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XVIII.
Noch einmal bei der alten Grad

Als ich wieder zu mir kam, nachdem ich – wie viele Stunden, könnte ich nicht sagen – ohne Bewußtsein gewesen war, umringten eine Anzahl Matrosen, die mich wieder zum Leben erweckt hatten, das Lager der Kabine, in der ich ruhte.

Neben dem Kopfende des Bettes stand ein Offizier, der mich ausfragte, und als mir das Gedächtnis allmählich wiederkehrte, konnte ich ihm Antwort geben.

Ich erzählte alles ... ja, alles! Die, die mich umgaben, mußten wohl glauben, daß sie es mit einem Unglücklichen zu tun hätten, der zwar das Leben wieder gewonnen, den Verstand aber verloren hätte.

Ich befand mich an Bord des Dampfers »Ottawa«, der eben quer über den Meerbusen von Mexiko steuerte und auf der Fahrt nach New Orleans begriffen war. Während das Schiff sich dem Unwetter zu entziehen suchte, hatte dessen Mannschaft ein treibendes Trümmerstück entdeckt, woran ich mich anklammerte, und so wurde ich von den Leuten an Bord geholt.

Ich war gerettet, doch Robur der Sieger und seine zwei Gehilfen hatten ihr abenteuerliches Leben in den Fluten des Golfs beschlossen.

Der sich gleich Gott däuchte, war für immer verschwunden, zerschmettert von den Blitzen, die er hoch oben im Luftmeer herauszufordern gewagt hatte, und das Geheimnis seines außergewöhnlichen Apparates nahm er in die andere Welt mit!

Fünf Tage später traf die »Ottawa« an der Küste von Louisiana ein, und am Morgen des 10. August ankerte sie im Hintergrunde des Hafens.

Nach meiner Verabschiedung von den Offizieren des Dampfers bestieg ich einen zur Abfahrt nach Washington bereitstehenden Zug und fuhr nach der Bundeshauptstadt, die ich je wiederzusehen längst nicht mehr gehofft hatte.

Zunächst eilte ich hier nach dem General-Polizeiamt, da mein erster Besuch natürlich meinem Chef, dem Direktor Ward, gelten sollte.

Wie groß war aber seine Überraschung, sein Erstaunen und auch seine Freude, als die Tür des Amtszimmers sich vor mir öffnete! ... Hatte er doch nach dem Berichte meiner ehemaligen Begleiter alle Ursache zu glauben, daß ich im Gewässer des Eriesees elend umgekommen wäre.

Ich erzählte ihm nun alles, was sich seit meinem Verschwinden ereignet hatte: die Verfolgung durch die Torpedojäger auf dem See, den Aufstieg der »Epouvante« über die Fälle des Niagara, die Rast innerhalb der Felsenwand des Great-Eyry, und schilderte ihm die grausige Katastrophe in dem Gewittersturme über dem Meerbusen von Mexiko. Da vernahm er zum ersten Male, daß der von dem genialen Robur erfundene Apparat sich ebenso leicht durch die Luft hin, wie auf dem Lande oder dem Meere hatte fortbewegen lassen.

Rechtfertigte der Besitz eines solchen Apparates denn nicht tatsächlich den Namen »Herr der Welt«, den sich dessen Erbauer zugelegt hatte? Eines ist doch nicht zu bestreiten: daß die öffentliche Sicherheit durch ihn für immer arg bedroht gewesen wäre, da es ihr an jedem Mittel zur Abwehr gefehlt hätte.

Der ungemessene Stolz aber, den ich in diesem wunderbaren Manne mehr und mehr hatte anschwellen sehen, hatte ihn schließlich verleitet, mitten in der Luft einen Wettkampf mit dem furchtbarsten der Elemente einzugehen, und es war ein Wunder zu nennen, daß ich aus jener entsetzlichen Katastrophe heil und gesund hervorgegangen war.

Herr Ward wollte meinen Mitteilungen kaum Glauben schenken.

»Nun, wie dem auch sei, lieber Strock, sagte er zu mir, Sie sind ja zurückgekehrt, und das ist doch die Hauptsache! ... Nach jenem berüchtigten Robur sind Sie jetzt der Löwe des Tages! ... Ich hoffe jedoch, diese Auszeichnung werde nicht die Folge haben, daß Sie aus Eitelkeit den Kopf ebenso verlieren, wie jener Narr von Erfinder!

– Nein, gewiß nicht, Herr Direktor, antwortete ich, doch werden Sie zugeben, daß niemals ein Neugieriger, der darauf brannte, seine Neugier zu befriedigen, so gefährlichen Prüfungen unterworfen gewesen ist.

– Das gestehe ich gern zu, Strock! ... Die Geheimnisse des Great-Eyry, die Verwandlungsfähigkeit der »Epouvante«, ja, das haben Sie entdeckt ... Leider sind die übrigen Geheimnisse jenes »Herrn der Welt« mit ihm zugrunde gegangen und wohl für immer verloren!«

Noch an demselben Tage veröffentlichten die Zeitungen der Union den Bericht über meine Abenteuer, deren Wahrhaftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden konnte, und wie Herr Ward geäußert hatte, wurde ich mit einem Schlage zum angestaunten Löwen des Tages.

Der freundliche Leser wird sich leicht vorstellen können, welcher Empfang mir von meiner alten Haushälterin zuteil wurde, als ich in meine Wohnung in der Long-Street zurückkehrte. Bei meiner »Erscheinung« – ist das nicht das richtige Wort? – glaubte ich, die brave Frau werde in Ohnmacht fallen. Nachdem sie mich dann tränenden Auges angehört hatte, dankte sie andächtig der Vorsehung, mich aus so vielen Gefahren gerettet zu haben.

»Na, mein Herr Strock, sagte sie endlich, hatte ich denn unrecht?

– Unrecht, liebe Grad ... worin denn?

– Zu behaupten, daß der Great-Eyry dem Teufel als Schlupfwinkel diente?

– Wahrhaftig, Grad, wenn's der Gottseibeiuns nicht in Person war, so wäre jener Robur würdig gewesen, seine Stelle zu vertreten!

– Und wenn Gott ihn mit seinem Blitz zerschmettert hat, wie er es verdiente, fuhr die bejahrte Frau fort, so hat er Sie vor allem Unheil behütet, wie Sie das verdienten! ... Sein heiliger Name sei gesegnet ...

– Und möge er es nicht zulassen, setzte ich hinzu, daß solche Übeltäter, dank dem Erfindungsgeiste des Menschen, in Zukunft der Strafe für ihre Verbrechen entgehen können ...

– Das gebe der Himmel!«

Ende.

 


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