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XV.
Des Adlers Horst

Als ich am andern Tage nach bleischwerem Schlafe die Augen aufschlug, machte der Apparat keinerlei Bewegung. Ich erkannte bald, daß er weder über Land hinrollte noch auf oder unter dem Wasser schwamm, noch daß er jetzt durch die Lüfte flog. Das legte mir die Vermutung nahe, der Erfinder werde sein unbekanntes Versteck aufgesucht haben, das jedenfalls noch keines Menschen Fuß vor ihm betreten hatte.

Vielleicht sollte ich nun, da er sich meiner Person nicht entledigt hatte, doch schließlich sein Geheimnis kennen lernen.

Es mag wunderbar erscheinen, daß ich während der Luftfahrt so fest geschlafen hatte. Ich wundere mich in der Tat selbst darüber, und habe mich auch gefragt, ob dieser Zustand nicht durch ein Schlafmittel herbeigeführt worden sei, das man meiner letzten Mahlzeit beigemischt hatte. Dem Kapitän der »Epouvante« konnte ja daran gelegen sein, mich die Stelle, wo er sich zur Erde herabließ, nicht erkennen zu lassen. Von der Luftreise selbst kann ich nur das Eine sagen, daß mir der Eindruck schrecklich war, den ich in dem Augenblicke empfand, wo sich der Apparat, statt in den Riesenwirbel des Kataraktes hinuntergeschleudert zu werden, unter dem Auftriebe seines Motors erhob ... gleich einem Vogel, dessen Schwingen sich mit ungeheurer Kraft auf und ab bewegten.

Der Apparat des »Herrn der Welt« war also für vier verschiedene Betriebsarten eingerichtet: er war gleichzeitig Automobil, Schiff, Taucherboot und Flugmaschine. Erde, Wasser, Luft ... über und durch diese drei Elemente konnte er sich fortbewegen, und mit welcher Kraft, mit welcher Geschwindigkeit! ... Wenige Augenblicke genügten ihm, sich in jede der vier Formen zu verwandeln. Dieselbe Maschine diente für alle Arten seiner Fortbewegung ... Ich war ja Zeuge dieser Metamorphosen gewesen. Was ich aber noch nicht wußte und vielleicht erst später entdecken sollte, das war die Quelle, woraus der Apparat seine Energie schöpfte, und endlich, wer der geistvolle Erfinder wäre, der ihn in allen Einzelheiten sozusagen erschaffen hatte und ihn mit ebensoviel Geschicklichkeit wie Kühnheit leitete.

In dem Augenblicke, wo die »Epouvante« über dem kanadischen Falle schwebte, stand ich neben der Pfortluke meiner Kabine. Der klare Abend erlaubte mir die Richtung zu beobachten, die der Luftsegler Das Wort »Luftsegler« bezieht sich, hier ebenso auf den fliegenden Apparat, wie auf den, der diesen führte. einschlug. Er zog weiter längs des Stromes hin und flog drei Meilen stromabwärts über die Hängebrücke hin. An dieser Stelle beginnen die nicht schiffbaren Stromschnellen des Niagara, der hier eine Biegung macht, um nach dem Ontariosee hinunter zu brausen.

Von hier aus schien mir der Apparat nach Osten abzuweichen.

Der Kapitän blieb nach wie vor auf dem Hinterdeck. Angesprochen hatte ich ihn nicht. Wozu auch? Er hätte mir doch nicht geantwortet.

Ich bemerkte sehr deutlich, daß die »Epouvante« sich auffallend leicht steuern ließ. Offenbar war sie auf den atmosphärischen Straßen ebenso »zuhause«, wie auf den Wasser- und den Landstraßen.

Versteht man angesichts einer solchen Leistungsfähigkeit nicht den ungemessenen Stolz dessen, der sich zum »Herrn« und gewissermaßen zum Beherrscher der Welt ernannt hatte? ... Verfügte er doch über eine Maschine, die allen aus Menschenhand hervorgegangenen weit überlegen war, und gegen die die Menschen nichts auszurichten vermochten. Wahrlich, warum hätte er sie verkaufen und die Millionen annehmen sollen, die ihm dafür geboten worden waren? ... Ja, das erklärte mir sein unbedingtes Vertrauen auf sich selbst, das in seinem ganzen Verhalten zutage trat. Und wie weit mochte vielleicht sein Ehrgeiz ihn verführen, wenn dieser, alle Grenzen überschreitend, etwa in Wahnsinn ausartete?

Eine halbe Stunde später war ich, ohne zu wissen wie, in vollständige Bewußtlosigkeit verfallen. Ich wiederhole hier, daß dieser Zustand jedenfalls die Folge eines kräftigen Schlafmittels gewesen sein dürfte. Ohne Zweifel wollte der Kapitän mich nicht erkennen lassen, welcher Richtung er folgte.

Ich vermöchte also nicht zu sagen, ob der Luftsegler seinen Flug als solcher fortgesetzt hatte, ob er über ein Meer oder einen See hinweggefahren war oder die Landstraßen des amerikanischen Gebietes ausgesucht hatte, denn ich habe nicht die leiseste Erinnerung an das bewahrt, was sich in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August ereignet haben mochte.

Wie würde sich dieses Abenteuer nun weiter gestalten, und vorzüglich – was mich betraf – wie würde es schließlich ausgehen?

Ich habe schon gesagt, daß die »Epouvante« in dem Augenblicke, wo ich aus dem seltsamen Schlafe erwachte, vollständig still zu liegen schien. In dieser Beziehung war wohl jeder Irrtum ausgeschlossen: welcher Art auch ihre Bewegung sein mochte, selbst wenn sie noch durch die Luft hin schwebte, ich hätte diese doch unbedingt bemerken müssen.

Beim Munterwerden befand ich mich in meiner Kabine, worin ich, ohne etwas davon zu wissen, ebenso eingeschlossen worden war, wie in der ersten Nacht, die ich an Bord der »Epouvante« auf dem Eriesee zugebracht hatte.

Für mich war die Hauptfrage die: ob es mir gestattet sein werde, jetzt, nach der Landung des Apparates, auf das Verdeck hinaufzugehen.

Ich versuchte den Lukendeckel aufzuheben; er widerstand meinem Stoßen.

»Oho, sagte ich für mich, soll mir die Freiheit nicht eher gegeben werden, als bis die ›Epouvante‹ ihre Wasserfahrt oder ihren Flug wieder aufgenommen hat?«

Das waren ja die einzigen Verhältnisse, unter denen jeder Fluchtversuch ausgeschlossen erschien.

Gewiß begreift da jedermann meine Ungeduld, meine Unruhe, nicht zu wissen, wie lange dieser Aufenthalt auf festem Boden wohl dauern würde.

Ich sollte jedoch nicht länger als eine halbe Viertelstunde warten. Das Geräusch vom Wegziehen von Querstangen schlug mir ans Ohr. Der Lukendeckel wurde von draußen abgehoben. Licht und Luft strömten frei in meine Kabine.

Mit einem Sprunge befand ich mich auf dem Verdeck an meinem gewöhnlichen Platze.

In einem Augenblicke überflogen meine Blicke den ganzen Horizont.

Wie vermutet, lag die »Epouvante« auf der Erde, im Grunde eines Kessels, der im Umfange fünfzehn- bis achtzehnhundert Fuß messen mochte. Eine Lage gelblichen Kieses bedeckte überall den Grund, auf dem nicht ein einziger Grasbüschel grünte.

Der Talkessel hatte die Gestalt eines ziemlich regelmäßigen Ovals, dessen größerer Durchmesser von Norden nach Süden verlief. Über seine Felswände, seine Höhe und über die Natur und Anordnung seines Kammes kann ich nichts Näheres angeben. Über uns wälzten sich dichte Dunstmassen hin, die die Sonne noch nicht auszulösen vermocht hatte. Einzelne besonders dichte Dunstfetzen hingen bis zu dem sandigen Grunde herunter. Jedenfalls waren wir noch in den ersten Morgenstunden und der Nebel würde wohl bald verschwinden.

Mir kam es vor, als herrschte im Innern des Kessels eine recht niedrige Temperatur, obgleich es heute der erste Tag des Monats August war. Ich schloß daraus, daß der Kessel in einem hochaufragenden Landesteile der Neuen Welt liegen müsse. Doch in welchem? ... Es war ganz unmöglich, hiervon auch nur eine Mutmaßung zu haben. So schnell der Flug des Luftschiffes auch sein mochte, keinesfalls hätte es Zeit genug gehabt, über den Atlantischen oder den Großen Ozean hinwegzufliegen, denn seit unserer Abfahrt vom Niagarafalle waren doch höchstens zwölf Stunden verflossen.

Eben trat der Kapitän aus einer Vertiefung in der Gesteinswand, wahrscheinlich aus einer in den Fels an dessen Fuße eindringenden Grotte, deren Umgebung noch von Dunstwolken erfüllt war.

Hoch oben sah man durch die Nebeldecke zuweilen die Umrisse großer Vögel, deren heiserer Schrei die hier unten herrschende Stille unterbrach. Wer weiß, ob sie nicht aufgescheucht waren durch das Erscheinen dieses Ungeheuers mit riesengroßen Flügeln, mit dem sie sich weder an Kraft noch an Schnelligkeit messen konnten.

Alles legte mir also die Annahme nahe, daß es hier wäre, wohin der »Herr der Welt« sich zurückzog, wenn eine seiner wunderbaren Reisen zu Ende ging. Hier war der Schuppen für sein Automobil, der Hafen für sein Schiff, das Nest für seine Flugmaschine. Und jetzt lag die »Epouvante« ohne Bewegung auf dem Grunde dieses Talkessels.

Endlich konnte ich mir diese also näher ansehen, und es hatte den Anschein, als gedächte niemand mich daran zu hindern. Tatsächlich schien der Kapitän sich wegen meiner Anwesenheit jetzt ebensowenig zu beunruhigen, wie die ganze Zeit vorher. Seine beiden Begleiter gingen auf ihn zu. Alle drei betraten gleich darauf die schon erwähnte Grotte. Ich konnte also den Apparat betrachten ... wenigstens von außen. Was seine innere Einrichtung betraf, würde ich wahrscheinlich nur auf Mutmaßungen beschränkt bleiben.

Außer der Luke meiner Kabine waren die übrigen Luken nämlich geschlossen, und ich versuchte vergeblich, sie zu öffnen. Alles in allem war es ja vielleicht interessanter, darüber klar zu werden, welchen Motor die »Epouvante« bei ihren vielfachen Verwandlungen benützte.

Ich sprang zur Erde und hatte hier alle Muße, die erste umfassende Besichtigung vorzunehmen.

Der Apparat war von spindelartiger Gestalt, am Vorderteil schärfer als am Hinterteile, der Rumpf bestand aus Aluminium, die Flügel waren aus einem Materiale hergestellt, dessen Natur ich nicht zu bestimmen vermochte. Er ruhte auf vier Rädern von zwei Fuß Durchmesser, deren Felgen mit sehr dicken Pneumatiks versehen waren, die den sanften Lauf bei jeder Schnelligkeit gewährleisteten. Ihre Speichen verbreiterten sich zu länglichen Platten, und wenn die »Epouvante« sich auf oder unter dem Wasser befand, mußten diese ihre Fortbewegung beschleunigen helfen.

Die Räder bildeten aber nicht den hauptsächlichsten Motor. Dieser bestand vielmehr aus zwei Parsonschen Turbinen, die longitudinal zu beiden Seiten des Kiel angeordnet waren. Durch die Antriebsmaschine ungeheuer schnell gedreht, bewirkten sie die Fortbewegung dadurch, daß sie sich in das Wasser sozusagen einbohrten, und ich fragte mich, ob sie nicht auch zur Fortbewegung in der Luft dienen möchten.

Wenn sich der Apparat in der Luft schwebend erhielt und weiter flog, so bewirkten das jedenfalls seine großen, weit entfalteten Flügel, die in der Ruhelage wie Schiffsschwerte an seinen Seiten herunterhingen. Der Erfinder hatte hier also die Bauart »schwerer als die Luft« angewendet, eine Bauart, die es ihm ermöglichte, sich durch die Lust mit einer Geschwindigkeit zu bewegen, die vielleicht die der mächtigsten Vögel übertraf.

Was die Kraftquelle anging, die diese verschiedenen Mechanismen in Tätigkeit setzte, so konnte das, ich wiederhole es, nur die Elektrizität sein. Aus welcher Quelle schöpften aber die Akkumulatoren? Gab es irgendwo eine Erzeugungsstätte der elektrischen Energie, durch die sie geladen wurden? ... Arbeiteten solche Dynamos vielleicht in einer der Höhlen des Talkessels?

Aus meiner Besichtigung ging also hervor, daß dieser Apparat mit Rädern, Turbinen und Flügeln ausgestattet war, ich wußte aber noch nichts von dem Mechanismus und der Kraft, die sie in Tätigkeit setzten. Doch was hätte mir die Entdeckung dieses Geheimnisses auch nützen können? ... Ich hätte dann doch wenigstens frei sein müssen, und nach allem, was ich wußte – so wenig das auch war – würde mir der »Herr der Welt« die Freiheit niemals wiedergeben.

Nun blieb freilich noch die Möglichkeit übrig, einmal zu entfliehen. Würde sich eine Gelegenheit dazu aber jemals bieten? ... Und wenn das nicht im Verlaufe der Fahrten der »Epouvante« geschah, sollte es der Fall sein, während sie in diesem Kessel lagerte?

Jedenfalls galt es mir zunächst die Frage zu lösen, wo dieser Kessel überhaupt läge. An welcher Stelle war das Luftschiff zur Erde niedergegangen? Hatten die Felsenwände überhaupt einen Ausgang nach der Umgebung? ... Konnte man hierhinein nur mit Benützung eines Flugapparates gelangen? ... In welchem Teile der Vereinigten Staaten waren wir zur Erde herabgekommen? ... So schnell der Flug der »Epouvante« auch sein mochte, konnte sie, vorausgesetzt, daß ihr Aufstieg erst gestern erfolgt war, doch unmöglich Amerika und die Neue Welt verlassen und die Alte Welt erreicht haben. Wahrscheinlich war der im Laufe der Nacht von ihr zurückgelegte Weg doch nur auf einige hundert Lieues abzuschätzen.

Da drängte sich mir eine Vermutung auf, die mich so wiederholt erfüllte, daß sie näher geprüft, ja als treffend angenommen zu werden verdiente. Warum sollte die »Epouvante« als Zufluchtsort und Versteck nicht gerade den Great-Eyry haben? ... Der fliegende Apparat konnte in diesen ja ganz leicht hineingelangen. Was Geier und Adler taten, konnte das das Luftschiff nicht ebenfalls tun? ... Bot der unersteigbare Horst dem »Herrn der Welt« nicht einen höchst geheimnisvollen Zufluchtsort und Ruheplatz, den unsere Polizei noch nicht hatte entdecken können, und worin sich jener als vor jeder Überraschung geschützt glauben mußte? Dazu beträgt die Entfernung vom Niagarafall bis zu diesem Teile der Blauen Berge nicht über vierhundertfünfzig Meilen, die die »Epouvante« in zwölf Stunden recht bequem zurücklegen konnte.

Ja, neben anderen Gedanken nahm diese Vorstellung in meinem Gehirn immer bestimmtere Gestalt an, und erklärte sich dadurch nicht die Natur der von mir bisher nicht durchschauten Beziehungen zwischen dem Great-Eyry und dem Manne, der sich mit »H. d. W.« unterzeichnet hatte? ... Dazu die gegen mich geschleuderten Drohungen, wenn ich mein – damals verfehltes – Unternehmen wiederholte. Ferner die Ausspionierung, deren Gegenstand ich war. Und die Erscheinungen, die man am Great-Eyry beobachtet hatte, sollte nicht auch deren Auftreten aus einem mir noch nicht erkennbaren Grunde ihm als Urheber zuzuschreiben sein? ... Ja, der Great-Eyry ... der Great-Eyry! ... Und da es mir vorher unmöglich gewesen war, in ihn einzudringen, würde es mir nun möglich sein, ihn anders als an Bord der »Epouvante« zu verlassen?

Ah, wenn der Nebel verschwand, konnte ich das vielleicht erkennen. Vielleicht verwandelte sich meine Mutmaßung zur greifbaren Wirklichkeit.

Da es mir jetzt frei stand, hin und her zu gehen, und weder der Kapitän noch seine Leute sich um mich im geringsten kümmerten, wollte ich einmal an der geschlossenen Wand herumspazieren.

Da die Drei sich jetzt in einer Grotte der Nordseite befanden, begann ich meine Besichtigung am äußersten Südende.

An der Felsenmauer angekommen, ging ich an deren, von zahlreichen Aushöhlungen unterbrochenem Fuße hin. Über mir erhob sich die glatte Wand aus Feldspat, der überhaupt die Kette der Alleghanies bildet. Wie hoch die Wand war, wie sich ihr oberster Rand gestaltete, das konnte ich noch nicht sehen, dazu mußte ich warten, bis der Nebel sich unter dem Einflusse eines kräftigen Windes oder durch die Wirkung der Sonnenstrahlen verflüchtigt hatte.

Inzwischen folgte ich dem Innenrande der Felsmasse weiter, deren Höhlen und Grotten nur durch ihre Vorderöffnung einiges Licht erhielten. Darin lag verschiedenerlei umher, meist aber nur einzelne Holzstücke und Häufchen trockenen Grases. Im Innern sah man auch Fußstapfen, die der Kapitän und seine Gefährten auf dem sandigen Boden hinterlassen hatten.

Jetzt zeigten sie sich übrigens gar nicht, sie mochten wohl in der Grotte, vor der mehrere Ballen aufgestapelt lagen, stark beschäftigt sein. Sollten diese Ballen vielleicht an Bord der »Epouvante« geschafft werden, und deuteten sie etwa darauf hin, daß dieser Zufluchtsort bald endgültig verlassen werden sollte?

Nach einer halben Stunde und nach Beendigung meines Rundganges kehrte ich nach der Mitte des Platzes zurück. Da und dort sah man noch dicke Lagen erkalteter und von der Zeit gebleichter Asche, Reste von verkohlten Pfählen und Planken, Stützen mit altem Eisenbeschlag daran, vom Feuer gekrümmte eiserne Armaturen, alles Überreste eines Mechanismus, der durch starke Glut zerstört worden war.

Offenbar war das Kesseltal vor mehr oder weniger langer Zeit der Schauplatz einer, entweder absichtlich herbeigeführten oder zufälligen Feuersbrunst gewesen. Lag da nicht ein gewisser Zusammenhang nahe zwischen dieser Feuersbrunst und den am Great-Eyry beobachteten Erscheinungen, den über den Steinwall hinauslodernden Flammengarben und dem Getöse in der Luft, worüber die Bewohner der Umgegend, die von Pleasant-Garden und von Morganton, so heillos erschrocken waren? ... Doch welche Art von Material war hier verbrannt worden, und welches Interesse mochte der Kapitän daran gehabt haben, es zu vernichten?

In diesem Augenblicke fegte oben über uns ein Windstoß hinweg, der von Osten kam. Sofort reinigte sich der Himmel von seiner Nebelhülle und bis zu uns herab floß ein Strom von Licht von der bis zur Mitte zwischen Horizont und Zenit aufgestiegenen Sonne.

Da entfuhr mir ein Schrei!

Der obere Rand der Felsenwand lag in der Höhe von hundert Fuß plötzlich frei und an der Ostseite zeigten sich die mir so bekannten Umrisse eines Felsblockes, der annähernd die Gestalt eines Adlers hatte.

Es war derselbe, den wir, Elias Smith und ich, bei unserer Besteigung des Great-Eyry gesehen hatten.

Damit schwand also jeder Zweifel. In der letzten Nacht hatte das Luftschiff die Strecke zwischen dem Eriesee und Nordkarolina durchmessen, und hier im Grunde des Adlerhorstes lag der Apparat jetzt ruhig auf der Erde. Ein würdiges Nest des mächtigen, ungeheuern Vogels, der genialen Schöpfung seines Erfinders, das Nest, aus dem kein anderer als dieser über die unersteigbaren Wallmauern hinwegkommen konnte. Wer weiß jedoch, ob er nicht in einer tiefen Höhle eine unterirdische Verbindung mit der Außenwelt entdeckt hatte, die es ihm ermöglichte, den Great-Eyry unter Zurücklassung der »Epouvante« zu verlassen.

Jetzt war ich mir also über alles klar geworden. Jetzt verstand ich, wie und warum der erste Brief, der mich mit dem Tode bedrohte, von dem Great-Eyry hergekommen war. Und wäre es uns damals gelungen, in den Kessel einzudringen, wer weiß, ob damit die Geheimnisse des »Herrn der Welt« nicht schon früher entdeckt worden wären, als ihm möglich wurde, mit ihrer Hilfe jeder Verfolgung, jedem Angriffe auszuweichen.

Regungslos, die Augen unverwandt auf den steinernen Adler gerichtet, stand ich da, wie in den Boden gebannt, eine Beute der heftigsten Erregung, und ich fragte mich, ob ich nicht versuchen sollte, diesen Apparat – mochte daraus werden, was da wollte – zu zerstören, bevor er aufs neue den Flug über Land und Meer begann.

Da ließen sich Schritte vernehmen.

Ich wandte mich um.

Der Kapitän kam auf mich zu und sah mir gerade ins Gesicht.

Da konnte ich mich nicht länger bemeistern.

»Der Great-Eyry ... der Great-Eyry! entfuhr es mir unwillkürlich.

– Jawohl, Inspektor Strock!

– Und Sie ... der ›Herr der Welt‹?

– Ja, der Welt, der er sich schon früher als der mächtigste aller Menschen offenbart hat.

– Sie? rief ich in unbeschreiblicher Verwunderung.

– Ich selbst, antwortete er, indem er sich mit seinem ganzen Stolze emporrichtete, ich ... Robur ... Robur der Sieger!«


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