Johann Heinrich Voß
Luise
Johann Heinrich Voß

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Dritte Idylle.

Die Vermählung.

Erster Gesang.

                      Wer den redlichen Pfarrer von Grünau neulich besucht hat,
Kennt die geräumig Stube, die gastliche, wo man umherschaut
Ueber den Garten zum See. Unlängst ein verrufener Saal noch,
Den ein großer Kamin und lockere Thüren mit Zugluft
Kälteten, dumpfige Schränk' in der Wand und ein tönernes Estrich,
Ach rundscheibige Fenster, dem Wind' ein gemächlicher Durchgang,
Blind vor Alter und Rauch, voll farbiger Wappen der Vorzeit,
Welche dem jungen Gebäude verehrt treuherzige Nachbarn,
Jeder ein Fach mit eignem Pitschier und Namen und Jahrzahl.
Aber des Greises Gesuch' und Ermahnungen rührten das Kirchspiel
Endlich, da viel Beisteuer die gnädige Gräfin bewilligt.
Nun ward freundlich die Stube zu edlerer Gäste Bewirthung,
Ward mit Tapeten umklebt, mit wärmendem Boden getäfelt,
Auch mit stattlichem Ofen geschmückt und englischen Fenstern,
Klar in den Garten zu schaun und des See's Waldufer und Insel.
Wer ihn jetzo besucht, dem zeiget er gerne die Aussicht,
Bietend ein klein Fernrohr, zu erspähn auch den stäubenden Fahrweg,
Zeiget, wie schön das Gemach, wie bequem sei, schätzet des Baues
Kosten und rühmt die Gemein' und der Kirche geschworene Pfleger.
Hier sind festliche Stühle gereiht und ein schwellender Sofa;
Hier goldrahmiger Spiegel und schöngeäderter Theetisch;
Auch ein neues Klavier, das laut in den vollen Choral hallt,
Vom schleswigischen Meister gefertiget. Rings an den Wänden
Hangen die Bilder umher der Familie, jedes in alter
Feierlichkeit: Großväter mit aufgeschlagener Bibel,
Und in der Ahninnen Hand ein Röselein oder ein Pfirsich.

Hier, von der herbstlichen Flur voll schimmernden Mettengewebes
Eingekehrt, saß traulich am Thee die gnädige Gräfin,
Und die gepriesene Tochter Amalia, Karl und der Jüngling,
Welcher an Walters Statt ihn lehrete. Lange belustigt
Sah'n sie der Sprehen Gewölk schwarz herziehn, die von dem Seeschilf
Bald mit Geschrei aufrauschend sich dreheten unter dem Himmel,
Bald in das Schilf abrauschten zur Nachtruh. Jetzo geöffnet,
Lockte das helle Klavier; denn der Bräutigam sang in der Saiten
Bebenden Ton, o Schulz, die Begeisterung deines Gesanges.
Oft auch sangen Luis' und Amalia froh mit einander,
Oft auch allein; dann wieder im völligen Chor mit den beiden
Jünglingen; aber den Baß, wo es Kraft galt, stärkte der Vater.
Siehe da kam aus der Küche zurück die verständige Hausfrau,
Nahete leis und begann zu Amalia, klopfend die Schultern:

Buch zu! Lerne die Jugend; man guckt sich blind in der Dämmrung,
Und noch lange bedarf sie der Aeugelein. Reiche den Fruchtkorb
Meine Luis', und schäle mit silbernem Messer zum Anbiß.
Kost' Amalia doch den gesprenkelten Gravensteiner,
Welchen sie liebt; auch scheinet die Bergamott' unverächtlich
Und die französische Birne, die weiße sowohl wie die graue.
Heuer gedieh'n Aprikosen und Pfirsiche groß und gewürzhaft
Und mit süßerem Kern Wallnuß und röthliche Bartnuß.
Selbst die erschmeichelte Traub' ist nordischen Gaumen genießbar,
Die mein schlauer Gemahl windfrei an der sonnigen Scheunwand
Pflegt, wenn heut auch grämlich der pfälzische Herr das Gesicht zog.
Karl, die ungarische Pflaum' hat Anseh'n; aber die Zwetsch' ist
Honiggelb inwendig und süß auf der Zunge wie Honig.
Lose vom Stein und am Stengel gerunzelte wählen, ist Regel,
Auch abwischen den Duft; mein Hans hat sie eben geschüttelt.
Töchterchen, schaff uns Licht und den grünen Schirm für die Gräfin,
Hoffentlich gönnen Sie uns die Gesellschaft auf ein geringes
Butterbrot; denn ein Schelm giebt Besseres als er im Haus' hat.

Liebreich sagte darauf die biederherzige Gräfin:
Selbst schon wollten wir uns freundnachbarlich melden auf Landkost,
Butter und Brot, auch etwan ein Ei, was immer im Haus' ist,
Und ein vergnügtes Gespräch, was auch hier immer zu Haus' ist.

Jetzo redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Mutter, man täuscht sich leicht mit Erwartungen; rede die Wahrheit.
Butterbrot will sagen ein Paar Krammetsvögel und Drosseln,
Etwa mit Apfelmus; nach dem Sprichwort muß es dabei sein.
Ferner klatscht in den Zuber ein schwärzliches Ding wie ein Sandart,
Oder auch zween, wie mir däuchte; doch das ist bloße Vermuthung.
Aber für Karl wird kommen ein irdener Napf mit Kartoffeln,
Klar wie Krystall, in der Hüls', an Geschmack Kastanien ähnlich,
Aus holländischer Saat. Auch ein Marschkäs' ohne Vergleichung
Ladet den Durst. Dann plötzlich erfreut uns der purpurne Kohlkopf,
Unser Genoß, zur Ehre des Priesterthumes mit Bischof
Angefüllt. O wie kommt's? Mir ist heut' so wohl und behaglich
Als wenn man irgend was Gutes gethan hat, oder auch thun will.

So der gemüthliche Greis, und verschob das sammtene Käppchen,
Welches die Glatz' ihm hüllt' in des heiligen Amtes Verwaltung,
Wann er im silbernen Haar dir glich, mildredender Spener.
Zwar die Gräfin begehrt' und Amalia, töchterlich schmeichelnd,
Daß er die wärmende Mütz' aufsetzt als Vater des Hauses,
Und sich den Festschlafrock anlegete; doch er versagt' es.

Aber Luise vernahm nicht unwillfährig den Auftrag,
Froh der geladenen Gäste; den Korb und das silberne Messer
Schob sie Amalien hin und gebieterisch sagte sie also:

Nimm und schäle derweil, Amalia, Birnen und Aepfel;
Lös' auch müssen die Haut und nöthige. Walter besonders
Liebt das Nöthigen. Rasch! Wer schmausen will, lege mit Hand an!

Also Luis', und enteilte zum Schrank in der täglichen Stube,
Nahm die silbernen Leuchter und fügt' auf jeden ein Wachslicht,
Welche die häusliche Frau vornehmeren Gästen nur anbot,
Etwa dem Probst beim Kirchenbesuch und der gnädigen Gräfin,
Auch wann das Hochzeitsfest sie erfreuete und der Geburtstag.
Diese nahm sie heraus und stählerne Schnäuzen mit Federn,
Eilete dann in die Küch' und sprach zu der treuen Susanna:

Zünde die Lichter mir an und trage sie, liebe Susanna,
Flugs in die Stub', auch bringe den Schirm für die gnädige Gräfin.
Ich nun steig' in den Keller hinab und hole zum Bischof
Rothwein und Pomeranzen; du sorgst für den purpurnen Kohlkopf.
Zucker steht in der Kammer genug und das Uebrige weißt du.

Ihr antwortete drauf die gefällige, treue Susanna:
Gleich, mein Jüngferchen, gleich! Nur erst die reinliche Schürze
Bind' ich vor; sonst könnte mich leicht auslachen die Herrschaft.

Aber die rasche Luis', umglänzt vom eisernen Leuchter,
Stieg in das Kellergewölbe, das trockene, welches, im Sommer
Kalt und laulich im Frost, einschloß den unendlichen Vorrath.
Als sie dem Sande den Wein und dem Bord' enthoben die Goldfrucht
Und nun wieder die Stufen emporstieg, summend ein Liedlein,
Jetzo hüpfte die Freundin Amalia hinter Susanna
Schnell aus der Thür' und begann zu der rosenwangigen Jungfrau:

Komm' ein Wenig hinauf in das Kämmerlein. Dir ja geziemt nicht,
Uns in der Küche das Mahl zu beschleunigen, gute Luise!
Schau, wie die Sichel des Mondes, die blank hinschwebet wie Silber,
Grad' in die Fenster dir blinkt; hold ist ein Geplauder im Mondschein.
Dort nun halten sie Rath, die verödeten Gärten in Seldorf
Anzubaun, wie des edlen Alkinoos fruchtbare Gärten:
Obstbäum' ordnet der Vater, es legt dickschossende Spargel
Meine Mama. Tritt leise; der Bräutigam möchte dir nachgehn.

Jene sprach's; da reichte die Braut der treuen Susanna,
Das sie trug, in die Händ' und ermahnete. Jetzo der Freundin
Folgte sie, leis' auftretend, und schalt die knarrenden Stufen.
Als sie nunmehr eingingen zur traulichen Kammer im Mondschein,
Hand in Hand, wo sie oft des gemeinsamen Werks sich gefreuet
Oder des geistigen Buchs und des stilleren Mädchengespräches,
Jetzo sagte Luis', gewandt zu der trauten Gespielin:

Setze dich hier in den Sessel, Amalia, wo ich so manchmal
Neben dir saß. Viel Freud', auch etwas Sorge mitunter,
Theileten wir. Bald trennet die bittere Stunde des Abschieds!

Also sprach wehmüthig die Braut und drückte die Hand ihr
Innig und zog sie heran. Doch Amalia, sanft sich entwindend,
Trat seitwärts an das Fenster und schauete starr zu dem Mond auf
Und dem Gewölk, das flüchtig mit wechselndem Glanz ihm vorüber
Wallete, jetzt ihn enthüllt' und dunkeler jetzo dahinzog;
Dann wie im Hofe der Wind buntfarbiges Laub von den Bäumen
Wirbelte, wogt' und zerstreute mit schauerlichem Gerassel.
Sinnend stand sie und schwieg, da, beglänzt von dem Monde, das Thränlein
Ihr auf die rosige Wang' hinzitterte. Aber sie hielt sich,
Wandt' ihr Gesicht in's Dunkel zurück und sagte mit Leichtsinn:

Rede, wie Bräuten geziemt, was Fröhliches, nicht von dem Abschied,
Trautes Kind; und zumal am heiligen Polterabend,
Da schon Kammer und Bette zur Hochzeitsfeier geschmückt ist.
Schad' um die kleine Luise! Das jugendlich hüpfende Mägdlein
Wird Hausmütterchen schon, ehrbar und dem Manne gehorsam!
Männer küssen nicht mehr mit Bescheidenheit oder erröthend;
Herrisch umarmt sein Weib der Gemahl und zerküsset ihr herrisch,
Oft mit stechendem Kusse, die Wängelein, wann es ihm einfällt,
Alles nach ehlicher Pflicht! Und zuletzt noch, o der Verruchtheit!
Muß sie als Amm' ihm dienen und Wärterin! Aber warum doch
Bogst du den Nacken in's Joch so bändiges Sinns, da du schön bist?

Ehrbar gab ihr Luise mit drohendem Finger die Antwort:
Spötterin, nicht so getrotzt! Dir glühn die schelmischen Aeuglein
Nicht umsonst, und ich fühle, wie warm hier unter dem Schleier
Wallt dein jugendlich Herz. Ein Jüngferchen sträubet sich minder
Und ein anderes mehr; doch folgen sie Alle nicht ungern.
Warum hülfe man doch so emsiglich gegen die Hochzeit
Bräutlichen Schmuck für die Freundin zu fertigen oder das Kränzlein,
Bald mit leisem Gesang' und Seufzerchen, bald mit Gelächter?
Aber du mußt doch sehen, wie unsere schöne Besetzung
Von natürlichem Moos und taftenen Purpurrosen
Auf hellschimmerndem Atlas sich ausnimmt. Heut in der Frühe
Hab' ich geheim vollendet, indeß am behaglichen Theetisch
Mir der Papa mit Gespräch abhielt den störenden Walter.

Also Luis', und langte das milchweiß schimmernde Brautkleid
Aus der Kommod', und zeigt' es am matteren Strahle des Mondes.
Lange besah es entfaltend Amalia; jetzo begann sie:

Kind, ich beneide die Pracht! Nun danke du meiner Erfindung,
Bräutlichen Schmuck für die Freundin zu fertigen! Selber das Kränzlein
Möcht' ich sogleich dir binden, mit Seufzerchen oder Gelächter.
Komm, wir müssen doch sehn, wie es aussieht, wenn der Papa dich
Morgen bei uns antraut, in dem stattlichen Ehrengewande.
Probe verlangt so ein Ding, eh' öffentlich meistre der Vorwitz.
Probe verlangt ja Musik, Schauspiel und geschlungener Reihntanz;
Prob' an dem Spiegel verlangt des Neulinges festliche Predigt.
Nicht denn wag' ungeprobt zu vertraun hochzeitlichen Anzug
Gaffenden Augen der Welt, wo Fraun urtheilen und Jungfraun!

Lächelnd erwiederte draus die rosenwangige Jungfrau:

Was du für Tand aussinnst, Muthwillige! Soll ich zuletzt noch
Mädchenhaft mit meiner Amalia spielen und albern?
Sei's! Nie werd' ich fürwahr altklug ablassen von Thorheit,
Stets als Frau und Matrone dem Spiel willkommen der Mägdlein.
Riegele zu; sonst möcht' unerwünscht eintreten der Walter.

Also sprach sie und nahm mit behaglicher Lache den Sessel,
Welchen Amalia bot, und legte den zierlichen Filzhut,
Den weichwolligen, weißen, mit bräunlicher Flocke gerändet.
Aber die Jugendgespielin Amalia löste die Nadel
Ihrem Kastanienhaar, das voll in glänzenden Ringeln
Ueber die Schultern sich goß, unentstellt vom Staube des Mehles;
Stand brautjüngferlich nun und schlichtete sanft ihr die Locken
Mit weitzahnigem Kamme von Schildpatt, froh des Geringels;
Ordnete dann und flocht, nach der Weis' hellenischer Jungfraun,
So wie Praxiteles einst und Phidias Mädchen des Himmels
Bildeten, oder sich selber die Mus' Angelika malet:
Also schuf sie das lockre Geflecht, das in Wellen sich blähend
Mit nachlässiger Schwingung zurück auf die Scheitel gerollt war.
Aber den Liliennacken umspielt' ein zartes Gekräusel,
Als wie entflohn; und vorn, um Hals und Schulter sich windend,
Schlängelten ihr zwei Locken hinab auf den wallenden Busen.
Jetzo brach sie Gesproß von der Myrthenstaud' an dem Fenster,
Welche das halbe Gesims umschattete, fröhliches Wuchses,
Band in Ründe das Laub und kränzt dich, edle der Jungfraun,
Würdig sie selber des Kranzes, dich würdige! Sanft umschlang ihn
Welliges Haar ringsum, es verbarg ihn hinten der Aufbund.
Als nun schön hergrünte der Kranz aus schöner Umlockung,
Neigte sich hold die Gespielin und sprach zu der rosigen Jungfrau:

Bräutchen, das Haupt ist geschmückt wie den Chariten und wie der Hebe,
Wann sie den Lenzreihn tanzen im paphischen Haine der Kypris.
Jetzt mit dem schönen Gewand umhülle dich. Aber zum Brautschmuck
Ständen ein feineres Hemd und seidene Strümpfe nicht unrecht.

Nickend erwiederte drauf das rosenwangige Mägdlein:
Großen Dank! Mein Hemd, wie es ansteht wackeren Jungfraun,
Trag' ich vom Ausbund immer der selbstgesponnenen Leinwand!
Schaue nur hier am Halse, wie fein und wie stattlich mit zartem
Musseline gefaßt! Wozu denn das saubere Spinnrad,
Welches Papa mir geschenkt, feinhaarige Flocken zu spinne,
Während er liest im Gesurr am heimlichen Winterabend
Oder Geschichten erzählt? Dein Scherz mit den seidenen Strümpfen
Ginge noch wol, wenn dir's, Brantjüngferchen, also gelüstet.

Sprach's und langte die Strümpf' und die festlichen Schuhe von Atlas,
Wandte sich weg und streifte der Baumwoll' helles Gewirk ab,
Hüllete flugs in die Seide die zartgeründeten Füßchen,
Sittsam, nahete dann; und die Silberblumen im Mondschein
Flimmerten. Rasch nun warf sie das tuchene Kleid von der Schulter,
Fein und olivengrün, von stählernen Knöpfen umblinket,
Ueber die Lehne des Stuhls und nahm aus den Händen der Freundin
Ihr hochzeitlich Gewand, mit Moos umbordet und Rosen,
Welches den lieblichen Wuchs nachahmete, zierlich gefaltet,

Nicht mit der gaukelnden Mod' unförmigem Wulst um die Hüften
Aufschwoll. Eilig, bedient von Amalia, schlüpfte die Jungfrau
In das Gewand; hin floß zu den Fersen der rieselnde Atlas,
Hell vom Monde beglänzt, und sie schnürete fest um den Busen,
Welcher, des Zwangs unwillig, sich hob voll üppiger Jugend;
Doch wie ein fließender Duft umhüllt' ihn der florene Schleier.
So in der Mainacht oft um die silberne Scheibe des Mondes
Schwebt ein dünnes Gewölk, den äußeren Rand nur enthüllend,
Wann im Nachtigallhain Lustwandeler stehn und emporschaun.
Aber Amalia brach von der Sinarose des Fensters
Einen belaubeten Sproß, der zwei halb offene Blümlein
Trug mit Knospen umher, und fügt' an den Busen der Braut ihn;
Schloß sie dann in die Arme mit Inbrunst, also beginnend:

Du holdseliges Mädchen! Wie schlank und erhabenes Wuchses
Wandelt sie, anmuthsvoll, als schwebte sie! Und o wie lieblich
Lacht dies Engelsgesicht, und die Rosenwange voll Unschuld,
Und dies glänzende Blau der Aeugelein! Willst du mich ansehn?
Komm und schau in den Spiegel und schäme dich, daß du so schön bist!
Trauteste, nimm das Geschenk, noch warm vom Busen der Freundin,
Zum Andenken von mir: mein Nam' aus eigenem Haar ist
Vorne geschränkt und hinten die schöngeflochtene Locke,
Daß du, den Schmuck anlegend, auch fern dich meiner erinnerst.

Sprach's und band um den Nacken das köstliche Busengehenk ihr,
Welches, den goldenen Bord eirund mit Perlen umringet,
Barg in geschliffnem Kristalle das Haar und den Namen der Freundin.
Beid' umarmten einander die zwei gleichherzigen Jungfraun
Heftig mit langem Kuß und gelobeten ewige Freundschaft;
Heiß vordringende Zähren vermischten sich. Aber mit einmal
Klopfte der Bräutigam an, und aufzuschließen versuchend,
Rüttelt' er. Dort war im Sprung' Amalia lachend und hastig
Schob sie den Riegel zurück, und der Bräutigam trat in dir Kammer.
Sie nun faßte die Braut, die bebend stand und erröthend,
Wild an der Hand und stellte sie dar dem erstaunenden Jüngling.
Jetzo begann, sich neigend, Amalia, fröhliches Muthes:

Bräutigam, so wird morgen Luis' aussehen im Brautschmuck.
Macht' ich es recht? Aufmerksam geschaut, ob das Mädchen auch schön ist!

Jene sprach's, doch es staunte der Bräutigam stumm und sprachlos.
So wie ein ländlicher Mann, dem das Herz mit süßer Entzückung
Menschlichkeit nährt' und Natur und der Kunst nachbildender Zauber,
Schauet den Apfelbaum in zuerst vollblühender Schönheit,
Ihn, den er selber gepflanzt an der Lieblingsstelle des Gartens;
Längst schon täglich besah er den knospenden; plötzlich entrief ihn
Fern zur Stadt ein Geschäft; doch den heimgekehrten Vollender
Führt sein Weib in den Garten und zeigt den erblüheten Fruchtbaum,
Der voll röthlicher Sträuße, beglänzt vom Golde des Abends,
Dasteht, schauernd im West, und mit lieblichem Duft ihn anweht;
Staunend betrachtet er lang', und umarmt die liebende Gattin:
Also staunt' auch der Jüngling, wie reizvoll blühte das Mägdlein,
Bräutlich geschmückt; es empört' ihm das Herz bangathmende Wollust.
Aber die Arm' ausbreitend mit Innigkeit, sank ihm die Jungfrau
Schnell an die Brust, und die Seelen der Liebenden flossen, von Himmels-
Wonne berauscht, im langen und bebenden Kuß in einander.
Endlich begann die schöne Luis', aufschauend zum Jüngling:

Aber du hast mich doch lieb, mein Bräutigam? Steht mir der Anzug
Gut? Und bin ich dir hübsch? Die Amalia hat mich verleitet!

Also die Braut, und am Busen des Jünglinges barg sie das Antlitz
Hold verschämt; da begann mit herzlichem Laute der Jüngling:

Schön ist meine Luis' und hehr wie ein Engel des Himmels
Und wie ein Kind unschuldig, von Gott und Menschen geliebet!
Wende den schmachtenden Blick, Holdselige! Oder ich küsse
Dir die Aeugelein zu, die ganz mir die Seele bezaubern!
O, du mein auf ewig! Nur wenige Stunden, und ewig
Sind wir vereint; und der Segen des redlichsten unter den Vätern
Folgt uns nach und der Segen der redlichsten unter den Müttern!
Aber o komm' doch hinab, du süßeste Braut! Dein liebes
Väterchen muß sich ja freu'n, und Mütterchen, daß du so schön bist!

Also rief er bewegt und ahnete nicht, was bevorstand.
Schnell dann faßt' er am Arm und führte sie, welche vergebens
Schutz von Amalia flehte, mit sanfter Gewalt aus der Kammer.
Als nun fröhlich der Zug auf die Treppe hinab von dem Vorsaal
Polterte, weil halb gern, halb ungern folgte das Bräutlein,
Eilt' aus der Küche Mama, zu erkundigen, was für Getümmel.
Voll Verwunderung rief sie, die gute, verständige Hausfrau:

Was, Muthwillige, treibt ihr des Unfugs? Lärmen die Dinger
Und juchheien sie nicht, wie die Vögelein, wann sie im Frühling
Nester bau'n? Nur Geduld! Man kommt aus dem muthigen Kränzlein
Unter die Haube, mein Kind; dann sitzt man ruhig und brütet!
Geht nun sinnig hinein, ihr Albernen, daß sich der Vater
Freu', und die gnädige Gräfin, wie schmuck mein Töchterchen aussieht
Unter dem Ehrenkranz! Mir selbst ja hüpfet das Herz auch
Mütterlich, so zu schauen das Töchterchen morgen am Trautisch!

Ihr antwortete drauf die rosenwangige Tochter:
Schilt die Amalia doch, die Verführerin! Mutter, sie taugt nicht!

Sprach's und schob sie hinweg; da rief die verständige Hausfrau:
Eine so schlimm wie die andre; der Topf ist würdig des Deckels!
Will denn die Braut eintreten? Der Bräutigam führe sie ehrbar!

Also Mama, und drehte den Griff von blinkendem Messing,
Ließ sie zur offenen Stube eingeh'n und folgete selber.
Rasch aus der leitenden Hand des Jünglinges wand sich die Jungfrau,
Hüpfte hinan und schlang die gebreiteten Arme dem Vater
Fest um den Hals und küßte den Mund und küßte die Wang' ihm,
Auch die Stirn', und ruhte mit unaussprechlicher Regung,
Heiß die Wang' und bethränt, an der Wange des staunenden Greises.
Sprachlos drückte der Greis an das klopfende Herz sein liebes
Töchterchen, lang' in dem Sturm wehmüthiger Wonne sie haltend;
Endlich kam ihm das Wort, und er stammelte voller Entzückung:

Gottes Segen mit dir, holdseliges, allerliebstes
Töchterchen! Segen die Füll' auf Erd' und droben im Himmel!
Ich bin jung gewesen und alt geworden; doch niemals
Hab' ich geseh'n ungesegnet des Redlichen redliche Kinder.
Mancherlei Freude verlieh mir der Herr und mancherlei Trübsal
Im abwechselnden Leben, und Dank ihm sagt' ich für Beides.
Gern nun will ich das Haupt, dies grauende, hin zu den Vätern
Legen in's Grab; denn glücklich, getrennt auch, bleibt mir die Tochter,
Weil sie erkannt, daß Gott, wie der Kindelein pfleget ein Vater,
Oft durch Freud' uns segnet und oft uns segnet durch Trübsal.
Wunderbar wallt mir das Herz beim Anblick einer geschmückten
Jungen Braut, wie sie ganz arglos, in kindlicher Einfalt,
Hüpfend den Schicksalspfad an des Bräutigams Arme beginnet:
Alles zu tragen gefaßt in Einigkeit, was auch bevorsteht,
Ihm teilnehmend die Lust zu erhöh'n, zu erleichtern die Unlust,
Und, will's Gott, von der Stirne den letzten Schweiß ihm zu trocknen.
Ebenso wallete mir's von Ahnungen, als nach der Hochzeit
Ich mein jugendlich Weib heimführete. Freudig und ernstvoll
Zeigt' ich ihr am Moore die Grenzstein' unserer Dorfmark,
Bald durch offene Holzung das Schloß und den steigenden Kirchthurm,
Jetzt an der grünenden Aue die Wohnungen, jetzo das Pfarrhaus,
Wo uns Beiden so Manches bevorstand, Heitres und Trübes.
Du, mein einziges Kind! Denn in Wehmuth denk' ich der andern,
Wann mein Gang zu der Kirch' am blumigen Grabe vorbeigeht!
Bald, du Einzige, wirst du auf jenem Wege dahinzieh'n,
Welchen ich kam; bald steht mir des Töchterchens Kammer verödet,
Leer des Töchterchens Stelle beim Tisch, leer, wo sie gesellt mir
Saß am stillen Geschäft; ich Einsamer horche vergebens
Ihrer Stimm' in der Fern' und ihrem kommenden Fußtritt.
Wenn du, folgend dem Mann, auf jenem Wege dahinziehst,
Schmerzvoll werd' ich und lange mit thränendem Auge dir nachseh'n;
Denn ich bin Mensch und Vater und habe das Töchterchen herzlich,
Herzlich lieb! und mich liebt mein Töchterchen eben so herzlich!
Aber ich werde getrost mein Haupt aufheben zum Himmel,
Schnell mir trocknen das Aug' und fest die Hände gefaltet
Mich im Gebete vor Gott demüthigen, der, wie der trauten
Kindlein pfleget ein Vater, durch Freud' uns segnet und Trübsal.
Sein ist auch das Gebot, des Liebenden: »Vater und Mutter
»Soll verlassen der Mensch, daß Mann und Weib sich vereinen.«
Geh' denn, Tochter, in Frieden; vergiß dein Geschlecht und des Vaters
Wohnungen; geh' an der Hand des Jünglinges, welcher von nun an
Vater und Mutter dir ist! Sei ihm ein fruchtbarer Weinstock
Um sein Haus, und die Kinder um eueren Tisch wie des Oelbaums
Sprößlinge! So wird gesegnet, wer Gott anhänget in Ehrfurcht!
Wohl dir, redet der Herr, du wirst dich nähren der Arbeit!
All dein Schaffen gedeiht, du Gesegneter! Lieblich und schön sein
Ist nichts; aber ein Weib, das Gott anhänget in Ehrfurcht,
Das hat Ruhm von den Früchten der Hand, das loben die Werke.
Früh aufsitzen und spät, ist eitele Sorg'; in dem Schlaf auch
Giebt's den Seinigen Gott. Denn bauet der Herr das Haus nicht,
Dann arbeiten umsonst die Bauenden! . . Mutter, was sagst du?
Soll ich sie trau'n? Nicht besser ja ist der morgende Tag uns!

Also der Greis; laut weinte, die Händ' auffaltend, die Mutter;
Laut auch weinte Luis' und barg an dem Vater das Antlitz;
Auch der Bräutigam weint', es weint' Amalia seitwärts,
Selbst die alternde Gräfin bezwang nicht länger die Thräne,
Eingedenk des guten Gemahls und wie viel sie erduldet,
Seit sie Wittwe mit zween unberathenen Waisen zurückblieb.
Endlich begann aufschluchzend die gute, verständig Hausfrau:

Traue sie, Mann, im Namen des liebreich waltenden Vaters!
Sichtbar ordnet er heute die Segensstunde den Kindern!

Also die Frau; da erhub sich der würdige Prediger Gottes
Feierlich, hieß die Braut, wie sie bebend stand und erröthend,
Ihm zur Rechten sich stellen, und links den staunenden Jüngling,
Wandte sich drauf zu dem Jüngling und sprach mit kräftiger Stimme:

Lieber Sohn, ich frage vor Gott und dieser Versammlung.
Wählt Er mit ernstem Bedacht zur eh'lichen Gattin dir Jungfrau
Anna Luise Blum? Verspricht Er, als christlicher Eh'mann
Freude mit ihr und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,
Und sie nicht zu verlassen, bis Gott euch väterlich scheidet,
Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig?

Also der Greis, und »Ja!« antwortete freudig der Jüngling.
D'rauf zu der blühenden Braut, die annoch ihr thränendes Antlitz
Trocknete, wandt' er die Red' und sprach mit kräftiger Stimme:

Tochter, ich frage dich auch vor Gott und dieser Versammlung.
Wählst du mit ernstem Bedacht zum eh'lichen Gatten den Pfarrherrn
Arnold Ludewig Walter? Versprichst du, als christliches Eheweib
Freude mit ihm und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,
Und ihn nicht zu verlassen, bis Gott euch väterlich scheidet,
Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig?

Also der Greis, und »Ja!« antwortete leise die Jungfrau.
Weiter redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

Gebt euch, Kinder, die Hand; die gewechselten Ringe der Treue
Habt ihr Beide gefügt als theueres Pfand der Verlobung.

Jener sprach's und legt' auf des Jünglings Hand und der Jungfrau
Seine bebende Hand, und sprach mit kräftiger Stimme:

Kinder, ich segne nunmehr als Diener des göttlichen Wortes
Und als Vater zugleich, voll Inbrunst segn' ich mit allem
Ueberschwenglichen Segen des allbarmherzigen Gottes
Eueren eh'lichen Bund! Euch hat der Vater im Himmel
Beide zusammengefügt; kein Mensch mag fürder euch scheiden.
Segn' und behüt' euch der Herr! Der Herr erleuchte sein Antlitz
Gnädig euch! Es erhebe der Herr sein Antlitz und geb' euch
Seinen Frieden allhier und dort in Ewigkeit! Amen.

Also rief er, und schloß die verwirrete Braut und den Jüngling
Beid' in die Arme zugleich, sein Herz voll stürmischer Wehmuth,
Hielt sie lange verstummt und herzte sie. Aber die Mutter
Nahete jetzt, und im Laute der innigsten Rührung begann sie:

Väterchen, hast du genug? Mir her! Sie gehören mir auch zu!
Sprach's, und riß sie dem Vater hinweg aus fester Umarmung;
Und an die Brust sie drückend mit Heftigkeit, Eins nach dem Andern,
Küßte sie Stirn' und Wangen und Mund, ausrufend den Glückwunsch:

Trauteste, mir an das Herz! Gott segne dich, trauteste Tochter!
Trautester Sohn! Gott segn' euch, der Stifter des heiligen Eh'stands!
Wachset wie Bäum' an den Bächen, und zeitiget edele Früchte;
Grün't unverwelkt, ob dörre das Jahr, ob Stürme daherweh'n.
Fröhlicher Muth hilft durch; was Fröhliche thun, das geräth wohl.
Weniges auch ist besser bei Muth, denn Vieles bei Unmuth.
Drum unbesorgt thu't Eures, und Gott, der Berather, gewähr' euch,
Was euch frommt: im Glücke genügsame Herzen und Demuth,
Trost und Geduld in der Noth, und Einigkeit! Alles versüßt ja
Uns einmüthiger Sinn, Hausfried' und die liebe Gesundheit!
Nehm' Er sie hin, mein Guter! Das Kind ist sanfter Gemüthsart,
Mein Augapfel, mein Herz, die Gefälligkeit selber und Unschuld!
Die wol Keinen gekränkt mit Vorsatz, Gott und den Menschen
Angenehm! Liebt herzlich geliebt, und erlebet gemeinsam
Elternfreude wie wir, bis spät im ruhigen Alter
Gott verhängt, daß Eines dem Andern schließe die Augen!

Sprach's, und bot ihr Kind, im rosigen Glanze der Unschuld
Jugendlich schön, zum Kusse dem überseligen Jüngling.
Glück nun wünschte die Gräfin dem Brautpaar, Glück auch den Eltern,
Innig bewegt, und umarmte die hold liebkosende Pathin;
Glück auch wünschte der Knab' einfach mit kindlichen Worten;
Auch sein liebender Lehrer entbot treuherzigen Glückwunsch.

Aber Amalia stand abwärts am Gesimse des Fensters,
Trocknend das Aug', und blickt' in die mondumdämmerte Gegend
Starr und gedankenlos, und des Grams vordringende Schauer
Zwang sie zurück, tiefathmend. Heran nun hüpfte Luise,
Faßte sie wild an der Hand und drohete, also beginnend:

Komm' doch, Glück mir zu wünschen, Amalia! Schämst du dich jetzo,
Daß du mich also belistet? Geduld! Wir sprechen uns weiter.

Also Luis', und es lacht' Amalia helles Gelächter,
Thränen im Blick; mit lachte das Mägdelein unter dem Brautkranz;
Lachend umarmten sich Beid' und ruheten so an einander,
Sprachlos; ringsher schaute verwunderungsvoll die Gesellschaft.
Laut nun redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

Werdet ihr bald auslachen, Amalia und du, Luise?
Meint ihr, es sei holdselig, so ausgelassen zu kichern?
Treffliche Mädchenkünste: Geweint und gelacht durch einander,
Recht wie die Sonn' im April! Leichtfertige, schien euch die Trauung
Wunderlich? Arme Luise, das hat dir schwerlich geahnet,
Als du den Schmuck anlegtest! Ein ander Mal scherzt mit dem Brautkranz!
Richtig getraut, das bist du, mein Töchterchen! Wollte nunmehr dich
Selbst auch der Herr Generalsuperintendent aus den Formeln,
Die dich verstrickt, loswinden, getrost antwortet' ich also:
Würdigster Herr Generalsuperintendent und Patronus,
Voll Amtstreue verharr' ich des Herrn pflichtschuldiger Diener;
Dennoch sei mir erlaubt, freimüthig und frank zu versichern,
Daß nach meinem Erachten die Kinderchen richtig getraut sind.

Also der Greis; drauf sagte die biederherzige Gräfin:
Wahrhaft soll's mein Zeugniß bekräftigen: bündig und kurz war
Unsere Trau' und gewiß kein Kundiger möchte sie tadeln.
Das wird morgen empfinden der Hochzeitsgäste Gesellschaft;
Denn aus bräutlichem Feste bei uns wird trockener Nachschmaus.

Also die Frau. Noch starrte der Bräutigam; jetzt, wie erwachend,
Faßt' er die Braut an der Hand, die schöne, vor Freud' und Bestürzung
Schwindelnde, und zu dem Greise sie rasch hinführend, begann er:

Einziger alter Papa! Wir sind unartige Kinder,
Ohne Gefühl, herzlos! Wir vergaßen den Dank für die Trauung,
Welche den Himmel auf Erden uns öffnete so unvermutet,
Daß uns Sinn und Gedank' in selige Wonne dahinschwand.
Nimm denn Lallen für Wort, du Edeler! Noch in Verwirrung
Sind wir, dem Träumenden gleich, der mit Engelsfittigen auffliegt,
Oder den langen Wunsch, den sehnlichen, jetzo vollendet
Schaut, voll banger Begierde, mit dunkeler Furcht des Erwachens.
Aber zu froherem Schauen erwachen wir! Sei'n wir so glücklich,
Als der redlichste Vater es war und die redlichste Mutter!

Jener sprach's; und sie schlangen den edelen Greis in die Arme
Fest; und er herzte die Kinder in Freud' hinschmelzend und Wehmuth;
Aber die Jungfrau klopft' ihm die Wang' und schmeichelte kindlich:

Du erzböser Papa! Dein Töchterchen so zu erschrecken!
War das Recht? Ich komme so ganz unschuldig und arglos,
Daß dein feiner Geschmack urtheil', und der gnädigen Gräfin,
Ob der Amalia Kunst mir wohl anlegte den Brautschmuck;
Und mir träumt' in der Welt nichts weniger als von der Hochzeit.
Aber mit Einmal geräth er in Zorn und eh' ich mich umseh',
Bin ich getraut! Du solltest doch Scherz verstehen, mein Vater!

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Töchterchen, laß' gut sein! Mir entfuhr in der Hitze die Unbill!
Nicht mehr thun! O so küss' und nenne mich Väterchen wieder!
Gern auch lob' ich die Kunst der Amalia, lobe den Brautschmuck,
Lobe den Kranz und darunter ein so jungfräuliches Antlitz.

So liebkoste der Greis; da begann die verständige Hausfrau:
Weit aus dem Schuß dem Papa! Denn ein Hitzkopf war er und bleibt er;
Jetzo trag' in Geduld Unwendbares. Siehe, mir selbst auch
Nahm er im Sturme das Herz, ohn' einige Zucht der Bedenkzeit.
Hüte nur unsere Gräfin ihr Kind! Wenn freundlich ein Jüngling
Kaum herblickt; er trauet das Töchterchen ihr von der Faust weg!

Dieses gesagt, ging schleunig hinaus die verständige Hausfrau,
Wählt' ein feines Gedeck in dem Schrank und sah nach der Wanduhr;
Eilete dann in die Küch' und sprach zu der treuen Susanna:

Decke den Tisch, Susanna; den Heerd indessen besorgt wol
Hedewig. Seht einmal, wie geschmückt ist unsre Susanna,
Und mein ehrlicher Hans! Auch Hedewig geht ja wie Sonntags,
Ehre der gnädigen Gräfin zu thun und dem werthesten Brautpaar.
Welch ein Putz wol morgen zum Hochzeitstanz aus der Lade
Vorkommt! Schierenes Tuch, Goldmütz' und feines Kattunkleid!
Lange den Tiegel vom Bord, und Hedewig, reiche die Butter,
Daß für den Senf sie schmelze. Der Sandart wird doch geschuppt sein?
Flink mir die festlichen Gläser gespült und das große des Vaters,
Das in helles Gekling' einbummt, wie die Glocke vom Kirchthurm.
Fülle die Schal' in der Kammer mit Sülzmilch, welche die Gräfin
Liebt, und dem silbernen Korbe das Glas mit gepulvertem Zucker.
Hast du zum Apfelmus auch Kaneel gestoßen im Mörser?
Gut, daß der Has' im Keller noch hing! Denn es wäre ja schimpflich,
Wenn wir mit Fischen allein und Vögelchen diesen Abend
Feierten und, ich schäme mich fast, mit gebrühten Kartoffeln!
Hans, nur tüchtig den Braten gedreht! Heut' Abend ist Hochzeit!

Also bestellte die Frau dort Jegliches. Aber der Hausknecht:
So wie ein Mann, der am Abend vom Feld heimkehrt in Gedanken,
Heiter des Tagewerks und die sinkende Sonne betrachtend,
Freudig erschrickt, wenn hinter dem Haselgebüsch an dem Fußsteig
Plötzlich das freundliche Weib vorspringt mit den jauchzenden Kindern,
Also erschrak auch Hans, da er plötzlich das Wort von der Hochzeit
Hörte der lieben Mamsell, die er oft auf den Armen geschaukelt.
Hastiger dreht' er den Wender und redete laut ausrufend:

Herzensfrau, was sagt Sie? Getraut ist das Jüngferchen Wirklich?
Jetzt in der Stube getraut? Das hätt' ich nimmer vermutet!
Nein, auch den Einfall eher des blaugewölbeten Himmels!
Als Sie zuvor mit der Braute hinschäkerten: Spielt nur, ihr Leutlein!
Dacht' ich bei mir einfältig: der noch gelbschnabligen Jugend
Ziemt ein weidlicher Sprung; man kälbere, weil man ein Kalb ist!
Hüpft doch im Grase das Lamm und stampft das Füllen und walzet!
Kätzlein, munter im Spiele, gedeihen zu tapferen Mausern!
Also dacht' ich im Herzen und fehlete. Denkt! Zu dem Trautisch
Zogen, wie Nachtunholde, die Polterer! Aber wie schön wol
Mag dem Jüngferchen stehen das Hochzeitkleid und der Brautkranz?

Also redete Hans; doch Hedewig stand unbewegt da.
Lächelnd sagte darauf die gute, verständige Hausfrau:

Wie sie da gafft und die Augen vor großer Verwunderung aufsperrt!
Plagt dich so sehr Neugierde, so laß nur warten die Gläser,
Trage die Teller hinein und meld' es der guten Susanna
Sacht; dann frage die Braut, ob sie nicht ein wenig herauskommt,
Daß ihr den Brautstaat hier nach Bequemlichkeit schauet und mustert.

Also gebot die Mama; doch Hedewig folgte nicht ungern,
Trug die Teller hinein und zischelte, was sich ereignet,
Sacht der Genossin in's Ohr, die hoch aufhorchte dem Wunder.
Seitwärts winkte sie jetzo die Braut und meldete heimlich:

Jungfer, mich sendet Mama, ob sie nicht ein wenig hinauskommt,
Daß wir den Brautstaat dort nach Bequemlichkeit schauen und mustern.

Schamhaft redete sie's, mit lüsternem Auge betrachtend.
Aber die Braut, ausgehend mit Hedewig und mit Susanna,
Trat in die Küch' und, gewendet im flatternden Scheine des Feuers,
Ließ sie die schöne Gestalt von Haupt zu Fuße bewundern
Mit handschlagendem Lob' und lächelte Dank zu dem Glückwunsch.
So in lautem Verein mit Hedewig sagte Susanna:

Das heißt Pracht! Ja wahrlich, die Himmelsbräut' und die Engel
Geh'n wol so, in Seide wie Schnee und grünendem Palmkranz!
So was Schmuckes verdiente der Bräutigam, stämmig und aufrecht,
Und mit Jedem gemein! Wenn den hochzeitliche Kleidung
Zierete, Manche vielleicht mißgönnt' ihn! Fromm wie ein Täuber
Gurrt um die Taub' er herum; das giebt gutartigen Anwuchs!

Jetzo begann wohlmeinend auch Hans den kräftigen Glückwunsch:
Jüngferchen, geb' Ihr Gott ein Gedeih'n, als gelt' es auf ewig!
Vorrath immer in Boden und Fach, und gestützete Baumfrucht,
Halme so dicht und so hoch, mit schwerabhangenden Aehren,
Glattes Vieh in die Weid' und den Hof voll kecken Geflügels,
Daß, wer vorbeigeht, gern mit Verwunderung weilet und anstaunt!
Aber zu allem ein Nest rothbackiger, wähliger Kinder,
Wie aus dem Teige gewälzt, und immer noch eins in der Wiege!

Schnell zur Mama nun wandte das Wort die blühende Jungfrau:
Mütterchen, denke daran, mein ehrlicher Hans und die Jungfern
Sind heut' Gäste bei mir, und am Hochzeitsschmause natürlich
Klingt's auf der wackeren Braut und des Bräutigams werthe Gesundheit.

Freundlich erwiederte drauf die gute, verständige Hausfrau:
Picke die Krume für dich und laß dein Glucken, du Küchlein!
Brüte du selbst! Dann magst du ein Korn ausscharren und vorstreu'n!

Aber der ehrliche Hans antwortete, laut ausrufend:
Ja, heut' sind wir Gäste, Mama, wie geladene Sippschaft
Unserer guten Luis', und am Hochzeitsschmause natürlich
Klingt's auf der wackeren Braut und des Bräutigams werthe Gesundheit!
Unsere Pferd' auch sollen mir heut' an der Krippe voll Hafers
Schwelgen, und unsere Küh' ungedroschener Garben sich weidlich
Sättigen; auch für Packan wird leckerer Bissen genug sein,
Daß wir All' uns freuen am Ehrentage der Jungfer!

Ihm antwortete drauf das rosenwangige Mägdlein:
Hänselchen, gieb mir die Hand, du bist mein ehrlicher Alter!
Salz und trockenes Brod von nun an theilen wir redlich!

Also sprach sie bewegt; da schlug den erschallenden Handschlag
Hans und umschloß treuherzig die zarte Hand mit dem Ausruf:

Jungfer, ich bin nur schlecht und gemein und vergehe den Schick nicht;
Aber ich wollt' an das Ende der Welt durch Feuer und Wasser
Laufen für Sie! Gott lohn' es dem Jüngferchen, daß Sie so gut ist!

Kaum gesagt, da erschien, sein Mägdelein suchend, der Jüngling;
Und in die Thür' eintretend, begann er mit zürnendem Lächeln:

Was hat Hans mit der Jungfer zu thun? Ein tröstlicher Anblick!
Ziemt es sich, Hans, liebkosend mit Händedrücken und Aeugeln
Mir die Braut zu bethören, da wir nur eben getraut sind?

Ihm antwortete drauf die gute, verständige Hausfrau:
Hat Er nimmer gehört, Herr Bräutigam, daß man die Männer,
Welche dem Heerd' annah'n, mit dem Küchenschurze bekleidet?
Hurtig hinein mit der Dirne! Sie bringt mir den Hans so in Aufruhr,
Daß nicht immer der Has' am Spieße mir geht, wie er sollte.
Aber du, ordne den Tisch, und spute dich, liebe Susanna!

Also gebot die Mama, und der Bräutigam gerne gehorchend,
Faßte die Braut in den Arm und küßte sie, eh' er hineinging.
Schnell auch folgte Susanna, Gedeck zu ordnen und Gläser
Kunstgerecht; dann trug sie hinein die dampfenden Schüsseln.
Aber nachdem sie Alles beschleunigt, kam auch die Mutter,
Roth im Gesicht von der Gluth, und nöthigte, also beginnend:

Euer Gespräch ist wichtig, mein Väterchen, aber ich stör' euch;
Denn schon warten die Fisch' und die hochzeitlichen Kartoffeln,
Schmalkost, ähnlich dem Ei, das die gnädige Gräfin sich ausbat!
Her aus der Ecke, Luis' und Amalia! Immer geplaudert,
Immer gelacht, wie die Kinder! Wohlan denn! Ist es gefällig?

Ihr antwortete drauf die biederherzige Gräfin:
Ländliches Ei und vergnügtes Gespräch, das hofft' ich allein hier,
Mütterchen; Brautschmaus find' ich und Weide des Ohrs und des Herzens.

Also redete Jen' und erstand vom schwellenden Sofa,
Sammt dem Papa, und All' um den Tisch her stellten sich schweigend.
Laut nun betetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau,
Weniges. Sie dann kamen und setzten sich, wie es die Mutter
Mit nachsinnendem Geist anordnete. Unter dem Spiegel
Saß zur Linken der Braut ihr Bräutigam, welches Gesetz längst
Von Urahninnen erbt' auf Ahninnen. Neben dem Jüngling
Saß die gnädige Gräfin und ihr zur Linken der Vater;
Aber der Braut zur Rechten Amalia, welche der Freundin
Nicht von der Seit' abwich; denn es drohete nahe die Trennung!
Weiter rechts an die schöne Amalia setzte die Mutter
Karl's treuherzigen Lehrer, und neben ihm wählte sie füglich
Ihren Platz, wie des Mahls Vorlegerin, nahe dem Schenktisch,
Welcher mit Obst anlacht' und der purpurnen Kumme voll Bischofs.
Endlich der fröhliche Karl saß feierlich neben dem Vater,
Als sein schmeichelndes Kind, und der wohlfürsorgenden Hausfrau.
Also schmauseten Jen', in behaglicher Ruhe vereinigt,
Um den erleuchteten Tisch und tranken des köstlichen Bischofs,
Plauderten viel und lachten des Bräutigams, oft auch der Jungfrau.


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