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Fünftes Capitel.
Missionäre und Kolonisten. Kaufleute und Lustreisende

I.

Abweichender Charakter des 17. Jahrhunderts. – Eingehende Untersuchung der schon entdeckten Länder. – Dem Durst nach Gold folgt der Glaubenseifer. – Die italienischen Missionäre am Congo. – Die portugiesischen Missionäre in Abyssinien. – Brue am Senegal und Flacourt in Madagaskar. – Die Apostel Indiens, Indo-Chinas und Japans.

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Das 17. Jahrhundert unterscheidet sich von dem vorhergehenden durchgreifend dadurch, daß die großen Entdeckungen als solche eigentlich beendet sind und man während dieser Zeit mehr nur darauf ausgeht, die schon erworbenen Kenntnisse zu vervollständigen. Es contrastirt deshalb ebenso mit dem folgenden, weil die wissenschaftlichen Methoden noch nicht zur Anwendung kommen, deren sich Seeleute und Astronomen hundert Jahre später befleißigten. Es gewinnt wirklich den Anschein, als hätten die Berichte der ersten Entdecker, welche von den durchstreiften Gegenden doch im Grunde nur einen oberflächlichen Ueberblick gewinnen konnten, nach manchen Seiten hin einen ungünstigen Einfluß auf den Volksgeist ausgeübt. Die Neugierde in der strengsten Bedeutung des Wortes erreichte den höchsten Grad. Man durchschwärmt die ganze Welt, um eine Vorstellung von den Sitten und Gebräuchen jeder Nation, den Erzeugnissen und der Industrie jedes Landes zu erlangen, aber – man studirt nicht. Man bemüht sich nicht, auf die Quellen zurückzugehen und sich über das Warum der Dinge Rechenschaft zu geben. Mit Befriedigung der Neugierde ist der Zweck erreicht. Alle Beobachtungen sind nur ganz oberflächlich, und es scheint, als hätte Jeder die größte Eile, alle im 16. Jahrhundert aufgefundenen Gegenden wenigstens einmal zu durchstreifen.

Der plötzlich über Europa hereinströmende Ueberfluß an Schätzen führt denn zu einer ökonomischen Krisis. Handel und Industrie verändern sich und wechseln ihre Stellung. Neue Wege sind eröffnet, neue Bedürfnisse treten auf, der Luxus und das Streben, sich durch waghalsige Speculationen schnell zu bereichern, verdreht die Köpfe. An Stelle Venedigs, das bezüglich des Welthandels seine Rolle ausgespielt hat, treten die Holländer, welche, nach einem glücklich gewählten Ausdruck Leroy-Beaulieu's, »sich zu Spediteuren und Lieferanten ganz Europas entwickeln«, während die Engländer gleichzeitig die Grundmauern ihres ungeheuren Kolonialreiches errichten.

Den Kaufleuten folgen die Missionäre auf dem Fuße. Sie überschwemmen in zahlreichen Gesellschaften die neuentdeckten Gebiete, evangelisiren und civilisiren die wilden Völker, studiren und beschreiben die Länder. Das Aufleben des Glaubenseifers ist einer der hervorragendsten Züge des 17. Jahrhunderts, und wir können nicht umhin, jenen gottergebenen, gelehrten und doch bescheidenen Männern unsere Anerkennung für alles Das zu zollen, was Geographie und Geschichte ihrer Thätigkeit verdankt. Der Reisende durchwandert nur das Land, der Missionär verweilt in demselben. Dem Letzteren wird es offenbar weit leichter, sich eingehendere Kenntniß von der Geschichte und der Bildungsstufe der Völker zu verschaffen, denen er seine Kräfte widmet. Es erscheint also ganz natürlich, daß wir von ihnen noch Reiseberichte, Beschreibungen und Geschichtswerke besitzen, welche den späteren Arbeiten als Grundlage dienten und noch heutzutage als Quellen benutzt werden.

Wenn diese Reflexion ganz im Allgemeinen ihre Geltung hat, so ist das doch ganz besonders der Fall bezüglich Afrikas und Abyssiniens. Was kannte man aber im 17. Jahrhundert von diesem gewaltigen, dreieckigen Festlande? Nichts als die Küsten, wird man antworten wollen. Weit gefehlt! Schon von den ältesten Zeiten her waren der Astapus und der Bahr-el Abiad, die beiden Arme des Nils, bekannt. Die Alten drangen vielleicht sogar, wenn man dem von Mariette in Karnak aufgefundenen Verzeichniß der Völker und Länder Glauben schenken darf, bis zu den großen Seen des Innern vor. Im 12. Jahrhundert schon verfaßte der arabische Geograph Edrisi für Roger II. von Sicilien eine ausgezeichnete Beschreibung Afrikas und bestätigt darin obige Angaben. Später durchreisen Cadamosto und Ibn Batuta Afrika, und der Letztere gelangt bis Tombuctu. Marco Polo erklärt, daß Asien nur durch die Landenge von Suez mit Afrika zusammenhänge und besucht Madagascar. Endlich, nachdem die Portugiesen bald nach Vasco da Gama die Umschiffung ganz Afrikas durchgeführt haben, bleiben einige derselben in Abyssinien zurück und schnell entwickeln sich gewisse diplomatische Beziehungen zwischen diesem Reiche und Portugal. Ueber Francesco Alvarez theilten wir schon früher in Kürze Einiges mit; ihm auf dem Fuße ließen sich nun im Lande mehrere portugiesische Missionäre nieder, unter denen die beiden Patres Paez und Lobo besondere Erwähnung verdienen.

Pater Paez verließ Goa im Jahre 1588, um an der Ostküste Nordafrikas das Christenthum zu predigen. Nach mancherlei traurigen Unfällen landete er in Massaouah in Abyssinien, durchstreifte das Land und drang im Jahre 16l8 sogar bis zu den Quellen des blauen Nils vor – eine Entdeckung, deren Authenticität Brue weit später bestätigte, während der erste Bericht über dieselbe nur in unwichtigen Einzelheiten von dem des schottischen Reisenden abweicht. Im Jahre 1604 schon war der Genannte zu dem Könige Za Denghel gekommen und predigte hier die christliche Lehre mit solchem Erfolge, daß er jenen nebst seinem ganzen Hofe in kurzer Zeit bekehrt hatte. Er gewann nach und nach auch einen solchen Einfluß auf den abyssinischen Monarchen, daß dieser an den Papst und den König von Spanien schrieb, um Beiden seine Freundschaft anzubieten, und sich von ihnen geeignete Männer erbat, um seine Unterthanen zu unterrichten.

Pater Jeronimo Lobo reiste mit Alphons Meneses, dem Patriarchen von Aethiopien, im Jahre 1625 nach Abyssinien ab. Jetzt hatten sich freilich die Zeiten geändert. Der von Paez bekehrte König war ermordet worden und sein Nachfolger, der die portugiesischen Missionäre in's Land rief, fand ebenfalls einen schnellen Tod. Zahlreiche Widersacher erhoben sich gegen die Christen, und die Missionäre wurden vertrieben, eingekerkert oder den Türken ausgeliefert. Lobo erhielt damals den Auftrag, die nöthige Summe zum Loskauf seiner Confratres herbeizuschaffen. Nach zahlreichen Wechselfällen, die ihn nach Brasilien, Carthagena, Cadix, Sevilla, Lissabon und Rom führten, übermittelte er dem Könige von Spanien und dem Papste sehr specielle und zahlreiche Nachrichten von der äthiopischen Kirche und den Sitten der Landesbewohner, unternahm dann eine letzte Reise nach Indien und starb nach der Heimkehr nach Lissabon im Jahre 1678.

An der atlantischen Küste, in der Nähe des Congo, war das Christenthum schon im Jahre 1489, also mit der Zeit der Entdeckungen der Portugiesen, eingeführt worden. Zuerst sandte man Dominicaner dahin ab; da sie sich aber keiner Erfolge rühmen konnten, ersetzte sie der Papst mit Zustimmung des Königs von Portugal durch italienische Kapuziner, nämlich Carli de Placenza, 1667, Johann Antonio Cavazzi von 1654-1668, ferner Antonio Zucchelli und Gradisca, von 1696-1704. Wir erwähnen dieser Missionäre nur, weil sie einen Bericht über ihre Reise hinterlassen haben. Cavazzi erforschte nach und nach Angola, das Land Mataneba und die Inseln Coanza und Loana. In seinem apostolischen Eifer, die Neger zu bekehren, fand er keine besseren Mittel, als z. B. deren Götzenbilder zu verbrennen, ihre Könige wegen der seit Urzeiten gebräuchlichen Vielweiberei hart zu tadeln und Rückfällige der Tortur zu unterwerfen oder sie durch Geißelhiebe zu zerfleischen. Trotzdem errang er sich bei den Eingebornen ein immer steigendes Ansehen, das bei geschickter Ausnutzung recht achtungswerthe Resultate für die Entwickelung der Kultur und die Fortschritte der Religion hätte erzielen können. Denselben Tadel wie Cavazzi verdienen auch der Pater Zucchelli und die übrigen Missionäre am Congo.

Der im Jahre 1687 in Rom erschienene Bericht Cavazzi's behauptet, daß sich der portugiesische Einfluß bis auf zwei- bis dreihundert Meilen in's Innere des Landes erstreckt habe. Im Innern gab es damals eine sehr bedeutende Stadt, San-Salvador, welche zwölf Kirchen und ein Jesuiten-Collegium besaß und 50.000 Seelen zählte. Pigafetta veröffentlichte zu Ende des 14. Jahrhunderts einen Bericht über die Reise Duart Lopez', des Gesandten des Königs von Congo, bei den Höfen von Rom und Lissabon. Eine beigegebene Karte zeigt den See Zambre an der Stelle, welche der Taganyika einnimmt, und weiter im Westen den See Acque Lunda, aus dem der Congo entspringt; unter dem Aequator sind zwei Seen verzeichnet, der eine als See des Nils, der andere östlichere unter dem Namen Colue; sie scheinen dem Albert- und dem Victoria-Nyanza zu entsprechen. Diese merkwürdigen Nachrichten wurden jedoch als unzuverlässig von den Geographen des 19. Jahrhunderts verworfen, welche das Innere Afrikas ganz weiß, also unbezeichnet ließen.

An der Westküste Afrikas, und zwar am Senegal, hatten die Franzosen Niederlassungen gegründet, die unter der staatsklugen Verwaltung Andreas Brue's bald eine beträchtliche Ausdehnung gewannen. Der Genannte, »Commandant an Königs Statt und General-Director der königlichen Gesellschaft von Frankreich an der Küste von Senegal und anderen Orten« – so lautete sein officieller Titel – verdient, wenn sein Name auch weniger bekannt wurde und auch unser Abriß seines Lebens nur sehr kurz ausfallen kann, dennoch einen der ersten Plätze unter den Kolonisatoren und Forschern seiner Zeit. Nicht zufrieden damit, die französische Kolonie bis zu ihren heutigen Grenzen auszudehnen, zog er auch beobachtend durch Gebiete, welche erst in neuester Zeit Lieutenant Mage wieder besuchte oder die überhaupt kein Menschenauge seitdem wieder erblickt hat. Andreas Brue schob die französischen Posten vor: im Osten bis über die Vereinigung des Senegal und der Faleme; im Norden bis Arguin, welches Frankreich unter Wahrung seiner Rechte vorläufig aufgegeben hat, im Süden bis zur Insel Bisar. Im Innern besuchte er Galam, das goldreiche Bambuk und erwarb sich zuerst sichere Kenntnisse über die Pouls, Peuls und Fouls, sowie über die Yoloffs und Muselmänner, welche von Norden herabgezogen, um sämmtliche Negerbevölkerung des Landes ihrem Glauben zu unterwerfen. Die von Brue über die Geschichte und die Wanderungen jener Volksstämme gesammelten Nachrichten sind von unschätzbarem Werthe; sie geben dem Geographen und Historiker noch heute höchst brauchbare Aufschlüsse. Brue hinterließ uns nicht allein einen Bericht über die Ereignisse, deren Zeuge er selbst gewesen, und eine Beschreibung von den von ihm besuchten Gegenden, sondern wir verdanken ihm auch zahlreiche Nachweisungen über die Erzeugnisse des Landes, über dessen Pflanzen- und Thierwelt und über Alles, was vom Standpunkt des Handels oder der Industrie von Interesse sein kann. Diese denkwürdigen, vom Pater Labat allerdings sehr ungeschickt zusammengestellten Dokumente machte erst vor wenig Jahren Berliouz zum Gegenstand einer hochinteressanten Arbeit.

Im Südosten Afrikas gründeten die Franzosen ferner während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts einige Handelsniederlassungen auf Madagascar, einer seit langer Zeit unter dem Namen St. Lorenz bekannten Insel. Sie errichteten das unter dem Befehl de Flacourt's stehende Fort Dauphin, durchforschten mehrere bisher unbekannte Theile der Insel selbst, sowie verschiedene Inseln in der Nähe der Festlandküste, und eroberten im Jahre 1649 die Mascarenhas (Maskarenische Inseln). Wenn sich de Flacourt gegen seine Landsleute zwar fest, doch gemäßigt erwies, so verfuhr er leider nicht ebenso gegen die Eingebornen, und führte dadurch einen allgemeinen Aufstand herbei, in Folge dessen er abgerufen wurde. Uebrigens drang nur außerordentlich selten Jemand in das Innere von Madagascar ein und wir müssen bis auf unsere Tage zurückgehen, um einer ernsthaften Forschungsreise durch dasselbe zu begegnen.

Die einzigen über Indo-China und Thibet nach Europa im Laufe des 17. Jahrhunderts gelangten Nachrichten rühren auch nur von Missionären her. Die Namen der Patres Alexander von Rhodus, Antonio d'Andrada, Avril und Benedict Goes dürfen hierbei nicht mit Stillschweigen übergangen werden. In ihren Lettres annuelles findet man Aufschlüsse über die den Europäern so lange verschlossenen Länder, welche auch heute des Interesses noch nicht entbehren. In Cochinchina und Tonkin widmete sich Pater Tachard astronomischen Studien, die zur Evidenz nachweisen, wie falsch die von Ptolomäus angegebenen Längenverhältnisse waren. Sie lenkten die Aufmerksamkeit der ganzen gelehrten Welt auf die Nothwendigkeit einer Reform der geographischen Darstellung der Länder des äußersten Ostens und auf die Unentbehrlichkeit genauer Beobachtungen, welche entweder Special-Gelehrte oder mit den astronomischen Berechnungen vertraute Seefahrer vornehmen sollten. Das Land, welches die Missionäre am meisten anzog, war China, jenes ungeheure, volkreiche Land, das seit der Ankunft der Europäer in Indien die absurde Politik der Abschließung vor den Fremden mit äußerster Strenge durchgeführt hatte. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts erhielten einige Missionäre die oft nachgesuchte Erlaubniß, sich in's Innere des Reiches der Mitte begeben zu dürfen. Ihre mathematischen und astronomischen Kenntnisse erleichterten ihnen den Aufenthalt daselbst und gestatteten ihnen, entweder in den uralten Annalen des Landes oder während ihrer vielfachen Reisen eine erstaunliche Menge werthvoller Kenntnisse von der Geschichte, Ethnographie und Geographie des himmlischen Reiches zu sammeln. Den Missionären Mendoza, Ricci, Trigault, Visdelou, Lecomte, Verbiest, Navarrete, Schall und Martini gebührt das Verdienst, den Wissenschaften und Künsten Europas in China Eingang verschafft und im Abendlande die ersten verläßlichen und der Wahrheit entsprechenden Nachrichten von der auf derselben Stufe verharrenden Civilisation des »Landes der Blumen« verbreitet zu haben.

II.

Die Holländer auf den Gewürz-Inseln. – Lemaire und Schouten. – Tasman. – Mendana. – Quiros und Torres. – Pyvard de Laval. – Pietro della Valle. – Tavernier. – Thévenot. – Bernier. – Robert Knox. – Chardin. – De Bruyn. – Kämpfer.

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Die Holländer erkannten sehr bald die Schwäche und Haltlosigkeit der portugiesischen Herrschaft in Asien. Sie fühlten heraus, wie leicht eine thatkräftige, kluge Nation sich in kurzer Zeit den ganzen Orienthandel müsse aneignen können. Nach zahlreichen privaten Expeditionen und Entdeckungsfahrten hatten sie im Jahre 1602 die berühmte indische Handelscompagnie gegründet, welche die Blüthe und den Reichthum der Metropole so außerordentlich fördern sollte. Bei ihren Streitigkeiten mit den Portugiesen sowohl, wie in allen ihren Beziehungen zu den Eingebornen befleißigte sich die Compagnie einer Politik der weisen Mäßigung. Statt eigene Niederlassungen zu gründen oder die den Portugiesen abgenommenen Befestigungen zu besetzen und wieder herzustellen, traten die Holländer überall als einfache, ausschließlich mit ihrem Handel beschäftigte Kaufleute auf. Sie vermieden es augenscheinlich, befestigte Comptoirs zu errichten, außer an Stellen, wo solche zur Beherrschung wichtiger Handelsstraßen dienten. Dabei gelang es ihnen, sich bald des ganzen Küstenhandels zwischen Indien, China Japan und Oceanien zu bemächtigen. Der einzige Fehler der fast allmächtigen Compagnie bestand darin, daß sie das Monopol des Gewürzhandels für sich in Anspruch nahm. Sie vertrieb von den Molukken und den Sunda-Inseln alle Fremden, welche daselbst schon ansässig waren oder um Fracht einzunehmen dahin kamen, und ging bald soweit, daß sie, um den Preis dieser kostbaren Waaren noch zu steigern, den Anbau gewisser Erzeugnisse auf vielen Inseln ganz untersagte und die Ausfuhr oder den Verkauf von Samen oder Stöcklingen der Gewürzpflanzen bei Todesstrafe verbot. Binnen wenig Jahren hatten sich die Holländer auf Java, Sumatra, Borneo, den Molukken, dem Cap der Guten Hoffnung, kurz auf allen den Punkten festgesetzt, welche als Ankerplätze für die nach Europa zurückkehrenden Schiffe die geeignetste Lage besaßen.

Zu dieser Zeit nun entwarf ein reicher Amsterdamer Kaufmann, Jakob Lemaire, im Verein mit einem erfahrenen Seemann, Wilhelm Cornelis Schouten, den Plan, auf einem neuen Wege nach Indien zu gelangen. Die Staaten von Holland hatten nämlich jedem, nicht im Dienste der Indischen Handelscompagnie stehenden Unterthan der Vereinigten Niederlande verboten, nach den Gewürz-Inseln um das Cap der Guten Hoffnung oder durch die Magellan-Straße zu segeln. Schouten, sagen die Einen, Lemaire, behaupten Andere, kamen nun auf den Gedanken, dieses Verbot durch Aufsuchung eines neuen Weges noch unterhalb der Magellan-Straße zu umgehen. Gewiß ist, daß Lemaire für die Hälfte der Expeditions-Unkosten aufkam, während Schouten mit Hilfe verschiedener Kaufleute, deren Namen erhalten geblieben sind und die in der Stadt Hoorn eine hervorragende Rolle spielten, die andere Hälfte beisteuerte. Sie rüsteten ein Schiff von 360 Tonnen, die »Concorde«, und eine Jacht aus mit einer Besatzung von 66 Mann und 29 Kanonen. Offenbar entsprach diese Machtentfaltung keineswegs der Größe des Unternehmens. Doch Schouten war ein geschickter Seemann, die Manschet sorgsam ausgewählt und die Schiffe besaßen Ueberfluß an Proviant und Reserve-Takelwerk. Lemaire nahm die Stellung des Secretärs, Schouten die des Kapitäns auf dem Schiffe ein. Ueber Ziel und Absicht der Fahrt beobachtete man strenge Verschwiegenheit. Officiere und Matrosen verpflichteten sich in ihren Contracten, überallhin mitzugehen, wohin man sie führen würde. Am 25. Juni 1615, d. h. elf Tage nach der Abfahrt von der Insel Texel, als eine Indiskretion nicht ferner zu befürchten war, wurde die Mannschaft zusammenberufen und ihr durch Vorlesung eines Schriftstückes bekannt gegeben, »daß die beiden Fahrzeuge bestimmt seien, noch einen anderen Weg als die Magellan-Straße nach dem Südmeere aufzusuchen und noch neue, südlicher gelegene Länder zu entdecken, in der Hoffnung, dort reiche Schätze zu erwerben und, wenn der Himmel das Vorhaben begünstigte, durch dasselbe Meer nach Ostindien zu segeln«. Die ganze Besatzung nahm diese Erklärung mit enthusiastischem Beifall auf, eine Folge der Vorliebe für weitaussehende Entdeckungen, welche jener Zeit alle Holländer beseelte.

Der gewöhnlich eingehaltene Weg nach Südamerika führte, wie der Leser schon bemerkt haben wird, längs der Küste Afrikas hin, bis etwas unterhalb der Linie. Auch die »Concorde« wich hiervon nicht ab; sie erreichte das Gestade Brasiliens, Patagoniens und den Hafen von Desiré, hundert Meilen nördlich von der Magellan-Straße. Mehrere Tage hinderte ein Sturm die Schiffe am Einlaufen in den Hafen. Die Jacht kam während der Ebbe sogar auf die Seite und trocken zu liegen, wurde aber mit der Fluth, freilich nur für kurze Zeit, wieder flott, denn während der Ausbesserung ihres Rumpfes fing die Takelage Feuer, das trotz der angestrengtesten Bemühung der Mannschaften beider Schiffe das Fahrzeug vollständig verzehrte. Am 13. Januar 1616 erreichten Lemaire und Schouten die von Sebald de Weerdt entdeckten Sebaldine-Inseln und folgten dem Ufer Feuerlands in geringer Entfernung vom Lande. Die Küste verlief nach Ost-Viertelsüdost und war von hohen, schneebedeckten Bergen umrahmt. Die Entfernung zwischen beiden Inseln betrug, oberflächlicher Schätzung nach, acht Meilen, und man segelte also in die sie trennende Meerenge ein. Diese erwies sich so voller Walfische, daß das Schiff wiederholt laviren mußte, um jenen auszuweichen. Die östliche Insel erhielt den Namen Staatenland, die westlicher gelegene Moriz von Nassau.

Vierundzwanzig Stunden nach dem Einlaufen in diese Meerenge, der man den Namen Lemaire beilegte, kam das Schiff wieder aus derselben heraus. Einen steuerbordseits gelegenen Archipel kleiner Inseln taufte man Barnevelt, zu Ehren des Großpensionärs von Holland. Unter dem 58. Grade südlicher Breite umschiffte Lemaire das zur Erinnerung an die Stadt, welche die Expedition gefördert hatte, so genannte Cap Hoorn und gelangte damit in das Südmeer. Lemaire segelte sofort bis zur Höhe der Juan-Fernandez-Inseln hinauf, wo er anzuhalten gedachte, um seiner vom Scorbut ergriffenen Mannschaft Zeit zur Erholung zu gönnen. So wie früher Magellan, kamen auch Lemaire und Schouten an vielen Inselgruppen Polynesiens vorüber, ohne diese zu sehen, und landeten am 10. April zuerst bei der Hunde-Insel, wo sie sich freilich nur etwas Trinkwasser und einige Kräuter verschaffen konnten. Man hoffte, die Salomons-Inseln zu finden, segelte aber durch den nördlichen Theil des Gefährlichen Archipels und entdeckte dabei die Insel Waterland, so benannt wegen eines großen Binnensees auf derselben, und die Mücken-Insel, wegen der unzähligen Schwärme dieser Insecten, welche das Schiff überfielen und deren man sich in keiner Weise erwehren konnte, bis sie nach vier Tagen bei einem Wechsel des Windes von selbst verschwanden. Weiter durchschnitt Lemaire den Archipel der Freundschafts-Inseln und erreichte die Schiffer-Inseln oder die Sanwa-Gruppe, von der noch vier kleine Inseln den ihnen damals zugelegten Namen tragen, nämlich Goed Hope, die Cocos-, die Horns-Insel und die Insel der Verräther. Die Bewohner derselben stahlen ganz außerordentlich; sie versuchten, die Bolzen aus den Schiffsplanken zu reißen und die Ketten zu lösen. Da der Scorbut noch immer unter der Mannschaft herrschte, war man über die Geschenke des Königs, einen schwarzen Eber und verschiedene Früchte, sehr erfreut. Dieser Häuptling, Namens Latu, näherte sich dem Schiffe auch selbst in einer großen, den holländischen Schlitten ähnlichen Segel-Pirogue und begleitet von fünfundzwanzig anderen Booten. Er wagte es nicht, an Bord der »Concorde« zu gehen; sein Sohn besaß jedoch mehr Muth und nahm mit großer Neugier Alles, was er sah, genau in Augenschein. Am nächsten Tage kamen die Piroguen in noch größerer Anzahl wieder, und die Holländer erkannten aus gewissen Anzeichen, daß es auf einen Angriff abgesehen sei. Wirklich prasselt ganz unvermuthet ein dichter Steinhagel auf das Schiff nieder; die Piroguen drängen sich näher heran und die Holländer sind, um sie abzuwehren, genöthigt, eine Gewehrsalve auf dieselben abzugeben. Diese Insel erhielt, gewiß mit vollem Rechte, den Namen der Verräther-Insel.

Man schrieb jetzt den 18. Mai. Lemaire ließ nun nach Norden wenden, um im Norden von Neu-Guinea nach den Molukken zu gelangen. Wahrscheinlich kam er auf diesem Wege bei den Gruppen der Salomons-, der Admiralitäts- und der Tausend-Inseln vorüber; dann folgte er der Küste von Guinea vom 143. Grade ab bis zur Geelwink-Bai. Er ging häufig an's Land und benannte sehr viele Punkte, z. B. die Fünfundzwanzig-Inseln, die wohl einen Theil der Admiralitäts-Inselgruppe bilden, die Hohe Ecke, den Hohen Berg (Hoog-Berg), der einem Theile der benachbarten Küste der Kornelis-Kinerz-Bai zu entsprechen scheint, Moa und Arimoa, zwei später von Tasman wieder aufgefundene Eilande, die Insel, welche damals den Namen Schouten's erhielt und heute Mysore heißt, nicht zu verwechseln mit anderen, westlicher an der Küste Guineas gelegenen Schouten-Inseln, endlich das Cap Goede-Hop, unter welchem allem Anscheine nach das Cap Saavedra am äußersten westlichen Ausläufer von Mysore zu verstehen ist. Nachdem sie dann noch in Sicht des Papua-Landes gekommen, landeten Lemaire und Schouten bei Gilolo, einer der Molukken, und erfreuten sich hier seitens ihrer Landsleute des herzlichsten Empfanges.

Hier rasteten die Holländer, um sich von ihren langen Strapazen zu erholen und die Scorbutkranken genesen zu lassen, brachen dann aber nach Batavia auf, wo sie, nur dreizehn Monate nach ihrer Abfahrt von Texel und mit dem für diese weite Reise geringfügigen Verluste von dreizehn Mann am 23. October 1616 eintrafen. Die Indische Compagnie ließ es sich aber nicht gefallen, daß ihre Privilegien verletzt würden und Jemand auf einem anderen als den in ihren Patenten bezeichneten Wege nach Indien segelte. Der Statthalter verfügte also die Beschlagnahme der »Concorde« und die Verhaftung der Officiere und Matrosen, welche er nach Holland einschiffen ließ, wo ihnen der Proceß gemacht werden sollte. Der arme Lemaire, welcher gewiß auf eine andere Anerkennung seiner Anstrengungen und vielfachen Entdeckungen gerechnet haben mochte, konnte diesen unerwarteten Schlag nicht aushalten; er erkrankte bald darauf und verschied etwa auf der Höhe der Insel Mauritius. Schouten selbst scheint nach seiner Heimkehr in das Vaterland nicht besonders belästigt worden zu sein, denn er unternahm noch mehrere Reisen nach Indien, die sich jedoch durch keine weitere Entdeckung auszeichneten. Er war eben, im Jahre 1625, auf der Rückkehr nach Europa begriffen, als ihn ungünstiges Wetter zum Einlaufen in die Bai von Antongil, an der Ostküste von Madagascar, nöthigte, wo er nach kurzem Krankenlager verschied.

Das war die bemerkenswerthe Seereise, welche durch den Lemaire-Sund einen kürzeren und gefahrloseren Weg als durch die Magellan-Straße eröffnete, eine Expedition, welche sich ebenso durch vielfache Entdeckungen in Oceanien, wie durch eine aufmerksamere Erforschung der schon von spanischen oder portugiesischen Seefahrern gesehenen Punkte auszeichnete. Freilich ist es zuweilen schwierig, dem einen oder dem anderen Volke mit Sicherheit den ihm bei der Entdeckung der Inseln, Länder und Archipele in der Nachbarschaft Australiens gebührenden Antheil zuzusprechen.

Da wir einmal von den Holländern reden, so weichen wir hier ein wenig von der chronologischen Ordnung der Entdeckungen ab, um die Expeditionen Johann Abel Tasman's vor denen Mendana's und Quiros' zu erzählen.

Man weiß so gut wie gar nichts von dem ersten Auftreten Tasman's, nichts, wie er dazu kam, sich der Laufbahn eines Seemanns zu widmen, noch wie er die Kenntnisse und maritime Geschicklichkeit erworben hatte, von denen er so leuchtende Proben ablegte und die ihn zu so hochwichtigen Entdeckungen führten. Seine Biographie beginnt erst mit seiner Abfahrt aus Batavia am 2. Juni 1639. Nachdem er die Philippinen passirt, soll er bei dieser ersten Fahrt in Gesellschaft von Mathieu-Quast die Bonin-Inseln besucht haben, welche man damals unter dem etwas phantastischen Namen der »Gold- und Silber-Inseln« kannte. Bei einer zweiten, aus zwei Schiffen bestehenden und von ihm als Oberbefehlshaber geleiteten Expedition verließ er Batavia am 14. August 1642, erreichte am 5. September die Insel Mauritius und drang nun, zur Aufsuchung des australischen Continentes nach Südosten vor. Am 24. November entdeckte er unter 42° 25' südlicher Breite ein Land, dem er den Namen Van Diemen's, des Gouverneurs der Sunda-Inseln, beilegte, das aber heute richtiger Tasmanien genannt wird. In der Frederik Henry-Bai vor Anker gegangen, überzeugte er sich zwar, daß das Land bewohnt sei, konnte aber keinen Eingebornen zu Gesicht bekommen.

Eine Zeit lang folgte er der Küste desselben, segelte dann aber zuerst ein Stück nach Osten und später nach Norden, um nach dem Salomons-Archipel zu gelangen. Am 13. December kam er unter 42° 10' südlicher Breite in Sicht eines gebirgigen Landes, dessen nach Norden verlaufendes Ufer er bis zum 18. December verfolgte. Dann ging er in einer Bai desselben vor Anker; auch die Muthigsten der Wilden, welche er hier traf, wagten sich nicht über Steinwurfweite an sein Schiff heran. Ihre Stimme klang rauh, ihre Gestalt war groß und die Hautfarbe gelblich-braun; die schwarzen Haare, welche sie fast ebenso lang trugen wie die Japaner, waren über dem Scheitel zusammengebunden. Am folgenden Tage wagten sie es, eines der Schiffe zu betreten, um einige Gegenstände auszutauschen. Durch dieses friedliche Auftreten getäuscht, schickte Tasman zur genaueren Kenntnißnahme des Ufers eine Schaluppe an's Land. Drei der darin befindlichen Seeleute wurden ohne jede Veranlassung von den Eingebornen getödtet und die Uebrigen konnten sich nur schwimmend retten, bis andere Boote von den Schiffen sie aufnahmen. Als man nun aber auf die Angreifer Feuer geben wollte, waren diese längst verschwunden. Der Ort dieses traurigen Vorfalles erhielt den Namen »die Bai der Mörder« (Moordenaars Bay). Da sich Tasman hierdurch überzeugte, daß er doch keinerlei Verbindung mit diesen verwilderten Stämmen anknüpfen könne, lichtete er die Anker und folgte der Küste bis an ihr äußerstes Ende, das er, zu Ehren seiner »Herzensdame«, Maria Van-Diemen taufte, denn er soll, einer unverbürgten Sage nach, sogar kühn genug gewesen sein, um die Hand der Tochter des Statthalters von Ostindien anzuhalten, wofür ihn dieser zur Strafe mit zwei gebrechlichen Schiffen, den »Heemskerke« und dem »Zeechen« auf's Meer hinausschickte.

Das ganze bei jener Fahrt der letzten Wochen entdeckte Gebiet erhielt den Namen »Staaten-Land«, der jedoch bald gegen »Neu-Seeland« vertauscht wurde. Am 2l. Januar 1643 entdeckte man die Inseln Amsterdam und Rotterdam, wo man eine Menge Schweine, Hühner und eßbare Früchte vorfand. Am 6. Februar liefen die Schiffe in einen Archipel von gegen zwanzig Inseln ein, welche die Prinz Wilhelms-Inseln genannt wurden; weiter folgte Tasman, bei Anthony-Java vorübersegelnd, der Küste Neu-Guineas vom Cap St. Maria ab, berührte manche Punkte, welche Lemaire und Schouten schon früher besucht hatten, und ging am 15. Juni in Batavia nach zehnmonatlicher Reise wieder vor Anker.

Bei einer zweiten Expedition sollte Tasman, entsprechend seiner Instructionen vom Jahre 1664, Van Diemens-Land besuchen und die Westküste Neu-Guineas genauer aufnehmen, bis er zum 17. Grade südlicher Breite käme, um zu erfahren, ob diese vermeintliche Insel etwa zum australischen, d. h. östlichen Festlande gehöre. Tasman scheint diese Vorschriften jedoch nicht durchgeführt zu haben. Uebrigens ist man durch den Verlust seiner Tagebücher vollständig darüber unklar geblieben, welchen Weg er wirklich eingeschlagen und was er dabei entdeckt haben mag. Von dieser Zeit ab hat man auch keinerlei Kenntniß von den Ereignissen des Endes seiner Laufbahn, ebensowenig von dem Orte und der Zeit seines Todes.

Nachdem Albuquerque Malakka erobert, kamen die Portugiesen auf den Gedanken, daß sich auch im Süden von Asien noch eine neue Welt befinden müsse. Dieser Anschauung schlossen sich die Spanier ebenfalls bald an, und von der Zeit ab unternahm man eine ganze Reihe von Fahrten nach dem Pacifischen Ocean, um einen östlichen Continent aufzusuchen, dessen Vorhandensein eine geographische Nothwendigkeit erschien, gegenüber der ungeheuren Ausdehnung der schon bekannten Landmassen. Groß-Java, später Neu-Holland und zuletzt Australien genannt, war vielleicht schon von Franzosen, wahrscheinlich aber von Saavedra zwischen 1530 und 1540 zum ersten Male gesehen worden und wurde nun von einer Menge von Seeleuten aufgesucht, unter denen wir die Portugiesen Serrao und Meneses und die Spanier Saavedra, Hernando de Grivalja, Alvarado und Inigo Ortéz de Retes erwähnen, welche den größten Theil der Nachbarinseln Neu-Guineas und auch diese große Insel eingehend erforschten. Ihnen folgten Mendana, Torres und Quiros, bei denen wir wegen der hohen Bedeutung ihrer Entdeckungen etwas länger verweilen.

Alvaro Mendana de Neyra war der Neffe des Gouverneurs von Lima, Don Pedro de Castro, der das Project seines Neffen, im Pacifischen Ocean noch unbekannte Länder aufzusuchen, bei der Regierung des Mutterlandes mit allen Kräften unterstützte. Mendana zählte erst einundzwanzig Jahre, als er den Befehl über zwei Schiffe nebst hundertfünfundzwanzig Mann Soldaten und Matrosen übernahm. Am 19. November 1567 ging er von Callao, dem Hafen Limas, aus in See. Nachdem er die kleine Insel Jesus in Sicht bekommen, entdeckte er am 7. Februar, zwischen dem 7. und 8. Grade südlicher Breite die Insel St. Isabella, wo die Spanier sich noch eine Brigantine erbauten und damit den Archipel, zu dem jene gehörte, näher in Augenschein nahmen. »Die Einwohner, heißt es im Berichte eines Begleiters Mendana's, sind Menschenfresser und verzehren sich gegenseitig, wenn sie im Kampfe in Gefangenschaft gerathen, und selbst ohne offene Feindseligkeiten, wenn einer des andern durch Hinterlist habhaft werden kann.« Der Häuptling der Insel schickte Mendana als leckeres Gericht das Viertel eines Kindes; der spanische General ließ dasselbe jedoch gleich in Gegenwart der Eingebornen begraben. Letztere schienen sehr betroffen über ein Benehmen, das sie sich nicht zu erklären wußten. Die Spanier durchstreiften die Inseln de los Palmos und de los Ramos (Insel der Palmenzweige), so genannt, weil diese am Palmensonntage entdeckt ward, ferner die Inseln de la Galere und Buona-Vista, deren Bewohner trotz ihres freundschaftlichen Entgegenkommens doch feindliche Absichten verfolgten, welche nur zu bald zu Tage treten sollten. Ganz ähnlich verhielt es sich auf San Dimas, Sesarga und Guadalcanar, wo man zum ersten Male Ingwer fand. Bei der Rückfahrt nach St. Isabella folgten die Spanier einem Wege, der sie zur Entdeckung der Insel St. Georges führte, auf der Fledermäuse so groß wie Hühnergeier umherflatterten. Kaum erreichte die Brigantine wieder den Hafen von St. Isabella, als man auch die Anker lichtete, denn der Ort erwies sich so ungesund, daß fünf von den Matrosen starben und sehr viele erkrankten. Mendana machte dann bei der Insel Guadalcana Halt, wo von zehn Mann, die an's Land gegangen waren, um Wasser zu holen, nur ein Neger den Streichen der Eingebornen entkam, welche hierdurch ihrer Wuth über die Entführung eines der Ihrigen durch die Spanier Ausdruck gaben. Letztere nahmen dafür wieder schreckliche Rache. Ueber zwanzig Menschen wurden getödtet und eine Menge Häuser eingeäschert. Dann besuchte Mendana den Salomons-Archipel, unter anderen die Drei-Marien- und die San-Juan-Insel. Auf der letzteren kam es, während man die Schiffe ausbesserte und frisch kalfaterte, zu mehreren Händeln mit den Eingebornen, von denen man einige zu Gefangenen machte. Nach diesem etwas bewegten Aufenthalte stach Mendana wieder in See und besuchte die Inseln San Christoval, St. Catalina und St. Anna. Da die Zahl der Kranken aber immerfort zunahm, Lebensmittel und Munition nahezu erschöpft und Tauwerk nebst übriger Takelage schon halb verfault waren, schlug man nun den Weg nach Peru wieder ein. Die unfreiwillige Trennung des Admiralschiffes, die Entdeckung zahlreicher Inseln, welche nur schwer zu identificiren, doch wahrscheinlich die Sandwichs-Inseln sind, heftige Stürme, die die Segel zerrissen und wegführten, Krankheiten in Folge des Mangels und der Fäulniß des Wassers und des Schiffszwiebacks kennzeichnen diese lange und mühevolle Rückreise, welche erst nach fünf Monaten in Colima, einem Hafen Kaliforniens, ihr Ende fand.

Mendana's Bericht erregte keine besondere Begeisterung, trotz des Namens Salomons, den er den von ihm aufgefundenen Archipel beilegte, um den Glauben zu erregen, daß die Schätze des Judenkönigs daher stammten. Auch die wunderbarsten Berichte berührten die, in den Reichthümern Perus fast erstickenden Leute nicht sonderlich. Sie wollten Beweise sehen; das kleinste Goldgeschiebe, das geringste Stückchen Silber hätte die ganze Sache unendlich mehr gefördert. So mußte Mendana siebenundzwanzig Jahre warten, bevor es ihm gelang, eine neue Expedition zu Stande zu bringen.

Diesmal vereinigte man eine ansehnlichere Macht, denn es handelte sich darum, auf der von Mendana bei seiner ersten Reise gesehenen Insel San-Christoval eine dauernde Kolonie zu begründen. Am 11. April 1595 verließen also vier Schiffe den Hafen von Lima mit etwa vierhundert Personen, darunter viele Verheiratete, auch Doña Isabella, Mendana's Gattin, die drei Schwäger des Generals und der Pilot Pedro Fernandez Quiros, der sich später als Führer einer anderen Expedition hohen Ruhm erwerben sollte. Erst am 16. Juni aber segelten sie von dem Gestade Perus, wo sie ihre Ausrüstung vervollständigt hatten, endgiltig weg. Nach einmonatlicher, durch keinerlei Unfall unterbrochener Seefahrt entdeckte man eine Insel, die, entsprechend dem damaligen Gebrauch, den Namen des Tages-Kalenderheiligen erhielt und also Madeleine genannt wurde. Sofort sah sich die Flotte von einer Menge Canots mit etwa vierhundert Eingebornen von fast weißer Hautfarbe und schönem Wuchse umringt, welche den Matrosen Cocosnüsse und andere Früchte brachten und sie einzuladen schienen, an's Land zu kommen. Kaum waren einige derselben an Bord geklettert, als sie ohne Scheu zu stehlen und zu plündern begannen, so daß man eine Kanone abfeuern mußte, um sie durch den Schreck zu verjagen, wobei doch Einer, der in der entstandenen Schlägerei verletzt worden war, bald auch seine Landsleute zu anderen Maßregeln zu bestimmen wußte. Man sah sich sogar genöthigt, mit Gewehrfeuer auf den Hagel von Pfeilen und Steinen zu antworten, mit dem sie die Schiffe überschütteten. Unfern dieser Insel entdeckte man drei andere, San Pedro, la Dominica und St. Christina. Diese Gruppe erhielt den Gesammtnamen »las Marquezas de Mendoza«, zu Ehren des Statthalters von Peru. Zuerst gestalteten sich hier die Verhältnisse so freundschaftlich, daß eine über die schönen blonden Haare der Doña Isabella de Mendoza entzückte Indianerin jene durch Zeichen bat, ihr eine kleine Flechte davon zu schenken; durch die Schuld der Spanier fand dieser friedliche Zustand aber ein jähes Ende, bis zu dem Tage, da die Eingebornen, in der Ueberzeugung von der Ueberlegenheit der fremden Waffen, wieder um Frieden baten.

Am 5. August ging die spanische Flottille wieder in See und segelte gegen vierhundert Meilen in der Richtung nach Westnordwest. Am 20. August wurden die Inseln St. Bernhard, später die Inseln der Gefahr genannt, entdeckt, ferner die Königin Charlotte-Inseln, an denen man jedoch trotz des schon fühlbaren Mangels an Nahrungsmitteln nicht landete. Nach der Insel Solitaire (Einsiedler-Insel), deren Name schon ihre Lage hinreichend kennzeichnet, erreichte man den Archipel von Santa Cruz. Hier wurde das Admiralschiff aber während eines Sturmes von der Flotte getrennt und man erfuhr, trotz wiederholter Nachforschung, zunächst nichts wieder von derselben. Gegen fünfzig Canots näherten sich sofort dem Fahrzeuge. Diese waren von einer Menge schwarzbrauner oder tiefschwarzer Eingeborner besetzt. Alle hatten gekräuselte und weiß, roth oder noch anders gefärbte Haare und auch rothgefärbte Zähne; den Kopf trugen sie halb geschoren; den Körper nackt, mit Ausnahme eines kleinen Lendenschurzes von feinem Gewebe, Gesicht und Arme glänzend schwarz mit andersfarbigen Streifen; Hals und Gliedmaßen erschienen geschmückt mit mehrfachen Schnüren, an denen kleine Goldkörnchen, Ebenholzkugeln, Fischzähne, Perlmutterschalen und Perlen aufgereiht waren. Als Waffen führten sie Bögen, vergiftete, scharf spitzige oder mit bearbeiteten Knochen besetzte Pfeile, große Steine, eine Art Schwerter von zähem harten Holze und einen harpunenartigen Wurfspieß aus demselben Material mit drei überhandgroßen Widerhaken. Am Gürtel trugen sie einen schön gearbeiteten Sack aus Palmenblättern, gefüllt mit Gebäck, das sie aus Wurzeln, die zu ihrer gewöhnlichen Nahrung dienen, herzustellen verstehen.«

Mendana glaubte zuerst Eingeborne der von ihm gesuchten Inseln vor sich zu haben, sollte aber bald eines Besseren belehrt werden. Seine Boote wurden plötzlich von einem Hagel von Pfeilen überschüttet. Diese Erfahrung wirkte um so niederschlagender, als Mendana, der daran verzweifelte, die Gruppe der Salomons-Inseln wieder aufzufinden, sich entschlossen hatte, seine Kolonie in diesem Archipel zu gründen. Gleichzeitig kam es auch zur Uneinigkeit zwischen den Spaniern selbst; eine gegen den General angezettelte Erhebung ward unterdrückt und durch Hinrichtung der Rädelsführer beseitigt. Diese betrübenden Vorfälle aber, ebenso wie die Strapazen der Reise hatten die Gesundheit des Chefs der Expedition so tief untergraben, daß derselbe am 17. October verschied, nachdem er vorher noch seine Gattin bevollmächtigt hatte, an seiner Stelle die Leitung der Expedition zu übernehmen. Nach Mendana's Tode nahmen die Feindseligkeiten mit den Eingebornen nur noch weiter zu; eine große Anzahl der Spanier war durch Krankheiten und Entbehrungen so herabgekommen, daß schon zwanzig entschlossene Eingeborne hingereicht hätten, mit Allen fertig zu werden. Offenbar wäre es eine Tollheit gewesen, unter solchen Verhältnissen auf der Gründung einer Niederlassung zu bestehen, das sahen auch Alle ein und man lichtete also am l8. November wieder die Anker. Doña Isabella de Mendoza's Absicht ging dahin, nach Manilla zu segeln, daselbst frische Kräfte anzuwerben und dann den Ansiedelungsversuch zu wiederholen. Sie befragte darum alle ihre Officiere, welche diesem Plane zustimmten, und fand in einem derselben, Quiros mit Namen, einen Mann, dessen Ergebenheit und Geschicklichkeit bald die härtesten Proben bestehen sollte. Zunächst entfernte man sich von Neu-Guinea, um sich nicht in den zahllosen Archipelen der Umgebung zu verirren und, wie es der schlechte Zustand der Schiffe gebieterisch forderte, schneller nach den Philippinen zu gelangen. Nachdem man in Sicht mehrerer, von Sternkorallen-Riffen umschlossenen Inseln vorübergekommen, an denen die Mannschaft wiederholt an's Land zu gehen verlangte, was Quiros jedoch mit großer Klugheit immer abzuschlagen wußte, und nachdem sich ein Schiff des Geschwaders, das nicht mehr mitfolgen wollte oder konnte, davon getrennt hatte, erreichte man die Ladronen-Inseln, welche nun die »Mariannen« genannt wurden. Wiederholt gingen die Spanier behufs Einkaufs von Nahrungsmitteln an's Land; die Eingebornen wollten von ihrem Golde oder Silber aber nichts wissen, sondern schätzten nur das Eisen und allerlei aus diesem Metalle hergestellte Geräthe. Der Bericht giebt an dieser Stelle einige Details über die Verehrung der Wilden für ihre Vorfahren, der so merkwürdig ist, daß wir ihn hier wortgetreu aufnehmen: »sie skeletiren die Leichen ihrer Eltern und Angehörigen, verbrennen das Fleisch und verschlucken die übrig bleibende Asche vermischt mit Tuba, d. i. eine Art Cocoswein. Jedes Jahr beweinen sie die Verschiedenen eine ganze Woche lang. Dazu giebt es eine Menge Klageweiber, welche man für diese Gelegenheit miethet. Außerdem kommen auch alle Nachbarn herbei, in dem Hause des Verstorbenen zu weinen; Jeder bestrebt sich, diesen Liebesdienst zu vergelten, wenn die Reihe der Feierlichkeiten an jene kommt. Diese Erinnerungsfeste sind immer stark besucht, weil man die Theilnehmer derselben reichlich bewirthet. Man weint dabei die ganze Nacht hindurch und betrinkt sich während des Tages. Mitten unter dem Heulen und Wehklagen werden das Leben und die Thaten des Verstorbenen von der Zeit seiner Geburt bis an's Ende seiner Tage erzählt, wird seine Stärke, Gestalt, Schönheit, kurz Alles rühmend hervorgehoben, was ihm zur Ehre gereichen kann. Kommt bei dieser Schilderung einmal eine heitere Scene vor, so will die Gesellschaft vor Lachen schier zerplatzen, stärkt sich darauf durch einen tüchtigen Schluck und vergießt dann wieder heiße Thränen. Manchmal finden sich wohl gegen zweihundert Personen zu diesen albernen Erinnerungsfesten zusammen«. Bei der Ankunft an den Philippinen bestand die halbverhungerte Mannschaft nur noch aus einer Schaar von Skeleten oder Gespenstern. Doña Isabella landete am 11. Februar 1596 unter Kanonendonner in Manilla und wurde von den unter Waffen stehenden Truppen höchst feierlich empfangen. Der Rest der Besatzung, die seit der Abfahrt von Vera-Cruz etwa fünfzig Mann verloren hatte, wurde auf öffentliche Kosten untergebracht und erhalten, die Frauen aber fanden bis auf vier oder fünf, welche den Schleier nahmen, alle Gelegenheit, sich in Manilla zu verheirathen. Doña Isabella wurde einige Zeit darauf von Quiros wieder nach Peru gebracht, wo letzterer dem Vicekönig bald den Entwurf zu einer neuen Reise unterbreitete. Luis de Valasco aber, der Nachfolger Mendoza's, verwies den Seefahrer an den König von Spanien und den Großen Rath für Indien unter dem Vorgeben, daß die Entscheidung über ein derartiges Unternehmen außer den Grenzen seiner Machtvollkommenheit liege. Quiros begab sich also nach Spanien und von da aus nach Rom, wo er beim Papste, der ihn Philipp III. auf's Wärmste empfahl, eine sehr wohlwollende Aufnahme fand. Nach zahllosen Gesuchen und Bittschriften erhielt er endlich im Jahre 1605 die Ermächtigung, in Lima zwei, seinem Urtheile nach bestgeeignete Schiffe auszurüsten, um damit den östlichen Continent aufzusuchen und Mendana's Entdeckungen fortzusetzen. Mit zwei Schiffen und einem leichten Fahrzeuge verließ Quiros also Callao am 21. December 1605. Tausend Meilen von Peru hatte er noch keine Spur von Land wahrgenommen. Unter 25° südlicher Breite kam er in Sicht einer Gruppe kleiner Inseln, welche zu dem Gefährlichen Archipel gehörten. Jene waren die »Convercion de San Pablo«, ferner Wallis' »Osnabrugh« und die »Decena«, so genannt, weil sie erst als das zehnte Eiland der Gruppe gesehen ward. Obwohl diese Insel wegen ihrer Uferfelsen ziemlich unzugänglich war, setzte man sich doch in Verbindung mit den Eingebornen, deren Hütten unter Palmen zerstreut nahe dem Meere lagen. Der Häuptling der hoch- und wohlgewachsenen Eingebornen trug auf dem Kopfe eine Art Krone von kleinen schwarzen, so feinen und weichen Federn, daß man dieselben für Seide gehalten hätte. Das lange blonde Haar, welches ihm bis zur Taille herabfiel, erregte die Verwunderung der Spanier. Sie konnten nicht begreifen, wie ein Mensch, von schwarzbrauner Gesichtsfarbe, so flachsblondes Haar haben könne, und »glaubten viel eher, daß er verheiratet sein möge und das Haar seiner Frau trüge«. Jene auffallende Haarfärbung rührte indeß nur von dem gewohnten Gebrauche des Kalkpulvers her, das die Haare bleicht und gelblich werden läßt.

Diese Insel, welche von Quiros »Sagittaria« getauft wurde, war, nach Fleurieu, die Insel Tahiti (Otaheiti), eine der bedeutendsten des Societäts-Archipels. Während der folgenden Tage entdeckte Quiros noch mehrere Inseln, an denen er jedoch nicht vor Anker ging und welche er wie die entsprechenden Kalender-Heiligen taufte, eine Gewohnheit, die die ursprünglichen Bezeichnungen zu einer wahren Litanei umgeändert hat. Unter anderen kam er auch nach einer Insel, welche er »La Genie Hermose« taufte wegen der Schönheit ihrer Bewohner, der weißen Hautfarbe und der Liebenswürdigkeit der Frauen, deren Grazie und Liebreiz nach dem Urtheile der Spanier selbst die wegen ihrer Schönheit berühmten eigenen Landsmänninnen in Lima übertreffen sollte. Diese Insel lag, nach Quiros, unter demselben Breitegrade wie Santa-Cruz, wohin er sich begeben wollte. Er segelte also nach Westen weiter und erreichte unter 10° südlicher Breite und noch achtzig Meilen östlich von Santa-Cruz eine Insel, welche die Eingebornen Taumaco nannten, jedenfalls eine der Duff-Inseln. Hier vernahm Quiros, daß er, wenn er seinen Kurs nach Süden veränderte, ein großes Land antreffen würde, wo die Menschen noch weißer seien als alle, die er bisher gesehen habe. Diese Nachricht bestimmte ihn, seinen Plan, sogleich nach Vera-Cruz zu segeln, vorläufig fallen zu lassen. Er steuerte nun also nach Südwesten und kam, nach Entdeckung mehrerer kleiner Inseln am 1. Mai 1606 in einer über acht Meilen breiten Bai an. Der zugehörigen Insel gab er den Namen »St. Esprit«, der sich auch später erhalten hat. Es war das eine der Neuen Hebriden. Ueber die etwaigen Vorkommnisse während des Aufenthaltes hierselbst schweigt der Bericht vollständig. Von anderer Seite her wissen wir aber, daß die meuterische Besatzung Quiros zum Gefangenen machte, das zweite Schiff und die Brigantine im Stich ließ und am 3. Oktober 1606, nach neunmonatlicher Seefahrt, in Amerika wieder eintraf. Ed. Charton giebt über diese Vorfälle keinen Aufschluß. Er erwähnt nichts von einer Meuterei der Mannschaft und wälzt alle Schuld der Trennung der Schiffe auf den Befehlshaber des zweiten Fahrzeugs, Luis Vaes de Torres, der seinen Vorgesetzten verlassen habe, indem er sich von St. Esprit entfernte. Dagegen weiß man aus einem Briefe Torres' an den König von Spanien – veröffentlicht von Lord Stanley am Schlusse seiner englischen Ausgabe von A. de Morga's Geschichte der Philippinen, – daß er Quiros »vierzehn Tage lang« in der Bai St. Philipp und St. Jacques erwartete. Die zu einer Berathung versammelten Officiere beschlossen dann, am 26. Juni, die Anker zu lichten und die Aufsuchung des östlichen Continents fortzusetzen. Aufgehalten durch schlechte Witterung, die ihn an der Rundfahrt um die Insel St. Esprit verhindert, und bestürmt von einer immer zur Meuterei bereiten Mannschaft, beschließt Torres, nach Nordosten zu segeln, um nach den spanischen Inseln zu gelangen. Unter 11½° südlicher Breite entdeckt er ein Land, das er für den Anfang von Neu-Guinea hält. »Dieser ganze Landstrich, sagt Torres, gehört zu Neu-Guinea; er ist von Indianern bewohnt, die nicht ganz weiß sind und nackt gehen, bis auf einen Schurz aus Baumrinde ... Sie fechten mit Wurfspießen, Schilden und steinernen Keulen, welche Waffen alle mit schönen Federn reich verziert sind. Längs dieses Landes hin liegen noch andere bewohnte Inseln. An der ganzen Küste finden sich zahlreiche, geräumige Häfen, sehr breite Ströme und ausgedehnte Ebenen. Vor den Inseln erheben sich Felsenriffe mit Untiefen in der Umgebung, zwischen denen und dem Festlande oft nur eine schmale Fahrstraße hindurchführt. Wir ergriffen von den Häfen im Namen Eurer Majestät Besitz ... Dreihundert Meilen weit segelten wir längs der Windungen dieser Küste hin, wobei unsere Breitenposition um 2½° abnahm, bis wir unter 9° südlicher Breite anlangten; hier trat eine, neben dem Ufer auf 7½° Länge hinlaufende, drei bis neun Faden lange Sandbank auf. Da wir in Folge zahlloser Untiefen und mächtiger Gegenströmungen nicht weiter vorwärts dringen konnten, beschlossen wir, nach Südwesten durch den obenerwähnten, bis zum 11. Grade reichenden, tiefen Kanal umzukehren. Von dem einen Ende desselben zum anderen reicht ein Archipel unzähliger Inseln, den ich durchschiffte. An der unteren Grenze des 11. Grades wird der Grund des Meeres tiefer. Hier lagen mehrere sehr große Inseln, an die sich nach Süden zu noch weitere anzuschließen schienen; sie waren von schwarzen, sehr kräftigen und gänzlich nackt gehenden Stämmen bewohnt, die als Waffen lange und starke Lanzen, Pfeile und roh bearbeitete Steinkeulen führten.«

Die neueren Geographen stimmen überein, unter den oben geschilderten Gegenden den Theil der australischen Küste zu verstehen, welche in der, neuerdings vom Capitän Moresby besuchten Halbinsel York mit der südlichsten Spitze von Guinea ziemlich zusammentrifft. Man wußte zwar, daß Torres auch in die, später seinen Namen führende Meerenge zwischen Cap York und Neu-Guinea eingelaufen war; die neueste Erforschung des südlichen Theiles von Neu-Guinea aber, wo man eine verhältnißmäßig hellfarbige Bevölkerung antraf, die sich von den Papuas sehr wesentlich unterscheidet, hat jenen Entdeckungen Quiros' eine unerwartete Verläßlichkeit verliehen. Deshalb verweilten wir, gestützt auf eine, in den Jahresberichten der Geographischen Gesellschaft in Paris erschienene, sehr gelehrte Arbeit E. T. Hampy's, bei denselben etwas ausführlicher.

Wir erwähnen nun mit einigen Worten derjenigen Reisenden, welche sich jener Zeit in weniger besuchten Gegenden bewegt haben und ihren Zeitgenossen verläßlichere Kenntniß von einer bis dahin fast unbekannten Welt verschafften. Der Erste derselben ist Franz Pyrard aus Laval. Dieser schiffte sich im Jahre 1601 in St.-Malo ein, um in Indien Handelsgeschäfte zu betreiben, litt dabei aber beim Archipel der Malediven Schiffbruch. Diese, in der Anzahl von mindestens 12.000 längs der Malabar-Küste verstreuten Eilande oder Atolls ziehen sich im Indischen Ocean vom Cap Camorin bis zum Aequator hinab. Pyrard erzählt uns seinen Schiffbruch, die Flucht eines Theiles seiner auf dem Archipel gefangenen Gefährten und seinen sieben Jahre langen Aufenthalt auf den Malediven, den er sich jedoch durch das fleißige Studium der malayischen Sprachen fast angenehm zu machen wußte. Dabei gewann er auch die Zeit, sich über die Sitten, Gewohnheiten, die Religion und Gewerbsthätigkeit der Einwohner zu unterrichten und die Producte und das Klima des Landes zu studiren. Sein Bericht strotzt denn auch von Details aller Art. Bis in die letzten Jahre hatte er seiner Neigung zu beobachten gefröhnt. Nur selten besuchten je Reisende diesen ungesunden Archipel, dessen einsame Lage fremde Besucher und Eroberer abschreckte. Pyrard's Bericht ist also ebenso lehrreich als unterhaltend zu lesen.

Im Jahre 1607 sandte der Herrscher von Bengalen eine Flotte nach den Malediven, um dort 100 bis 120 Kanonen aufzusammeln, welche von den zahlreichen, daselbst gescheiterten portugiesischen Schiffen herrührten. Trotz der Freiheit, die man Pyrard hier gewährte, und obwohl er selbst Grundbesitz erworben, sehnte er sich nach dem Wiedersehen seiner geliebten Bretagne, und er ergriff also mit Eifer obige Gelegenheit, den Archipel endlich mit den einzig drei übrigen Leuten seiner früheren Mannschaft zu verlassen. Noch sollte Pyrard's Odyssee aber nicht zu Ende sein. Er wurde nämlich erst nach Ceylon geführt, dann nach Bengalen gebracht und versuchte von hier aus nach Cochin zu gelangen. In letzterer Stadt von den Portugiesen eingekerkert, verfiel er in eine Krankheit und wurde im Hospital von Goa gepflegt. Dieses verließ er nur, um zwei Jahre hindurch als Soldat zu dienen und dann wiederum gefangen gesetzt zu werden. Erst 1611 gelang es ihm, die theure Vaterstadt Laval wiederzusehen. Nach so zahlreichen Wechselfällen mußte Pyrard wohl das Verlangen nach Ruhe empfinden, und aus dem Stillschweigen der Geschichte über das Ende seines Lebens darf man wohl folgern, daß er endlich das gesuchte Glück gefunden habe.

War der ehrenwerthe Bürger Franz Pyrard sozusagen wider Willen und nur, weil er schnell Schätze zu erwerben dachte, in eine so abenteuerliche Bahn gedrängt worden, wo er bald das Leben eingebüßt hätte, so bestimmten Pietro della Valle ganz andere, romantische Verhältnisse zu seiner Fahrt. Einer vornehmen und alten Familie entsprossen, ist er abwechselnd Soldat des Papstes und Seemann und verfolgt die Seeräuber aus der Berberei. Nach Rom zurückgekehrt, findet er seinen Platz bei einem jungen Mädchen, das er zu ehelichen gedachte, von einem Nebenbuhler eingenommen, der sich seine Abwesenheit zu Nutze gemacht hatte. Ein so schweres Unglück verlangt ein heroisches Heilmittel. Della Valle gelobt, als Pilger Christi Grab zu besuchen. Wenn es aber, wie das Sprichwort sagt, keinen Weg giebt, der nicht nach Rom führte, so giebt es auch keinen hinreichend weiten Umweg, der nicht nach Jerusalem führte. Della Valle sollte hierzu den Beweis liefern. Er schifft sich im Jahre 1614 in Venedig ein, verbringt dreizehn Monate in Konstantinopel, gelangt auf dem Seewege nach Alexandrien, dann nach Kairo und schließt sich erst hier einer Karawane an, die ihn nach Jerusalem führt. Unterwegs scheint della Valle aber dem Reiseleben Geschmack abgewonnen zu haben, denn er besucht nun nach und nach Bagdad, Damaskus, Aleppo und dringt selbst bis zu den Ruinen von Babylon vor. Man muß annehmen, daß della Valle ein leichtes Opfer der Empfindungen seines Herzens gewesen sei, denn er verliebt sich in Mardin in eine junge Christin von außerordentlicher Schönheit und heiratet dieselbe auf der Stelle. Hiermit sollte man annehmen, habe dieser rührige Reisende sein Ziel gefunden. Mit nichten. Della Valle findet Gelegenheit, den Schah von Persien bei seinem Feldzuge gegen die Türken zu begleiten und vier Jahre hindurch die Provinzen von Iran zu durchstreifen. Er verläßt Ispahan im Jahre 1621, verliert sein Weib im December des nämlichen Jahres, läßt die Leiche einbalsamiren und führt sie im Sarge vier Jahre lang mit sich umher, während er Ormuz, die Westküsten Indiens, den Persischen Meerbusen, Aleppo und Syrien forschend durchwandert, um sich endlich 1626 nach Neapel einzuschiffen.

Dieser sonderbare Schwärmer, den eine wahre Reisewuth beseelte, beschreibt die von ihm besuchten Länder in gewandtem, natürlichem Style und selbst mit einer gewissen Treue. Er eröffnet freilich auch den Schwarm der Vergnügungsreisenden, Neugierigen und Kaufleute als der Erste jener fruchtbaren Race von Touristen, welche die geographische Literatur alljährlich um so und so viele Bände anschwellen machen, aus denen der Gelehrte nur mit größter Mühe einzelne gereifte Körnchen herausliest.

Tavernier ist ein unersättlicher Neugieriger. Mit zweiundzwanzig Jahren durchwandert er Frankreich, England, die Niederlande, Deutschland, die Schweiz, Polen, Ungarn und Italien. Später, da Europa seiner Neugierde hinreichende Nahrung nicht mehr bietet, bricht er nach Konstantinopel auf, wo er ein Jahr verweilt, geht hierauf nach Persien, wo die Gelegenheit und »irgend ein Teufel, der ihn drängt«, ihn veranlaßt, Tapeten, Webstoffe, kostbare Steine und tausenderlei Kleinigkeiten einzukaufen, für welche sich bald eine leidenschaftliche Liebhaberei entwickelte, so daß man dieselben mit wirklich fabelhaften Summen bezahlte. Der Gewinn, den Tavernier an seiner heimgebrachten Ladung machte, veranlaßte ihn zu einer zweiten Reise. Als vorsichtiger und kluger Mann erwarb er sich aber vorher bei einem Juwelier die nöthige Kenntniß der Edelsteine. Auf vier, einander folgenden Reisen, in der Zeit von 1638 bis 1663, zog er durch Persien, die Mongolei und Indien bis zu den Grenzen Chinas und nach den Sunda-Inseln. Durch die Reichthümer, welche seine Handelsthätigkeit ihm erworben, verblendet, begann Tavernier nun den großen Herrn zu spielen, sah sich da aber bald am Ende seiner Mittel. Jetzt suchte er seinen Ruin dadurch aufzuhalten, daß er einen seiner Neffen mit beträchtlicher Fracht nach dem Morgenlande sendete; der junge Mann trug aber nur noch mehr dazu bei, da er es für weit vortheilhafter ansah, die ihm anvertrauten Waaren in seinem Nutzen zu verwenden und sich in Ispahan niederzulassen. Der von jeher gut unterrichtete Tavernier hat eine große Menge interessanter Beobachtungen über Geschichte, Erzeugnisse, Sitten und Gebräuche der von ihm besuchten Länder gesammelt. Seine Berichte trugen wesentlich dazu bei, den Zeitgenossen eine richtigere Vorstellung als die allgemein gebräuchliche von dem Morgenlande zu geben.

Hierher wenden sich übrigens, welches Ziel sie auch verfolgen, wenigstens aus Frankreich alle Reisenden während der Regierung Ludwig's XIV. Afrika wird dabei vollständig vernachlässigt, und wenn Amerika jetzt der Schauplatz ernsterer Forschung wird, so geschieht das doch ohne Beihilfe irgend einer Regierung.

Während Tavernier seine letzten weiten Excursionen vollendete, durchwanderte ein hervorragender Archäolog, Jean de Thévenot, ein Neffe Melchisedec Thévenot's, des Gelehrten, dem man die Veröffentlichung einer interessanten Serie von Reisen verdankt, zuerst Europa und ging dann nach Malta, Konstantinopel, Egypten, Tunis und wieder nach Italien. Im Jahre 1661 brachte er eine umfangreiche Sammlung von Denkmünzen und Monumenten-Inschriften mit heim, welche heutzutage für den Geschichtsschreiber und Sprachforscher von so wichtiger Bedeutung sind. Im Jahre 1664 reiste er von Neuem nach der Levante ab, besuchte Persien, Bassorah, Surate und Indien, wo er nach Masulipatam, Borampur, Aurengabad und Golconda kam. Die ausgestandenen Strapazen vereitelten aber seine Rückkehr nach Europa und er starb schon 1667 in Armenien. Seine Berichte, welche sich durch die Sorgfalt und Genauigkeit eines Reisenden auszeichneten, der den Mittelschlag der Zeitgenossen durch seine Kenntnisse der Geschichte, Geographie und Mathematik beiweitem überragte, erfreuten sich auch eines ganz bedeutenden Erfolges.

Wir haben nun des liebenswürdigen Bernier Erwähnung zu thun, des »schönen Philosophen«, wie er in einem geistreichen feinem Cirkel genannt wurde. In demselben trafen sich Ninon und La Fontaine, Madame de la Sablière, St. Ephremont und Chapelle, abgesehen von anderen Schöngeistern, Alle aber erklärte Feinde der erzwungenen Förmlichkeit, welche damals in der Umgebung Ludwig's XIV. das Uebergewicht hatte. Auch Bernier konnte dem Reisefieber nicht entgehen. Nachdem er Syrien und Egypten oberflächlich gesehen, hielt er sich zwölf Jahre lang in Indien auf, wo ihm seine hervorragenden Kenntnisse in der Heilkunde die Gunst des großen Aureng-Zeb erwarben und ihm Gelegenheit boten, das damals in vollster Blüthe stehende Reich eingehend und fruchtbringend in Augenschein zu nehmen.

Im Süden von Hindostan barg Ceylon noch immer für die Forschungsreisenden so manche Ueberraschung in seinem Schoße. Robert Knox, der von Eingebornen gefangen wurde, verdankte es diesem traurigen Umstande, lange Zeit in dem Lande zu verweilen und über die unendlichen Wälder Ceylons, sowie über dessen wilde Volksstämme die ersten verläßlichen Kenntnisse zu sammeln. Die Holländer hatten bis dahin, in Folge von commercieller Eifersüchtelei, von der sie ja nicht das einzige Beispiel bieten, alle Nachrichten verheimlicht, welche sich auf die Insel bezogen, aus der sie eine Kolonie ihres Reiches zu bilden gedachten.

Noch ein Kaufmann tritt hier auf die Scene. Eifersüchtig auf die Erfolge Tavernier's, wollte Jean Chardin, Sohn eines reichen Pariser Juweliers, ebenfalls sein Glück durch den Handel mit Diamanten machen. Die Länder, welche auf diese Kaufleute den unwiderstehlichsten Reiz ausübten, waren diejenigen, deren Reichthum und Wohlstand sprichwörtlich geworden waren, nämlich Persien und Indien, mit ihren kostbaren, von Edelsteinen und Gold glitzernden Trachten und ihren Bergwerken mit fabelhaft großen Diamanten. Der Besuch dieser Länder erschien eben sehr zeitgemäß. Durch die mongolischen Kaiser entwickelten sich Kultur und Kunst; Moscheen, Paläste, Tempel stiegen empor, ganze Städte erwuchsen plötzlich aus der Erde. Ihr so eigenartiger, von dem unserigen abweichender Geschmack tritt ebenso in der Errichtung riesiger Bauwerke zu Tage, wie in der Begünstigung der Bijouterie- und Goldschmiedearbeiten, der Herstellung jener kostbaren Nichtse, welche im Morgenlande zur leidenschaftlichen Mode wurden. Chardin erwählte sich gleichzeitig einen sachkundigen Geschäfts-Theilnehmer. Zuerst zieht er, um nach Ormuz zu gelangen, rasch durch Persien und schifft sich hier nach Indien ein. Im folgenden Jahre nach Ispahan zurückgekehrt, befleißigt er sich des Studiums der Landessprache, um seine Geschäfte direct und ohne Zwischenhändler abschließen zu können. Er hat das Glück, dem Schah Abbas II. zu gefallen. Nun ist er ein gemachter Mann, der überall das beste Ansehen genoß und dem sich dieselben Quellen wie seinem Souveräne willig öffneten. Chardin besitzt aber auch ein anderes wirkliches Verdienst. Er verstand eine beträchtliche Menge Nachrichten zu sammeln über die persische Regierung, die Sitten, Glaubenslehren, Städte und Bewohner dieses Landes, welche seinem Berichte noch heute den Werth eines Wegweisers für Reisende verleihen. Diese Arbeit erhält dadurch noch einen höheren Werth, daß Chardin sich bemühte, in Konstantinopel einen geschickten Zeichner, Namens Grelot, zu gewinnen, der Denkmäler, Städte Volksscenen, Trachten, Ceremonien, kurz Alles, was Charron das Alltagsleben eines Volkes nannte, bildlich darstellte.

Als Chardin im Jahre 1670 nach Frankreich zurückkehrte, hatten die Wiederaufhebung des Edicts von Nantes und die barbarischen Verfolgungen der Protestanten eine Menge Künstler aus der Heimat vertrieben, die nun die Fremde mit den Werken ihres Geistes und ihrer Hände bereicherten. Chardin, als Protestant, begriff leicht, daß ihn hier sein Bekenntniß hindern werde, zu Ehren und Ansehen zu gelangen. Da man nun, wie er sich ausdrückt, »hier nicht die Freiheit besitzt, zu glauben, was man will«, so beschloß er, nach Indien zurückzukehren, wo es ihm »ohne Wechsel seiner Religion« nicht fehlen könne, eine ehrenvolle Stellung einzunehmen. Damals herrschte im Oriente demnach eine ausgedehntere Gewissensfreiheit als in Frankreich. Dieser Ausspruch seitens eines Mannes, der ja selbst in der Lage war, Vergleiche zu ziehen, macht dem Enkel Heinrich's IV. freilich keine besondere Ehre.

Diesmal schlug Chardin aber nicht seinen gewöhnlichen Weg ein. Er ging über Smyrna und Konstantinopel, segelte durch das Schwarze Meer und landete in Pilgerkleidung in der Krim. Auf seinem Zuge durch die kaukasischen Gebiete fand er Gelegenheit, die Abkasen und Cirkassier näher kennen zu lernen. Dann begab er sich nach Mingrelien, wo er eines Theiles der aus Europa mitgebrachten Kostbarkeiten, seines Reisegepäckes und aller Papiere beraubt wurde. Er selbst entschlüpfte nur, Dank der Theatinermönche, bei denen er gastliche Aufnahme fand. Später fiel er dafür freilich in die Hände von Türken, die ihm ein schweres Lösegeld auferlegten. Nach manchen anderen Unfällen langte er am 17. December 1672 in Tiflis an. Da Georgien damals unter der Herrschaft eines Tributärfürsten des Schahs von Persien stand, war es ihm nun leicht, Erivan, Tauris und endlich Ispahan zu erreichen.

Nach vierjährigem Aufenthalte in Persien und einer letzten Reise nach Indien, auf der er ein sehr beträchtliches Vermögen erwarb, kehrte Chardin nach Europa zurück und ließ sich in England nieder, da ihm das Vaterland seines Glaubensbekenntnisses wegen verschlossen war.

Sein Reisetagebuch bildet ein umfangreiches Werk, in dem Alles, was auf Persien Bezug hat, ausführlich dargestellt ist. Sein langer Aufenthalt im Lande und der Umgang mit hochstehenden Personen gab ihm Gelegenheit, zahlreiche, authentische Dokumente zu erlangen. Ja, man kann sagen, daß Persien im 17. Jahrhunderte besser bekannt war als hundert Jahre später.

Die Gebiete, welche Chardin besucht hatte, sah ein holländischer Maler, Corneille de Bruyn oder Le Brun, einige Jahre später wieder. Der Vorzug seines Werkes beruht in der Schönheit und Genauigkeit der Zeichnungen, welche den Text veranschaulichen, denn in letzteren findet sich nichts Neues, was nicht schon vorher bekannt gewesen wäre, höchstens einige Nachrichten über die Samojeden, die er zuerst besuchte.

Endlich erwähnen wir des Westphalen Kämpfer, eigentlich eines, wegen seines langen Aufenthaltes in Skandinavien naturalisirten Schweden. Hier lehnte er eine ihm angebotene, glänzende Stellung ab, um als Secretär einen Gesandten zu begleiten, der sich nach Moskau begab. Dabei sah er die wichtigsten Städte Rußlands, das damals kaum in die Wege der abendländischen Civilisation einlenkte; später ging er nach Persien, wo er seinen Gesandten Fabricius verließ, um in den Dienst der holländisch-indischen Compagnie zu treten und seine Reisen fortsetzen zu können. Er kam nun zuerst nach Persepolis, Schiras und Ormuz am Persischen Meerbusen, wo er schwer erkrankte und sich im Jahre 1688 nach Indien einschiffte. Später besuchte er das Glückliche Arabien, Indien, die Malabarküste, Ceylon, Java, Sumatra und Japan, wobei er ausschließlich wissenschaftliche Zwecke verfolgte. Als Mediciner, der sich jedoch mehr mit den Naturwissenschaften beschäftigte, sammelte, beschrieb, zeichnete und trocknete Kämpfer eine beträchtliche Zahl in Europa bisher unbekannter Pflanzen, lieferte Angaben über deren pharmaceutische oder industrielle Verwendung, und brachte ein ungeheueres Herbarium zusammen, das noch heutzutage im British Museum zu London aufbewahrt wird. Der interessanteste Theil seiner heute veralteten und seit der Eröffnung des Landes für die Gelehrten der Jetztzeit lückenhaften Reisebeschreibung ist derjenige, welcher sich auf Japan bezieht. Er hatte sich dazu die nöthigen, geschichtlichen, literarischen und wissenschaftlichen Hilfsquellen des Landes zu eröffnen gewußt, als er bei gewissen Persönlichkeiten, deren Wohlwollens er sonst sicher war, die ihm erwünschten Nachrichten nicht zu erhalten vermochte, welche man Fremden stets streng vorzuenthalten pflegte.

Sind nun auch die Reisenden, welche wir im Vorhergehenden aufführten, nicht eigentlich als Entdecker zu betrachten und erforschten sie keine vorher unbekannten Länder so kommt ihnen doch Allen, je nach Geschick und Wissen, das Verdienst zu, zur besseren Kenntniß der von ihnen besuchten Länder beigetragen zu haben. Dabei haben sie auch in das Gebiet der Fabeln die oft wunderbaren Dinge verwiesen, welche frühere, minder aufgeklärte Reisende für Wahrheit genommen hatten, und welche so sehr in das Bewußtsein der Allgemeinheit übergegangen waren, daß gar Niemand daran dachte, sie zu bezweifeln.

Ihnen verdankt man eine genauere Kenntniß der Geschichte des Morgenlandes; man erlangte durch sie eine Ahnung von den Völkerwanderungen und von den Vorgängen in jenen großen Reichen, deren Existenz so lange Zeit als problematisch gegolten hatte.


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