Richard Wagner
Auswahl seiner Schriften
Richard Wagner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wieland der Schmiedt, als Drama entworfen.

Anmerkung des Herausgebers 18) Der Dramenentwurf entstand in den Jahren 1849–50, wozu S. 129 dieses Bändchens zu vergleichen ist. Seine dichterische und musikalische Ausführung mußte dann vor der des Nibelungenstoffes zurückweichen. (Ausführlicheres über den Entwurf und seine Geschichte in einem Aufsatze Dr. Schlössers, »Bayreuther Blätter« 1895, S. 30–64.)

Personen:

Wieland, der Schmiedt. Eigel, der Schütz, Brüder.

Helferich, der Arzt.

Schwanhilde.

Neiding, König der Niaren.

Bathilde, seine Tochter.

Gram, sein Marschall.

Erster Akt.

Mark Norweg, waldiger Uferraum am Meere, im Vordergrunde zur Seite Wieland's Haus mit der Schmiede, welche frei davor steht.

Erste Scene.

Wieland sitzt und schmiedet an einem goldenen Geschmeide; seine Brüder Eigel und Helferich lehnen neben ihm und sehen ihm zu. – Der Schmiedt singt zu seiner Arbeit, die soeben der Vollendung nahe ist; er wünscht seinem Geschmeide Kraft, den Frauen, die es tragen, in den Augen ihrer Liebsten immer neuen Reiz zu verleihen, denn: – »gesteht es nur, Reiz und Schönheit thut den Frauen noth, wollen sie die Männer an sich binden; ein kluger Mann sorgt darum wohl dafür, daß nie der Frau, die er immer lieben will, an Reiz es gebreche. Seht, wie ich für euch sorge: dieß Geschmeide schuf ich euren Frauen. Zwei Spangen sind's, die theil' ich unter euch.«

Eigel und Helferich sind erfreut, danken und loben ihren Bruder, und fragen, wie sie ihm erwidern sollen.

Wieland »Schmied' ich aus Liebe nicht für euch? Für eure Frauen schaff' ich erst recht aus Liebe! Kein König darf mich heißen, was ich nur gerne thue. – Doch Eigel, rathe du, was ich für dich geschmiedet?«

Eigel. »Ein neues Werk? Fürwahr, du saßest lange einsam dort am Heerd; verhungert wärest du, hätt' ich mit Jagdbeute dich nicht versorgt! Nun sag', was schufest du so emsig?«

Wieland. »Schau' her, den Stahlbogen hier für dich, wenn du auf Jagen gehst!«

Eigel, entzückt, prüft den Bogen, und lobt ihn als den stärksten, schwungkräftigsten und schönstgeformten, den man je gewinnen könne.

Wieland. »So erleg' uns heute noch ein gutes Wild! In hehren Thaten sollst du einst ihn aber spannen. – Dir, Helferich, der du aus duftenden Kräutern den Heiltrank uns gewinnst, dir schuf ich dieß zierliche Gefäß aus Gold, daß du ihn darin verwahrst!«

Helferich erstaunt über die Schönheit des Fläschchens, und lobt, daß er nun den Heiltrunk mit sich tragen könne.

Wieland. »Bald sollst du mächtig deine Kunst bewähren, denn bald soll sich blutiger Streit im Wikingenland erheben; gar manche Wunde heilst du dann den edlen Wikingssprossen! Noch einen Helden giebt es, den ich liebe; für den, seht, schuf ich dieses Schwert: das sollt ihr, theure Brüder, dem König Rothar bringen! Gegen die Neidinge soll er es schwingen, die Nordland's freie Männer knechten!«

Die Brüder. »Was weißt du von Rothar?«

Wieland. Wachilde, das holde Meerweib, das dem König Wiking einst unseren Vater gebar, die erschien mir dort aus den Wogen und gab mir Kunde. Gar viel hat sie mir vertraut, – von Wate, unserem Vater; wie die Küste uns zu freiem Eigen von Wiking ward bestimmt, wie Wiking's Söhne, die eine Königstochter ihm gebar, von Mißgeschick gedrängt würden; wie aber Rothar nun in Heldenkraft erblühe, und um ihn sich Alles schaare, was Neiding's wachsender Macht widerstehe. Dieß Alles meld' ich euch wohl heute Abend, beim traulichen Mahl!«

Helferich. »So komm' mit uns; die Sonne sank schon tief, und du hast dein Tagwerk doch wohl vollbracht: wer schuf so viel Wunderwerke als du?«

Eigel. »Zum heutigen Mahl erlege ich zuvor mit dem neuen Bogen noch ein edles Wild! dess' sollst du dich, Wieland, freuen!«

Helferich. »Auch sollst du uns geloben, nun bald ein Weib zu nehmen, daß unsere Liebessorge um dich sich mehren könne.«

Wieland (hat aufmerksam nach dem Meere hingeblickt; jetzt ruft er plötzlich). »Seht ihr dort es durch die Lüfte fliegen?«

Eigel (der auch näher hinblickt). »Drei seltene Vögel, wie ich keine noch sah!«

Helferich. »Sie kommen näher!« –

Eigel. »Hei, fürwahr! Jungfrauen sind's, mit Schwanenflügeln schweben sie durch die Lüfte!«

Helferich. »Nach Westen geht der eilende Flug!«

Wieland. »Mich dünkt, der Einen giebt die Eile Müh'; sie ist ermüdet!« –

Eigel. »Doch verschwunden sind sie nun; um die Waldecke ging der Flug.«

Helferich (mit Eigel sich nach dem Vordergrunde wendend). »Woher die kamen, da blutete wohl mancher Held.« –

Eigel. »Schildmädchen waren es sicher, im Nordland erhoben sie Streit.« (Zu Wieland, der unverwandt noch nachblickt.) »Nun, Wieland, komm'! Was starrst du in die Luft? Wo mein Auge nichts erspäht, da gewahrst du wahrlich nichts!«

Wieland (begeistert und traurig, tief aufseufzend). »Oh, könnt' ich fliegen! In den Lüften freit' ich ein Weib!« –

Helferich. »Komm' heim zum Mahl!«

Wieland (ohne sich umzuwenden). »Bereitet es wohl, ich folg' euch bald!« (Die Brüder gehen fort. – Wieland späht immer aufmerksam nach dem Meere). »Ha, dort seh' ich die Eine niederschweben: – was der Schütze nicht sah, erkannte ich. – Sie ist matt – verwundet wohl: – sie vermag nicht im Fluge sich gegen den Wind zu halten! – Sie blieb zurück – sinkt immer tiefer – der Wind drückt sie nach dem Wasser! – Sie ist ihrer nicht mächtig, schon taucht sie auf die Fluth! – Frisch, Wieland! In der Meereswoge erjagst du dir wohl dein Wild!« (Er springt in das Meer und schwimmt hastig von dannen. Nach einer Weile sieht man ihn wieder zurückschwimmen; er hält das Schwanenmädchen mit dem einen Arme umfaßt, und erreicht mit ihr das Ufer.)

Zweite Scene.

Schwanhilde (wird ohnmächtig von Wieland an das Land gebracht, ihre Arme sind in mächtigen Schwanenflügeln verborgen, die matt, und schlaff herabhängen). Wieland (legt sie an der Schmiede auf eine Moosbank nieder). Er gewahrt, daß sie unter dem linken Flügel verwundet ist, betrachtet näher, und erkennt, daß die Flügel abzulösen sind, und wie er dieß vollbringen müsse; er löst vorsichtig die Flügel von Armen und Nacken, und erkennt mit Entzücken ein schönes, wohlgestaltetes Weib. So vermag er auch nun sicher zur Wunde zu gelangen; es ist ein Speerstich. Schnell entsinnt er sich des Heilmittels, das Helferich ihm für solche Wunden gegeben, und kommt mit einem Kraute wieder zurück; nachdem er ihr dieß auf die Wunde gelegt, verbindet er sie. Dann lauscht er ihrem Athem. Sie kommt allmählich zu sich, schlägt die Augen auf und erblickt Wieland. Sie erschrickt über ihren Aufenthalt, und wähnt sich in Neiding's Macht gefallen. Wieland beruhigt sie: – er habe sie aus dem Meere gerettet und ihre Wunde geheilt: sie solle ihm darum nicht zürnen. – Sie fühlt sich der Flügel beraubt, machtlos in eines fremden Mannes Gewalt. »O Schwestern, liebe böse Schwestern! Weh, ihr ließet mich hilflos zurück! Wie soll ich die Mutter je wiederfinden!« Sie weint heftig.

Wieland tröstet sie: »Verließen dich die Schwestern, so sei nun in meinem Schutz; dich, holdes, seliges Weib, laß mich beschützen mit meinem Leben!« – Es gelingt ihm, sie zu beruhigen: er bittet sie zärtlich, sich zu schonen, daß die Wunde sicher heile. –

Schwanhilde.»So bist du nicht von Neiding's Stamme?«

Wieland. »O nein! ich bin aller Neidinge Feind. Schon schmiedete ich das Schwert, das sie vertilgen soll. Frei wohne ich mit meinen Brüdern hier, keinem Könige sind wir unterthan. – Doch sage mir, wer bist du, wundervolle Frau?«

Schwanhilde ist von Wieland's Liebe gerührt; sie wünscht ganz vergessen zu können, wer sie sei und woher sie kam, da sie nun wohl fühlt, daß ihr Vergessen trostreicher sein müsse, als Gedenken! – Sie erzählt Wieland, der sich neben sie gesetzt hat, wer sie sei. König Jsang im Nordland war der Vater ihrer Mutter; der Fürst der Lichtalben entbrannte in Liebe zu dieser: als Schwan nahte er sich ihr und entführte sie weit über das Meer, nach den »heimlichen Eilanden«. In Liebe vereint, wohnten sie dort drei Jahre, bis die Mutter in thörichtem Eifer zu wissen begehrte, wer ihr Gatte sei, wonach zu fragen er ihr verboten hatte. Da schwamm der Albenfürst als Schwan durch die Fluthen davon, – in weiter Ferne sah die jammernde Mutter, wie er auf seinen Flügeln sich in das Luftmeer erhob. Drei Töchter hatte sie geboren, Schwanhilde und ihre Schwestern: denen wuchsen alle Jahre Schwanenflügel, welche die Mutter aus Sorge, auch sie möchten ihr entfliegen, ihnen jedesmal abstreifte und vor ihren Blicken verbarg. Nun kam aber Kunde über das Meer, daß König Jsang von Neiding überfallen, getödtet, und sein Land von ihm geraubt worden sei. Da entbrannte in der Mutter Zorn und Rache; sie begehrte Neiding zu strafen, beklagte, nur Töchter, keinen Sohn geboren zu haben; gab daher den Töchtern die wohlverschlossen gehaltenen Fluggewänder, hieß sie als Walküren nach Nordland fliegen, um Rachekampf gegen Neiding zu erheben. Nun hätten sie die Männer erregt, und mit ihnen gegen den räuberischen König gestritten; eher wandten sie sich nicht zur Umkehr, als bis Schwanhilde verwundet worden; leider habe sie aber, wie Wieland wisse, den Schwestern vor Wundmüdigkeit nicht mehr folgen können. – »Nun bin ich in deiner Macht!«

Wieland ist hingerissen, schwört sie zu lieben und nie sie zu verlassen.

Schwanhilde. »Liebst du mich wirklich?« Sie zieht einen Ring vom Finger und reicht ihn Wieland. »Sieh', dieser Ring erregt dir Liebeszauber: trägt ihn ein Weib, der Mann, der sich ihr naht, muß dann in Liebe für sie glüh'n; der wohl auch gewann mir nur deine Liebe.«

Wieland, der den Ring empfangen, fühlt durch diese Hingebung seine Liebe nur wachsen; er bittet sie, den Ring nie zu tragen, da er sie mehr noch ohne ihn liebe.

Schwanhilde, gerührt und beruhigt, räth ihm, dennoch den Ring nicht von sich zu geben, denn für den Mann, der ihn trage, enthalte er den Siegerstein, der in jedem Kampfe ihm Sieg versichere.

Wieland will auch von dieser Eigenschaft keinen Nutzen ziehen; er hängt ihn hinter der Thüre seines Hauses an einem Bast auf; »hier hänge du, weder ich noch mein Weib bedürfen dein!« –

Schwanhilde. »O Wieland, muß ich mich deiner Liebe nun erfreuen, und darf ich nie wünschen, ihr Leid und Kummer zu erregen; muß ich nun immer bei dir weilen wollen, – so nimm dieß Fluggewand, birg es wohl und verschließ' es fest! Denn erblick' ich die Flügel, und weiß ich sie in meiner Macht, so sehr ich dich liebe, nicht könnte ich der Lust widerstehen, auf ihnen mich in die Lüfte zu schwingen: so wonnig ist der Flug, so selig das Schweben im klaren Meere der Luft, daß, wer einmal es genoß, nie des Sehnens darnach sich erwehren kann: er muß es stillen, wird ihm die Macht dazu!«

Wieland erschrickt über die Begeisterung Schwanhilde's; er rafft hastig das Fluggewand zusammen. »Und die Liebe hielte dich nicht?« –

Schwanhilde (sinkt ergriffen an Wieland's Brust. Sie weint und ruft): »Nun lebt wohl, theure Schwestern! Leb' wohl, liebe arme Mutter! Schwanhilde sieht euch nie wieder!«

Wieland ist hingerissen von ihrer Liebe und ihrem Schmerz. Doch ist er besorgt um sie: noch sei sie nicht ganz geheilt, – ihre Stirne glühe im Fieber. Er bittet sie, in sein Haus zu treten, und auf seinem Lager sich auszuruhen; er gehe dann, seinen Bruder Helferich zu holen; der sei der geschickteste Arzt, und werde sie schnell ganz heilen. – Er geleitet die Müde, die ihn liebevoll umschlingt, in das Haus.

Dritte Scene

(Es ist voller Abend geworden. Ein Schiff legt seitwärts im Hintergrunde an; aus ihm steigen vorsichtig Bathilde und Frauen an das Land. Sie spähen, ob Wieland anwesend sei. Da sie ihn in Kurzem wieder aus der Thüre treten sehen, halten sie sich hinter Gebüsch zurück.)

Wieland (im Begriff, die Thüre zu schließen, hält an, und kämpft mit sich, ob er nicht wieder umkehre). »Ich verschloß das Fluggewand nicht: – doch, schläft sie nicht, die Müde und Kranke? Und bin ich nicht zurück, ehe sie erwacht? – Oder sollte ich Verdacht gegen sie hegen? Sollte ich sie als gefangene Beute halten? – O nein, frei soll sie mich lieben!« – Freudig erregt verläßt er die Thüre. Dann kehrt er wieder um. »Doch schließe ich wohl die Thüre? – Um sie zu halten? – Du Thor! Wollte sie entfliegen, zur Esse hinaus, zum Fenster in den Hof hinaus, fände ihr Flug leicht den Weg! – Doch sie schläft, drum schütze sie die gute Thüre, daß Keiner sie störe.« Er schließt ab, und geht mit dem Ausrufe: »Nun, Brüder, sollt ihr Wunder hören, wie schnell ich ein Weib mir gewann!« raschen Schrittes über die Scene ab.

Bathilde (in Waffenrüstung tritt mit den Frauen hervor). »Meine Runen wiesen mich recht; hieher floh die Verwundete, denn bekannt ist dieser Strand wegen seiner Heilkraft; nun möge Gram Wieland fangen; das Wichtigste vollbring' ich selbst. Gewinne ich den Ring des Schwanenweibes, dann bin ich des mächtigsten Kleinodes Herrin, und selbst mein Vater verdanke einzig mir seine Macht.« – (Sie geht an die Thüre und betrachtet das Schloß.) »Fürwahr, das kunstreichste Schloß, das je geschmiedet war! Doch was ist Menschenkunst gegen Zauberkraft?« – Sie berührt das Schloß mit einer kleinen Springwurzel; die Thüre, nach außen gehend, öffnet sich von selbst; an der Rückwand der Thüre gewahrt Bathilde sogleich den, von Wieland am Baste aufgehängten, Ring Schwanhilde's. Sie erkennt ihn, löst ihn vom Baste und schließt die Thüre wieder fest, wie zuvor. –

Vierte Scene

(Neu angekommene Schiffe haben am Strande angelegt, Gram ist mit bewaffneten Männern an das Land gestiegen. – Bathilde, die den Ring angesteckt hat, geht ihm freudig entgegen.) »Wohl wies ich euch recht, Gram; gelingt die That, so hat mein Vater dir viel zu danken: fängst du den kunstreichsten Schmiedt, daß er ihm dienen muß, so gewannst du ihm mehr, als ein neues Königreich. Stellt nach ihm aus im Walde, dorthin sah ich ihn gehn. Daß er auch willig folge, vernichtet Alles, was ihm hier lieb und werth. Verbrennt ihm Haus und Hof, daß anderswo er Glück suchen müsse.« – Männer haben sich entfernt, um Wieland nachzustellen; in das Haus werden Feuerbrände geworfen. –

Gram erklärt in feuriger Erregtheit Bathilden, für sie und auf ihr Geheiß das Kühnste wie das Schrecklichste vollbringen zu wollen, dürfe er je hoffen, sie zu gewinnen.

Bathilde erräth die Macht des Ringes über ihn, der sonst so kalt und mürrisch, und freut sich der Bewährung dieser Macht. Sie befiehlt ihm, ihr unerschütterlich treu zu sein, und sie wolle ihm lohnen; mit ihr solle er einst ihres Vaters Lande beherrschen. Sie nimmt von ihm Abschied, und besteigt mit den Frauen ihr Schiff, in dem sie vom Ufer abfährt.

Man vernimmt vom Hause her Schwanhilde's Angstruf: »Wieland, Wieland!«-Getöse von der Waldseite her. Wieland wird von den Männern Gram's herbeigeschleppt; um ihn überwältigen zu können, hat man ihm eine Verhüllung über die Augen geworfen, die ihn noch jetzt des Gesichtes beraubt. Er ist an Händen und Füßen gebunden, und so wird er vor Gram hingelegt.

Gram. »Du bist Wieland, der Wunderschmiedt?« –

Wieland. »Wer seid ihr, daß ihr den Freien bindet?« –

Gram. »Bist du Wieland, der so viel Wunderwerke schuf, so sag', wo nahmst du das Gold dazu her, wenn nicht als Dieb aus jener Berge Grund, die eines Königs Eigenthum?« –

Wieland. »Das Gold? – Das will ich dir wohl sagen. Du weißt, daß einst Iduna den Göttern war geraubt, sie, die ihnen ewige Jugend gab, so lange sie unter ihnen weilte: da alterten die Götter, ihre Schönheit schwand, und von Freia's Seite wich Odur, den nun ihr Reiz nicht mehr band. Iduna ward den Göttern wieder gewonnen; mit ihr kehrte Jugend und Schönheit ihnen zurück, – nur Odur kehrte der Freia nicht wieder. Auf jenen Felsen sitzt nun die hehre trauernde Göttin und weint um den Gemahl oft heiße, goldene Thränen; diese Thränen nun gewinn' ich aus dem Flusse, da hinein sie fallen, und schmiede aus ihnen manch' wonnig Werk, zur Freude glücklicher Menschen!«

Gram. »Du schwatzest da lieblich, doch lügst du dich nicht frei; denn gewannst du selbst aus Freia's Thränen das Gold, so sind diese doch auch eines Königs Eigenthum, und ihm nur sollst du fortan nun schmieden!« – Er befiehlt, ihn nach dem Schiffe zu tragen.

Wieland wehrt sich heftig und verlangt zu wissen, was mit seinem Weibe geschehen.

Gram. »Wo war dein Weib?«

Wieland. »In meinem Hause ließ ich es schlafend.«

Gram lacht grimmig, und reißt ihm die Binde von den Augen. »Schau' auf, dort ist dein Haus!«

Wieland erblickt sein Haus in heller Flammengluth. Er schreit vor Entsetzen auf: »Schwanhilde, Schwanhilde! Antworte mir!« – Keine Antwort. – »Todt! Verbrannt! – Rache!« – Mit furchtbarer Kraftanstrengung sprengt er seine Bande. »Ein Stümper schmiedete die Ketten!« – Er entreißt einem Nahestehenden das Schwert und greift Gram an, dieser weicht. Wieland stößt in ein Horn. Vor seiner Wuth weicht Alles zurück. Seine Brüder, Gigel und Helferich, kommen mit Freunden ihm zu Hilfe. Mehrere von Gram's Leuten werden erlegt; Gram und die Uebrigen fliehen dem Strande zu, stürzen sich in die Schiffe und rudern hastig von dannen. Wieland donnert den Fliehenden Flüche nach, schilt sie Meuchler und Feiglinge. Dann kehrt er heftig nach vorn zurück; sein Haus ist eine zusammengestürzte Brandstätte, keine Spur von Schwanhilde ist zu erblicken. Er wähnt sie verbrannt, und will sich voll Verzweiflung in die Gluth stürzen. Seine Brüder halten ihn zurück. Da springt er auf, er will Rache nehmen, die Fliehenden verfolgen. Er eilt nach dem Strande, kein Boot ist da; ein abgeschlagener Baumstamm liegt am Ufer; ihn stößt er in das Wasser, und auf ihm will er dem Feinde nachsetzen. Seine Brüder stellen ihm das Unmögliche einer solchen Fahrt vor; die Fliehenden könne er auf keine Weise mehr erreichen und in welchem Lande er sie treffen solle, wisse er ja auch nicht, da Keiner die Räuber kenne, und wisse woher sie gekommen. Sie bieten ihm an, sogleich zu Rothar zu fahren, und ihm Wieland's Schwert zu bringen. Wieland will sie nicht hören. Er ruft seine Ahnin, das Meerweib Wachilde an; in ihre Sorge empfiehlt er sich: möge sie aus tiefstem Meeresgrunde die Wogen bewegen, daß sie ihn zu dem fernen Strande trieben, wo er Rache üben könnte. – Er springt auf den Baumstamm, und stößt ihn mit einer Stange so gewaltig ab, daß er jäh in das Meer hinaustreibt. Aus der Ferne ruft Wieland seinen Brüdern, die ihm Glück zu der verwegenen Fahrt wünschen, ein letztes Lebewohl zu. – –

Zweiter Akt.

(Im Niarenland, König Neiding's Hof, Der Vordergrund stellt die Halle dar; aus ihr führen Treppen rechts zu Neiding's, links zu Bathilde's Wohngemach. Nach hinten zu führen breite Stufen in den Hofraum hinab: dieser ist mit hohen Mauern und einem Thurme umschlossen. – Es ist kurz vor Anbruch des Morgens.)

Erste Scene.

(Bathilde entläßt Gram aus ihrem Wohngemach, die Stiege nach der Halle hinab.) – Gram ist von Neiding, der ihm wegen des Mißglückens des Anschlages auf Wieland zürnte, von Amt und Hof verwiesen. Er hat sich jetzt zu Bathilde gewagt, um sie wegen Aussöhnung mit ihrem Vater anzugehen. –

Bathilde verspricht, ihm zu Willen zu sein, und zweifelt nicht am Erfolg. Sie hege ein mächtiges Kleinod, das ihr den Vater ganz zu Willen stellen solle. Nur um Eines habe sie Sorge. Wieland sei hier.

Gram ist verwundert und erschrocken.

Bathilde. »Hörtest du nichts von der wunderbaren Ankunft eines Mannes, der auf einem Baumstamme hier an den Strand geschwommen kam? Der König nahm ihn gastlich auf, da er ihm zu dienen versprach. Durch schöne Werke, die er ihm schmiedete, hat der Fremde Neiding's höchste Gunst gewonnen; schon vergißt dieser seinen Kummer, daß er Wieland nicht gefangen. Goldbrand nennt sich der Schmiedt; doch Wieland ist's, ich hab' ihn erkannt.«

Gram. »Was sucht er hier unter fremdem Namen?«

Bathilde. »Auf Rache zog er aus, doch nur auf Ungefähr, da er seine Feinde nicht kennt.«

Gram. »Was hält ihn nun ab, weiter zu zieh'n?«

Bathilde. »Seine Rache vergaß er, da ihn nun Liebe bindet. – Seines Weibes vergaß er, das er todt wähnt, da er für ein anderes Weib entbrannt.«

Gram. »Wer wirkte solche Wunder in dem Wüthenden?«

Bathilde. »Meine Nähe.«

Gram. »So ist er mein Nebenbuhler?«

Bathilde. »Er ist's, drum sollst du helfen ihn zu vernichten. Vertraue mir! Noch heute sollst du zurückberufen werden, und höchster Ehren wieder genießen. Das gewinne ich von Neiding, um der Macht des Ringes willen.«

Gram. »Trübe ist mein Sinn, seit ich vor Wieland floh.«

Bathilde. »Das laß mich nun an ihm rächen.«

Gram. »Seit ich so schnell in Liebe zu dir entbrannte, verfolgt mich Mißgeschick.«

Bathilde. »Doch um dieser Liebe willen, sollst du von mir erhoben sein! Sei treu, und spähe auf Wieland, wie du dich rächest und ihn verderbest: mit mir sollst dann einst du hier herrschen!«

Gram. »So stark und muthig, wie ich war, verdankt' ich einem Weib nun Ruhm und Ehre?« –

Bathilde. »Erkenne, wie stark und muthig ein Weib sein kann! – Es tagt! So fliehe jetzt! Nimm diesen Schlüssel für das Thor; verbirg dich in der Nähe: siehst du ein weißes Tuch aus meinem Fenster wehen, so komme kühn und offen her zur Halle; das sei die Botschaft deines Glückes.« Er verlangt sie zu umarmen; sie wehrt ihm: »Nach Wieland's Falle bin ich dein!« – (Sie trennen sich, Bathilde geht in ihr Gemach zurück; Gram verschwindet seitwärts im Hofraum. – Tagesanbruch.)

Zweite Scene

(Am großen Hofthore wird stark angeklopft, zwei Hofmannen Neiding's springen von der Treppe, die nach des Königs Gemache führt und auf der sie bis jetzt zum Schlafen ausgestreckt lagen, auf, und rufen:) »Wer da?« Antwort: »Boten aus Wikingenland.«

Ein Mann. »An wen seid ihr entboten?«

Antwort. »An den Niarendrost sendet uns König Rothar.«

(Die beiden Mannen stoßen in ihre Hörner; der eine von ihnen geht nach Neiding's Gemach, um den König zu wecken, der andere geht hinab, um das große Hofthor zu entriegeln.)

(Gigel und Helferich sprengen zu Roß herein; sie steigen ab, und werden von den Mannen zur Halle geleitet. Auf den Hornruf sind von verschiedenen Seiten aus dem Hofe Mannen zusammengetreten. Man reicht den Boten den Morgentrunk.)

Neiding (kommt aus seinem Gemache die Treppe herab). Er begrüßt die Boten und stellt sich erfreut, von König Rothar Kunde zu vernehmen. Er befiehlt, das Frühmahl zu richten, und nimmt auf dem Hochsitze Platz. Das Mahl wird bestellt, die Boten und die Hofmannen nehmen Sitze am Tische vor dem Hochsitze ein.

Neiding fragt, die Botschaft müsse wohl große Eile haben, da die Boten selbst zur Nachtzeit geritten, wo Jeder gern doch ruhe?

Gigel. »Schon lange haben wir keine Ruhe; die ist uns genommen, seit wir eine schlimme That zu vergelten haben.«

Helferich. »Heilmittel suchen wir nun Tag und Nacht, für großen Harm, den ein schmerzlicher Verlust uns schuf.«

Neiding. »Was werbt ihr nun Botschaft für König Rothar?«

(Während des Gespräches wird von den Sprechenden wiederholt angestoßen und getrunken.)

Gigel. »Ein gutes Schwert brachten wir ihm, das unser Bruder geschmiedet.« –

Helferich. »Mit dem Schwerte will Rothar nun streiten, und manches Unrecht rächen.« –

Neiding. »Ein hehrer Gewinn ist ein gutes Schwert, doch hehrer noch ein Schmiedt, der solche Schwerter schmiedet! – Hat Rothar euern Bruder?«

Gigel. »Nein, der entschwand uns.«

Helferich. »Wir suchen ihn.«

Neiding (für sich). »Sandt' ich nicht einen Dummen aus, jetzt schmiedete Wieland mir Waffen!« (laut:) »Wo ist nun Wieland geblieben?« –

Gigel. »Von Schächern ward er überfallen, getödtet ward ihm sein Weib.« –

Helferich. »Nun ist er aus Rache in weite Ferne gezogen.« –

Neiding. »So möge er ziehen, seine Zeit ist aus! Denn wißt, ein anderer Schmiedt fand sich, der Wieland's Kunst noch übertrifft, und gern und willig dient mir der.« –

Helferich. »Wie hieße der Held?«

Neiding. »Goldbrand. Das kündet König Rothar: Goldbrand ist der kunstreichste Schmiedt, und mir schmiedet er Waffen.«

Gigel. »Doch gab es einen Drost der Niaren, der stellte Wieland nach?« –

Neiding. »Seid ihr seine Brüder, ihr müßtet es genau wissen.« –

Helferich. »Wir Einsamen kannten die Schächer nicht; erst Rothar gab uns sichere Spur. O, hätte sie Wieland gewußt!«

Neiding. »Und nach Niarenland führt euch Einsame die Spur?«

Gigel und Helferich (springen schnell auf und stellen sich entschlossen vor Neiding hin.) »An Neiding, den Niarendrost, sandte uns König Rothar. Jetzt, Neiding, höre seine Botschaft!«

Neiding. »Zwei üble Gesellen sandte er mir; nichts Wonniges mögen sie künden. Nun redet, ihr kühnen Helden!«

Gigel. »Zum Ersten frägt Rothar, der Wikingensproß: wer gab dir, Drost der Niaren, die Macht, im Nordlande König zu sein?«

Neiding »Der frechen Frage erwidre ich: mich wählten Freie zum Fürsten.«

Helferich. »Wir wissen, wie du dich wählen läss'st; auch Wieland wolltest du zwingen, zum Herrn dich zu erkiesen.«

Gigel. »Durch List und Trug hetztest die Freien du wider einander, daß sie selbst dir zu dienen sich zwangen. Zu spät reut sie ihre Thorheit. Boten sandten sie nun an Rothar, der soll als Helfer ihnen kommen, um ihre Knechtschaft zu brechen.« –

Neiding (mit unterdrücktem heftigen Zorne). »Drei wilde Weiber flogen mir in's Land, die berückten durch Zauber manchen Mann, daß er mir Treue brach; sie erhuben Streit und flogen davon; mancher Verräther, den sie nun im Stiche ließen, kam jetzt wohl zu Rothar, vor meinem Zorn sich zu bergen.«

Gigel. »Zum Zweiten kündet dir Rothar: weil du den König Jsang erschlagen und seiner Sprossen Erbe an dich reißest, so will er nun vollenden die Rache, die Jsang's Enkelinnen trieb, als Schildmädchen nach Nordland zu fliegen.«

Helferich. »Blutsühne fordert er für den Erschlagenen. Willig sollst du dich Rothar unterwerfen, deine Tochter zum Weibe ihm geben, wo nicht, so schwört er, in Monatsfrist in das Niarenland zu fahren, den Raben dein Herz und den Eulen deinen Hof zu geben.«

Neiding (seinen Schreck und Grimm beherrschend). »Ihr selbst Eule und Rabe, die ihr so unliebliche Werbung in's Land mir bringt! Pflegt Rothar so zu freien, alle Bräute der Welt muß er gewinnen. Nun ruht euch aus, ihr theuern Boten, noch habe ich manchen guten Raum zur Ruhe für euch, wo euch die Eulen nicht beschweren. Ruht wohl, indeß ich auf Antwort sinne.« (Eigel und Helferich werden nach Neiding's Gemache hinaufgeleitet. Neiding erhebt sich unruhig von seinem Sitze, und schreitet bewegt einher.) Er ergießt sich in Haß gegen Rothar und dessen ungestüme, heldenhafte Jugend. Solch' rasches Blut sei im Stande, mit einem kühnen Streiche Alles zu zerstören, was ein bedachtsamer Mann durch List, Trug und Gewalt mühselig in langer Zeit aufgebaut! – »Wer hilft mir nun, dem Frechen, der den Vater vom Hofe jagen, und dafür seine Tochter zum Weibe nehmen will, zu begegnen? – Hei, ihr hier, meine Helden! Euch gab ich reiches Gut und Macht! Nicht Söhne Hab' ich: ihr sollt mich beerben – und neben Bathilden, seinem Weibe, herrsche nach meinem Tode im Nordland der, der jetzt mir Sieg über Rothar verschafft, daß wir ihm die hochmüthige Werbung vergelten!« –

Wieland (tritt unter den Mannen hervor). »Zum Siegen braucht man gute Schwerter: nun prüfe, König, dieß Geschmeide!« (Er reicht Neiding, ein nacktes Schwert, dieser erfaßt es, versucht seine Schärfe und schwingt es freudig.)

Neiding überschüttet den Schmiedt mit Lob. Solches Schwert sei noch nie geschmiedet worden! Wie es Lust zum Kampfe und Bewußtsein des Sieges dem erwecke, der es schwinge! Er fühle sich verjüngt und jugendliche Heldenkraft in seinen Adern glüh'n! »O Goldbrand, theuerster Mann! Der Gott, der dich in mein Land geführt, der wollte mich mächtig und selig wissen! – Komm', Rothar! Ich fürchte dich nicht!«

Wieland. »Wie ich dieß Schwert geschmiedet, das dich so siegeslustig macht, so schmiede ich ihrer für dein ganzes Heer in Monatsfrist, das will ich dir geloben!«

Neiding. »Was wäre mir Sicherheit des Sieges! Wie wollt' ich dir lohnen! Des Goldes gäb' ich dir mehr, als je zur Lust du dir verschmieden könntest.«

Wieland. »Siegst du, König, so sei deine Tochter mein Weib!« –

Neiding. »Den Lohn setzt' ich, und will ihn gewähren, dem Schwedenrecken zum Trotz!« –

Dritte Scene.

Balthilde (kommt eilig aus ihrem Gemache herab; bei ihrem Anblick fühlt sich Wieland zauberhaft gefesselt. Alle weichen ehrerbietig zurück). Vorige.

Balthilde nimmt ihren Vater bei Seite und dringt in ihn, sie einsam zu sprechen, sie habe ihm Wichtiges zu verkünden.

Neiding. »Ihr theuren Mannen, harret mein, daß ich mit meinem Kinde auf Antwort sinne für Rothar!« –

(Alle übrigen ziehen sich aus der Halle in den hinteren, tieferen Raum zurück.) (Wieland, die Blicke sehnsüchtig auf Mathilde gerichtet, die mit scheuer Aufmerksamkeit wiederum nach seinen Blicken forscht, weicht am langsamsten: – man steht ihn endlich schwermüthig den Hofraum ganz verlassen. Neiding und Bathilde allein im Vordergrunde.)

Bathilde. »Gedenkst du des Tages, da du mich schaltest, daß ich als Maid dir von der Mutter ward geboren? –. »›Was gaben günstige Götter mir Macht, da sie den Sohn mir versagten?!‹« – So riefest du. – Die Mutter tödtete der Gram.«

Neiding. »Zu was das jetzt? Ein Sohn erblühet mir nimmermehr!«

Bathilde. »Weil ich daran dich mahnen muß, wie du ferner mich schaltest, wenn ich Runen schnitt, und heimliche Künste erlernte: »»Was soll dir das Wissen? Nie wirst du einen Sohn mir errathen!«« So riefst du: mich schmerzte dein herber Spott!«

Neiding. »Was kommst du, zur Qual mir mein Sorgen zu mehren?«

Bathilde. »Preise nun deine Tochter, und preise ihr Wissen! Nenn ich nur allein vermag dich jetzt zu erretten und zähle auf deinen Dank. – Den Sieg über Rothar dir zu sichern, hab' ich durch kräftiges Wissen mich bemüht: – sieh' diesen Reif an meinem Finger! Er birgt einen Stein, der, trägst du ihn, in jedem Streite dir Sieg gewährt: ihn hab' ich dir erworben.«

Neiding. »Von einem Siegerstein hörte ich oft; wie erwarbst du ihn, daß du seiner Tugend so sicher bist?«

Bathilde. »Der Schwanenmädchen Eine trug ihn an sich, die den letzten Streit dir im Nordland erregten.«

Neiding. »Unheil den Kühnen, die mich fast verdarben!«

Bathilde. »Wieland vermählte sich die, die dein Speer verwundete; sie ließ ihm den Ring. Entging deinem Marschall der Schmiedt, so gewann ich doch den Ring.«

Neiding. »Du weise Tochter, welch' Glück hast du mir erworben!«

Bathilde. »Den Ring stell' ich dir zu, doch kann ich's nicht eher, als bis du – Wieland unschädlich gemacht.«

Neiding. »Was kümmert uns Wieland? Und wie sollt' ich ihn erreichen?« –

Bathilde. »Wo wärest du nun, riethe deine Tochter nicht für dich? Wieland ist's, dem du mich soeben zum Weibe versprochen!«

Neiding. »Ha! Der Mann, der wundergleich auf einem Baumstamme mir an das Land geschwommen kam? Wär's möglich!«

Bathilde. »Kein And'rer ist's, als Wieland; ich sah ihn in seiner Heimath!«

Neiding (freudig), »So hätt' ich Wieland selbst? – Sei ruhig, Kind; nicht weiß er, wer ich bin, noch daß ich ihm nachgestellt; er dient mir gern und ist dess' froh: so mag es denn auch bleiben!«

Bathilde. »Dir dient er nicht, um mich ist's ihm zu thun. Auf Rache zog er aus, er, der so furchtbar in seinem Zorne! Doch geheimnißvoll zog ihn die Liebe an diesen Strand; denn mich muß er lieben, so lange ich diesen Ring am Finger trage, der dem Weibe Liebeszauber, dem Manne Siegerkraft verleiht. Ziehst du nun zum Streite, und gebe ich dir den Ring, so schwindet der Liebeszauber über Wieland; er erwacht aus der Blindheit, und furchtbar wird seine Rache sein: – die Schwerter, die er schmiedet, sie wendet er gegen uns!«

Neiding. »Und wahrlich diente er mir dann nicht mehr, der wundervolle Schmiedt! – Jetzt sehe ich wohl, Wieland muß ich binden, und wohl mich gegen ihn verwahren, daß ich ihn in meiner Gewalt habe, wenn er erwacht! – O, seliges Kind! Welche Gaben dank' ich dir! Du giebst mir Sieg und den kostbarsten Mann der Welt zu eigen! Nun sag' den Lohn, den du wählst!«

Bathilde. »Was du im Zorn verhängt, das sollst du nun widerrufen. Gram kehre aus dem Banne zurück!«

Neiding. »Er hat mir schlecht gedient, daß er dem Schmiedte floh!«

Bathilde. »Erkenne die schreckliche Kraft von Wieland's Zorn, da der muthigste deiner Helden vor ihm wich! Lass' diesen dein Heer führen, und wie durch meine Sorge dir der Ring gewonnen, so gieb mir Gram zum Gemahl!«

Neiding. »Muß ich dir gehorchen, so thu' ich's doch ungern; einen mächtigen König hätt' ich zum Eidam mir gewünscht!«

Bathilde. »Lass' mich die Mächtige sein: ich brauche nur ein Weib zum Manne.«

Neiding. »Du kühnes, übermuthiges Kind! Willst du dich zum Manne schaffen?«

Bathilde. »Was nützten dir deine Mannen, wär' ich jetzt nicht? Bedenke wohl, König, wen dir dein Weib geboren!« – (Sie geht in ihr Gemach zurück)

Neiding ist ärgerlich über die Wahl seiner Tochter. Er beargwohnt Gram und seine Treue, und beschließt, ihn auf eine geschickte Weise aus dem Wege zu räumen, ohne Bathilde's Verdacht zu erwecken. Er will Wieland vor dessen eigenem Falle gegen Gram hetzen. – Er ruft in vergnügter Stimmung seine Mannen aus dem Hofraume herauf, und verkündet ihnen die Gewißheit des Sieges, die er gewonnen: er ist entschlossen, die Boten Rothar's mit trotziger Antwort nach Hause zu schicken. – Seine Mannen verheißen ihm Ruhm und erhöhte Macht, er müsse noch über alles Nordland herrschen, wenn er den Stamm der übermüthigen Wikingen vollends vernichtet habe. Neiding verheißt ihnen neuen Besitz und neue Reichthümer.

Vierte Scene

Gram (tritt auf). Der König habe ihn rufen lassen.

Neiding. »Wie schnell ward dir die Botschaft kund'! (für sich:) Geheime Pfade sind ihm bekannt; vor ihm hüt' ich mich wohl!« (laut:) »Nun, Gram, den Bann lös' ich von dir. Doch höre: mich fordert Rothar heraus, auf Boten beruft er sich, die ihm gemeldet, übel seien mir die Niaren selbst gestimmt. Nun wüßte ich Niemand, dem ich mißtrauen sollt', da du mir redlich dienst. Hatte ich je auf dich Verdacht, so will ich Rothar lehren, wie sehr er sich täuscht, da ich gerade dir mit gutem Glauben mein Heer zur Führung gebe. Du sollst mir Heerfürst sein! Gewinnst du Sieg, so gebe ich dir den verheißenen Preis, und mit Bathilde sollst du neben mir den Hochsitz theilen.«

Gram. »Dess' sollst du dich nie gereuen: dir diene ich treu und dir gewinne ich den Sieg!«

Neiding. »Nun ruft mir Goldbrand her! – Du, Gram, magst zur Seite stehen, und achte wohl, ob du den Schmiedt mir kennst!« (Wieland kommt.) »Mein wundervoller Schmiedt, jetzt gilt's! Mit übler Antwort sende ich Rothar's Boten heim. In Mondenfrist muß ich nun das starke Wikingenheer erwarten: die verheeren mir wohl das Land und machen den Hof mir wüste, wenn wir in guter Feldschlacht sie nicht schlagen! Wann schmiedest du mir nun die verheißenen Schwerter?«

Wieland (froh und hastig.) »Gieb mir das zurück, was ich heute dir gab, und das dich so erfreute; nach seinem Muster schmiede ich dir in Mondenfrist Schwerter zu Hauf'!«

Neiding (reicht ihm das Schwert). »Deine Kunst ist groß und selig der König, dem ein solcher Schmiedt sein Lebelang dient!«

Wieland. »Selig der Schmiedt, der um deiner Tochter willen sein Lebelang dir dienen darf!«

Neiding. »Bathilde versprach ich dem zur Ehe, der mir Sieg verschafft, nicht dem nur, der mir Schwerter schmiedet. Ein And'rer ist nun da, der mir Sieg verspricht wie du; mit ihm mußt du jetzt Wettstreit halten, daß du den Preis nicht verlierst. Drum hüte dich wohl, Wieland, kluger Schmiedt!«

Wieland (fährt heftig auf). »Wer nennt mich Wieland?«

Neiding. »Hier ist Einer, der dich von Nahe kennt. Ich will's ihm danken, daß du mir Schwerter schmiedest, wenngleich er einst ungeschickt dir wich, den er doch fangen sollte: doch büßt er's wohl durch Sieg über Rothar, will er Bathilden gewinnen. Schau' dich um, Wieland!«

Wieland erblickt Gram, der ihm mit finsterem Zorne das Gesicht bietet. Entsetzen und Wut bemächtigen sich seiner; – Erinnerung erwacht in ihm, aber noch unklar. Grimmig schaut er sich um, wie um sich zu überzeugen, wo er sei. Plötzlich gewahrt er Eigel und Helferich, die soeben aus dem Gemache links auf die Treppe herausschreiten. »Meine Brüder! – Dort mein Feind!« Fast will er sich auch des Schwanenweibes entsinnen, da erblickt er, rechts sich wendend, Bathilde, welche erschrocken aus ihrem Gemache heraustritt. Er glaubt wahnsinnig zu werden. – Alles schwirrt ihm durcheinander, und drängt sich endlich nur zu einem Ausbruche eifersüchtigen und wüthenden Hasses gegen Gram zusammen. »Erfahrt, wie Wieland's Schwerter schneiden!« (Er schlägt Gram durch dessen Eisenrüstung hindurch mit einem Streiche todt darnieder.)

Bathilde war dazwischen getreten und hatte die Hand vor Gram ausgestreckt; Wieland hat in blinder Wuth ihre Hand mit dem Schwerte gestreift. Sie schreit laut auf.

Wieland entstürzt das Schwert; er faßt nach Bathilde's verwundeter Hand; diese zieht sie hastig zurück – um den Ring zu verbergen, der durch den Hieb beschädigt worden ist. Wieland sinkt betäubt vor ihr auf die Kniee.

Neiding, in geheucheltem Zorne über Wieland's Frevelthat, befiehlt, ihn zu binden.

Eigel und Helferich springen entsetzt hinzu; sie vertheidigen Wieland vor den Andringenden.

Neiding ruft ihnen zu, als Königsboten den Frieden nicht zu brechen: »den Frieden geb' ich euch, daß ihr Rothar meldet, er möge kommen, wie er wolle und müsse. Wieland selbst schmiede mir die Schwerter, die durch das Eisen der Wikingen schneiden sollen, wie dieß Musterschwert vor euren Augen durch meines Marschalls Rüstung schnitt!«

Bathilde, außer sich vor Zorn und Wuth, verlangt Wieland's sofortigen Tod.

Neiding. »Nicht doch! Was würde mir der todte Wieland nützen? Der lebendige Schmiedt gilt mir mehr als ein Reich! Waffenschmuck und Geschirre soll er mir schmieden; traurig ist ein Herrscher, dem solch' ein Künstler fehlt: er giebt zur Macht erst den Genuß. Kein künstlerisches Glied soll ihm geschädigt werden; – doch, daß ich seiner sicher sei und Flucht ihm nie gelinge, durchschneidet ihm die Sehnen an den Füßen! Hinkt er ein wenig, was thut's? Zum Schmieden braucht er nur Arm' und Hände! Die werden ihm wohl verwahrt!«

Wieland, bereits übermannt und gebunden, soll von den Mannen abgeführt werden.

Eigel und Helferich werfen sich abermals dazwischen: sie beschwören Neiding, solch' argen Frevel nicht zu begehen, und drohen mit Rothar's Rache.

Neiding befiehlt im Übermuth sie zu züchtigen.

(Alles dringt auf sie ein.) Die Brüder rufen Wieland ihr Rachegelübde zu, und schlagen sich zum Hofe durch, wo sie sich schnell auf die Rosse schwingen und davonjagen.

Wieland ruft ihnen verzweiflungsvoll nach: nicht Männer bänden ihn, ein Weib hielt' ihn in Banden! – Wieland, den schmerzlichen Blick auf Bathilde geheftet, wird fortgeschleppt.

Dritter Akt

(Wieland's Schmiede mit einer breiten Esse in der Mitte, welche fast das ganze Deckengewölbe einnimmt.)

Erste Scene

Wieland auf Krücken gestützt, sitzt am Heerde und schmiedet. Der Hammer entfällt ihm. Das Herz will ihm vor Zorn und Weh ersticken. – Er, der freie, künstlerische Schmiedt, der aus Lust und Freude an seiner Kunst, die wundervollsten Geschmeide schuf, um mit ihnen Die zu erfreuen und zu waffnen, die er liebte, denen er Ruhm und Sieg gönnte, – hier muß er, geschändet und beschimpft, an seinen eigenen Ketten schmieden, Schwerter und Schmuck für den, der ihn in Schmach und Elend warf. – Und doch, wenn in ihm der tiefste Unmuth und der Drang nach Rache sich erregen, hält ihn ein unbesiegliches Gefühl zurück: die untilgbare Liebe zu der Königstochter, die ihn doch hasse, – das rastlose Sehnen nach dem Weibe, das er – doch nicht liebe! Dieß Gefühl quält ihn am meisten. Immer muß er an sie denken, – und denkt er an sie, so schwindet ihm alle Erinnerung: seine Jugend, seine einstige Freiheit, seine wonnig-heitere Kunst, und was je ihn entzückt, – alles verwirrt sich vor seinem Sinne und fliehet seine Gedanken. Ja, dieß unzerstörbare wilde Liebessehnen treibt ihn endlich zum Arbeiten, läßt seine Knechtesmühe ihn liebgewinnen, durch die es ihm scheint, als könne er, trotz seiner Schmach, einst selbst noch diese Königstochter gewinnen! Ja, das kunstreichste, unerhörteste Werk möchte er erfinden, um es von den Füßen dieser Fürstin zertreten zu lassen, wenn sie über die Trümmer seines Werkes ihm dann zulächle! – Dann greift er denn mit alter Lust wieder zu den Werkzeugen, und ein rüstiges feuriges Lied enttönt seinem Munde zum Sausen der Schmiedebälge, zum Sprühen der Funken, zum Takte des Hammers. – Da drängen sich wieder wilde, grelle Ausrufe in sein Lied: ein ungeheurer Ekel faßt ihn plötzlich vor seiner Sklavenarbeit. Wüthend wirft er das Werkzeug fort, – Seufzer und Jammer überwältigt ihn! – Er wollte – er wäre todt! –

Zweite Scene.

Es klopft an die Thüre. Er will nicht öffnen: »Ein neuer Plager!« – Eine Frauenstimme begehrt Einlaß. (Wieland erkennt Bathilde; erstaunt und entzückt, macht er sich auf seinen Krücken hastig zur Thüre auf und entriegelt sie.)

Bathilde ist verstört:– sie hat den einsamen Gang gewagt, um sich aus größter Noth zu helfen. Sie zählt auf Wieland's Liebe zu ihr, daß er ihr nicht nur kein Leid zufügen, sondern auch den nöthigen Dienst ihr erweisen werde. Sie weiß aber auch, seine Liebe zu ihr müsse wahr und wirklich sein, wenn sie ohne höchste Gefahr ihren Zweck erreichen soll. Sie verfährt deßhalb mit größter Vorsicht, um sich zu versichern.

Wieland entschuldigt seine entstellte Gestalt; mit Bitterkeit und Schmerz wirft er ihr ihren Antheil an seinen Leiden vor. Sie müsse wohl Gram sehr geliebt haben, da sie seinen Tod an ihm gerächt!

Bathilde räth ihm mit verstelltem Wohlwollen an, sich ihre Gunst wieder zu erwerben, durch eine Arbeit, von der sie wisse, daß nur seine Kunst sie verrichten könne. Zuvor aber müsse sie wissen, ob er sie auch wirklich liebe, und in nichts ihr zuwider sein wolle. –

Wieland. Sie wisse wohl, mit welch' schmerzlichem Sehnen er an ihr hange. Nur er vermöge nicht zu begreifen, was ihr an seiner Liebe gelegen sein könne? –

Bathilde. »Gedenke, wie beim Morde Gram's du mit dem fürchterlichen Schwerte auch meine Hand gestreift: ein Ring, den ich am Finger trage, schützte mich vor der Schneide. Noch diesen Ring verletzte der Streich, daß der Stein, den er schließt, nun seine Fassung verloren.«

Wieland. »Geringer Schade! Zur Sühne schmied' ich dir gern einen Reif, der jenen hundertfach übertrifft.«

Bathilde. »Gerade an diesem Ringe ist mir's aber gelegen, und so viel, daß ich höchste Gunst und Liebe dir gewähre, fassest du von Neuem den Stein.« –

Wieland. »Was spottest du meiner? Um so leichten Dienstes willen? Wahrlich, du kamst mich zu verhöhnen.« –

Bathilde. »Nein, Wieland! Zweifle nicht! Was ich versprach, das halte ich sicherlich: denn glaube, ich erkenne auch deinen Werth!«

Auf Wieland's Erstaunen und mißtrauisches Zweifeln, sieht Bathilde sich gedrängt, ihm den hohen Werth begreiflich zu machen, den sie auf jenen Stein lege. »Der Stein ist ein Siegerstein: soll ihn der Vater in so schlechter Fassung im Kampfe gegen Rothar führen, so muß ich fürchten, den Stein werde er verlieren und mit ihm den Sieg.«

Wieland erkennt nun den hohen Werth an, glaubt somit an die Größe des Dienstes, den er zu leisten vermöge, und – hofft. – Er begehrt den Ring zu sehen.

Bathilde hält ihn noch ängstlich zurück. »Wieland, ich verspreche mich dir, – drum sage mir, ob du mich wirklich liebst?«

Wieland betheuert mit schmerzlichem Ungestüm.

Bathilde. »Du hegst arge Entwürfe: beschwöre mir deine Treue und daß du aller Rache entsagst!«

Wieland. »Nichts habe ich zu rächen, als meine Lähmung: schändet sie mich nicht in deinen Augen, so bin ich wieder schön, und alle Rache schwöre ich ab!« –

Bathilde in höchster Angst, umschlingt ihn verführerisch und frägt: »Wieland, schwurst du einen freien Schwur?«

Wieland (entreißt ihr erhitzt den Ring) »Bei diesem Ringe schwör' ich's!«

Bathilde heftet in furchtbarer Angst ihren Blick auf Wieland. Dieser betrachtet den Ring genau. Gräßliche Erregtheit bemächtigt sich seiner. Entzückt und entsetzt ruft er aus: »Schwanhilde, mein Weib!« (Bathilde schreit laut auf und bleibt erstarrt stehen.)

Wieland. »Schächer verbrannten mein Haus – mein Weib! Diebe stahlen den Ring, der mich – trog! – Um ihn vergaß ich der Rache! – Ha! Wohl führte Wachhilde, die Ahne, mich recht! Hierher trieb mich ihr Geleite. – Und ich, der um Rache kam, stürze mich in des Feindes Schlingen! – Und dieß Alles durch des unseligen Ringes Kraft! Bathilde, schändliches Weib, wie gewannst du den Ring?«

Bathilde (kaum ihrer mächtig). »Vom Bast an der Thüre stahl ich ihn!« –

Wieland (schwingt sich wüthend an die Thüre, verschließt sie fest und faßt Bathilde) »Verflucht seist du, diebisches Höllenweib! – Ha, wie schlau du wähntest durch Liebe mich zu fangen, die du doch Liebe nie empfandest! Wie theuer wohl liebtest du Gram, den du so an mir gerächt! So viel, wie ich auch, galt er dir! – Um Steine und Ringe lähmest du freie Männer und mordest ihre Frauen! Nicht mich, mein Weib doch räche ich jetzt an dir! Stirb!« (Er holt mit dem Hammer nach ihr aus.)

Bathilde (schreit im äußersten Entsetzen). »Dein Weib lebt!« (Wieland steht betroffen.) »Dich täuschten deine Sinne, da du sie todt wähntest!« –

Wieland. »Was lügst du?«

Bathilde. »Tödte mich! Aber glaube mir: sie lebt!«

Wieland. »Sie lebt? – Wo?«

Bathilde. »Auf meiner Heimfahrt blickte ich in jener Nacht über den Uferwald und gewahrte die Schwanenschwestern, wie sie in die Tiefe des Waldes sich senkten: zu Zwei waren sie und zu Drei erhuben sie sich wieder, um über Wald und Meer nach Westen zu fliegen.«

Wieland. »Nach ihrer Heimath! Sie fand das Gewand! Sie rettete sich – und mir jammervollem, lahmen Mann entschwand sie nun ewig! – Ach, was ward mir das bekannt! Nun geschah mir grausamer als je zuvor! Wäre ich blind geblieben, als Knecht hätte ich geschmiedet und endlich wohl die Kette geküßt, die mich band. Nun weiß ich, wer ich war, welch' seliger freier Mann! Nun weiß ich, daß das holdeste Weib mir lebt, und daß ich Elender nie sie erreichen, nie sie sehen werde! – Vergehe denn, du lahmer, hinkender Krüppel! Du Spott und Scheusal! Verlacht von Männern, verhöhnt von Weibern und Kindern! Vergehe! Dir blüht nur Spott, nie Rache, – nie Liebe!« (Er stürzt in furchtbarem Schmerze zusammen.)

Bathilde steht wie versteinert da; das menschliche Elend erkennt sie in furchtbarster Wahrheit vor sich. Tiefer Jammer bemächtigt sich ihrer Seele. Wieland liegt lautlos am Boden. – Sie blickt um sich – sie könnte fliehen – sie mag es nicht. Sie hält erschrocken Wieland für todt: sie neigt sich zu ihm hinab, und lauscht seinem Athem. Aus gepreßtem Herzen ruft sie ihn mit tiefem Mitleiden an: – er hört sie nicht. – Sie weint heftig. – Langsam erhebt Wieland ein wenig sein Haupt, und starrt vor sich hin; mit kaum hörbarer Stimme beginnt er dann:

Wieland. »Schwanhilde, du lichte, hehre! Schwingst du dich wonnig durch die Lüfte? Schwebst du selig über blauem Meere? Siehst du mich hier am Boden kriechen, den Wurm, den seine tückischen Feinde zertraten? Ihm wehret die Scham dir zuzurufen, daß er dich liebe! Der rüstige Schwimmer in Meereswogen, der mochte dich wohl gewinnen: wie theilte der Lahme jetzt die Fluthen? Wie steuerte er stark durch das Meer, ließest du aus Lüften dich nieder auf die Woge? An mich gekettet, schleppe ich meine Schmach an den Füßen nach: die Sehnen des Steuers sind mir zerschnitten!« – (Mit immer gesteigertem Ausdruck.) »Schwanhilde! Schwanhilde! O könnte ich mich von der Erde erheben, die mein Fuß nur mit Schmerzen in schmählicher Schwäche berührt! – Wie einst ich durch die Fluthen schwamm, ach! könnt' ich durch die Lüfte fliegen! Stark sind meine Arme, um Schwingen zu rühren und furchtbar ist meine Noth! Deine Flügel! deine Flügel! Hätt' ich deine Flügel, rüstig durch die Lüfte flöge ein Held, der seinem Elend sich rächend entschwungen!« –

In heftigster Erregung starrt er schweigend aufwärts. – Bathilde ruft ihn sanft an; er bedeutet sie durch eine heftig abwehrende Gebärde zum Schweigen. Sie blickt ihm ängstlich in das Antlitz: – sie sieht seine Lippen heftig zittern, seine Augen in immer lebhafterem Glanze leuchten. An den Krücken erhebt er sich in wachsender Begeisterung, bis zur vollsten Höhe seiner Gestalt.

Bathilde (entzückt und entsetzt). »Der Götter Einer steht vor mir!«

Wieland (mit bebender Brust). »Ein Mensch! Ein Mensch in höchster Noth!« (Dann in furchtbares Entzücken ausbrechend.) »Die Noth! Die Noth schwang ihre Flügel, sie wehte Begeisterung in mein Hirn! Ich fand's, was noch kein Mensch erdacht! – Schwanhilde! Wonniges Weib, ich bin dir nah'! Zu dir schwing' ich mich auf!« –

Bathilde. »Kann ich dir helfen? Sag', wie ich dich rette!«

Wieland. »Was willst du, Weib? Was weidest du dich an mir? Flieh' fern!«

Bathilde (außer sich). »O Wieland! Wieland! Sieh' meinen Jammer! Sieh' das Weh, das mich zerschneidet! Verzeih', verzeihe der Unseligen, göttlicher Mann! In Schmerzen, die sie verzehren, muß sie dich Herrlichen lieben!« –

Wieland. »Ist's der Ring in meiner Hand, der dich entzückt?« (Er wirft ihn auf den Heerd.) »Der soll mir and're Dienste thun, als falsche Liebe in dir nähren!«

Bathilde. »Nein, nicht der Zauber dieses Ringes, der Zauber deiner Leiden läßt mich dich lieben! – Doch nicht als Gatten, – als Menschen muß ich dich lieben! – Wieland, Wieland! Hehrer, jammervoller Mann! Wie sühn' ich meine Schuld?« –

Wieland. »Liebe! Und von aller Schuld bist du frei.«

Bathilde (demüthig). »Wen soll ich lieben?«

Wieland. »Aus ist's mit deines Vaters Macht; ein siegreicher Befreier schreitet Rothar in dieß Land: der dich zum Weibe begehrt, verschmähe ihn nicht! Er ist von meinem Stamme! Sei stolz und glücklich ihm zur Seite, und gebär' ihm frohe Helden!«

Bathilde (schmerzlich und ergeben). »Sag' ich ihm, daß Wieland mir versöhnt?«

Wieland. »Sag's ihm, und meld' ihm meine Thaten!«

Bathilde stürzt vor ihm auf die Kniee; er erhebt sie und heißt sie enteilen, denn jetzt müsse er an sein Werk gehen. – Er entläßt sie durch die Thüre: sie wirft einen letzten, schmerzlich wehmüthigen Blick auf Wieland und verläßt dann mit gesenktem Haupte die Schmiede.

Dritte Scene.

Wieland setzt sich an den Heerd, hebt die Bälge, schürt die Gluth, und läßt sich in eifriger Regsamkeit zur Arbeit an. Sein höchstes Meisterwerk will er schaffen. Die Schwertklingen, die er so fein und schneidig für Neiding geschmiedet, sie will er zu schwungvoll leichten Flügelfedern umschmieden; durch Schienen sollen sie für die Arme verbunden werden; im Nacken, wo sich die Schienen in einander zu fügen haben, soll der Wunderstein aus Schwanhilde's Ring den bindenden Schluß geben, als zauberkräftige Axe, an der das Flügelpaar sich bewege. – Plötzlich hält er ein: er hört aus der Luft durch die Esse den Ruf seines Namens herabdringen; er blickt auf – der Rauch verwehrt ihm zu sehen. – Er lauscht:

Schwanhilde's Stimme läßt sich von oben herab vernehmen: »Wieland! Wieland! Gedenkst du mein?«

Wieland (entzückt) »Schwanhilde! Mein seliges Weib! Bist du mir nah'? Suchst du mich auf, dem du so weit entflohn?«

Schwanhilde's Stimme: »Stürme wehten mich fort von dir: – aus seliger Heimath zu dir sehnt' ich mich nun!«

Wieland. »Schwangst du aus wonniger Heimath dich her? In Noth und Jammer suchst du mich auf?«

Schwanhilde. »In Lüften schweb' ich nah über dir, dich zu trösten in Jammer und Noth!«

Wieland. »In Noth bin ich, doch lehrte mich Noth, dem Jammer mich zu entschwingen.«

Schwanhilde. »Schmiedest du Waffen, starker Schmiedt, zu Streit und Kampfe zu steh'n?«

Wieland. »Waffen schuf ich für meinen Feind! Nicht wüßte ich zum Kampfe zu steh'n! Zerschnitten sind mir die Sehnen am Fuß, – das Roß nicht kann ich mehr zwingen zum Ritt, nicht rüstig durch Wogen mehr steuern, ein holdes Weib mir zu werben!«

Schwanhilde. »O Wieland! Ärmster! Was wirkst du nun, um Freiheit dir zu erwerben?«

Wieland. »Ein Werk wirk' ich, das soll mir helfen, werb' ich um Rache an Räubern hienieden, werb' ich um eine wonnige Frau, die hoch ob dem Haupte mir schwebt!« (Immer froher und übermüthiger.) »Sie soll dem Lahmen nie mehr entfliegen, er folgt ihr wohin sie sich schwingt.«

Schwanhilde. »Wieland! Du Kühnster! Schmiedest du Wunder, herrlicher Mann?«

Wieland. (hoch aufjubelnd). »Ich schmiede mir Flügel, du selig' Weib! Auf Flügeln heb' ich mich in die Luft! Vernichtung laß ich den Neidingen hier, schwinge gerächt mich zu dir!«

Schwanhilde. »Wieland! Wieland! Mächtigster Mann! Freiest du mich in den freien Lüften, nie entflieg' ich dir je!«

Wieland. »In den Lüften, du Hehre, harre mein! Dort will ich dich wieder gewinnen. – Senke dich nieder auf den nahen Forst; bald siehst du mich durch das Luftmeer schwimmen, mit mächtigen Schwingen seine wonnigen Wogen zertheilen!«

Schwanhilde. »Leb' wohl, mein Holder! Ich harre dein auf dem nahen Forst, du göttlicher Wunderschmiedt!«

Unter dem Zweigesange hat Wieland in immer steigender Erregtheit sein Werk vollendet. Es pocht an die Thüre. Neiding begehrt Einlaß. Wieland in furchtbarer Freude springt auf, läßt Neiding und seine Begleiter ein, schließt dann unvermerkt wieder hinter ihnen zu, und wirft den Schlüssel in das Feuer auf dem Heerd. –

Vierte Scene.

Neiding freut sich über die große Thätigkeit Wielands; weithin hat man ihn hämmern gehört. Die Hofleute lachen und spotten über Wieland, ob seiner rüstigen Behendigkeit im Gebrauche der Krücken; wie gut er sich zu helfen wisse; auf seinen gesunden Füßen sei er kaum so schnell gewesen. Neiding verbietet den Spott: des Mannes große Kraft setze ihn in Erstaunen. Jeder andere wäre nach dem Erlittenen vielleicht erlegen; solche Geistesstärke aber, mit der sich Wieland in seine schlimme Lage schicke, zeige edle, hohe Art. – Er schmeichelt ihm, und wünscht, er möge immer so guter Laune bleiben, munter und rüstig sein, dann solle er es wahrlich gut bei ihm haben.

Wieland. (mit allmählich immer grimmigerem Hohn).»Wie gut würd' ich's wohl bei dir haben? Vielleicht wie ein Vogel, den du im Walde gefangen? Nie Flügel verschnittest du ihm, daß er dir nicht entfliege; – doch, daß er mit seines Sanges süßer Klage dein Ohr erfreue, blendest du ihm die Augen wohl, daß aus ewiger Nacht in angstvollem Sehnen nach seinem Weibchen er rufe? dann reichst du ihm wohl süße Beeren, den lahmen Blinden zu löhnen? Wie gut, Neiding, daß ich nur Füße hatte, nicht Flügel auch. Dir fiele wohl bei, daß ich auch singen könnte, wie im Walde der frohe Vogel!«

Neiding. »Was soll das, Wieland? Grämst du dich und verlorst schon die Geduld?«

Wieland. »Ich singe dir Lieder, so gut ich kann!«

Neiding. »So laß die Lieder, sie wollen mir nicht gefallen. Um deiner scharfen Schwerter willen hast du mich zum Freunde. Was du versprachest, das ford're ich jetzt von dir. Die Frist ist um; mit großem Heere fiel Rothar schon in Nordland ein: schufst du die Schwerter, die uns noth? – Bathilde kannst du noch gewinnen!«

Wieland. »Hältst du dem Vogel süße Beeren vor? Im Walde pflückt er wohl bald sie sich selbst!« –

Neiding. »Ende das Lied, und sag' von den Schwertern!«

Wieland. »Was brauchst du Schwerter? Du hast ja den herrlichen Siegerstein! Den trägst du Heldenkönig, ruhig am Finger, und stehest mit Lust, wie Rothar's streitliches Heer deinem bloßen Wunsche erliegt.«

Neiding. »Fürwahr, ich preise den Stein, den mir Bathilde verwahrt. Doch was kümmert er dich? Du Knecht, hast mir Schwerter zu schmieden.«

Wieland. »Unnütz sind Schwerter dem, der durch Wundersteine siegt! Mehr frommten neue Krücken mir, daß noch behender zu deinem Dienst ich flöge hin und her, als auf den Weidenstöcken ich es vermochte. – Sieh', aus Klingen schuf ich mir Krücken; die lassen die Füße mich gerne vermissen.«

Neiding. »Bist du rasend? Die Schwertklingen verschmiedest du zu Tand?«

Wieland. (hinter dem Heerde stehend und mit den Armen in die Schienen des Flügelpaares fahrend). »Solchen Tand schafft sich ein einsamer lahmer Mann! – Hei! was mich der Krücken Schwung erfreut!« (Er hebt mit immer höherem Schlage die Flügelschwingen und facht dadurch das Feuer auf dem Heerde zu wachsender Flamme an, die er gegen Neiding und die Hofleute treibt.)

Neiding. »Welch' grimmes Feuer nährst du auf dem Heerde?«

Wieland. »Mit meinen Krücken fach' ich die Gluth; der Bälge nicht hab' ich mehr nöthig; die will ich dir, König, ersparen!«

Neiding. »Was jagst du den Brand nach uns daher?«

Wieland. (mit furchtbarer Stimme). »Die Kraft der Schwingen prüf' ich nur, ob sie mich mächtig zur Esse hinaustragen, wenn euch das Feuer verzehrt!« – (Wachsender Rauch verhüllt den Heerd und Wieland hinter ihm, Feuergluthen erfassen Boden und Wände.)

Neiding. (stürzt entsetzt nach der Thüre). »Verrath! Wir sind gefangen! Greift den Verräther, eh' wir ersticken!« –

Wieland ist im Rauche gänzlich unsichtbar geworden. Als die Leute auf den Heerd eindringen, um Wieland zu greifen, stürzt mit einem furchtbaren Krache die Esse ein, so daß nur die Seitenwände noch stehen. Dichte Feuerlohe schlägt von allen Seiten auf. Über dem Qualme in der Luft sieht man Wieland mit ausgebreitetem Flügelpaare schweben. –

Neiding (in Todesangst). »Wieland, rette mich!« –

Wieland (dessen Gestalt von der hellaufschlagenden Gluth bluthroth erleuchtet worden). »Vergehe, Neiding, hin ist dein Leben, – hin ist dein Reich! Der Siegerstein schließt mir die Flügel im Nacken! Dort meine Brüder! Rothar naht! Deine Tochter ist sein Weib, sie fluchet dir! – Nichts bleibt von dir und deiner Macht, als die Kunde von der Rache eines freien Schmiedtes, und dem Ende seiner Knechtschaft! Vergehe, Neiding, vergehe!«

Fünfte Scene.

(Die Schmiede stürzt vollends ganz zusammen und begräbt Neiding und die Seinigen unter ihren Trümmern.)

Eigel und Helferich eilen an der Spitze von Rothar's Heer herbei. Eigel sprengt an den Rand der Trümmer; er gewahrt Neiding mit dem Tode ringend, und drückt einen Pfeil auf ihn ab. Siegesjubel erfüllt die Bühne. Der einziehende Rothar wird von den Niaren als Befreier begrüßt. – Sonniger, leuchtender Morgen. Im Hintergrunde ein Forst. Alle blicken voll Erstaunen und Ergriffenheit zu Wieland auf. Dieser hat sich höher geschwungen, der blitzende Stahl seiner Flügel leuchtet im hellen Sonnenglanze.

Schwanhilde schwebt mit ausgebreiteten Schwanenflügeln vom Walde her ihm entgegen: sie erreichen sich, und fliegen der Ferne zu.


 << zurück weiter >>