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Sechstes Capitel.
Die Freibeuterei im großen Style

I.

William Dampier oder der König des Meeres im 17. Jahrhundert.

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Geboren zu East Tocker im Jahre 1652, sah sich Dampier durch den vorzeitigen Tod seiner Eltern schon in der Kindheit auf sich selbst angewiesen. Ohne große Vorliebe für geistige Anstrengung, zog er es vor, durch die Wälder zu streifen und sich mit seinen Kameraden herumzuschlagen, als ruhig auf der Schulbank zu sitzen. In zartem Alter kam er als Schiffsjunge auf ein Handelsschiff, machte auf demselben eine Reise nach Neufundland und eine Fahrt nach Ostindien mit und trat dann in die Kriegsmarine ein; bei einem Gefecht verwundet, kehrte er zu seiner Wiederherstellung nach Greenwich zurück. Ohne sich viel um das früher eingegangene Engagement zu kümmern, reiste er, nachdem er das Militärhospital verlassen, als Verwalter einer Plantage nach Jamaica ab. Hier merkte er aber zu bald, daß er zu einem solchen Geschäft nicht tauge. Nach Verlauf von sechs Monaten verließ er seine Neger und schiffte sich nach der Campeche-Bai ein, wo er drei Monate lang mit der Einbringung von Farbholz beschäftigt war.

Später findet man ihn wieder in London; die Gesetze aber und die bestellten Wächter derselben belästigen ihn zu sehr. Er geht nach Jamaica zurück, wo er sehr bald mit den berüchtigten Buccaniers und Flibustiern in Berührung kam, welche den Spaniern damals so unendlichen Schaden zufügten.

Diese, eigentlich auf der Schildkröten-Insel an der Küste von St. Domingo ansäßigen Abenteurer von englischer und französischer Abstammung hatten Spanien unauslöschlichen Haß geschworen. Ihre Plünderungszüge beschränkten sich nicht allein auf den Golf von Mexico; sie überschritten ebenso die Landenge von Panama und verwüsteten die Küsten des Pacifischen Oceans von der Magellan-Straße bis hinauf nach Kalifornien. Furcht und Schrecken übertrieben noch die Thaten der Flibustier, welche übrigens wirklich an's Wunderbare grenzten.

In der Reihe dieser Abenteurer, welche damals von Harris, Sawkins und Shays angeführt wurden, trat Dampier also ein. Im Jahre 1680 sehen wir ihn in Darien. Hier plündert er St. Maria, versucht vergeblich, Panama zu überrumpeln, und fängt mit seinen Spießgesellen, die sich nur elender, den Indianern gestohlener Boote bedienen können, acht wohlbewaffnete Schiffe ab, welche unfern der Stadt vor Anker lagen. Bei diesem Kampfe aber waren die Verluste der Flibustier so beträchtlich und die Beute so mager, daß sie auseinander gingen. Die Einen kehren nach dem Golf von Mexico zurück, die Anderen lassen sich auf der Insel Juan Fernandez nieder, von wo aus sie bald einen Angriff auf die Stadt Arica ausführen. Hierbei erging es ihnen aber so übel, daß es zu einer neuen Trennung kam und Dampier sich nach Virginia begeben mußte, wo sein Kapitän neue Helfershelfer zu gewinnen hoffte. Hier rüstete Kapitän Cook ein Schiff aus zu dem Zwecke, durch die Magellan-Straße in den Pacifischen Ocean einzudringen. Dampier betheiligte sich bei dieser Fahrt. Man segelte zunächst längs der Küste Afrikas nach den Inseln des Grünen Vorgebirges, Sierra Leone und in den Sherborough-Strom, denn das ist der gewöhnliche Weg, den die nach Südamerika bestimmten Schiffe einhielten. Unter dem 36. Grade südlicher Breite beobachtet Dampier, der in seinem Journal alle merkwürdigen Vorkommnisse sorgfältig einträgt, daß das Meer eine weiße, ganz blasse Farbe angenommen habe, ohne daß er sich über die Ursache dieser Erscheinung klar wird. Mit Hilfe des Mikroskops hätte er sich leicht genug darüber Rechenschaft geben können. Ohne Unfall segelt man an den Sebaldinen-Inseln vorbei, dringt in den Lemaire-Sund ein, doublirt am 6. Februar 1684 das Cap Horn und erreicht nach Ueberstehung eines schweren Sturmes, wie sie gewöhnlich die in den Pacifischen Ocean einfahrenden Schiffe überfallen, die Insel Juan Fernandez, wo man frischen Proviant einzunehmen gedachte. Da kam Dampier der Gedanke, ob er hier wohl einen von Kapitän Scharp im Jahre 1680 zurückgelassenen Indianer aus Nicaragua wiederfinden werde. »Dieser Indianer befand sich seit mehr als drei Jahren allein auf der Insel. Er irrte eben im Walde auf der Ziegenjagd umher, als der englische Kapitän seine Leute an Bord rief, und man war darauf unter Segel gegangen, ohne seine Abwesenheit zu bemerken. Jener besaß nur eine Flinte und ein Messer, nebst einem kleinen Pulverhorn und etwas Blei. Nachdem er Pulver und Blei verbraucht, gelang es ihm, mittelst des Messers den Lauf des Gewehres in kleine Stücke zu trennen, woraus er Harpunen, eine Lanze, Angelhaken und ein langes Messer herstellte. Mit diesen Hilfswerkzeugen verschaffte er sich Alles, was die Insel liefern konnte, nämlich Ziegen und Fische. Eine halbe Meile vom Meere entfernt, hatte er sich eine kleine, mit Ziegenfellen bedeckte Hütte errichtet. Von Kleidungsstücken besaß er nicht das Geringste mehr, ein einfaches Fell umgürtete seine Lenden.«

Wenn wir hier etwas länger bei diesem unfreiwilligen Einsiedler verweilten, so geschah es, weil er Daniel de Foe als Vorbild für seinen Robinson Crusoe diente, eine Erzählung, welche ja wohl alle Kinderherzen erfreut und gerührt hat.

Wir wollen aber nicht haarklein alle Züge mittheilen, an denen Dampier theilnahm. Es genüge hier zu bemerken, daß er bei ruhiger Fahrt die Gollapagos-Inseln besuchte. Da er die meisten seiner Unternehmungen scheitern sah, begab sich Kapitän Sven, auf dessen Schiffe Dampier im Jahr 1686 diente, nach Ostindien, wo die Spanier weniger auf ihrer Hut waren und er bessere Aussichten zu haben glaubte. Unsere Abenteurer langten also in Guaham an, besaßen aber nur für drei Tage Lebensmittel. Die Matrosen waren im Fall einer noch längeren Dauer der Fahrt übereingekommen, nach und nach Alle aufzuzehren, die sich für diese Fahrt erklärt hatten, und mit dem Kapitän anzufangen, von dem der Vorschlag dazu ausgegangen war. Dampier sollte gleich nach diesem an die Reihe kommen. »So erklärt es sich, sagt er scherzend, daß Sven, nachdem sie bei Guaham vor Anker lagen, ihn umarmend mit den Worten anredete: »Ah, Dampier, Sie hätten auch eine schlechte Mahlzeit abgegeben!« Er hatte damit wohl recht, fügt er hinzu, denn ich war dürr und fleischarm, er aber dick und fett.« Mindamar, Manilla, einzelne Küstenstrecken von China, die Molukken, Neu-Holland und die Nicobaren-Inseln, das waren die Punkte, welche Dampier bei dieser Fahrt besuchte und plünderte. Im letzteren Archipel trennte er sich von seinen Gefährten und kam halbtodt am Gestade von Sumatra an.

Bei dieser Fahrt entdeckte Dampier mehrere bisher unbekannte Inseln und vorzüglich die Baschi-Gruppe. Kaum wieder hergestellt, durchstreifte er als geborner Abenteurer das südliche Asien, Malakka, Tonkin, Madras und Bencoulen, wo er als Artillerist in englische Dienste trat. Fünf Monate später desertirte er und kehrte nach London zurück. Der Bericht seiner Abenteuer und seiner Kreuz- und Querzüge erwarb ihm in der höchsten Gesellschaft gewisse Sympathien und er wurde dem Lord der Admiralität, dem Grafen von Oxford, vorgestellt. Sehr bald übertrug man ihm das Commando über ein Schiff, den »Roebuck«, um auf eine Entdeckungsreise in den ihm schon bekannten Meeren auszuziehen. Am 14. Januar 1699 verließ er England und beabsichtigte, durch die Magellan-Straße oder um das Feuerland herum zu gehen, um nach denjenigen Gegenden des Pacifischen Oceans zu segeln, welche noch am seltensten besucht worden waren. Nach Passirung des Aequators am 10. März steuerte er nach Brasilien, wo er neuen Proviant einnahm. Jetzt gelang es ihm aber auf keine Weise, sich längs der Küste Patagoniens zu halten, sondern er wurde durch anhaltendes stürmisches Wetter bis sechzehn Meilen südlich vom Cap der Guten Hoffnung verschlagen, von wo aus er einen Kurs nach Südsüdosten, in der Richtung nach Neu-Holland einschlug. Diese lange Ueberfahrt ging ohne Zwischenfall von statten. Am 1. August bekam Dampier Land in Sicht und suchte sofort einen Hafen, um daselbst vor Anker zu gehen. Fünf Tage später lief er in der Seehunds-Bai, an der Westküste Australiens an's Ufer, fand aber nur ein höchst unfruchtbares Land ohne Wasser und Pflanzenwuchs. Bis zum 31. August folgte er der Küste, ohne zu finden, was er suchte. Bei Gelegenheit einer Landung bestand er ein leichtes Scharmützel mit einigen Eingebornen, welche in dem Lande nur sehr dünn gesäet schienen. Ihr Häuptling war ein junger Mann von mittlerer Größe, doch von lebhaftem, gewandtem Wesen; um seine Augen zog sich ein einzelner weißer Streifen, und ein gleichfarbiger Strich reichte von der Stirn bis zur Nasenspitze herab; ebenso erschienen Brust und Arme zebraartig gestreift. Seine Begleiter hatten schwarze Haut, ein wildes Aussehen, krause Haare und eine hohe, wohlproportionirte Gestalt.

Während fünf langer Wochen, in denen er sich stets dicht bei dem Lande aufhielt, fand Dampier weder Wasser noch Lebensmittel; dennoch wollte er den Versuch nicht aufgeben und segelte wieder längs der Küste nach Norden hinauf. Zuletzt zwangen ihn doch die häufigen Untiefen und der beginnende Nordwest-Mousson, seine Absicht fallen zu lassen, nachdem er mehr als dreihundert Meilen von dem australischen Festland entdeckt hatte. Nun begab er sich nach Timor, wo er auszuruhen und seine von der langen Fahrt erschöpfte Mannschaft sich erholen zu lassen gedachte. Hier kannte er aber die Meerverhältnisse zu wenig, und auch seine Karten erwiesen sich als viel zu mangelhaft. Er mußte sich also darauf einlassen, vorsichtig sein Fahrwasser zu untersuchen, als ob die Holländer sich hier nicht schon vor langer Zeit ansäßig gemacht hätten. So entdeckte er z. B. zwischen Timor und Anamabar einen Sund an der Stelle, wo seine Karten nur eine Bai verzeichnet enthielten. Das Eintreffen Dampier's in einem Hafen, den sie allein kannten, verwunderte und beunruhigte die Holländer sehr ernsthaft. Sie glaubten, die Engländer hätten dazu nur durch Entwendung von Karten aus einem Schiffe ihrer Nation gelangen können. Zuletzt erholten sie sich jedoch von ihrem Schrecken und empfingen sie mit aller Freundlichkeit.

Obwohl sich die Vorläufer des Mousson schon sehr fühlbar machen, stach Dampier dennoch wieder in See und steuerte nach der nördlichen Küste von Neu-Guinea, die er am 4. Februar 1700 nahe dem Cap Maho der Holländer erreichte. Unter den Dingen, die seine Verwunderung erregten, erwähnt Dampier einer ungeheuren Menge Tauben, vieler Fledermäuse von außergewöhnlicher Größe und der Petonceln, d. s. eine Art Kammmuscheln, deren leere Schale nicht weniger als zweihundertachtundfünfzig Pfund wog. Am 7. Februar näherte er sich der König-Wilhelms-Insel und wendete sich nun nach Osten, wo er sehr bald Schouten's Cap der Guten Hoffnung und die Insel, welche den Namen dieses Seemannes erhalten hat, in Sicht bekam. Am 24. war die Mannschaft Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels: »Zwei Fische, welche das Schiff schon fünf bis sechs Tage begleiteten, nahmen eine große Seeschlange wahr und gingen sofort daran, diese zu verfolgen. Sie waren etwa von der Gestalt und Größe einer Seemakrele, doch gelblichgrün von Farbe. Die mit großer Schnelligkeit entfliehende Schlange hielt den Kopf immer über dem Wasser, während einer der Fische sich bemühte, sie am Schwanze zu fassen. Sobald sie sich umdrehte, blieb der erste Fisch zurück und der andere trat als Jäger an seine Stelle. So hielten sie jene, die sich fliehend immer zu vertheidigen suchte, lange Zeit in Athem, bis wir die Thiere aus dem Gesicht verloren.«

Am 25. gab Dampier einer bergigen, gegen zehn Meilen langen und ungefähr im Nordosten der Admiralitäts-Inseln gelegenen Insel den Namen St. Mathias. Sieben bis acht Meilen weiterhin entdeckte er noch eine andere, welche den Namen der Insel der Stürme erhielt, wegen eines heftigen Wirbelwindes, der jede Landung an derselben vereitelte. Dampier glaubte, nahe der Küste Neu-Guineas zu sein, während er an der von Neu-Irland hinsegelte. Hier gedachte er zwar an's Land zu gehen, sah sich aber von vielen Piroguen mit über zweihundert Eingebornen umringt, während auch am Strande eine große Menge derselben versammelt war. Da er es für unklug hielt, ein Boot an's Land zu senden, ließ Dampier das Schiff wenden. Kaum war dieser Befehl gegeben, als dasselbe mit einem Hagel von Steinen überschüttet wurde, welche die Eingebornen mit einer Maschine schleuderten, deren Form er nicht zu erkennen vermochte; in Folge dieses Vorkommnisses gab er dem Orte den Namen der Bai der Schleuderer. Ein einziger Kanonenschuß aber setzte die Eingebornen in heillosen Schrecken und machte allen Feindseligkeiten ein Ende. In einiger Entfernung von hier und nahe dem Gestade Neu-Irlands entdeckten die Engländer die Inseln Denis und St. Jean. Dampier segelte als der Erste durch die Meerenge, welche Neu-Irland von Neu-Britannien trennt, und sah dann die Inseln Vulkan, der Krone, G. Rook, Long-Rich und die Glühende Insel.

Nach diesem durch so wichtige Entdeckungen bezeichneten Kreuzzuge kehrte Dampier nach Westen um, segelte nach der Insel Missory und erreichte endlich Ceram, eine Insel der Molukken, wo er sich ziemlich lange aufhielt. Dann begab er sich nach Borneo, fuhr durch die Meerenge von Macassar und landete in Batavia auf der Insel Java am 23. Juli. Hier blieb er bis zum 27. October und schlug dann den Weg nach Europa ein. Als er am 23. Februar 1701 bei der Insel Ascension anlangte, hatte sein Schiff ein so großes Leck bekommen, daß man dieses nicht zu schließen vermochte. Man mußte das Fahrzeug auf den Strand setzen und Mannschaft und Ladung an's Land bringen. Glücklicher Weise fehlte es nicht an Wasser, auch gab es viel Schildkröten, Ziegen und Flußkrebse. Man durfte also wenigstens darüber ruhig sein, hier nicht Hungers zu sterben, bis ein Schiff an der Insel anlegen und die Schiffbrüchigen in die Heimat zurückführen würde. Dieser Augenblick ließ nicht lange auf sich warten, denn am 2. April nahm sie ein englisches Fahrzeug an Bord und brachte Alle nach England zurück. Bei Gelegenheit der Fahrten Wood Rodger's werden wir noch weitere Gelegenheit haben, von Dampier zu sprechen.

II.

Der Pol und Amerika.

Hudson und Baffin. – Champlain und La Sale. – Die Engländer an der Küste des Atlantischen Oceans. – Die Spanier in Südamerika. – Kurze Zusammenstellung der am Ende des 17. Jahrhunderts erworbenen Kenntnisse. – Die Messung eines Erdengrades. – Fortschritte der Kartographie. – Anfang der mathematischen Geographie.

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Wenn die Versuche zur Auffindung einer Nordwest-Passage von den Engländern auch seit mehr als zwanzig Jahren aufgegeben waren, so hatte man doch nicht darauf Verzicht geleistet, auf diesem Wege eine Durchfahrt zu suchen, welche erst in unseren Tagen gefunden werden sollte, freilich nur, um ihre gänzliche Unbrauchbarkeit darzulegen. Hudson, ein geschickter Seemann, von dem Ellis sagt, »daß Niemand mit dem Leben auf dem Meere jemals besser vertraut gewesen sei, daß sein Muth allen Hindernissen gewachsen und sein Eifer unermüdlich sei«, schloß einen Vertrag mit einer Gesellschaft Kaufleute, die Nordwest-Passage aufzusuchen. Am l. Mai 1607 von Gravesend mit einer einfachen Barke, dem »Hopevell«, und zwölf Mann Besatzung abgefahren, erreichte er am 13. Juni unter 73° der Breite die Ostküste von Grönland und gab der Stelle einen Namen, der seinen Hoffnungen entsprach, nämlich Cap hold with hope (hoffe immer). Das Wetter war schön und minder kalt, als zehn Grade südlicher. Am 27. Juni hatte Hudson noch fünf Grade nach Norden zurückgelegt; am 2. Juli aber wurde die Witterung durch einen in jenen Gegenden so häufigen grellen Umschlag ganz entsetzlich kalt. Doch blieb noch das Meer offen, die Luft ruhig und die Strömung trieb viel Holz herbei. Am 14. desselben Monats gingen der Hochbootsmann und der Bootsmann unter 33° 23' der Länge auf das Land, das den nördlichen Theil von Spitzbergen bildet. Vielfache Spuren von Bisamochsen und Füchsen, eine große Menge Wasservögel und Bäche mit Trinkwasser, von denen einer sogar auffallend warmes Wasser führte, bewiesen unseren Seefahrern, daß es möglich sei, selbst in diesen hohen Breiten unter der rauhen Jahreszeit leben zu können. Hudson, der sich beeilte, wieder in See zu gehen, wurde unter dem 82° Grade der Breite durch dickes Packeis aufgehalten, das er vergeblich zu durchdringen oder zu umgehen suchte. Er mußte also nach England zurückkehren, wo er nach Entdeckung einer Insel, wahrscheinlich Jean Mayen, am 15. September wieder eintraf. Da die bei dieser Reise eingehaltene Route keinen Zugang nach Norden bot, so wählte Hudson das nächste Mal eine andere. Am 21. April des nächsten Jahres brach er nämlich von Neuem auf und drang zwischen Spitzbergen und Nowaja-Semlja vor; er mußte sich jedoch begnügen, eine Zeitlang dem Ufer dieses ausgedehnten Landes zu folgen, ohne so hoch gelangen zu können, wie er wohl wünschte. Der Mißerfolg dieses zweiten Versuches erschien eher noch vollständiger, als der des Jahres 1607. Die englische Compagnie, welche die Kosten dieser beiden Probefahrten bestritten hatte, weigerte sich auch, noch einmal darauf einzugehen. Das war ohne Zweifel der Grund, der Hudson bestimmte, nun in holländische Dienste zu treten.

Die Compagnie von Amsterdam übergab ihm im Jahre 1609 das Commando über ein Fahrzeug, mit dem er zu Anfang des Jahres von Texel absegelte. Nachdem er das Nordcap passirt, fuhr er längs der Küste Nowaja-Semljas weiter; seine aus Engländern und Holländern bestehende Mannschaft aber, welche früher nur nach Ostindien gesegelt war, wurde durch die Kälte und das Eis bald abgeschreckt. Hudson sah sich gezwungen, seinen Kurs zu ändern und den in offener Meuterei begriffenen Matrosen den Vorschlag zu machen, entweder durch die Davis-Straße oder längs der Küste Virginiens nachzusuchen, wo sich nach den Mittheilungen eines Kapitäns Smith, der in jenen Gegenden bekannt war, ein Seeweg finden sollte. Die Wahl der Mannschaft, welche schon alle Disciplin verlernt hatte, konnte nicht zweifelhaft sein. Hudson mußte, um die von der Amsterdamer Compagnie aufgewendeten Unkosten nicht ganz auf's Spiel zu setzen, nach den Färöeren segeln, bis zum 44° nach Süden hin hinabgehen und an der Küste Amerikas die Aufsuchung der ihm gemeldeten Durchfahrt versuchen. Am 18. Juli landete er am Continente, um seinen, während eines Sturmes gebrochenen Fockmast wieder herzustellen; er benutzte auch die Zeit, um von den Eingebornen Pelzfelle einzutauschen. Seine ungehorsamen Matrosen hatten jedoch durch ihre Quälereien die sonst ganz friedlichen Einwohner des Landes gereizt und zwangen ihn, wieder unter Segel zu gehen. Bis zum 3. August folgte er der Küste und ging dann zum zweiten Male an's Land. Unter 40° 30' entdeckte er eine große Bai, welche er mehr als fünfzig Meilen in einem Boote befuhr. Inzwischen neigte sich der Proviant zu Ende, während es unmöglich war, sich auf dem Lande frisch zu versorgen. Die Mannschaft, welche im Laufe der ganzen Fahrt dem Anführer ihren eigenen Willen aufgedrungen zu haben scheint, trat zu einer Berathung zusammen, bei der die Einen vorschlugen, in Neufundland zu überwintern und im nächsten Jahre die Aufsuchung der Passage wieder aufzunehmen, die Anderen aber darauf bestanden, nach England zurückzukehren. Der letzte Vorschlag ward zum Beschluß erhoben; als man sich aber nur den Küsten Großbritanniens näherte, übte der Anblick des Landes eine so große Anziehungskraft auf die Leute aus, daß Hudson am 7. December in Darmouth anlaufen mußte.

Im folgenden Jahr, 1610, versuchte Hudson, trotz aller erlittenen Unbill, doch noch einmal mit der holländischen Compagnie anzuknüpfen. Die Bedingungen aber, unter welchen diese ihre Mitwirkung allein zusagte, waren derart, daß sie ihn veranlaßten, auf sein Vorhaben zu verzichten und sich lieber wieder mit der englischen Compagnie in Verbindung zu setzen. Diese nun stellte Hudson die Bedingung, einen erfahrenen Seemann, Namens Coleburne, mehr als Assistenten, denn als zweiten Officier mit an Bord zu nehmen, da man auf jenen volles Vertrauen setzte. Begreiflicher Weise mußte ein solches Verlangen Hudson im höchsten Grade kränken. Er ergriff die erste sich darbietende Gelegenheit, seinen Wächter zu entfernen. Noch in der Themse hinsegelnd, schickte er Coleburne an's Land mit einem Schreiben an die Compagnie, durch das er sein mindestens seltsames Verfahren zu rechtfertigen suchte.

In den letzten Tagen des Mai, als das Schiff in einem isländischen Hafen vor Anker lag, rottete sich die Mannschaft wegen Coleburne's Entfernung zu einem ohne Mühe unterdrückten Complot zusammen, und als Hudson am l. Juni die Insel wieder verließ, war seine Autorität vollständig wieder hergestellt. Nach Passirung des Frobisher-Sundes kam Hudson in Sicht von Davis' Desolations-Land, drang in die Meerenge ein, welche seinen Namen führt, und segelte tief in einen geräumigen Meerbusen ein, dessen Westküste er bis Anfang September untersuchte. Damals wurde auch einer der anderen Officiere, der nicht unterließ, Mißmuth gegen den Chef zu erregen, abgesetzt; dieser nothwendige Act aber trug nur noch mehr dazu bei, die Matrosen zu reizen. Als Hudson in den ersten Tagen des November am hinteren Ende der Bai angelangt war, suchte er eine geeignete Stelle zum Ueberwintern und ließ, als er diese bald darauf gefunden, das Schiff auf den Strand ziehen. Eine solche Maßnahme ist nur schwer zu begreifen. Einestheils hatte Hudson England nur mit einem auf sechs Monate berechneten Vorrath an Lebensmitteln verlassen und konnte auch, angesichts der Unfruchtbarkeit des Landes, nicht darauf rechnen, hier die schon ziemlich erschöpften Lebensmittel zu ersetzen; andererseits hatte die Mannschaft schon so häufig ihre Neigung zum Widerstand an den Tag gelegt, daß er auf deren Gehorsam und guten Willen doch schwerlich viel bauen konnte. Mußten die Engländer sich auch manchmal mit sehr mageren Rationen begnügen, so verbrachten sie doch einen nicht allzu beschwerlichen Winter, da ihnen unerwartet viel Zugvögel in die Hände fielen. Mit der Wiederkehr des Frühlings aber und der vollendeten Herrichtung des Schiffes zur Heimfahrt nach England, sah Hudson wohl ein, daß sein Schicksal besiegelt sei. Er traf darnach seine Anordnungen, lieferte Jedem seinen Antheil an dem noch vorhandenen Zwieback aus, zahlte den Leuten ihren Sold und wartete ruhig der Entwickelung ihrer Dinge. Diese ließ auch nicht auf sich warten. Die verschworene Mannschaft bemächtigte sich des Kapitäns, seines Sohnes, eines Freiwilligen, des Schiffszimmermanns und fünf Matrosen, setzte sie ohne Waffen, Nahrungsmittel und Instrumente in einem Boote aus und überließ sie der Gnade des Oceans. Die Verbrecher erreichten die englische Küste, doch nicht Alle, denn zwei wurden noch in einem Gefechte mit Indianern getödtet, ein Dritter starb an einer Krankheit, Alle aber hatten ganz entsetzlich von Hunger zu leiden. Uebrigens wurde gegen sie auffallender Weise keine Untersuchung eingeleitet. Im Jahre 1614 verlieh nur die Compagnie auf einem ihrer Schiffe eine Stellung an den Sohn »des bei der Aufsuchung eines nordwestlichen Seeweges spurlos verschwundenen Heinrich Hudsons«, der jetzt ganz mittellos dastand.

Den Zügen Hudson's folgten jetzt die Lutton's und Gibbons'. Diesen Männern verdankt man, wenn auch nicht neue Entdeckungen, doch sehr genaue Beobachtungen über die Gezeiten, den Wechsel der Witterung und der Temperatur, wie überhaupt über viele Naturerscheinungen jener Gegenden.

Im Jahre 1615 übergab die englische Compagnie Byleth, der schon an den letzten Fahrten theilgenommen hatte, das Commando über ein Fahrzeug von fünfzig Tonnen. Sein Name, die »Decouverte«, schien von guter Vorbedeutung. Als Piloten nahm jener den erfahrenen Wilhelm Baffin mit, dessen Ruhm den seines Kapitäns weit überstrahlen sollte. Von England am 13. April abgesegelt, gelangten die Seefahrer am 6. Mai in Sicht des Cap Farewell, fuhren von Desolations-Land nach den Inseln der Wilden, wo sie Eingeborne in großer Menge antrafen, und drangen in nordwestlicher Richtung bis zum 64. Breitegrade hinauf. Am 10. Juli sahen sie Land an Steuerbord und beobachteten, daß die Fluth von Norden her kam; dadurch schöpften sie eine so große Hoffnung auf das Vorhandensein des gesuchten Seeweges, daß sie dem entdeckten Vorgebirge den Namen Cap Confort beilegten. Wahrscheinlich wird es das Cap Walsingham gewesen sein, denn nach Umschiffung desselben bemerkten sie, daß sich das Land nach Nordosten und Osten zu fortsetzte. Am Eingange der Davis-Straße schlossen ihre Entdeckungen für dieses Jahr ab. Am 9. September waren sie, ohne einen Mann verloren zu haben, wieder in Plymouth zurück.

Byleth's und Baffin's erwartungsvolle Hoffnung war so stark, daß sie die Erlaubniß auszuwirken wußten, im folgenden Jahre mit demselben Schiffe noch einmal in See zu gehen. Schon am 14. Mai 1616 drangen die beiden Kapitäne nach glücklicher Seefahrt in die Davis-Straße ein, bekamen Sanderson's Cap Esperance, den nördlichsten von Davis erreichten Punkt, in Sicht und segelten bis 72° 40' der Breite, bis zur Insel der Frauen hinauf, welche ihren Namen von dem Zusammentreffen mit einigen Eskimoweibern erhielt. Am 12. Juli sahen sich Byleth und Baffin durch Treibeis genöthigt, in eine Bai der Küste einzulaufen. Hier brachten Eskimos viel Hörner, entweder Walroßzähne oder Hörner von Bisamochsen herbei, weshalb man diese Stelle den Hörner-Sund nannte. Nach mehrtägigem Aufenthalte war es doch wieder möglich, in See zu gehen. Von 75° 40' an sah man ein ungeheures, eisfreies Meer vor sich und drang ohne Schwierigkeit bis jenseit des 78. Grades vor und bis zum Eingang einer Meerenge, welche den eben befahrenen und Baffins-Bai getauften Meerestheil fortsetzte. Nach Westen und Südwesten steuernd, entdeckten Byleth und Baffin die Carey-Inseln, die Johns-Straße, die Insel Coburg und den Lancaster-Sund. Endlich folgten sie dem westlichen Ufer der Baffins-Bai bis herab nach Cumberland. Da Byleth, der unter seiner Mannschaft sehr viele Scorbutkranke hatte, daran verzweifelte, noch weitere Entdeckungen machen zu können, so beschloß er, nach England zurückzukehren, wo er am 30. August in Dover landete.

Endigte auch diese Expedition eigentlich mit einem Mißerfolge in dem Sinne, daß die gesuchte Nordwest-Passage noch immer nicht gefunden war, so verdienten die gewonnenen Resultate doch alle Anerkennung. Byleth und Baffin hatten die bekannten Grenzen der Meere um ein gutes Stück hinausgeschoben, vorzüglich an der Seite von Grönland. Der Kapitän und der Pilot versicherten in einem an den Director der Compagnie gerichteten Schreiben, daß die von ihnen untersuchte Bai einen prächtigen Fischgrund darbiete, wo sich Walfische, Seehunde und Walrosse zu Tausenden umhertummelten. Die Zukunft sollte ihre Worte vollkommen bestätigen.

Doch kehren wir nun nach der Küste Amerikas, nämlich nach Canada, zurück und sehen, was sich hier seit Jacques Cartier ereignet hat. Der Letztere hatte, wie früher erwähnt, bekanntlich einen Niederlassungsversuch unternommen, der nicht von besonderem Erfolge begleitet war. Einige Franzosen blieben indeß im Lande, verheirateten sich daselbst und bildeten einen gewissen Kolonisten-Stamm. Von Zeit zu Zeit erhielten sie wohl auch durch Fischer aus Dieppe und St. Malo einige Verstärkungen an Arbeitskräften. Ein eigentlicher Auswandererstrom kam aber nur schwierig in Gang. Da wurde ein Edelmann, Namens Samuel de Champlain, ein Veteran aus den Kriegen Heinrich's IV., der zweiundeinhalb Jahr lang verschiedene Fahrten in Ostindien ausgeführt hatte, nebst dem Herrn von Pontgravé von dem Commandeur de Chastes dazu ausersehen, die Entdeckungen Jacques Cartier's fortzusetzen und die Gründung von Städten und größeren Ansiedlungen zu versuchen. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die Art und Weise einzugehen, wie Champlain seine Aufgabe als Kolonisator erfüllte, noch auf seine sonstigen großen Verdienste, die ihm wohl den Ehrennamen »der Vater von Canada« hätten erwerben können. Wir lassen also diese und wirklich nicht die wenigst verdienstvolle Seite seiner Thätigkeit außer Acht und beschäftigen uns allein mit den Entdeckungen, die er im Innern des Festlandes machte.

Von Honfleur am 13. März 1603 abgefahren, segelten, die beiden Führer zuerst den St. Lorenzo bis zum Hafen von Tadoussar, achtzig Meilen von der Mündung des Stromes, empor. Sie fanden einen recht guten Empfang bei den benachbarten Völkerschaften, welche »weder Glauben noch Gesetze kannten und wie wilde Thiere ohne einen Gott und eine Religion lebten«. Hier ließen sie die Schiffe, die nicht ohne Gefahr hätten weiter hinauf segeln können, zurück, gelangten auf einer Barke nach dem St. Louis-Fall, wo Jacques Cartier stehen geblieben war, drangen auch ein wenig in das Innere des Landes ein und kehrten nach Frankreich zurück, wo Champlain für den König einen Bericht seiner Reise drucken ließ.

Heinrich IV. beschloß, das Unternehmen fortzusetzen. Inzwischen war de Chastes mit Tod abgegangen, während seine Stellung auf Herrn de Monts mit dem Titel eines Viceadmirals und Statthalters von Acadien überging. Champlain begleitete de Monts nach Canada und verweilte drei volle Jahre, um bei den vorzunehmenden Niederlassungsversuchen mit Rath und That beizustehen, die Küsten Acadiens näher zu erforschen, indem er diese bis jenseits des Cap Cod besuchte oder Fahrten in das Landesinnere vorzunehmen, wo er sich bemühte, die wilden Stämme für seine Sache zu gewinnen. Im Jahre 1607 kehrte Champlain nach einer neuen Reise in die Heimat, wo er Kolonisten anwarb, noch einmal nach Neu-Frankreich zurück und legte im Jahre 1608 den Grund zu einer Stadt, dem späteren Quebec. Die nächsten Jahre widmete er einer wiederholten Untersuchung des St. Lorenzo und der Feststellung der Hydrographie dieses Stromes. Auf einer Pirogue drang Champlain mit nur zwei Gefährten und einigen Algonquins in das Land der Irokesen ein, wo er mit seiner geringen Macht in einem Gefechte am Ufer eines Sees, der davon seinen Namen erhielt, Sieger blieb; dann fuhr er wieder den Richelieu-Strom bis zum St. Lorenzo hinab. Im Jahre 1610 fällt er an der Spitze seiner Verbündeten, der Algonquins, unter denen er nur mühsam etwas europäische Disciplin erhalten kann, bei den Irokesen ein. Bei diesem Zuge bediente er sich gewisser Kriegsmaschinen, welche die Wilden in Schrecken setzten und ihm den Sieg erleichterten. Für den Angriff eines Dorfes ließ er ein hölzernes Roß erbauen, das zweihundert der kräftigsten Männer »bis auf Lanzenlänge vor das Dorf trugen; drei Arquebusiere bestiegen dasselbe und waren so gegen Pfeile und Steine, welche man auf sie schießen oder schleudern konnte, vollständig geschützt«. Ein wenig später sehen wir ihn bei der Untersuchung des Ottava-Flusses, wobei er nach Norden in das Festland, bis auf fünfundsiebzig Meilen von der Hudsons-Bai, vordringt. Nach vollendeter Befestigung von Montreal im Jahre 1615, fährt er noch zweimal den Ottava-Fluß hinauf, besucht den Huron-See und gelangt zu Lande bis zum Ontario-See, den er überschreitet.

Es ist schwierig, Champlain's so bewegtes Leben in zwei Abschnitte zu zerlegen. Alle seine Fahrten und Entdeckungen bezweckten nur die Weiterentwickelung des Werkes, dem er sich gänzlich gewidmet hatte. Entkleidet von dem, was ihm das eigentliche Interesse verleiht, erscheinen sie wirklich auch nur unbedeutend, wäre jedoch Ludwig's XIV., sowie seines Nachfolgers Kolonialpolitik eine entschiedenere gewesen, so besäße Frankreich in Amerika wahrscheinlich eine Kolonie, welche an Größe und Gedeihen den Vereinigten Staaten kaum nachstehen möchte. Obwohl Frankreich Canada wieder aufgab, so hat sich daselbst doch immer noch eine ausgesprochene Liebe zum Mutterlande erhalten.

Wir müssen nun vierzig Jahre überspringen, um mit unserer Schilderung zu Robert Cavelier de la Sale zu gelangen. Während dieses Zeitraumes hatten die französischen Kolonien in Canada schon eine mächtige Ausdehnung gewonnen und bedeckten einen großen Theil des Nordens von Amerika. Jäger und Trapper durchstreiften die Wälder, machten reiche Beute an Pelzthieren und trugen nicht unwesentlich zur besseren Kenntniß des Innern des Continentes bei. In letzterer Hinsicht fanden sie tüchtige Unterstützung durch die Missionäre, unter denen in erster Reihe der Pater Marquette Erwähnung verdient, der sich durch die Ausdehnung seiner Reisen über die großen Seen und auf dem Mississippi den Dank der Nachwelt erworben hat. Wegen der Hilfe und den Erleichterungen, die sie den Forschungsreisenden gewährten, haben wir hier ferner die Namen zweier Männer zu verzeichnen, nämlich de Frontenac, den Gouverneur von Neu-Frankreich, und Talon, den Intendanten der Justiz und Polizei. Im Jahre 1658 kam ein junger Mann, Namens Cavelier de La Sale, eigentlich ohne bestimmte Absicht nach Canada. »Er stammte, so berichtet Charlevoix, aus einer gutsituirten Familie in Rouen; da er aber einige Jahre bei den Jesuiten zugebracht hatte, verlor er sein väterliches Erbtheil. Gebildet und lebhaften Geistes, wie er war, wollte er sich auf jeden Fall auszeichnen und fühlte das Zeug in sich, daß ihm das gelingen werde. Es fehlte ihm in der That weder an Entschlossenheit zum Handeln, noch an der Ausdauer, ein einmal angefangenes Unternehmen durchzuführen, weder an der Festigkeit gegenüber den verschiedensten Hindernissen, noch an Auffindung der Hilfsmittel, um etwaige Verluste zu ersetzen; er wußte sich aber weder beliebt zu machen, noch Diejenigen zu leiten, deren er bedurfte, und trat, sowie er sich ein Ansehen erworben, mit Härte und Hochmuth auf. Bei solchen Fehlern seines Charakters konnte er nicht glücklich sein, und war es in der That auch nicht.«

Die Schilderung des Paters Charlevoix erscheint allerdings etwas grau in Grau gemalt und dieser mag wohl die große Entdeckung, welche man Cavelier de La Sale verdankt, eine Entdeckung, welche kaum ihres Gleichen hat, oder höchstens in Orellana's Erforschung des Amazonenstromes im 16. oder die des Congo durch Stanley im 19. Jahrhundert ein Nebenstück findet, nicht gebührend geschätzt zu haben. Kaum in's Land gekommen, geht er mit einem Eifer ohne Gleichen an das Studium der Sprachen der Eingebornen und besucht die Wilden, um ihre Sitten und Gewohnheiten kennen zu lernen. Gleichzeitig verschafft er sich durch die Trapper eine Menge werthvoller Nachrichten über die Lage der Flüsse und Seen. Seine Projecte theilte er auch de Frontenac mit, der ihn ermuthigte und ihm das Commando über ein am Ausfluß des Sees in den St. Lorenzo erbautes Fort anvertraute. Inzwischen langte ein gewisser Jolyet in Quebec an. Er brachte hierher die Nachricht mit, daß er mit Pater Marquette und vier anderen Personen einen großen, gegen Süden laufenden Strom, Namens Mississippi, aufgefunden habe. Cavelier de La Sale durchschaute bald den Vortheil, den Frankreich aus einer so mächtigen Wasserader ziehen könne, zumal wenn der Mississippi, wie er annahm, in den Golf von Mexico auslief.

Durch die Seen und den Illinois, einen Nebenstrom des Mississippi, schien es leicht, den St. Lorenzo mit dem Antillen-Meere in Verbindung zu setzen. Welch' gewichtigen Vortheil konnte Frankreich aus dieser Entdeckung ziehen! La Sale legte dem Grafen de Frontenac sein Project vor und erhielt von diesem sehr dringende Empfehlungsschreiben an den Marineminister. In Frankreich angelangt, erfuhr La Sale das Ableben Colbert's, übergab aber dessen Sohne und Nachfolger, dem Marquis de Seignelay, die Depeschen, deren Träger er war. Der scheinbar auf zuverlässigen Grundlagen ruhende Plan mußte bei dem jungen Minister wohl Gefallen finden. Seignelay stellte La Sale in Folge dessen auch dem Könige selbst vor, der ihm ein Adelspatent ausfertigen ließ, ihm die Oberhoheit über Catarocouy und das Commando des von ihm erbauten Forts übertrug und ein ausschließliches Handelsmonopol in den Ländern verlieh, die er entdecken würde.

La Sale wußte auch Mittel zu finden, sich die Gunst des Prinzen von Conti zu verschaffen, der ihn ersuchte, den Sohn des Chevalier Tonti, des Erfinders der Tontine, für den er sich besonders interessirte, mitzunehmen. La Sale hatte alle Ursache, sich dieser Acquisition zu freuen. Tonti, der in Sicilien gedient und bei der Explosion einer Granate eine Hand verloren hatte, war ein muthiger, gewandter Officier, der sich stets treu und ergeben erwies.

Am 14. Juli 1678 schifften sich La Sale und Tonti in La Rochelle ein und nahmen etwa dreißig Mann, Soldaten und Handwerker, nebst einem Barfüßer-Mönche, dem Pater Hennepin, an Bord, der sie auf allen ihren Reisen begleitete.

Da er später einsah, daß die Durchführung seines Projectes beträchtlichere Hilfsmittel und Kräfte erforderte, als die, über welche er verfügte, so ließ La Sale auf dem Erie-See eine Barke erbauen und verwendete ein volles Jahr darauf, das Land zu durchstreifen und die Indianer zu besuchen, wobei er durch Tauschhandel viele Pelzwaaren erwarb, die er in seinem Niagara-Fort aufstapelte, während Tonti an anderen Stellen ebenso verfuhr. Mitte August 1679 kam seine Barke, der »Griffon«, endlich in segelfähigen Zustand und er schiffte sich mit dreißig Mann und drei Barfüßer-Mönchen auf dem Erie-See nach Machillimackinac ein. Auf dem St. Clair und dem Huron-See überfiel ihn ein entsetzlicher Sturm, der die Desertion eines Theiles seiner Leute veranlaßte, welche ihm Tonti jedoch wieder zuführte. In Machillimackinac angekommen, drang La Sale sehr bald auch in den Grünen Meerbusen ein. Während dieser Zeit aber ließen seine Gläubiger in Quebec Alles verkaufen, was er besaß, und der »Griffon,« den er, mit Rauchwaaren beladen, nach dem Niagara-Fort zurückgesendet hatte, ging entweder zu Grunde oder wurde von Indianern geplündert und vernichtet; jedenfalls erfuhr man hierüber niemals etwas Verläßliches. Er selbst setzte, trotz des Murrens seiner Leute über das Absegeln des »Griffon«, seinen Weg fort und erreichte den St. Joseph-Strom, wo sich ein Lager der Miamis befand und sich Tonti ihm wieder anschloß. Hier ließen sie es sich ihre erste Sorge sein, ein Fort zu errichten. Dann überschritten sie die Wasserscheide zwischen dem Becken der großen Seen und dem des Mississippi; weiterhin gelangten sie zu dem Illinois-Flusse, einem linken Nebenarme jenes großen Stromes. Die Lage La Sale's mit seiner kleinen Truppe, auf die er sich nicht einmal sicher verlassen konnte, wurde allmälig gefährlich, mitten in unbekanntem Lande und gegenüber einem mächtigen Stamme, den Illinois, welche zwar früher mit den Franzosen auf freundschaftlichem Fuße standen, jetzt aber durch die Irokesen und die über das Aufblühen der canadischen Kolonie eifersüchtigen Engländer aufgereizt waren.

Inzwischen galt es, um jeden Preis die Indianer zu gewinnen, welche der Lage ihrer Sitze nach im Stande waren, jede Verbindung zwischen La Sale und Canada zu unterbrechen. Um sie zu verblüffen, begiebt sich Cavelier de La Sale nach ihrem Lager, wo mehr als 3000 Mann versammelt sind. Er marschirt stolz mit nur zwanzig Mann durch ihre Hütten und macht in einiger Entfernung derselben Halt. Die Männer von Illinois, welche den Krieg noch nicht erklärt haben, sind auf's Höchste erstaunt. Dann begeben sie sich zu ihm und überhäufen ihn mit Versicherungen ihrer Freundschaft. So wetterwendisch ist der Sinn der Wilden! Einen solchen Eindruck macht auf sie jedes Zeichen kecken Muthes! La Sale macht sich unverweilt ihr friedliches Verhalten zu Nutze und errichtet auf ihrem eigenen Lagerplatze ein kleines Fort, das er Crèvecoeur (Herzeleid) nennt, mit Bezugnahme auf die Leiden, die er schon erduldete. Hier läßt er Tonti mit allen seinen Leuten zurück, er selbst aber begiebt sich, beunruhigt über das Schicksal des »Griffon«, mit drei Franzosen und einem Indianer nach dem, fünfhundert Meilen von Crèvecoeur gelegenen Fort Catarocouy. Vor dem Aufbruch hatte er noch einen seiner Leute mit dem P. Hennepin ausgesandt, längs des Mississippi bis jenseits der Einmündung des Illinois und wennmöglich bis zu dessen Quellen hinaufzuziehen. »Die beiden Männer, sagt Pater Charlevoix, reisten am 28. Februar von Fort Crèvecoeur ab, begaben sich auf den Mississippi und fuhren denselben Fluß aufwärts bis zum 46. Grade nördlicher Breite. Hier wurden sie durch einen, die ganze Breite des Strombettes einnehmenden, hohen Wasserfall aufgehalten, dem P. Hennepin den Namen des »Heiligen Antonius von Padua« beilegte. Später fielen sie, man weiß nicht bei welcher Gelegenheit, den Sioux in die Hände, welche sie lange Zeit gefangen hielten.«

Bei seiner Rückreise nach Catarocouy traf La Sale wiederum auf eine sehr geeignete Stelle zur Errichtung eines Forts und berief Tonti dahin, der die Ausführung dieses Werkes unverzüglich in die Hand nimmt, während er seinen Weg fortsetzt. Hier entstand das Fort St. Louis. In Catarocouy angelangt, erhielt La Sale lauter Hiobsposten, welche einen weniger gestählten Charakter wohl vollständig niedergedrückt hätten. Nicht allein der mit Pelzwerk im Werthe von 10.000 Thalern beladene »Griffon« war verloren, sondern es hatte auch noch ein anderes Fahrzeug, das ihm eine auf 22.000 Frcs. geschätzte Ladung aus Frankreich zuführte, totalen Schiffbruch erlitten, und dazu verbreiteten die ihm feindselig Gesinnten noch eifrig die falsche Nachricht von seinem Tode. Da ihm in Catarocouy nichts weiter zu thun übrig blieb und er durch sein Auftreten die Grundlosigkeit aller Gerüchte über sein Verschwundensein dargelegt hatte, zog er wieder nach Crèvecoeur ab, wo er zu seiner Verwunderung keinen einzigen Mann antraf.

Das verhielt sich nämlich folgendermaßen. Während Chevalier Tonti die Herstellung des Forts St. Louis in Angriff nahm, hatte sich die kleine Besatzung von Fort Crèvecoeur empört, die Magazine desselben, ebenso wie die in Fort Miani geplündert und war bis Machillimackinac entflohen. Tonti, der nun in Folge der Insubordination seiner Leute den Kriegern von Illinois fast allein gegenüberstand, sah ein, daß er sich in Fort Crèvecoeur nicht werde halten können; deshalb verließ er dieses mit den ihm noch übrig gebliebenen fünf Franzosen und zog sich nach der Bai des Michican-Sees zurück. Nachdem La Sale die Forts Crèvecoeur und St. Louis wieder mit Mannschaft belegt, begab er sich nach Machillimackinac, wo er auch Tonti wiederfand. Gegen Ende August gingen nun Beide nach Catarocouy zurück, wo sie sich am 28. August 1681 mit 54 Mann auf dem Erie-See einschifften. Nach einem Zuge von achtzig Meilen längs der eisbelegten Ufer des Illinois erreichten sie Fort Crèvecoeur, wo das offene Wasser ihnen wiederum die Benutzung der Boote gestattete. Am 6. Februar 1682 langte La Sale beim Zusammenfluß des Illinois und des Mississippi an. Er folgte diesem stromabwärts, kam nach der Mündung des Missouri und der des Ohio, wo er ein Fort anlegte, drang in Arkansas ein, das er im Namen Frankreichs in Besitz nahm, fuhr durch das Land der Nachez, mit denen er ein Freundschaftsbündniß abschloß, und gelangte endlich, am 9. April, nachdem er 350 Meilen in einem einfachen Boote zurückgelegt, nach dem Golfe von Mexico. Was Cavelier de La Sale so scharfsichtig geahnt, hatte seine volle Bestätigung gefunden. Er nahm sofort feierlichst von dem ganzen Lande Besitz, das er Louisana nannte, und taufte den ungeheueren, von ihm befahrenen Strom St. Louis.

La Sale brauchte nicht weniger als anderthalb Jahr zur Rückreise nach Canada. Es erscheint das keineswegs wunderbar, wenn man sich alle, seinen Weg erschwerenden Hindernisse vergegenwärtigt. Welch' energische Willenskraft mußte dieser Mann, übrigens einer der berühmtesten Reisenden, auf die Frankreich mit Recht stolz ist, besitzen, ein solches Riesenunternehmen zu glücklichem Ende zu führen?

Leider berichtete ein Anderer, der wohl von den besten Absichten beseelt war, sich gegen La Sale aber durch dessen zahlreiche Feinde einnehmen ließ, Lefèvre de la Barre nämlich, der Nachfolger de Frontenac's, als Statthalter von Canada, an den Marineminister, daß den Entdeckungen La Sale's keineswegs ein besonderes Gewicht beizulegen sei. »Dieser Reisende, sagt er, befand sich mit etwa zwanzig französischen Landstreichern und Wilden im Grunde der Bai, spielte daselbst den Souverän, beraubte und brandschatzte seine eigenen Landsleute, setzte die Bewohner den Einfällen der Irokesen aus und entblödete sich nicht, alle seine Gewaltthaten mit der Ausrede zu beschönigen, daß er von Sr. Majestät das ausschließliche Privilegium zum Handel in den von ihm zu entdeckenden Ländern besitze.«

Cavelier de La Sale konnte diesen verleumderischen Anschuldigungen gegenüber unmöglich gleichgültig bleiben. Einerseits verlangte es seine Ehre, sich persönlich in Frankreich zu stellen, andererseits verspürte er aber auch keine Lust, den Vortheil von seinen Entdeckungen einem beliebigen Anderen zu überlassen. Er reiste also ab und fand bei Seignelay einen recht wohlwollenden Empfang. De La Barre's Zuschriften hatten auf den Minister den gefürchteten Eindruck nicht hervorgebracht; dieser sah vielmehr hinreichend ein, daß Niemand etwas Hervorragendes zu leisten vermöge, ohne manche Eigenliebe zu verletzen und sich viele Feinde zu machen. La Sale benutzte die günstige Gelegenheit, dem Marineminister den Vorschlag zu unterbreiten, zu Wasser die Mündung des Mississippi aufzusuchen, den Schiffen Frankreichs einen Weg dahin zu bahnen und daselbst eine Niederlassung zu gründen. Der Genannte billigte diesen Plan und händigte jenem eine Vollmacht aus, welche Franzosen und Wilde vom Fort St. Louis in Illinois bis zum Meere unter seinen Befehl stellte. Gleichzeitig sollte der Kapitän des zu seiner Ueberführung nach Amerika bestimmten Geschwaders nach geschehener Landung von ihm abhängen und jede verlangte Unterstützung leisten, so lange nichts zum Nachtheile der Krone geschähe. Vier Fahrzeuge, darunter eine von de Beaujeu befehligte Fregatte mit vierzig Kanonen, waren bestimmt, zweihundertachtzig Personen, mit Inbegriff der Schiffsbesatzungen, nach den Mündungen des Mississippi zu bringen, welche hier den Kern einer neuen Kolonie bilden sollten. Leider traf man, was Soldaten und Handwerker betrifft, eine sehr schlechte Wahl, denn Keiner leistete etwas Tüchtiges in seinem Fache, was man leider erst zu spät gewahr wurde. Am 24. Juli 1684 von La Rochelle aus abgefahren, mußte das kleine Geschwader fast unmittelbar darauf in den Hafen zurückkehren, da bei dem herrlichsten Wetter, das Bugspriet der Fregatte plötzlich gebrochen war. Dieser unerklärliche Unfall wurde zum Ausgangspunkte einer zwischen de Beaujeu und de La Sale aufkeimenden Mißstimmung. Der Erste konnte seine Unterordnung unter einen gewöhnlichen Privatmann nicht vertragen und ließ das Cavelier de La Sale unverhüllt fühlen. In dieser Lage hätte er ja die Uebernahme des Commandos einfach ablehnen können. Auch der zweite Officier besaß nicht die Milde der Sitten und die nöthige Urbanität, seinen Vorgesetzten auf andere Anschauungen zu bringen. Die Zänkereien gewannen während der Ueberfahrt nur an Schärfe, weil de Beaujeu jene verzögerte und überhaupt nur seinem Kopfe folgen wollte. De La Sale griff der fortwährende Aerger so sehr an, daß er bei der Ankunft in St. Domingo erkrankte. Er genas jedoch wieder und die Expedition ging am 25. November auf's Neue unter Segel. Einen Monat später befand sie sich etwa in der Höhe von Florida. Da man La Sale aber versicherte, daß alle Strömungen des mexicanischen Meerbusens eine östliche Richtung hätten, so zweifelte er nicht daran, daß die Mündung des Mississippi ihm immer noch im Westen liege; ein Irrthum, der noch zur Ursache mancher Unfälle werden sollte.«

La Sale ließ also nach Westen steuern und fuhr, ohne sie zu bemerken und selbst verschiedene Anzeichen, auf die man ihn hinwies, zu beachten, an der Mündung des Mississippi vorüber. Als er seinen Fehler einsah, und de Beaujeu bat, wieder wenden zu lassen, wollte dieser nicht darauf eingehen. Da La Sale einsah, daß er den Widerspruch seines Schiffsführers nicht zu besiegen vermöge, beschloß er, seine Leute und Provisionen in der St. Bernhard's-Bai an's Land zu setzen. Aber auch hierbei folgte Beaujeu noch seinem bösen Willen und handelte in einer Weise, die weder seinem Verstande noch seinem Patriotismus Ehre machte. So verweigerte er nicht nur die Ausschiffung des gesammten Proviantvorrathes unter dem Vorwande, er könne einen Theil desselben, der im Raume verstaut lag, nicht heraufholen, sondern nahm auch noch den Führer und die Besatzung eines mit Munition, Werkzeugen und Gerätschaften zur Gründung einer neuen Kolonie beladen gewesenen Begleitschiffes an Bord auf, Leute, welche allem Anscheine nach ihr Fahrzeug absichtlich hatten auf den Strand laufen lassen. Sofort machten sich eine Menge Indianer die durch das Scheitern des Transportschiffes entstandene Verwirrung zu Nutze und raubten von demselben, was nur in ihre Hände fiel. Trotz alldem traf La Sale, der sich nun einmal von keinem Unfall entmuthigen ließ und unter allen gegebenen Umständen sich aus der Noth zu helfen wußte, die ersten Vorbereitungen zur Begründung einer Kolonie. Um seine Leute zu ermuthigen, legte er wiederholt selbst Hand an's Werk; bei der Unkenntniß der Handwerker schritten die Arbeiten selbst aber doch nur langsam fort. Betroffen von der Aehnlichkeit der Sprache und Lebensgewohnheiten der hier umherschweifenden Indianer mit denen von der Gegend des Mississippi, kam La Sale zu dem Glauben, daß er sich nicht weit davon entfernt befinden könne, und unternahm mehrere Ausflüge, um sich hierüber Auskunft zu verschaffen. Fand er aber auch ein schönes und fruchtbares Land, so zeigte sich doch keine Spur von dem, was er suchte. Allemal kam er düsterer und unzugänglicher nach dem Fort zurück, was natürlich nicht besonderes zur Beruhigung der durch Entbehrungen und die Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen erregten Gemüther diente. So hatte man wohl gesäet, doch entweder war wegen Mangels an Regen nichts davon aufgegangen, oder was etwa gedieh, wurde von Indianern und wilden Thieren geplündert. Entfernten sich Jäger von dem Lager, so wurden sie von Indianern ermordet, während die von der Entmuthigung, dem Kummer und manchen Entbehrungen erschöpften Ansiedler Krankheiten leicht zur Beute fielen. Binnen kurzer Zeit waren die Kolonisten auf siebenunddreißig Köpfe zusammengeschmolzen. Endlich raffte sich La Sale zu einer letzten Anstrengung auf, den Mississippi zu finden und längs dieses Stromes bei den ihm von früher verbündeten Völkern Hilfe zu suchen. Am 12. Januar 1687 brach er mit seinem Bruder, zwei Neffen, zwei Missionären und zwölf Kolonisten auf. Schon näherte er sich dem Lande der Conis, als, in Folge eines Streites zwischen einem seiner Neffen und drei Kolonisten, Letztere den jungen Mann nebst seinem Diener im Schlafe ermordeten und auch den Chef der Expedition umzubringen beschlossen. Beunruhigt über das Verschwinden seines Neffen, ging de La Sale am 19. des Morgens mit dem Pater Anastasius zur Aufsuchung desselben aus. Als die Mörder ihn näher herankommen sahen, verbargen sie sich hinter einem Busche und einer gab auf den Kopf des Chefs einen Flintenschuß ab, der ihn sofort todt niederstreckte. So endete Robert Cavelier de La Sale, nach Pater Charlevoix »ein Mann von solchen Fähigkeiten, umfassendem Geiste, einem Muthe und einer Festigkeit des Charakters, daß er gewiß noch Großes zu vollbringen vermocht hätte, hätte er nur seine düstere, ›gallige‹ Gemüthsstimmung zu beherrschen und die Strenge oder vielmehr Härte seiner Natur einigermaßen zu mildern verstanden ...« Unzählige Verleumdungen wurden auf ihn gehäuft, doch muß man sich wohl hüten, solch' übelwollender Nachrede zu viel Gewicht beizulegen, »denn es ist eine zu gewöhnliche Erscheinung, die Fehler Derjenigen, welche Unglück hatten, zu übertreiben, ihnen selbst solche anzudichten, die sie gar nicht besaßen, vorzüglich, wenn sie ihre Mißerfolge nur irgendwie selbst verschuldeten und sich nicht beliebt zu machen wußten. Was die Erinnerung an diesen berühmten Mann noch trauriger erscheinen läßt, ist die Erfahrung, daß ihn wirklich nur Wenige bedauerten und daß der ungünstige Ausgang seiner Unternehmungen – wenigstens der letzten – ihm unter Denen, welche nur oberflächlich urtheilen, den Stempel eines Abenteurers aufdrückten. Das thun aber leider die Meisten und einigermaßen also auch – die öffentliche Meinung.«

Den letzten, so lobenswerthen Worten haben wir nur wenig hinzuzufügen. La Sale verstand es nicht, den Neid über seinen ersten Erfolg zu ersticken. Wir haben oben dargelegt, in Folge welcher Umstände sein zweites Unternehmen scheiterte. Er fiel sozusagen als Opfer der Eifersucht und des bösen Willens de Beaujeu's. Dieser kleinlichen Ursache ist es zuzuschreiben, daß es Frankreich nicht gelang, in Amerika eine mächtige Kolonie zu begründen, welche sonst wohl bald im Stande gewesen wäre, den Kampf mit den englischen Niederlassungen aufzunehmen.

Wir schilderten schon den Anfang der englischen Kolonien. Die Ereignisse in England waren ihnen ausnehmend günstig. Die religiösen Verfolgungen nebst den Revolutionen von 1648 und 1688 führten ihnen eine Menge Ansiedler zu, welche von bestem Geiste beseelt an die Arbeit gingen und nach jenseits des Atlantischen Meeres sowohl die Künste und die Industrie als auch in kurzer Zeit die Blüthe und den Wohlstand des Mutterlandes verpflanzten. Bald sanken die grenzenlosen Wälder Virginiens, Pennsylvaniens und Carolinas unter der Axt des »Squatters« und wurde der gewonnene Boden urbar gemacht, während die »Waldläufer« sowohl die Indianer zurückdrängten, als auch das Innere des Landes erschlossen und der Civilisation die Wege ebneten.

In Mexico, dem ganzen Central-Amerika, wie in Peru, Chili und am Gestade des Atlantischen Oceans lagen die Verhältnisse anders. Wohl hatten die Spanier verstanden, weite Gebiete zu erobern; statt aber selbst zu arbeiten wie die Engländer, beugten sie nur die Indianer unter das Joch der Sklaverei. Statt sich der, den verschiedenen Klimaten und Landstrichen angepaßten Kultur des Bodens zuzuwenden, suchten sie nur in den Bergwerken die Schätze und Reichthümer, welche sie dem fruchtbaren Erdreich hätten abgewinnen sollen. Gelangt ein Land unerwartet schnell zu so unermeßlichem Reichthume, so ist ihm die Zeit seiner Blüthe meist nur kurz zugemessen. Mit den Bergwerken erschöpft sich ein Wohlstand, der sich nicht wieder erneuert. Die Spanier sollten hiermit eine traurige Erfahrung machen.

Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts war also ein großer Theil der Neuen Welt bekannt. In Nordamerika waren Canada, die Ufer des Atlantischen Oceans und des Golfs von Mexico, das Thal des Mississippi, die Küsten Kaliforniens und Neu-Mexicos entdeckt und theilweise kolonisirt. Der mittlere Theil des Festlandes, vom Rio-del-Norte bis Terre Ferme, stand, wenigstens dem Namen nach, unter spanischer Oberhoheit. Im Süden entzogen sich, und auch noch auf lange Zeit, die Wälder und Savannen Brasiliens, die Pampas von Argentina und das Innere Patagoniens dem Blicke der Entdeckungsreisenden.

In Afrika waren die Seefahrer geduldig der langen Küstenlinie am Atlantischen und Indischen Meere gefolgt. Nur an einzelnen Stellen hatten Kolonisten oder Missionäre versucht, die Geheimnisse dieses ungeheuren Continentes zu ergründen. Der Senegal, der Congo, das Nilthal und Abyssinien, das ist Alles, was man etwas eingehender und verläßlicher kannte.

Wurden auch die von den Reisenden des Mittelalters gesehenen Gebiete Asiens seit jener Zeit nicht wieder besucht, so lernte man doch den vorderen Theil des Continentes, Indien, besser kennen, es entstanden daselbst weitere Niederlassungen, Missionäre drangen nach China ein und Japan, das fabelhafte Cipango, das auf alle Reisenden des vorhergehenden Jahrhunderts eine so mächtige Anziehungskraft übte, war endlich erschlossen worden. Nur Sibirien und der nordöstliche Theil Asiens blieben noch unbekannt und man wußte noch nicht, ob Amerika mit Asien in Zusammenhang stehe, ein Räthsel, das übrigens bald seine Lösung finden sollte.

In Oceanien harrten zwar noch eine Menge Archipele, sowie einzelne Inseln und Eilande ihres Entdeckers, dagegen blühten auf den Sunda-Inseln schon europäische Kolonien auf: die Küsten Australiens und Neu-Seelands waren aufgenommen und man begann schon an der Existenz des großen östlichen Continentes zu zweifeln, der sich nach Tasman von Feuerland bis Neu-Seeland hin erstrecken sollte. Es bedurfte indeß noch der langen und sorgfältigen Untersuchungen Cook's, um die so lange Zeit verbreitete Chimäre endgiltig in das Gebiet der Fabeln zu verweisen.

Die Geographie stand an einem Wendepunkte, da man anfing, die großartigen astronomischen Fortschritte der Zeit auf diese Wissenschaft anzuwenden. Die Arbeiten Fernel's und vorzüglich Picard's bezüglich der Messung eines Erdengrades zwischen Paris und Amiens führten zu der Erkenntniß, daß die Erde kein vollkommen runder Ball, sondern ein Sphäroid, d. h. eine an den Polen abgeplattete und am Aequator dafür ausgedehntere Kugel darstelle. Hierdurch fand man mit einem Schlage die Gestalt und auch die Größe des von uns bewohnten Weltkörpers. Jene von Picard begonnenen, von La Hire und Cassini fortgesetzten Arbeiten wurden erst mit Anfang des folgenden Jahrhunderts zu Ende geführt. Astronomische Beobachtungen, welche erst die Kenntniß der Jupiter-Trabanten ermöglichte, gaben die nöthigen Unterlagen zur Richtigstellung der Landkarten. War das auch schon bezüglich des einen oder anderen Punktes geschehen, so gestaltete es sich zur unabweislichen Nothwendigkeit, seitdem sich die Anzahl der bezüglich ihrer Lage astronomisch festgestellten Punkte so ausnehmend vermehrt hatte. Diese Arbeit sollte dem nächsten Jahrhundert vorbehalten bleiben. Hand in Hand hiermit gingen die Fortschritte der historischen Geographie; sie gründete sich zunächst auf das Studium der Inschriften und bald sollte die Archäologie in ihrem ganzen Umfange zu einem der wichtigsten Hilfsmittel der vergleichenden Geographie heranwachsen.

Mit einem Wort, das 17. Jahrhundert stellt sich als eine Epoche des Ueberganges und des Fortschrittes dar; es sucht und findet die mächtigen Unterstützungsmittel zur Weiterentwickelung der menschlichen Erkenntniß, welche das 18. Jahrhundert in vollem Umfange anwenden sollte. Jetzt eröffnet sich die Aera der strengeren Wissenschaftlichkeit, mit der wirklich die neuere Zeit ihren Anfang nimmt.


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