

Evchen. Wenns da (aufs Herz deutend) nicht richtig ist, – wenn das uns Vorwürfe macht, so fürchtet man sich vor seinem eignen Schatten. – Jetzt gehn sie, sag ich; – morgen können sie mich noch bey meiner Mutter sehn. Sie nehmen doch Abschied bey ihr?

v. Gröningseck. Sehn! aber nicht sprechen!

Evchen. Ich werde jeden Blick verstehn. – (sie gehn der Thüre zu.) Zwey Monat, sagten sie?

v. Gröningseck. Zwey Monat aufs längste! das schwör ich ihnen nochmals, im Angesicht des Monds und aller der Sterne, die dort am Firmament glänzen: mein letzter Blick, wenn ich morgen in Wagen steig, Solls ihnen noch einmal schwören. – Nur ruhig, mein Liebchen! (drückt Evchen die Hand, und geht ab; Evchen öfnet halb die Thüre, steckt den Kopf hinaus und ruft mit gedämpfter Stimme.)

Evchen. Gröningseck! noch eins! (er kommt zurück, sie küßt ihn mit den Worten) Den kann ich ihnen morgen nicht auf die Reis geben! (und riegelt die Thür schnell hinter ihm zu.)

Der Vorhang fällt.


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