Johann Heinrich Voß
Luise
Johann Heinrich Voß

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Zweiter Gesang.

                  Dort in der reinlichen Stube, wo Tags und bei nächtlicher Leuchtung
Arbeitsam das Gesinde verkehrete, saßen geschmückt nun
Hans und die treue Susanna mit Hedewig, fröhlich des Mahles
Und des Gesprächs; denn sie fei'rten des herzigen Jüngferchens Hochzeit,
Ach der schönen Luise; denn nur beim Namen genannt sein
Wollte sie, schlecht und recht, in edler Bescheidenheit ehrvoll.
Auch des Bräutigams Tugend, des wohlansehnlichen Pfarrers,
Lobten sie, der bei Allen beliebt war, Hohen und Niedern,
Dankbar selbst für ein Kleines mit Wort und reicher Vergeltung;
Der, ein so junges Blut, so gelehrt schon und so erbaulich
Predigte, daß hell tönte die Ausred' auch in die Winkel.
Schnell hatt' ihnen Mama den gebratenen Schinken von Mittag
Aufgewärmt in der Pfann' und gewürzt mit kräftigen Zwiebeln,
Gutes Geleit der Kartoffel für Leckere! Weiter bewilligt
Hatte Mama großmüthig den Abhub, welchen Susanna
Trüge vom bräutlichen Tisch; und dabei hochschäumendes Festbier,
Noch von der Ernte gespart, und die lockende Flasche voll Bischofs.
Unter den Schmausenden sprach die gefällige, treue Susanna:

O gutherzige Frau, zu entschuldigen, was ja genug ist,
Mehr denn genug und zu viel, auch wol für vernünftige Herrschaft!
Eßt doch lustig und ehrt so viel und so köstliche Schüsseln!

Also die Magd; einstimmten die anderen Beiden mit Lobspruch,
Hedewig auch in der That. Hans kostete nur; denn es wallt' ihm
Voll unruhiger Freude das Herz, und er konnte nicht essen.
Hastig verließ er den Stuhl und setzte die streifige Mütz' auf,
Die mit gezottelter Woll' ihm einhüllt' Ohren und Scheitel
Gegen den Herbstnachthauch, und dem Pflock enthob er die Leuchte
Von durchscheinendem Horn, die leuchtete, wann er des Abends
Drosch und Häckerling schnitt und den Pferden die Raufe voll Heu trug.
Diese langt' er herab; der geöffneten dann in die Dille
Stellt er den brennenden Stumpf und schloß die Thüre des Hornes
Gegen ihn wandte sich jetzt die gefällige, treue Susanna:

Hans, so geeilt? Was willst du? Den Pferden ja brachtest du Hafer
Reichlich zuvor, und schnittst ungedroschene Gerste den Rindern;
Auch Packan in dem Schauer zermalmt froh seine Bescherung,
Wie mit behaglichem Murren am Napf hier schmauset der Kater,
Daß wir All' uns freuen am Ehrentage der Jungfer.
Aber du siehst aus den Augen so grell, als hecktest du heimlich
Schalksstreich' unter der Kapp', Arglistiger! Her, an dem Bischof
Labe dich erst, und trinke des Brautpaars werthe Gesundheit.

Sprach's, und reichte das Glas ihm gefüllt dar; Alle zugleich nun
Klingten sie an, glückwünschend dem neuvermähleten Brautpaar:
Daß doch immer vergnügt in Einigkeit sie mit einander
Alterten, so wie vergnügt, was Gott schickt, nähmen die Eltern!
Hans nun, als er geleert, antwortete seiner Genossin:

Iß nur fort, Susanna, mit Hedewig; nehmt auch des Hasen
Saftigen Schenkel für euch. Denn schon von der Lustigkeit bin ich
Voll wie ein Ei und bedarf nichts Anderes. Aber den Bischof
Hebe doch auf, das ist ein gesundes und liebliches Tränklein!
Jetzo geh' ich zum Schmiede, dem Zauderer! Ob er nicht endlich
An die zerbrochene Lünse mir neu den Nagel geschweißt hat.
Ha, mich verdrießt, wenn Einem sein Wort nicht theuer wie Gold ist!
Stoßt aus der Gilde hinaus wortbrüchige Meiner des Handwerks!
Aber der Weg ist weit und holperig, daß man im Dunkeln
Wol der Leuchte bedarf; denn die Pflasterer haben ihn garstig
Aufgewühlt von der Schenke bis gegen den Hof des Verwalters.
Auch hat g'rade der Mond sich beurlaubt hinter den Schloßberg;
Bald wird, nach dem Kalender, sich halb anfüllen das Neulicht.

Also redete Hans; doch ein Anderes dacht' er im Herzen:
Hinzugehn und zu ordnen, daß schöne Musik bei der Hochzeit
Tönte der lieben Mamsell, die er oft auf den Armen geschaukelt.
Und er enteilt' aus der Thüre, gestützt vom knotigen Dornstab;
Ging an dem Schauer vorbei, wo Packan hochzeitliches Labsal
Malmte mit lautem Gekrach, und befahl ihm wachsame Klugheit;
Wandelte dann vorfühlend den Weg um die Mauer des Kirchhofs.

Als nun schien aus dem Hause des Organisten der Schimmer,
Hört' er den muthigen Hall fernher der Trompeten und Hörner
Und hellklingender Geigen, durchtönt von dem polternden Brummbaß.
Jener übt' an den Pulten die schwereren Tänz' und Sonaten,
Für das Vermählungsfest der Luis' im Schlosse der Gräfin,
Morgenden Tags, um gefällig dem Vater zu sein und dem Brautpaar;
Er und der treuliche Sohn, der jüngst ans der Fremde gekehrt war,
Nur zum Besuch, denn er dient' in der Schulzischen Kammerkapelle,
Benda's männlichem Tone geneigt, abhold dem Geschnirkel.
Auch der sinnige Schäfer begleitete, welchen in Wintern
Selbst er gelehrt ausbilden zur Tonkunst hellen Naturlaut,
Der aus Flöt' und Gesang um die Hürd' oft weckte den Nachhall;
Treu nun half er dem Lehrer bei Kirchenmusik und Gelagen.
Auch der Jäger mit drei tonkundigen Söhnen, gebürtig
Fern im Thüringerlande, wo jeglicher Bauer Musik weiß;
Und sein Jugendgenoß, der siebzigjährige Weber,
Welcher, wenn Noth eintrat, ihm gern aushalf mit dem Brummbaß,
Jugendlich froh der Musik, taktfest und von kräftigem Anstrich.
Hans nun klopft' an die Thür' und polterte, bis man geöffnet,
Eilete dann in die Stub' und ermahnete, deutend und nickend:

Still doch und hört, Kunstpfeifer, ihr Fiedeler und ihr Trompeter!
Packt nur ein! Die Mamsell ist getraut, und die gnädige Herrschaft
Speiset bei uns, zur Ehre des neuvermähleten Brautpaars.
Ah! Was schneiden die Herrn mir dort für lange Gesichter!
Husch, ging Alles vorbei; kaum Hand an das Werk und gethan war's!
Hin ist die Braut, und wir haben das Nachseh'n! Aber was dünkt euch,
Liebe Herrn, wenn ihr ihnen ein lustiges Stück zu der Mahlzeit
Dudeltet? Schöne Musik bringt Herz und Bein' in Bewegung!
Ohne Musik ist Schmaus, was die Glock' ist ohne den Klöppel!

Also Hans, und bestürzt in Verwunderung hielten die Männer.
Doch sie erwogen den Rath und billigten. Rasch sich erhebend,
Eilten sie, unter dem Arme die Instrument' und die Noten.
Und sie begleiteten Hans, der dem wankenden Greise den Brummbaß
Gern abnahm und, führend ihn selbst, auf höckrigem Steinweg
Durch kaltathmende Nacht mit trüber Leuchte voranging.

Dort nun schmauseten Jen', in behaglicher Ruhe vereinigt
Um den erleuchteten Tisch, und tranken des köstlichen Bischofs,
Plauderten viel und lachten des Bräutigams, oft auch der Jungfrau.
Unter den fröhlichen jetzo begann der gemütliche Vater:

Aergerlich, Sohn, wie beständig Sein Glas voll stehet, geleert nie!
Mutter, gebeut mit der Kell'! Er muß uns ehren den Bischof,
Weil aus der Bischofskumm' anhaucht bischöfliche Weisheit!
Merke sich wohl mein trauter Timotheus, was dem Verständniß
Jetzo die Kumm' einraunet: »Es sei unsträflich ein Bischof,
»Eines Weibes Gemahl, gastfrei, doch mäßig und sittsam;
»Lehrhaft, aber gelinde; von Zanksucht fern und Gewinnsucht;
»Der auch dem eigenen Haus' und den Seinigen wohl vorstehe,
»Dem auch gehorsame Kinder in Zucht und Ehrbarkeit aufblühn.«
Also lautet der Spruch, der goldene! Welcher ihn ausübt,
Solcher frommt der Gemein' als lehrender Vater und Beispiel,
Gott wie dem Fürsten getreu und dem Staat in der Kirche beeidigt.
Rüstig begann mein trauter Timotheus, was der Beruf will;
Voll schon knospet der Busch, und die Zeit bringt Rosen, vertrau'n wir.

Also der Greis, und trank ihm der kommenden Rosen Gedeih'n zu.
Rings auf der kommenden Rosen Gedeih'n scholl helles Geklingel
Und glückwünschender Ruf; auch Luis' und Amalia nippten
Jüngferlich, beide verschämt, mit gekünstelter Miene der Einfalt.
Aber das Mütterchen lachte geheim, zuwinkend der Gräfin,
Heischte die Gläser herbei ringsum und füllete wieder.

Jetzo begann zu dem Pfarrer die biederherzige Gräfin:
Worte der Weisheit, traun, und der Menschlichkeit sprach der Apostel,
Köstliche, goldner denn Gold! Schwer wird unsträflich ein Bischof.
Ist nicht Frau Bischöfin gesellt ihm. Dennoch erzählt man,
Daß manch geistlicher Herr eh'scheu in die Zelle sich einschließt.

Hierauf redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Gräfin, sie sind unschuldig, der Zell' einsiedelnde Väter,
Und, was gesagt der Apostel, zu thun, nicht störrischen Herzens.
Oftmals dauerte mich des Gewidmeten, der ungesegnet
Blieb vom Worte des Herrn: »Nicht gut, daß, also vereinsamt,
»Hülflos lebe der Mensch; ich schaff' ihm eine Gehülfin,
»Welche gesellt ihm lebe, des Manns gleichartige Männin.«
Ja, tief dauerte mich, hülflos Einsiedelnde, eurer!
Ihr vom göttlichen Odem Beseeltere, reg' in Empfindung
Heiliger Triebe von Gott! Leidtragende, herzlichen Mitleids
Würdige, die nicht Gattin umarmt, noch schmeichelnder Anwachs,
Die nicht erbet ein Sohn, kein Töchterchen liebet, noch Eidam!
Strenge Gewalt einst übte der herrische Welthierarch aus;
Mehr schon giebt man dem Kaiser, was sein ist, Gotte, was Gottes.
Wem der Gebieter im Kranz ruhmvollerer Bürgererhaltung
Danken sie bald Theilnahme der Menschlichkeit und des Gemeinwohls,
Fest anhangend dem Staat durch Bande des Bluts und der Freundschaft?
Ob zu Ertödtung der Lieb' und des vaterländischen Eifers
Auch ein Gelübd' unfromm sie verpflichtete, hehre Naturpflicht
Heischt sie zurück, und Gottes Gebot und seines Apostels,
Der, traun, nicht herzlose, der Welt absagende Mönchlein,
Nein, der menschliche Bürger zur Lehr' anordnete Bürgern,
Thätige, reinerem Licht nachstrebende Schärfer der Thatkraft!
Sohn, was dorrete, grünt, und die Zeit bringt Rosen auch hier einst.
Heb' Er das Glas! Herstellung der altbischöflichen Freiheit!

Ihm antwortete drauf der edle, bescheidene Walter:
Folgsam heb' ich, o Vater, den Trank bischöflicher Weisheit;
Denn unsträflich zu sein in Kirch' und Hause begehr' ich
Selber für mich, und wünsch' es auch Anderen meines Berufes.
O, wie der Duft mich beseelet mit Ahnungen heiterer Zukunft!
Einst wird Menschengefühl aus einsamer Zelle hervorgehen,
Hörend des goldenen Spruchs Aufruf und hehrer Naturpflicht.
Froh durch Weib und Geschlecht, mitbürgerlich unter den Bürgern,
Wird man frommen dem Volk als lehrender Vater und Beispiel;
Weil man wohl, wie dem Hause des Herrn, auch dem eigenen vorsteht.
Manchen redlichen Mönch, wie unseren Pfarrer von Grünau,
Wird ein redliches Weib, wird Töchterchen lieben und Eidam.

Also Vater und Sohn; dann klingten sie auf die Erlösung
Und auf frohe Vermählung der redlichen Zellenbewohner.

Jetzo redete drein die gute, verständige Hausfrau:
Spaß macht's, Männer zu schau'n in Begeisterung. Brauet den Eh'herrn
Bischof oder auch Punsch, und sie dünken sich, stracks zu verbessern
Alle Gebrechen der Welt, ja sie dünken sich Ordner des Hauses!
Schon aus dem Bischöflein weissagt der begeisternde Bischof;
Altklug, neben der Braut als Bräutigam, lehret er Weisheit!
Wohl vorstehen dem Hause? Der Mann soll's, aber das Weib thut's!
Haupt ist dem Weibe der Mann; das Weib ist aber des Mannes
Rechte Hand, oft wahrlich dem theueren Haupte der Kopf gar.

Also die Frau; ihr gab der gemüthliche Vater die Antwort:
Traun, du redest, Mama, nicht unwahr, nein, nach der Wahrheit,
Die längst Alte bekannt und Neuere. Aber bedenk' mir
Dein unschuldiges Kind und den trostlos horchenden Jüngling.
Wie er sein Loos vorkostet mit unwillfährigem Lächeln!
Scheinherrschaft doch wolle dem Hausherrn gönnen die Hausfrau!

Leise dagegen begann die biederherzige Gräfin:
Noch ungekränkt ist völlig die Hausehr' unseres Neulings;
Denn die bald, nach der Regel, ihm Hausehr' ist und genannt wird,
Hörete nichts. Arglos mit Amalia schwatzte sie abwärts
Mädchengeschwätz. Nun starrt sie des Drilliches Muster vertieft an.

Sprach's, und wandte sich drauf zu der rosenwangigen Jungfrau:
Wie mir da schon wieder die kleine Luis' in Gedanken
Sitzt! Du scheinst wehmüthig, mein Töchterchen, daß unversehens
Dir dein böser Papa wegstürmt von dem Scheitel das Kränzlein,
Welches du Würdige trugst, wie ein Rosenmädchen, mit Anstand.
Oder bezähmt dir Schlummer vielleicht die verdrossenen Aeuglein?
Schäme dich, Kind! Ein Bräutchen von wohl vorsichtiger Klugheit,
Albernen Spott zu vermeiden der Lästerer, hält sich beständig
Munter und wach, wenngleich bis zur goldenen Frühe getanzt wird,
Und der Musik Tonfall ihr die Seel' in sanfte Betäubung
Einwiegt. Böser Papa! Daß keine Musik bei der Hochzeit
Unserem Töchterchen tönt, wo zuletzt im stürmischen Kehraus
Weiber die Braut wegraffen, mit hellem Triumph sie entführend
In's kranzlose Gemach. Doch tröste dich, arme Luise!
Morgen im Prunkaufzug der Geladenen kommst du, des Eh'manns
Junge Frau, hochfestlich in unsere Wohnung zum Nachschmaus,
Froh hochzeitlichen Schmuckes, obgleich hinwelkte das Kränzlein.
Dann soll muthig die Geige mit Zink' und Trompete vorangeh'n,
Daß dir entzückt nachschau'n die Dörflinge rings vor den Häusern.
Auch soll allerlei Tanz, lärmvoll mit Trompeten und Pauken,
So einheimische Gäste, wie Fremdlinge, Städter und Landvolk,
Im weitschweifigen Saale belustigen; und wenn der Mond sinkt,
Flammen Raketen empor im Gehölz, und prasselnde Schwärmer.

Ihr antwortete drauf das rosenwangige Mägdlein:
Ich armseliges Kind! Mich verabsäumt Vater und Mutter!
Anderen wird ja vergönnt ein Abschiedsreigen mit Jungfraun,
Daß, wie berauscht von Musik, hintanzt aus der Freiheit ein Mägdlein
Zur Hausmütterlichkeit. Doch still hier schreit' ich und ernsthaft,
Als Frau Braut, in das Joch des gestreng haushaltenden Eh'herrn.
Morgen indeß wird heilen die mütterlich waltende Pathin,
Was sie vermag; nur sorg' ich, die gnädige Pathin verzieht mich,
Gleich der verzogenen Tochter, die nur Muthwillen erdenket!

Und die gepriesene Gräfin Amalia sagte dagegen:
Ich, die verzogene Tochter, die nur Muthwillen erdenket,
Werde dir Ernst einschärfen, du Tänzerin! Morgen bestell' ich
Lauter gemächlichen Tanz, wie der Frau Bischöfin gemäß ist!
Erst Menuet, dann wol Saraband' und den Reigen der Polin!

Hieraus redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Fehle der Tanz, doch soll bei der Hochzeit Glanz und Gesang nicht
Unserem Töchterchen fehlen! Musik ist die Krone des Gastmahls!
Zauberisch dämpft die Musik Anfechtungen selber des Satans,
Lange Weil' und Geklätsch und Lästerung, leidigen Zwang auch;
Fröhlich stimmt sie das Herz und erhebt zu entschlossener Tugend.
Auf denn! Die Gläser gefüllt und laut zum krystallenen Klingklang
Angestimmt, wie die Muse der Tonkunst unserem Schulz ihn
Vorsang, jenen Gesang, den uns der eutinische Gastfreund
Dichtete. Rasch an's Klavier, Amalia! Wenn er im Frühling
Kommt, uns wieder Vereinte zu sehn hier oder in Seldorf,
Gieb ihm gerne, mein Kind, den bedungenen Kuß und noch einen.

Also der feurige Greis, und das Mütterchen füllte die Gläser
Allen umher; auch Luis' und Amalia reichten ihr Glas dar,
Weniges nur zu empfah'n. Dann huben sie froh den Gesang an,
Unter dem Schall des Klaviers; doch am jauchzenden Schlusse des Liedes
Schwieg sein Getön, und es klingt' Amalia mit in den Glückwunsch.
Also floß Harmonisch das Lied in Schulzischem Wohllaut:

        Wohl, wohl dem Manne für und für,
Der bald sein Liebchen findet!
Er findet großes Gut in ihr,
Wie Salomon verkündet.
Sie tröstet ihn mit Rath und That,
Und streut ihm Rosen auf den Pfad.

Sie sucht des Mannes, wie sie kann,
Zu pflegen und zu warten;
Sie spinnt und näht für ihren Mann,
Bestellt ihm Haus und Garten,
Und scheuet weder Frost noch Gluth,
Beständig flink und wohlgemuth.

Sie sinnt und weiß, was Männchen liebt,
Und macht es ihm noch lieber;
Kommt auch einmal, was ihn betrübt,
Sie schwatzt es bald vorüber;
Nicht lange bleibt die Stirn' ihm kraus,
Das Liebchen sieht so freundlich aus.

Auch ungeschmückt ist Liebchen schön,
Des Mannes Augenweide;
Doch läßt sich Liebchen gerne sehn
Im wohlgewählten Kleide,
Und naht sich dann mit holdem Gruß
Und bringt ihm einen warmen Kuß.

Er dehnt sich nach des Tages Müh'n
In Liebchens weichem Bette;
Und Liebchen kommt und schmiegt an ihn
Sich fest wie eine Klette,
Und wünscht ihm küssend gute Nacht;
Auch fragt sie leis', ob Männchen wacht.

Wenn wild der Sturm in Bäumen saust,
Vom Dach der Regen prasselt,
Der Schornstein heult, die Woge braust
Und Hagelwetter rasselt;
An Liebchens Busen ruht er warm
Und lauscht dem Sturm in Liebchens Arm.

Auch stöhnt das Liebchen wol zur Zeit
Und nichts will ihr behagen,
Doch lacht sie seiner Aengstlichkeit
Und schämt sich, es zu sagen;
Sie wanket, ach, so müd' und schwer,
Auf ihren Mann gestützt einher.

Bald legt sich Liebchen ganz vergnügt
Und läßt ihr Kindlein saugen!
Der Vater ehrbar sitzt und wiegt,
Beguckt ihm Nas' und Augen,
Und freut sich, daß der kleine Christ
Mama und ihm so ähnlich ist.

Wohl dir, o Mann! Wohl, Liebchen, dir!
Wohl seid ihr euch begegnet!
Euch segne Gott vom Himmel hier,
Bis er euch droben segnet!
Klingt an, ihr Freund', und singet laut:
Es lebe Bräutigam und Braut!

              Als nun rings im Gesang die kristallenen Klänge melodisch
Klingelten, plötzlich erscholl mit schmetterndem Hall vor dem Fenster
Geig' und Horn und Trompete zugleich und polternder Brummbaß,
Eine Sonat' abrauschend, im Sturz unbändigen, scharfen,
Jähen Getöns, als kracht' einschlagender Donner aus blauem
Himmel herab, als braust' in den splitternden Wald ein Orkan her;
Denn an dem Hofthor hatten die Musiker leise gestimmet,
Daß unversehns aufgellte zum Gruß ein beherztes Allegro,
Eingeübt, wie freier Erguß tonreicher Empfindung.
So wie der Tön' Aufruhr sich empörete, klirrten die Fenster
Ringsum, dröhnte die Stub' und summt' im Klaviere der Nachklang.
Jen' um den Tisch frohlockten vor Lust, und Alle noch einmal
Klingten sie: Hoch, hoch lebe der Bräutigam! Lebe die Braut hoch!
Jauchzend umher in den Klang der Kristall', und der Töne Gerassel;
Doch vor Allen der Vater und sein laut brummendes Kelchglas
Jubelten, mehr aufregend den Sturm glückwünschenden Zurufs.
Jetzo redetest du, ehrwürdiger Pfarre von Grünau:

Ja, Gott segn' euch, Kinder, in Ewigkeit! Das war ein Glückwunsch!
Kräftig und laut aus dem Herzen, der, festlichem Glockengeläut gleich,
Ueber das Dorf hinschallt, wahrhaftiger als der Kanonen
Jubelgetön, wenn winkte der Hofmarschall von dem Erker!
Das hat Hans mir gemacht, kein Anderer! Solcher Erfindung
Freut sich der Schalk! Wo ein Fest vorgeht, was Heimliches bringt er
Stets mit veränderter List. Mein Töchterchen, klopf' an das Fenster,
Daß sie herein doch kommen; sie sind uns liebe Gesellschaft.

Jener sprach's, da enteilte das rosenwangige Mägdlein
Fröhlich, und klopft' an das Fenster mit Macht; stracks hielten die Männer
Mitten im Takt, und lauschten, wie hold und freundlich sie einlud:

Dank, ihr Herrn, für die schöne Musik! Wie gerufen zum Glückwunsch,
Kamt ihr, Kraft ihm zu geben und Nachdruck. Doch in der Herbstluft
Draußen zu stehn, ist hart für ein siebzigjähriges Alter.
Naßkalt haucht im Oktober der West, auch warmes Gewand durch-
Wehet er bis auf die Haut. Nur Jünglinge wagen zu fenstern
Dann mit Abendmusik, und der sturmverachtende Waidmann.
Kommt doch herein, ihr Herren, ihr seid uns liebe Gesellschaft!

Also Luis' anmuthig; und draußen gefiel, was sie sagte,
Allen, den Greisen sowohl, wie den Jünglingen. Jetzt mit einander
Lobend das schöne Gesicht, den melodischen Laut und den Anstand,
Gingen sie, und weissagten dem Bräutigam selige Zukunft:
Bildschön werde gepriesen Amalia, stehe sie einzeln;
Aber gesellt sei Luise die schönere sonder Vergleichung.
Also begann nun Mancher der tonverständigen Männer:

Wahrlich ein Engel von Weib! Wie gerad' und behende! Wie blühend
Unter dem Kranz! Es verjüngt wol greisendes Alter ihr Lächeln!

Wieder ein Anderer sprach der tonverständigen Männer:
Sage mir Einer hinfort, zur Harmonika klinge Gesang nicht!
Sänge die Kehl' in der Oper, sie trillerte Alles in Aufruhr!

Also redeten Jen', um das Haus sich wendend zur Thüre.
Hell schon leuchtet' entgegen das Mütterchen über die Hausflur
Aus der geöffneten Stub', und hieß willkommen die Herren
Musiker, die mit Geräusch anwandelten. Aber die Männer
Traten hinein und grüßten mit mancherlei scharrendem Bückling,
Segen und Heil anwünschend dem neuvermähleten Brautpaar.
Hans auch folgte zugleich und trug schwerfällig den Brummbaß,
Schlau, mit verhaltener Lache, die streifige Mütz' in der Rechten.
Ernstlich redete jetzt der gemüthliche Vater im Strafton:

Hans, du giebst ja den Leuten ein Aergerniß! Voller Verwund'rung
Werden sie, alt und jung, aus den Wohnungen rennen und fragen:
Was für Lärm in dem Hofe des Pfarrherrn? Ist er so weltlich,
Daß er den Abend sogar vor dem Hochzeitstag die Tochter
Fiedelt zu Bett' und trompetet? Wie wird wol morgen gejubelt,
Wann sie im Kranze die Braut mit Musik hinführen zur Trauung!
Lauter gewiß als wann mit klingenden Sensen und Liedern
Wir nach der Ernt' hintragen den Kranz, dem Altare zum Festschmuck!
Doch gut war es gemeint; ich danke dir. Aber noch mehr euch
Sagen wir herzlichen Dank, willkommene Freund' und Gevattern,
Euerer Lieb' und Ehre. Wohlan! Flugs bringe Susanna
Gläser und Wein auf den Tisch; und Mütterchen macht es im Winkel
Dort ein wenig bequem für unsere liebe Gesellschaft.

Also der Greis; nichts redete Hans und lachte so schämig,
Eilete dann zu bestellen, und flugs bracht' Alles Susanna,
Honigkuchen dabei und Pfeffernüss' auf dem Teller,
Sprock und gewürzt; nie fehlt' unvermuteten Gästen ein Vorrath,
Stärkenden Trunk zu begleiten und bittere Magenerquickung,
Kam an stürmischem Morgen ein Hausfreund oder im Nebel.
Weiter besann sich Mama des Geschenks von der neulichen Hochzeit,
Eilte zur Kammer hinaus und bracht' ein großes Gebacknes,
Butterkringel im Dorfe genannt, von der Thüringer Bretzel,
Groß und dick zum Erstaunen und wohl mit Rosinen gesättigt.
Sie nun füllte die Gläser umher und nöthigte freundlich:

Nehmt heut Abend vorlieb, willkommene Freund und Gevattern;
Denn heut waltet bei uns recht eigentlich Polterabend.
Wie nun eure Musik einpolterte, gleich unversehens
Polterte Trauung daher und Brautmahl. Morgen, ja dann erst
Wird hochzeitlich geschmaust bei unserer gnädigen Gräfin.

Jetzo sprach zu dem Chore die biederherzige Gräfin:
Brav, daß ihr wackeren Männer bedacht seid, unserer Jungfrau
Hochzeitsfest, obgleich es unangekündiget einfiel,
Uns durch edle Musik zu verherrlichen. Ganz unerlaubt wär's,
Hätten wir solchen Kranz nicht einmal zu Grabe geläutet!
Ist doch wahrlich die Braut, (ich darf wol rühmen die Pathin,
Denn ihr Alle bezeugt es!) wie Wenige, züchtig und ehrbar;
Auch, so weit ich ihn kenne, der Bräutigam. Kinder, ich sag' euch,
Spielt, wenn ihr morgen sie bringt, den auserwähltesten Brautmarsch!

Eiferig sagte dagegen des Chors tonkundiger Meister:
Gräfin, sie braucht kein Lob; wir kennen sie. Unserer Jungfrau
Ehre zu thun nach Vermögen, das stärkt und leichtet den Athem
Selbst engbrüstigen Greisen, und schmeidiget Finger und Arme.

Jener sprach's, und den Chor durchlief beifälliges Murmeln;
Alle zugleich dann nahmen ihr Glas und klingelten schweigend.
Aber Luise verstand, und neigte sich, nahte dem Tisch dann
Freundlich und füllte die Gläser den schwach abwehrenden Männern.
Auch der Bräutigam nahte mit Dank den Genossen der Tonkunst
Allen, dem Meister zuvor, und schüttelte traulich die Hand ihm.
Jetzo sprach der Papa zu dem siebzigjährigen Weber:

Vater, ihr hattet doch nicht Einwendungen wider die Hochzeit?
Jetzo kämt ihr zu spät. Mit Verwunderung sah ich ein paar Mal,
Wann ich meine Luis' abkündigte, wie ihr an euerm
Pfeiler die Mütz' abnahmt und die zitternden Hände mit Inbrunst
Faltetet. Schien es doch fast, ihr nähm't an dem Töchterchen Antheil.

Ihm antwortete drauf der Alte mit blühendem Haupthaar:
Herr, nicht trüg' ich mit Ehren ein graues Haar auf dem Scheitel,
Wenn mein Herz so verstockt nicht Antheil nähm' an der Jungfrau,
Welche bei Gott und Menschen beliebt ist, schon von der Kindheit!
Fragt nur, wer euch begegnet, im Dorf; ihr sollt euch verwundern,
Was man euch Alles erzählt von dem Jüngferchen: wie sie gefällig
Ueberall mit den Frohen sich freut, mit den Traurigen trauert;
Wie sie des Dorfs Jungfrau'n unvermerkt, als muntre Gespielen,
Führet zu Handarbeit und Sittigkeit; wie sie ohn' Aufsehn
Dürftige speiset und tränkt, wie Nackende wärmt und bekleidet,
Arm' und verwaisete Kinder zur Schul' anhält und versorget,
Kluge Verwalterin stets der geheim zufließenden Wohlthat,
Die nicht uns zu erforschen vergönnt ist, aber die Gott kennt;
Wie sie das Lager der Kranken besucht mit Trost und Equickung;
Herr, und den heimlichen Armen, den kläglichsten! Wie sie ihn ausforscht
Und Barmherzigkeit übt, daß Einer nicht weiß, wo es herkommt!
Kaum, daß sie selber es weiß! Vollbrachte sie eben ein Stückchen,
Daß auch die Engel sich freu'n, dann gehet sie mir nichts, dir nichts,
Ruhigen Gang, und scheint nur ein hübsches und lustiges Mägdlein!
Nun der Alles vergilt, er vergelt' ihr's immer und ewig!
Sichtbar bauet der Herr ihr das Haus und Segen der Eltern;
Daß so ein frommer Gemahl sie heimführt, welcher gewiß ihr
Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitter ist, noch sie verschüchtert,
Eine Seele mit ihr! ein anderer Pfarrer von Grünau!
Euch wird morgen das Dorf schon kundthun, ob wir die Heirath,
Oeffentlich oder geheim, mißbilligen! Jüngst in Gemeinheit
Ward ihr Ehre beschlossen, der wahrhaft ehrsamen Jungfrau,
Dem gleichartigen Kinde des Pfarrherrn! Ihr zum Geschenk bringt
Jeglicher, was er vermag: wer Land hat, Garten- und Feldfrucht;
Und wer Vieh, von der Heerd' Einkunft; weß Hände geschickt sind,
Allerlei gutes Geräth von Eisen und Holz für den neuen
Haushalt; selbst ich Stümper das meinige; Mädchen des Dorfs auch
Zinsen von Handarbeit, nicht ohne Gesang, wie es munkelt.
Eigene Fuhr' ist dem Allen bestellt, mit stattlichem Vorspann.
Wann sie bald der Gemahl durch grüßende Häuser in Seldorf
Heimführt, folgt ihr das Ehrengeschenk, mit Tannen gekränzet,
Unter dem Peitschengeknalle des Jünglinges, welcher gewählt ward,
Lenker zu sein, Goldflitter am Hut und wehende Bänder,
Daß sie vergnügt antret' im entlegenen Gute die Wirtschaft,
Und der Verlaß'nen auch fern sich erinnere. Nehmt es nicht ungut,
Herr: wir lieben euch sehr, nicht weniger aber die Tochter!

Also sagte der Greis mit kräftiger Stimme des Herzens,
Innig bewegt, und es bebte die Thrän' an den grauenden Wimpern.
Ernsthaft nahm er das Glas, und: Freud' an der Tochter den Eltern!
Trank er; zugleich ihm tranken die Anderen. Aber die Jungfrau
That, als hörte sie nicht; und, gewandt ihr erröthendes Antlitz,
Sprach sie ein albernes Wort zu Amalia, lachte dann laut auf.
Mütterchen saß tiefsinnig, Vergangenheit denkend und Zukunft:
Wie glückselig sie war mit dem Töchterchen, und wie hinfort ihr
Oede das Haus sein würd' und das Dorf, und sie wischt die Thrän' ab.
Doch es bezwang sich der Vater und sprach in kräftigem Ausruf:

Ungut könnt' ich es nehmen mit Fug wol euch und der Dorfschaft,
Daß ihr, wie mich, werth achtet ein Dingelchen, welches nur tändelt,
Ob auch einst sie mitunter was taugt, hintändelte blindlings,
Ohne Bewußt, wie etwa die fröhliche Laune sie ankam.
Aber sie stahl mir das Herz; ich verzeih' euch. Wenn er Geduld hat,
Wird ihr Mann in der Folge sie witzigen. Gerne vertrau'n wir
Solchem das Kind, ausstattend mit Ehr' und Segen der Wirthschaft.

Jetzo trat an den Tisch Amalia leichteren Ganges,
Neigete sich und begann zu des Chors tonkundigen Männern:

Löbliche Musiker ihr, doch sehr unlöbliche Trinker,
Her mit dem Glas'! Einschenken und nöthigen muß ich nach Amtspflicht.
Denn ich rühme mich hier Brautjungfer zu sein der Luise,
Deren Gehör ihr kränktet. Da sitzt mein Bräutchen und schämt sich!

Jene sprach's, und der Weber mit Heftigkeit rief ihr die Antwort:
Gräfin, wer kann da helfen? Wenn ihr Jungfrauen das Herz uns
Regt, wir platzen heraus und loben gerad' in das Antlitz,
Was lobwürdig erscheint! Dann schäme sich, wer es verdient hat!

Also der Greis, und den Chor durchlief beifälliges Murmeln;
Alle zugleich dann nahmen ihr Glas und klingelten rufend:

Daß die Verwalterin lebe geheim zufließender Wohlthat,
Die nicht uns zu erforschen vergönnt ist, aber die Gott kennt!

Als sich der Organist mit den Seinigen jetzo gelabet,
Theilt' er die Stimmen umher; und auf einmal flossen harmonisch
Liebliche Saitentöne zu wollustathmender Flöten
Süßem Gesang' und dem Laute des sanft einhallenden Waldhorns.
Wie im blumigen Mai, wann die Abende heiter und lau sind,
Spät in die Nacht auf den Bänken am Eingang Männer und Weiber
Lauschen den Zwillingstönen des Waldhorns, welche vom See her
Auf umschweifendem Kahn durch Silberwellen im Mondschein,
Mit dem Geröchel des Sumpfs und bräutlichen Nachtigallliedern,
Nah' und entfernt anweh'n, daß leis' antwortet der Buchhain:
Also lauschte mit Lust die Versammlung; denn voll Anmuth
Halleten unter dem Stimmengeräusch Wohllaute des Waldhorns,
Lieblich gedämpft von zween tonkundigen Söhnen des Jägers.
Jetzo gellt' auch Hoboengetön, als töneten Sänger
Herzlichen Laut, abschwächend und bald anschwellend den Athem
Bis zum Triumphausruf; den gemessenen Gang der Empfindung
Führte das ernste Fagott, von rauschenden Saiten umjubelt.
Einzeln erhub sich darauf des Organisten berühmter,
Vielgewanderter Sohn; denn Mannheim, Wien und Venedig
Hatt' er besucht, und Manches gehört und behalten, was gut war,
Und nun dient' er mit Lob in der Schulzischen Kammerkapelle.
Dieser entlockte gemach der Cremonageige melodisch
Rieselndes Silbergetön, das oft in gezogener Seufzer
Weicheren Laut hinschmolz; ihm schlug des Klaviers Generalbaß
Karl's treuherziger Lehrer geschickt; rings horchten sie schweigend,
Selbst die Genossen der Kunst, wie klar ihm die Tön' und gerundet
Rolleten unter dem Bogen, wie voll einschmeichelnder Wehmuth
Wieder von Sait' und Hauche vereiniget, scholl der Gesammtchor,
Stürmischen Halls. Ein Jubel der Feierlichkeit und Entzückung,
Als ob, wonnebeseelt, durch keimende Schöpfungen zahllos
Morgenstern' anhüben das Dreimalheilig im Chorpsalm,
Und in des strömenden Lichts Umkreis bis zum nachtenden Chaos
Rauscht' ätherischer Lüfte gesammt mitklingende Wallung:
Dreimal heilig! empor, dreimal hochheilig! dem Urlicht!
Dir, Allmächtiger, der, unerforschlicher Vater des Weltalls!
Schmachtender dann im Lispel der Zärtlichkeit floß Melodie her,
Gleich sanftwehendem Engelgesang, als Liebe zuerst ward,
Als nur ahnete Liebe der Mann, und die bräutliche Männin
Sich und die Rosen im Quell anlächelte. Häufig und vielfach
Wechselnde Weisen des Klangs wetteiferten, andre mit andern;
Vielgewandt, tiefströmend ergoß sich der lebende Wohllaut:
Donnerte halb graunhaft, wie gestad'anklimmende Brandung
Braust im Orkan, wann krachen die Kiel', und strandender Männer
Nothschuß hallt, und Geschrei in dem Wogentumult fern hinstirbt;
Bald wie gezwängt Bergfluth im Geklüft weint, weinte der Tonfall
Unruhvoll, langsam Mißkläng' auflösend in Einklang;
Wallete dann wie ein Bach, der über geglättete Kiesel
Rinnt durch blumiges Gras und Umschattungen, wo sich die Hirtin
Gerne zum Ausruhen legt und im Halbtraum horcht dem Gemurmel.
Jetzo sprach der Papa zu des Chors tonkundigem Meister:

Bravo! Hier ist Kraft in dem Satz und, lieber Gevatter,
Auch in dem Vortrag Kraft! Wir hangen noch steif an der alten
Kernmusik und glauben, Musik sei Sprache des Herzens.
So wie ein Geiste voll zarter Gefühl', unkundig des Wortes,
Durch des Gesangs Ausdruck und vielfach schwebenden Tongang
Gott anstaunt, und die schöne Natur in Lieb' und Entzückung
Ausströmt, klagt und erschrickt und zu dauerndem Muth sich emporhebt.
Auch ist Jedem, der fühlt, die Herzenssprache verständlich:
Stimme von Gott, wie Donner und Sturm, wie, wann auf den Wassern
Geht die Stimme des Herrn, und lind im Gesäusel des Frühlings;
Und wie die Rede des Thiers tonreich, des gebietenden Löwen
Machtausruf in der Wüst', und des hoch obwaltenden Adlers,
Oder der Milchkuh Muttergetön', und der freundlichen Hündin,
Liebender Tauben Geseufz', und der Gluck' anlockendes Schmeicheln.
Auch, als Stimme von Gott, unwandelbar tönt sie, des Herzens
Wahre Musik, einhellig an Wohlklang stets und Bewegung,
Ewiger Laut der Natur durch Land' und Zeiten und Völker,
Nur in bescheidenem Schmuck veränderlich: nicht wie des Putzes
Eigensinn, den wir gestern bewunderten, morgen verabscheu'n;
Oder die Aftermusik, die mit üppigem Modegeklimper
Sinnlos kälbernden Tanz nachhüpft und verwegenen Bockssprung.
Aber so laut das Gefühl in Stimm' und Tönen uns anspricht,
Hallt's doch lauter in's Herz und erschütternder, wenn des Gesanges
Wort einstimmt, die eig'ne vertrauliche Sprache der Menschen.
Auf denn! Gebt mir ein Lied zur Veränderung, etwa von Händel,
Gluck, und Emanuel Bach, Reichhardt, und dem trefflichen Meister
Schulz, dem Luther noch selbst nachsang' an der Orgel mit Andacht.
Singt den erhabenen Chor der Athalia: Laut durch die Welten
Tönt! Und: Ich danke Gott! Und die Waldserenad', und das Tischlied.

Also sagte der Greis und die Andern folgten ihm willig.
Als sie nunmehr vollstimmig den Chor mit voller Begleitung
Endigten, jetzo erhob sich die gute, verständige Hausfrau,
Ging, und neigend das Haupt an die blühende Wange der Tochter,
Sagte sie leis' in's Ohr, doch so, daß die Anderen hörten:

Nicht zu heiß dich gesungen, mein Töchterchen! Alles mit Maße!
Warn' ich immer umsonst, und zumal bei den Schulzischen Liedern.
Brennt doch schon dein liebes Gesicht mir die Wange wie Feuer.
Allzu hitziges Mädchen! Es möcht' am Schlafe dich hindern!
Dann sind trüb am Morgen die schelmischen Aeugelein, dann sind
Lipp' und Wange verblüht, dann giebt's Nachfrag' und Bedauern!
Jetzo schmück' ich dir sauber das Brautbett. Bin ich denn artig?

Leis' antwortete drauf das rosenwangige Mägdlein:
Mütterchen! – senkte den Blick und wandt' ihr liebliches Antlitz,
Feuerroth; und sie lachten des hold erröthenden Mägdleins,
Alle, das Mütterchen auch, und der Bräutigam neckte sie heimlich.
Lächelnd ging die Mama und rief der treuen Susanna:

Laß die Teller nur stehn, auch Hedewig wäscht sie allein wol.
Komm' du, liebe Susanna, und leuchte mir. Siehe, wie vornehm
Dort mein Kater am Heerde herumschwänzt! Habt ihr nach Würd' ihn
Heute versorgt? und den guten Packan, der draußen so kläglich
Knurrt im Schauer und heult? Ihm gefällt wol unsre Musik nicht.
Komm', und hilf mir bereiten das Brautbett unserer Tochter.

Also rief die Mama; und sogleich, ablegend das Vortuch,
Folgete willig die Magd und trug den eisernen Leuchter.
Jetzo ging in die Flur vornhin die verständige Hausfrau,
Zum nußbaumenen Schranke, dem stattlichen, welcher mit Leinwand
Hausgesponnenen Garns und zarterer Webe des Auslands,
Voll von unten bis oben gedrängt war; diesem enthob sie
Feinere Laken und Bühren, die glatt von der Mangel und schneeweiß
Schimmerten, wählte mit ernstem Bedacht, und sprach vor sich selber.
Hierauf stieg sie empor zur düsteren Kammer voll Hausraths,
Die dort unter dem Namen der Polterkammer berühmt ist;
Dann, nachdem sie den Schlüssel gewählt im Gebunde der Wirthschaft,
Oeffnete sie vorschauend und trat vor die eichene Lade,
Die, von den Ahnen geerbt, mit altertümlichem Schnitzwerk
Prangete, groß und geräumig, erlesener Betten Behältniß.
Vorn, da dem Schlosse das Licht annahete, zeigte sich Jakob
Hell, wie er Rahel umarmte, die Schäferin, und wie die Männer
Stauneten; neben dem Born, in des schattigen Baumes Umwölbung,
Stand ein Lamm auf dem Stein, und es drängte sich trinkend die Heerde.
Auf nun schloß sie die Lad' und enthob das köstliche Bettzeug,
Lange gespart für die Braut, das die Magd mit Bewunderung ansah;
Untergebett und Pfühle, gestopft mit lebenden Federn;
Auch feinbarchene Kissen mit Schwanflaum; dann auch die Decke,
Die von elastischen Dunen des polannistenden Eiders
Lustig empor aus der Enge sich blähete. Aber Susanna
Reichte das Licht, und trug die schwellenden Betten geschäftig
Hin zur Kammer der Braut; ihr folgete leuchtend die Mutter.

Als nun weich und sauber das Hochzeitsbette geschmückt war,
Unter dem Bogengestell mit purpurseidenem Umhang,
Und zwei trauliche Kissen sich lilienweiß an einander
Dehneten, lilienweiß auch die luftige Decke emporschwoll;
Jetzo brachte Mama den stattlichen Bräutigamsschlafrock,
Fein von Kattun, kleeroth, mit farbigen Blumen gesprenkelt;
Brachte von Saffian dann hochzeitliche grüne Pantoffeln,
Jedem ein Paar, und stellte die prunkenden neben einander;
Bracht' auch Haub' und Leibchen mit rosenfarbenen Bändern;
Brachte die Mütze sodann, die batistene, welche, mit rothem,
Flammig gekräuseltem Band und dem Quast von Kanten gezieret,
Urgroßväterlich strotzt'; und das Mütterchen lachte behaglich.
Jetzt mit trockenem Tone befahl sie der treuen Susanna:

Flugs die Karaffe mit Wasser gefüllt und die mächtige Buttel,
Daß vor dem Schlaf sich völlig der Bräutigam kühle vom Bischof.
Zünd' auch ein Paar Wachslichter ihm an. Ihm zu dämpfen die Unruh,
Will ich die Pfeif' herlegen und was sonst wünschet ein Raucher;
Auch zur Belustigung noch dies Buch von Garten- und Baumzucht,
Aufgeklappt, das der Vater dem Eidam schenkte zum Hausbuch.

Ihr antwortete drauf die gefällige, treue Susanna:
Frau, das nimmt er für Spaß; mir wenigstens dünket es seltsam!
Muß denn ein geistlicher Herr rastlos kopfbrechen und grübeln?
Weg mir! Lieber ein Mann, der brav arbeitet, und brav dann
Ausruht, und sich erquickt, und der Frau was Tröstliches vorsagt!

Ernsthaft sagte darauf die gute, verständige Hausfrau:
Thue das Deinige flink, und laß ankommen, was ankommt.
Nicht nur weltliche Herrn, auch geistliche lieben das Ausruhen.

Also Mama; da merkte die Magd, und rasch mit Gelächter
Ging sie die Treppe hinab, zu beschleunigen Wasser und Leuchtung.
Still nun dachte die Mutter des schicksalkeimenden Abends,
Da ihr eigener Nam' hinschwand in den Namen des Mannes,
Voll wehmüthiger Freud'; und dem Töchterchen Segen erflehend,
Ging sie die Treppe hinab und kam zu der lieben Gesellschaft.
Stracks mit lächelndem Munde zum Bräutigam trat sie, der singend
Stand am Klavier mit der Braut und Amalia; bald da das Chorlied
Endigte, legte sie ihm sanftklopfend die Hand auf die Achsel,
Und wie er halb das Gesicht umwendete, sagte sie flüsternd:

Jetzt, mein Sohn, nach Belieben; das Brautbett haben wir fertig.
Also Mama; und beide gehörlos thaten die Jungfraun.
Aber mit Nichten verdroß es den Bräutigam; froh in Bestürzung
Drückt' er die Hand der lieben Mama, und sie küßten sich herzhaft.
Schnell zu dem Pfarrer begann die biederherzige Gräfin:

Vater, sie halten da Rath um das Töchterchen! Wo du mir durchgehst
Kleine Luis'! Erst knixt man herum und wünscht der Gesellschaft
Gute Nacht, freimüthig, und nicht so bang' und erröthend.
Halte sie fest am Aermel, Amalia! Morgen gehört sie
Euch Jungfrauen nicht mehr, nein, uns großherzigen Weibern;
Denn aus der Jungfrau Blum ist flugs Frau Walter gezeitigt,
Hochehrwürdige Gattin des geistlichen Herren in Seldorf!
Ausgespielt dann hat mit Amalia meine Luise!
Wenige Strahlen annoch jungfräulicher Lustigkeit flimmern
Matt von dem Hochzeitstanz in die Flitterwoche hinüber;
Bald wird weder gehüpft noch gelacht; bald schreiten wir ehrbar
Nach hausfraulicher Art; bald wird vom bedauernden Eh'mann
Heimlich die Wiege bestellt; bald singen wir: Eyo Popeyo!
Seht, wie das schelmische Bräutchen da hohnlacht unter dem Kränzlein,
Nieder die Augen gesenkt! Was? Unholdselige Pathin,
Trotzest du, weil jetzt eben im Dorf mit dem Horne der Wächter
Zwölf abruft und der Wagen am Thor schon mahnet zum Aufbruch?

Ihr antwortete drauf die rosenwangige Jungfrau:
Was mir unter den Frauen bevorsteht morgen und künftig,
Soll mich fürwahr nicht schrecken! Getrost mit fröhlichem Leichtsinn
Hüpf' ich hindurch und liebe dereinst auch Scherze mit Jungfraun,
So wie es mir anerbte Mama und die gnädige Pathin.

Also Luis', und zärtlich umschlang ihr den Nacken die Mutter,
Küßt' ihr holdes Gesicht und hielt in den Armen sie sprachlos.
Hierauf redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

Hurtig noch Eins! Vollauf bis zum obersten Rande die Gläser!
Hoch dann lebe die Braut und der Bräutigam! Alle geklingt mir!
Alle mit voller Musik! daß nicht in der bräutlichen Kammer
Hämisch ein Nachtkobold sie beleidige, oder Asmodi!

Sprach's, und winkte zur Seite den Bräutigam; dieser verstand ihn.
Aber da rings die Kristalle mit hellem Gekling' zu einander
Klingelten, rings in den Klang machtvoll aufjauchzender Glückwunsch:
Hoch, hoch lebe die Braut und der Bräutigam! laut wie Triumphton
Tönte; da Geig' und Trompet' und Horn und der polternde Brummbaß
Wild mit betäubendem Hall einschmetterten: rasch in dem Aufruhr
Flog mit der Braut aus der Thüre der Bräutigam; lautes Gelächter
Schallte den Fliehenden nach, und Händeklatschen und Jubeln.


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