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Viertes Capitel.
Abenteurer-Reisen und Kaperkriege

Drake. – Cavendish. – De Noort. – Walter Raleigh.

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Eine elende Hütte von Tavitstock in Devonshire wurde im Jahre 1540 die Geburtsstätte Franz Drake's, der durch seine nie ermüdende Thatkraft Millionen gewinnen sollte, die er übrigens mit derselben Leichtigkeit wieder verlor, als er sie gewonnen hatte. Edmund Drake, sein Vater, gehörte zu den Weltpriestern, die sich der Erziehung des Volkes widmeten. Seine Armuth überragte nichts als die Achtung, die man seinem Charakter allgemein zollte. Mit Familie reich gesegnet, sah sich Franz Drake's Vater gezwungen, den Sohn sich der Seemanns-Carrière widmen zu lassen, für welche dieser auch eine lebhafte Neigung zeigte, und so diente Letzterer als Schiffsjunge bei einem Küstenfahrer, der die Frachtbeförderung nach Holland betrieb. Arbeitsam, thätig, ausdauernd und haushälterisch, wie der junge Franz Drake war, hatte er sich sehr bald die zur Führung eines Schiffes nöthigen theoretischen Kenntnisse angeeignet. Als er seine Vermögensverhältnisse etwas aufgebessert hatte, die durch den glücklichen Verkauf eines ihm von seinem ersten Patron überlassenen Schiffes merklichen Zuwuchs erfuhren, wagte er einige weitere Reisen, besuchte die Bai von Biscaya, den Golf von Guinea und verwandte alle seine Mittel zur Beschaffung einer Ladung, welche er in Westindien zu verkaufen gedachte Kaum beim Rio de la Hacha angelangt, wurden ihm, man weiß nicht unter welchem haltlosen Vorwande, Schiff und Ladung confiscirt. Alle Reklamationen Drake's, der sich zu Grunde gerichtet sah, blieben ohne Erfolg. Er schwur, sich für eine solche Ungerechtigkeit zu rächen, und hielt auch Wort.

Im Jahre 1567, d. h. zwei Jahre nach diesem Mißerfolge, verließ eine kleine Flotte von sechs Schiffen, deren größtes siebzig Tonnen maß, Plymouth, um mit der Genehmigung der Königin eine Expedition längs der Küsten Mexicos auszuführen. Drake selbst befehligte ein Fahrzeug von fünfzig Tonnen. Ganz im Anfange wurden am Grünen Vorgebirge einige Neger eingefangen, eine Probe für das Verfahren, welches in Mexico eingeschlagen werden sollte. Dann belagerte man Mina, wo wiederum Neger gefangen genommen wurden, die auf den Antillen verkauft werden sollten. Havkins bemächtigte sich, jedenfalls auf Drake's Anrathen, der Stadt Rio de la Hacha; dann gelangte er nach einem schrecklichen Sturm nach San Jean d'Ulloa. Dieser Hafen enthielt aber eine zahlreiche, mit mächtiger Artillerie ausgerüstete Flotte. Das englische Geschwader wurde geschlagen und Drake vermochte nur mit größter Mühe im Jahre 1568 nach dem Gestade Englands zurückzukehren.

In der Folge führte Drake zwei Expeditionen nach Westindien, um das Land näher kennen zu lernen. Als er sich im Besitz der nöthigen Vorkenntnisse glaubte, rüstete er auf eigene Kosten zwei Schiffe aus: den »Swan« von fünfundzwanzig Tonnen, unter dem Befehle seines Bruders John, und den »Pascha von Plymouth«, von siebzig Tonnen. Als Besatzung hatten die beiden Fahrzeuge dreiundsiebzig echte Wasserratten, auf welche man sich verlassen konnte. Vom Juli 1572 bis August 1573 kreuzte Drake bald allein, bald in Verbindung mit einem gewissen Kapitän Rawse, erfolgreich längs der Küsten von Darien, griff die Städte Vera-Cruz und Nombre de Diaz an und machte beträchtliche Beute. Leider verliefen diese Züge nicht ohne manche Grausamkeiten und Gewaltthätigkeiten, deren man sich heute schämen würde. Wir wollen indeß bei diesen, im 16. Jahrhundert nur zu häufigen Acten von Seeräuberei und Barbarei hier nicht verweilen.

Nachdem sich Drake, dessen Name schon bekannt zu werden anfing, bei der Unterdrückung der irischen Empörung betheiligt hatte, ließ er sich der Königin Elisabeth vorstellen. Er legte ihr sein Project vor, die Westküsten Südamerikas, wohin er durch die Magellanstraße gehen wollte, zu verwüsten, und erhielt dazu nebst dem Titel eines Admirals fünf Schiffe mit 160 auserwählten Matrosen.

Am 15. November 1577 von Plymouth abgefahren, traf Franz Drake mit den Mauren von Mogador zusammen, die er nicht besonders rühmt, und machte einige geringe Beute, bevor er nach den Inseln des Grünen Vorgebirges kam, wo frischer Proviant eingenommen wurde; dann brauchte er sechsundfünfzig Tage über den Ocean bis zur Küste Brasiliens. Dieser folgte das Geschwader bis zur Mündung des la Plata, wo es nochmals Wasser faßte, und erreichte die Seehundsbai in Patagonien, wo die Seefahrer mit den Wilden verschiedene Tauschgeschäfte abschlossen und eine Menge Pinguins (Fettgänse) und Seewölfe zur Vermehrung des Proviants erlegt wurden.

»Einige der Patagonier, deren man am 13. Mai etwas unterhalb der Seehundsbai ansichtig wurde, sagt der Originalbericht, trugen dem Anschein nach auf dem Kopfe ein Horn und eine Art Hüte aus vielen herrlichen Vogelfedern. Das Gesicht hatten sie mit verschiedenen Farben bunt bemalt, und Jeder führte einen Bogen, mit dem stets zwei Pfeile auf einmal abgeschossen wurden. Es sind sehr gewandte Leute, welche recht kriegsgeübt erscheinen, denn sie marschiren nach allen Richtungen in guter Ordnung, und selbst wenn ihrer nur Wenige waren, wußten sie sich doch so aufzustellen, daß man sie für weit zahlreicher hielt.« Charton bemerkt in seinen »alten und neuen Reisenden«, daß Drake nichts über den außerordentlich hohen Wuchs der Patagonier sagt, den Magellan ausdrücklich hervorhebt. Hierzu lag wohl mehr als ein guter Grund vor. In Patagonien giebt es mehr als einen Volksstamm, und die Beschreibung, welche Drake von den Wilden liefert, denen er begegnet war, weicht überhaupt sehr stark von Pigafetta's Schilderung der Patagonier des Hafens St. Julien ab. Existirt wirklich, wie man heute anzunehmen berechtigt ist, in jenen Gegenden eine Menschenrace von außerordentlicher Größe, so hat man deren Wohnsitz nur an den Gestaden der Meerenge im südlichsten Ende des Landes zu suchen und nicht fünfzehn Tagereisen vom Hafen Désiré, wo Drake am 8. Juni ankam. – Am folgenden Tage erreichte er den Hafen St. Julien; hier fand sich noch ein Galgen vor, den Magellan einst zur Bestrafung einiger meuterischer Mannschaften errichtet hatte. Drake seinerseits wählte jetzt diese Stelle, sich eines seiner Kapitäne, Namens Doughty, zu entledigen, der schon längst des Verraths und der Absicht, das Geschwader verlassen zu wollen, beschuldigt war und sich wiederholt von der Flotte zu entfernen gesucht hatte. Da einige Matrosen gestanden, daß er sich bemüht habe, sie zu verführen und mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, um die Reise gewaltsam zu unterbrechen, wurde er der Rebellion und Verleitung zum Ungehorsam angeklagt und entsprechend den englischen Gesetzen durch ein Kriegsgericht zur Enthauptung verurtheilt. Diesem Spruche folgte die Ausführung auf dem Fuße, obgleich Doughty bis zum letzten Augenblick unter Betheuerung seiner Unschuld protestirte. Ob das Verbrechen Doughty's wohl hinreichend erwiesen sein mochte? Wenn Drake bei seiner Rückkehr nach England trotz der Zuvorkommenheit, welche er allen seinen Untergebenen gegenüber bewahrte, angeklagt ward, sich die Gelegenheit zu Nutze gemacht zu haben, um sich eines gefährlichen Nebenbuhlers zu entledigen, so ist doch kaum anzunehmen, daß die vierzig Richter, welche jenes Urtheil fällten, in Folge einer Art heimlicher Übereinkunft, den Wünschen ihres Admirals nachzukommen, einen Unschuldigen dem Tod geweiht hätten.

Am 20. August lief die Flotte, welche jetzt auf drei Schiffe reducirt war, nachdem zwei andere havarirte Fahrzeuge von dem Admiral vollends zerstört worden waren, in die Meerenge ein, welche seit Magellan's Zeiten noch Niemand wieder passirt hatte. Fand er hier auch schöne Häfen, so constatirte Drake doch, daß man daselbst, wegen der noch nahe dem Lande überaus großen Tiefe des Wassers, nur schwierig vor Anker gehen könne, und daß heftige, stoßweise auftretende Winde die Schifffahrt hier gefährlich machten. Bei einem Unwetter, das ihn nahe am Ausgange der Meerenge nach dem Pacifischen Ocean überfiel, sah Drake eines seiner Schiffe untergehen, während sein letzter Begleiter sich wenige Tage später von ihm trennte, ohne daß er diesen bis zum Ende der ganzen Reise wieder zu Gesicht bekam. Jetzt wurde Drake überdies von Strömungen südlich von der Meerenge bis 55° 20' südlicher Breite verschlagen; durch das Unheil, welches er nachher aber den Spaniern zufügte, zeigte er, was er auszurichten im Stande gewesen wäre, wenn er die ganze von England ausgelaufene Flotte noch beisammen gehabt hätte. Bei Gelegenheit einer Landung auf der Insel Mocha verloren die Engländer zwei Todte neben mehreren Verwundeten, und Drake selbst, den zwei Pfeile am Kopfe trafen, sah sich in die Unmöglichkeit versetzt, den Verrath der Indianer zu bestrafen. Im Hafen von Valparaiso bemächtigte er sich eines mit Weinen von Chili und zum Werthe von 37.000 Ducaten geschätzten Goldbarren beladenen Schiffes; dann plünderte er auch die von den Einwohnern in aller Eile verlassene Stadt. In Coquimbo hatte man von seiner Annäherung Nachricht; hier traten ihm so beträchtliche Streitkräfte entgegen, daß er sich schnell wieder einschiffen mußte. In Arika raubte er drei kleine Barken und fand in einer derselben siebenundfünfzig auf 50.160 Pfund geschätzte Silberbarren. Auch im Hafen von Lima, wo zwölf Schiffe oder Barken vor Anker lagen, machte er reiche Beute. Am meisten freute sich Drake aber darüber, zu hören, daß eine Gallion Namens »Caga-Fuego« mit kostbarer Ladung nach Paraca unterwegs sei. Er begann sofort deren Verfolgung, nahm dabei vorher noch eine Barke weg mit vierundachtzig Pfund Gold, entsprechend 14.080 französischen Thalern, und es gelang ihm auch ohne Mühe, sich auf der Höhe des Caps San-Francisco der »Caga-Fuego« zu bemächtigen, auf welcher er wiederum achtzig Pfund Gold vorfand. Da sagte lächelnd ein spanischer Steuermann: »Kapitän, unser Schiff sollte nicht »Caga-Fuego« (d. i. Feuerspeier), sondern lieber Caga-Plata (d. i. Silber-Speier), das Eurige könnte aber Caga-Fuego heißen.«

Nachdem Drake am Gestade Perus noch eine Menge mehr oder weniger reiche Prisen gemacht, hörte er, daß zu seiner Bekämpfung eine ganz beträchtliche Streitmacht zusammengezogen werde, und sagte sich nun, daß es Zeit sei, nach England zurückzukehren. Hierzu standen seinem Schiffe drei Wege offen: er konnte durch die Magellan-Straße zurückkehren oder den großen Ocean überschreiten und nach Umschiffung des Caps der Guten Hoffnung den Atlantischen Ocean durchmessen, oder endlich an der Küste von China hinaufgehen und durch das Eismeer um das Nordcap herumzudringen suchen. Zu dem letzten, scheinbar sichersten Wege entschloß sich Drake nach kurzer Ueberlegung. Er stach also in See, erreichte den 38. Grad nördlicher Breite und landete in der Bai von San-Francisco, welche Bodega schon drei Jahre früher entdeckt hatte. Es war im Monat Juni, die Temperatur sehr niedrig und das Land mit Schnee bedeckt. Die Bemerkungen, welche Drake über seinen Empfang von Seiten der Eingebornen macht, sind sehr bezeichnend: »Als wir anlegten, gab sich bei den Wilden die größte Verwunderung zu erkennen, und da sie glaubten, daß wir Götter seien, empfingen sie uns mit größter Unterwürfigkeit und Ehrfurcht.

So lange wir hier verweilten, drängten sie sich tagtäglich herbei, uns zu sehen, und brachten bald schöne Federbüsche aus Federn von den verschiedensten Farben zusammengestellt, bald auch »Pletun« (Tabak), ein Kraut, dessen sich die Indianer gewöhnlich zu bedienen pflegen. Bevor sie uns aber alles das anboten, blieben sie in einiger Entfernung, da, wo wir die Zelte aufgeschlagen hatten, stehen. Dort entstand meist zuerst ein lebhaft geführtes Gespräch, bis sie endlich Pfeile und Bogen an jener Stelle ablegten und sich dann heranwagten, um ihre Geschenke anzubieten.

Als sie zum ersten Male kamen, blieben ihre Weiber auf dem nämlichen Platze zurück, kratzten sich fast die Haut von den Wangen und brachen in lautes Heulen und Wehklagen aus, worüber wir nicht wenig erstaunten. Später wurden wir belehrt, daß es eine Art Opfer war, welches sie uns dadurch darbrachten.«

Diese Einzelheiten, welche Drake über die Indianer von Kalifornien berichtet, sind fast das Einzige, was er von den Sitten und Gebräuchen der von ihm besuchten Völker mittheilt. Wir weisen hier nur nochmals auf die langen, erregten Verhandlungen hin, die der Reisende ausdrücklich hervorhebt und die sich auch bei den Indianern von Canada wiederfinden, wie es Cartier etwa vierzig Jahre vorher beobachtet hat.

Drake drang nicht weiter nach Norden vor und verzichtete auf seine früheren Absichten, durch das Eismeer zurückzukehren. Als er wieder unter Segel ging, steuerte er auf den Aequator zu und wollte über die Molukken und um das Cap der Guten Hoffnung herum nach England fahren. Da uns dieser Theil der Erde durch schon bekannte Länder führt und Drake's Beobachtungen während derselben weder sehr zahlreich noch besonders neu sind, so berichten wir über denselben nur ganz kurz.

Am 13. October 1579 erreichte Drake unter 8° nördlicher Breite eine Inselgruppe, bei deren Bewohnern die Ohren durch das Gewicht der daran gehängten Schmuckgegenstände auffallend verlängert waren; die Nägel, welche sie unbeschnitten wachsen ließen, schienen ihnen als Verteidigungswaffen zu dienen; ihre wie Schiffspech so schwarzen Zähne erhielten diese Farbe durch den Gebrauch des Betels. Nachdem hier Drake ein wenig geruht, segelte er durch die Philippinen und kam am 14. November vor Termate an. Der König dieser Insel begab sich zu ihm an Bord in Begleitung von vier Canots voll seiner ersten Officiere, welche Alle Staatskleidung angelegt hatten. Nach dem gewöhnlichen Austausche von Höflichkeiten und kleinen Geschenken erhielten die Engländer Reis, Zuckerrohr, Geflügel, »Figo«, Gewürznäglein und Sagomehl. Am folgenden Tage wohnten einige an's Land gegangene Matrosen einer feierlichen Beratschlagung bei. »Als der König erschien, trug man einen großen, goldgestickten Sonnenschirm über und vor ihm her. Er war nach der Sitte des Landes, aber außerordentlich reich gekleidet, denn von den Schultern bis zu den Füßen umhüllte ihn ein Mantel aus Goldstoff. Als Kopfschmuck trug er eine Art ganz aus feinem Golde gearbeiteten und mit Edelsteinen verzierten Turban mit Troddeln aus demselben Stoffe. Von seinem Halse herab hing eine prächtige Goldkette mit breiten und starken Gelenken und Schnallen Die Finger zierten sechs Ringe mit den kostbarsten Steinen und an den Füßen endlich hatte er Schuhe aus feinstem Maroquin.«

Nachdem er eine Zeit lang in diesem Lande verweilt, um seine Mannschaft wieder Kräfte sammeln zu lassen, ging Drake abermals in See, am 9. Juni 1580 strandete er jedoch auf einem Felsen und mußte, um wieder flott zu werden, acht Geschütze und eine große Menge Proviant über Bord werfen; einen Monat später traf er in Baratene ein, wo Las Schiff ausgebessert wurde. Diese Insel erzeugte in Ueberfluß Silber, Gold, Kupfer und Schwefel, Gewürze, Limonien, Cocos und andere köstliche Früchte. »Wir beluden unsere Schiffe reichlich und gestehen, seit unserer Abreise von England keinen Ort angetroffen zu haben, wo sich ein größerer Reichthum an Lebens- und Erfrischungsmitteln vorgefunden hätte als auf dieser Insel und in Termate.«

Von hier aus landete Drake zunächst bei Groß-Java, dessen fünf Könige, die sich in die Herrschaft der Insel theilten, ihn recht herzlich empfingen. »Die Leute sind Alle ziemlich wohlbeleibt, sehr neugierig und mit guten, kunstvoll gearbeiteten Waffen, wie Degen, Dolchen und Rundschilden, ausgerüstet.« Drake befand sich noch lange auf Java, als er vernahm, daß unfern davon eine mächtige Flotte ankere, welche er für eine spanische Flotte hielt. Um ihr zu entgehen, brach er sofort auf. Glücklich umschiffte der kühne Seeheld das Cap der Guten Hoffnung, lief Sierra-Leone an, um Wasser einzunehmen, und erreichte Plymouth am 3. November 1580, nach einer Abwesenheit von drei Jahren weniger einigen Tagen.

Der ihm in England zu Theil werdende Empfang war zuerst wider Erwarten kühl. Seine Handstreiche gegen spanische Städte und Schiffe zur Zeit, wo beide Nationen mit einander im vollständigsten Frieden waren, erwarben ihm mit Recht den Namen eines Seeräubers, der alles Völkerrecht mit Füßen trete. Fünf Monate lang stellte sich sogar die durch diplomatische Rücksichten gebundene Königin so, als wüßte sie gar nichts von seiner Rückkehr. Nach Ablauf dieser Zeit aber begab sie sich, ob sich nun die Verhältnisse geändert hatten oder sie dem geschickten Seemann gegenüber nicht länger mit aller Strenge urtheilen mochte, nach Deptford, wo Drake's Schiff vor Anker lag, ging zu ihm an Bord und verlieh dem Seefahrer den Titel eines Ritters.

Von dieser Zeit ab ist seine Rolle als Entdecker ausgespielt; sein Leben als Kriegsheld und unversöhnlicher Feind der Spanier aber liegt unserem Interesse zu fern. Mit Ehren überhäuft und mit den wichtigsten Stellungen betraut, fand Drake am 28. Januar 1596 bei einem Zuge gegen die Spanier auf dem Meere seinen Tod.

Ihm kommt die Ehre zu, als der Zweite die Magellan-Straße durchschifft und das Feuerland bis zum Cap Horn hinab gesehen zu haben. Ebenso segelte er weiter als alle seine Vorgänger an der Küste Amerikas hinauf und entdeckte mehrere Inseln und Archipele. Als sehr gewandter Seefahrer fand er sich schnell und ohne Unfall durch jene Straße, und wenn man ihm nur wenig eigentliche Entdeckungen nachrühmt, so rührt das wohl daher, daß er es vernachlässigte, sie gehörig in sein Journal einzutragen und sie zuweilen auf so unsichere Weise bezeichnte, daß man Mühe hat, sie wieder aufzufinden. Er war es, der die Kaperkriege begann, durch welche die Engländer und später die Holländer den Spaniern so unberechenbaren Schaden zufügten. Der große Vortheil, den er davon hatte, ermunterte auch seine Zeitgenossen und rief in ihnen die Vorliebe für weite, abenteuerreiche Reisen wach.

Unter Denen, welche sich an Drake ein Beispiel nahmen, ist Thomas Cavendish oder Candisch ohne Widerrede der berühmteste. Schon sehr jung in die englische Kriegsmarine eingetreten, verlebte Cavendish eine ziemlich stürmische Jugend, wobei er sein kleines Vermögen bald verschwendete. Was das Spiel ihm geraubt, das gedachte er von den Spaniern wieder zu gewinnen.

Nach Erlangung von Kaperbriefen im Jahre 1585, ging er nach Ostindien unter Segel und kam mit unermeßlicher Beute wieder heim. Ermuntert durch diesen leichten Erfolg als Seeräuber auf den befahrensten Meereswegen, erschien es ihm ganz wünschenswerth, neben der Gewinnung von Schätzen gleichzeitig etwas Ehre und Ruhm zu erwerben. Er kaufte also drei Schiffe, den »Desir« von zwanzig, den »Content« von sechzig und den »Hugh-Gallant« von vierzig Tonnen, auf denen er hundertdreiundzwanzig Matrosen und Soldaten einschiffte.

Am 22. Juli 1586 ging er in See, passirte die Kanarischen Inseln, landete vor Sierra-Leone, griff die Stadt an und plünderte dieselbe, lief dann wiederum aus, durchschnitt den Atlantischen Ocean, nahm Cap St. Sebastian in Brasilien auf, segelte längs der Küste Patagoniens hin und erreichte am 27. November den Hafen Desiré. Hier fand er eine ungeheure Menge Seehunde vor, welche sehr groß und so stark waren, daß vier Männer Mühe hatten, einen solchen zu überwältigen und zu tödten, und ganze Schaaren von Vögeln, welche wegen Mangels an Flügeln nicht fliegen konnten und sich von Fischen ernährten. Man bezeichnet dieselben im Allgemeinen als Manchots oder Pinguine. In dem hiesigen, sehr geschützten Hafen wurden die Schiffe auf das Land gezogen und ausgebessert Während des dadurch entstehenden Aufenthaltes hatte Cavendish mehrere Scharmützel mit Patagoniern, »Menschen von ganz riesiger Gestalt, deren Füße achtzehn Zoll lang sind«, die ihm zwei Matrosen durch Pfeile mit scharfen Steinen an der Spitze verwundeten.

Am 7. Januar 1597 drang Cavendish in die Magellan-Straße ein und nahm an der engsten Stelle des Kanals einundzwanzig Spanier und zwei Frauen auf, die Ueberlebenden der drei Jahre vorher von dem Kapitän Sarmiento unter dem Namen Philippeville gegründeten Kolonie. Diese Stadt, welche eigentlich angelegt war, die Schifffahrt durch die Meerenge zu sperren, besaß außer mehreren Kirchen nicht weniger als vier Forts. Cavendish sah noch die verlassene und schon halb in Ruinen liegende Festung. Ihre Bewohner, welche durch die unablässigen Angriffe der Wilden verhindert wurden, irgend etwas zu erbauen und einzuernten, waren entweder Hungers gestorben oder bei dem Versuche, nach den spanischen Besitzungen in Chili zu gelangen, elend umgekommen. Auf Grund dieser jammervollen Mittheilungen änderte Cavendish den Namen Philippeville in Port-Famine (Hungerhafen), unter welcher Bezeichnung dieselbe Stelle noch heute bekannt ist. Am 2l. lief er in eine schöne Bai ein, die den Namen Elisabeth erhielt und in welcher der Zimmermann von dem »Hugh-Gallant« begraben wurde. Unfern davon mündete ein herrlicher Strom, an dessen Ufern Menschenfresser wohnten, welche mit den Spaniern so schreckliche Kriege geführt hatten, und die unsere Engländer vergeblich in das Innere des Landes zu verlocken versuchten.

Am 24., als das kleine Geschwader in die Südsee auslief, wurde es von einem heftigen Sturme überfallen und in alle Winde verstreut. Der allein gebliebene »Hugh-Gallant« war an allen Seiten leck und konnte nur mit größter Mühe flott erhalten werden. Nachdem Cavendish die Begleitschiffe wieder aufgefunden, machte er einen vergeblichen Versuch, bei der Insel Mocha zu landen, wo Drake von den Araucaniern eine so üble Behandlung erfahren hatte. Noch wollte es den Spaniern nicht gelingen, dieses an Gold und Silber reiche Land zu unterwerfen, dessen Einwohner Alles daran setzten, ihre Freiheit zu bewahren und jeden Landungsversuch mit bewaffneter Hand abwehrten. Die Schiffe mußten also nach der Insel Santa-Maria segeln, wo die Einwohner, weil sie die Engländer für Spanier hielten, ihnen Mais, Geflügel, Pataten, Schweine und andere Provisionen in Ueberfluß lieferten.

Am 30. desselben Monats warf Cavendish unter 32° 50' in der Bai von Quintero Anker. Etwa dreißig Musketiere sahen bei einem kleinen Streifzuge durch das Land Ochsen, Kühe, wilde Pferde, Hasen und Rebhühner in großer Menge. Von den Spaniern angegriffen, mußte sich Cavendish mit einem Verluste von zwölf Mann nach dem Schiffe zurückziehen. Er rächte sich aber schnell, plünderte und verbrannte die Städte Paraca, Conicha, Posca, Palla und verwüstete die Insel Puna, wo ihm eine Beute von 645.000 Pfund gemünzten Goldes in die Hände fiel. Nachdem er den »Hugh-Gallant« wegen der Unmöglichkeit, ihn wieder seetüchtig herzustellen, versenkt, setzte Cavendish seinen erfolgreichen Kreuzzug weiter fort, verbrannte, etwa auf der Höhe von Neu-Spanien, ein Schiff von 120 Tonnen, plünderte Aguatulio, äscherte es ein und eroberte nach sechsstündigem Gefecht ein mit kostbaren Stoffen und 122.000 Gold-Pesos beladenes Schiff von 708 Tonnen. Nun gedachte der »siegreiche und befriedigte« Cavendish die unermeßlichen Schätze, welche er aufgesammelt hatte, auch gegen einen unerwarteten Unfall zu sichern. Er segelte also über die Ladronen und Philippinen und an Groß-Java vorüber, umschiffte das Cap der Guten Hoffnung, ruhte in St. Helena, wo man Erfrischungen einnahm, und ankerte am 9. September 1588 nach zweijähriger kampf- und beutereicher Reise wieder im Hafen von Plymouth. Ein Sprichwort sagt, daß Güter leichter zu erwerben als zu erhalten seien; an Cavendish sollte sich die Wahrheit dieser Worte bestätigen. Zwei Jahre nach seiner Rückkehr besaß er von den einstigen ungeheuren Reichthümern kaum noch so viel, um eine dritte Expedition auszurüsten. Es sollte das seine letzte werden.

Mit fünf Fahrzeugen am 6. August 1591 ausgelaufen, sah Cavendish seine Flottille an der Küste Patagoniens durch einen Orkan zerstreut, und vermochte diese erst im Hafen Desiré wieder zu sammeln. In der Magellan-Straße überfielen ihn wiederum sehr heftige Stürme, so daß er, da ihn drei seiner Schiffe verlassen hatten, eiligst umkehren mußte. Der Mangel an frischen Nahrungsmitteln, die Kälte und Entbehrungen aller Art, welche er zu erdulden hatte, und die seine Mannschaft decimirten, zwangen ihn, längs der Küste Brasiliens hinaufzusegeln, wo sich die Portugiesen freilich überall jedem Landungsversuche widersetzten. So starb Cavendish, vielleicht ebenso in Folge von Kummer wie von Entbehrung, bevor es ihm gelang, die Gestade Englands wieder zu erreichen.

Ein Jahr nach der Rückkehr der Gefährten Barentz', am 2. Juli 1598, liefen zwei Schiffe, die »Mauritius« und »Hendrick Fredrick«, nebst den beiden Jachten »Eendracht« und »Espérance« mit zweihundertachtundachtzig Mann von Amsterdam aus. Als Commandant dieses Geschwaders fungirte Olivier de Noort, der erst gegen dreißig Jahre zählte, sich durch mehrere weite Reisen aber schon einen Namen erworben hatte. Als Zweiten, sozusagen als Vice-Admiral, hatte er Jakob Claaz d'Ulpenda, und als Lootsen einen gewissen Melis, einen gewandten Seemann von englischer Abkunft. Diese mit Hilfe der Negierung Hollands von mehreren Kaufleuten in Amsterdam ausgerüstete Expedition verfolgte einen doppelten Zweck, sie sollte den Handel des Landes befördern helfen und dazu auch militärische Maßregeln vorbereiten. Früher begnügten sich die Holländer, von den Portugiesen diejenigen Waaren zu beziehen, welche sie mittelst ihrer Küstenschiffe in ganz Europa weiter vertrieben; jetzt trat an sie die Nothwendigkeit heran, den Bedarf an solchen in den Ursprungsländern selbst zu decken. Deshalb beauftragte man de Noort, seinen Landsleuten den von Magellan eröffneten Weg zu zeigen und dabei den Spaniern und Portugiesen möglichst viel Schaden zuzufügen. Jener Zeit nämlich erließ Philipp II., dessen Joche die Holländer sich eben entzogen, und der auch Portugal seiner Herrschaft unterworfen hatte, ein Verbot an seine Unterthanen, mit den niederländischen Rebellen irgendwelche Handelsbeziehungen zu unterhalten. Eben hierdurch sah sich Holland, wenn es nicht seinem Ruin entgegengehen und dadurch allein schon der spanischen Gewalt wieder verfallen wollte, gezwungen, nun selbst den Weg nach den Inseln der Gewürze aufzusuchen. Am seltensten segelten feindliche Schiffe durch die Magellan-Straße, diese Route sollte de Noort also einschlagen.

Nach flüchtigem Besuche Coreas ankerten die Holländer im Golf von Guinea, an der Insel do Principo. Die Portugiesen heuchelten eine freundschaftliche Gesinnung gegen die Leute, welche an's Land gekommen waren, benutzten dann aber die günstige Gelegenheit, sich auf sie zu werfen und sie erbarmungslos niederzumachen. Zu den Umgekommenen gehörten Cornille de Noort, der Bruder des Admirals, Melis. Daniel Görrits und Johann von Bremen; nur dem Kapitän Peter Esias gelang es, zu entkommen. Das war freilich ein trauriger Anfang dieses Zuges, eine böse Vorbedeutung, welche leider nicht trügen sollte. Empört über diesen hinterlistigen Schurkenstreich, landete de Noort nun hundertzwanzig Bewaffnete; er fand die Portugiesen aber in so stark befestigter Stellung, daß er nach einem hitzigen Scharmützel, das ihm wiederum siebzehn Todte und Verwundete kostete, die Anker lichten mußte, ohne den feigen, gemeinen Verrath haben rächen zu können, dem sein Bruder und zwölf seiner Leute zum Opfer gefallen waren. Am 25. December wurde ein Steuermann, Namens Johann Volkers, an der Küste Afrikas ausgesetzt wegen seines disciplinwidrigen Benehmens, wegen offenbarer Auflehnung, und weil er versucht hatte, unter der Besatzung Mißmuth zu erregen. Am 5. Januar kam man in Sicht der Insel Annobon, im Meerbusen von Guinea, etwas unterhalb des Aequators gelegen, und wechselte nun den Kurs, um den Atlantischen Ocean zu überschreiten. Kaum ankerte de Noort in der Bai von Rio de Janeiro, als er einige Matrosen an's Land schickte, um Wasser einzunehmen und von den Eingebornen Proviant einzukaufen. Die Portugiesen widersetzten sich aber der Landung und tödteten dabei elf Mann. Von dem Gestade Brasiliens durch Portugiesen und Eingeborne vertrieben, von Gegenwinden nach rückwärts verschlagen, mußten die ihres Piloten beraubten Holländer, nach einem vergeblichen Versuche, die Insel St. Helena aufzufinden, wo sie neue, höchst nothwendig erforderliche Provisionen erhalten zu können hofften, ziellos auf dem Ocean umherirren. Dabei landeten sie an den verlassenen Inseln von Martin-Vaz, kamen wieder am Rio-Doce nach der Küste Brasiliens, das sie für die Insel Ascension hielten, und waren endlich gezwungen, auf der öden Insel Santa-Clara zu überwintern. Der Aufenthalt hier verlief nicht ohne mehrere verderbliche Zwischenfälle. Das Admiralschiff lief z. B. so heftig gegen eine Klippe an, daß es bei schwererem Seegange rettungslos verloren gewesen wäre. Ferner kam es zu mehreren blutigen und barbarischen Bestrafungen meuterischer Matrosen, unter Anderem eines armen Teufels, dessen Hand, wegen Verletzung eines Steuermannes durch einen Messerstich, an den Mast genagelt wurde. Die zahlreichen Kranken, welche man hier an's Ufer brachte, genasen alle binnen vierzehn Tagen. De Noort blieb vom 2. bis zum 21. Juni an dieser Insel, welche nur eine Meile vom Festlande entfernt liegt. Bevor er wieder in See ging, mußte er auch noch die »Eendracht« verbrennen, weil es ihm an Matrosen zu deren Führung gebrach. Erst am 20. October und nachdem ihn vielfache Stürme hier- und dorthin verschlagen, konnte er im Hafen Desiré vor Anker gehen, wo die Mannschaft in wenig Tagen eine Anzahl Seehunde und Seelöwen und mehr als 5000 Pinguine erlegte. »Der Admiral, sagt die von de Bry veröffentlichte Uebersetzung von de Noort's Reiseberichte, war mit einer Abtheilung Bewaffneter an's Land gegangen, doch trafen sie keine Eingebornen, nur verschiedene, auf hohen Felsen gelegene Grabstätten, in welchen jene ihre Todten beisetzten, wobei sie viele rothgefärbte Steine über das Grab häufen, das sie außerdem noch mit Wurfspießen, Federbüschen und anderen sonderbaren Gegenständen, die ihnen wohl als Waffen dienen, auszuschmücken pflegen.«

Die Holländer sahen auch, freilich in zu großer Entfernung, um darauf schießen zu können, Büffel, Hirsche und Strauße und sammelten in einem einzigen Neste zwölf Eier dieser Vögel. Während des Aufenthaltes hierselbst starb der Kapitän Jakob Janß Huy de Cooper und ward am Hafen Desiré begraben. Am 23. November lief die Flotte in die Magellan-Straße ein. Bei einer Landung fielen drei Holländer unter den Streichen der Patagonier, deren Tod durch die Niedermetzelung eines ganzen Enoos-Stammes geahndet wurde. Während der langen Fahrt durch die Sunde und Seebecken der Magellanstraße begegnete man zwei anderen holländischen Schiffen unter Führung Sebald de Weerdt's, der unfern der Mauritius-Bai überwintert hatte; auch wurde der Vice-Admiral Claaz ausgesetzt, angeblich wegen wiederholter Insubordination. Bildet diese, bei den portugiesischen, englischen und holländischen Seefahrern jenes Jahrhunderts so häufig in Ausführung gebrachte Maßregel nicht ein bedeutsames Zeichen der Zeit? Was wir heute als nichtswürdigste Grausamkeit verurtheilen würden, erschien jenen Leuten, die um ein Menschenleben nicht viel Aufhebens machten, noch eine verhältnißmäßig milde Strafe. Und doch giebt es wohl nichts Grausameres, als einen Menschen ohne Waffen und Nahrungsmittel auf verlassener Küste auszusetzen. Und bedeutet denn die Landung eines solchen in einem von Kanibalen bewohnten Lande, die sich an leckerem Menschenfleisch ergötzen, etwas Anderes als die Verurtheilung zu einem entsetzlichen Tode?

Am 29. Februar 1600 fuhr de Noort in den Pacifischen Ocean ein, nachdem er neunundneunzig Tage zur Reise durch die Magellan-Straße gebraucht hatte. Vierzehn Tage später trennte ihn ein Sturm von der »Hendrick Fredrick«, welche, von da ab verschollen blieb. In Begleitung einer einzigen Jacht ging er bei der Insel Mocha vor Anker, wo er, abweichend von seinen Vorgängern, seitens der Eingebornen einen freundlichen Empfang fand. Dann folgte er der Küste Chilis, deren Bewohner ihm, im Austausch gegen Nürnberger Messer, Beile, Hemden, Hüte und andere geringwerthige Gegenstände, Nahrungsmittel in Menge lieferten. Nachdem er längs dieser Küste und der Perus eine Menge Städte verwüstet, geplündert und eingeäschert, auch alle ihm begegnenden Schiffe versenkt und eine beträchtliche Beute zusammengerafft hatte, wich de Noort, auf die Nachricht hin, daß ein Geschwader unter dem Befehle des Bruders des Vicekönigs, Don Louis de Velasco, zu seiner Verfolgung ausgelaufen sei, mit vollen Segeln nach den Ladronen-Inseln aus, wo er am 16. September eintraf. »In mehr als zweihundert, mit je drei bis fünf Mann besetzten Canots drängten sich hier die Eingebornen um unser Schiff unter dem lauten Rufe: Hierro, hierro! (Eisen, Eisen!), das bei ihnen in hohem Werthe steht. Sie leben ebensogut im Wasser wie auf dem Lande und verstehen außerordentlich geschickt zu tauchen, was wir daran sahen, daß ein einziger Mann fünf von uns in's Meer geworfene Eisenstücke heraufholte.« De Noort erfuhr auch zu seinem Nachtheile, daß die Inseln (Ladronen = Diebesinseln) ihren Namen mit vollem Rechte führen. Die Bewohner bemühten sich sogar, die Nägel aus dem Schiffe zu reißen und eigneten sich Alles an, was nur in ihre Hände fiel. Einer derselben, der an einem Taue auf das Schiff geklettert war, hatte sogar die Frechheit, in eine Kabine einzudringen und einen Degen zu stehlen, mit dem er sich in's Meer stürzte.

Vom 14. October ab durchsegelte de Noort den Archipel der Philippinen, ging dabei häufiger an's Land und verbrannte, beraubte oder versenkte eine Menge spanischer und portugiesischer Schiffe und chinesischer Tjonken. Eben kreuzte er in der Meerenge von Manilla, als ihn zwei große spanische Schiffe angriffen. In dem dadurch entstandenen Gefechte hatten die Holländer fünf Todte und fünfundzwanzig Verwundete, büßten aber ihre Brigantine ein, welche mit einer Besatzung von fünfundzwanzig Mann gefangen wurde. Die Spanier verloren mehr als zweihundert Mann, denn ihr Admiralschiff ging in Flammen auf und versank. Statt die verwundeten oder auch die noch gesunden Menschen, welche sich schwimmend zu retten suchten, aufzunehmen, fuhren die Holländer im Gegentheil dazwischen und gaben nicht Wenigen noch mit ihren Lanzen den Todesstoß. »Nach diesem blutigen und doch nutzlosen Siege rastete de Noort kurze Zeit bei Borneo, nahm in Java eine reiche Ladung Gewürze ein, umschiffte dann das Cap der Guten Hoffnung und traf mit einem einzigen Schiffe und einer Mannschaft von achtundachtzig Köpfen nach einer Reise von nahezu drei Jahren am 26. August in Rotterdam ein. Wenn die Kaufleute, welche früher die Kosten der Ausrüstung bestritten, die Maßnahmen de Noort's billigten, der ihnen eine, die Summe ihrer Auslagen an Werth weit übertreffende Fracht heimbrachte, während er seinen Landsleuten gleichzeitig den Weg nach Indien wies, müssen wir das Lob, welches ihm als Seemann gewiß gebührt, doch beschränken in Hinblick auf die Art und Weise seiner Commandoführung und ihn sogar streng tadeln wegen der Grausamkeit, welche die erste Erdumsegelung seitens der Holländer durch so viele Blutflecken verunglimpft.

Wir kommen nun auf einen Mann zu sprechen, der bei ebenso großen Vorzügen wie Fehlern des Charakters, ein Leben führte, das sich in den verschiedensten, oft geradezu entgegengesetzten Richtungen bewegte, und der nach Erreichung der höchsten Ehren, welche ein Edelmann nur erstreben kann, des Verrathes und Lehnseidbruches angeklagt, sein Haupt zuletzt noch auf das Schaffot trug. Es handelt sich um Sir Walter Raleigh. Seinen Platz in dieser Galerie berühmter Reisender weisen wir ihm weder als Begründer der englischen Kolonialmacht, noch als Seemann an sich an; wir sehen in ihm hier nur den Entdecker und haben über ihn nicht viel Vortheilhaftes zu sagen. Fünf Jahre hindurch hatte Walter Raleigh sich in Frankreich in dem Kriege gegen die Ligue und mitten unter jenen Gascognern aufgehalten, welche den Kern der Armee Heinrich's von Navarra bildeten. In solcher Umgebung entwickelte sich sein natürlicher Hang zur Lüge und Prahlerei nur noch weiter. Nach einem Feldzuge gegen die Spanier in den Niederlanden kehrt er im Jahre 1577 nach England zurück und nimmt schnell lebhaften Antheil an den Angelegenheiten seiner drei mutterrechten Brüder Johann, Onfroy und Adrien Gilbert. England durchkämpfte damals eine sehr schwere ökonomische Krisis. Der Landbau ging einer Umgestaltung entgegen. Ueberall trat die Benützung der Weide an Stelle der Bearbeitung des Bodens, und die Zahl der ländlichen Hilfsarbeiter schrumpfte dadurch wesentlich zusammen. Daraus entstand ein allgemeines Elend und eine Zunahme der beschäftigungslosen Bevölkerung, welche bald darauf beunruhigende Dimensionen annahm. Gleichzeitig folgte auf lange Kriege endlich der Friede, der während der ganzen Regierungszeit der Königin Elisabeth anhalten sollte, so daß eine große Menge Abenteurer nicht recht wußte, wie sie ihrem Geschmacke nach Gewaltthaten genügen sollte. Unter solchen Verhältnissen tritt dann die Nothwendigkeit der Auswanderung ein, welche das Land von seiner vorhandenen Ueberbevölkerung befreit, den mit dem Hungertode bedrohten Armen neue Lebensbedingungen auf jungfräulichem Boden bietet und ihrerseits wieder den Einfluß und die Blüthe des Mutterlandes steigert. Alle freieren Geister, welche in England den Ideen der Zeit folgen, wie Hackluyt, Thomas Harriot, Carlyle, Peckham und die Brüder Gilbert sind von dieser Nothwendigkeit überzeugt. Den Letztern aber gebührt die Ehre, geeignete Orte zur Errichtung von Kolonien bezeichnet zu haben. Raleigh selbst schloß sich nur seinen Brüdern an und folgte ihrem Beispiele, er hat aber, wie man es ihm manchmal unrechter Weise zuschreibt, die Ausführung dieses fruchtbringenden Planes, die Kolonisation der atlantischen Küsten Amerikas, weder zuerst in die Hand genommen, noch jenen gar selbst ersonnen. Wenn der bei der launischen und in ihren Neigungen sehr wetterwendischen Königin Elisabeth damals allmächtige Raleigh seine Brüder ermuthigt und auch selbst 40.000 Pfund Sterling auf Kolonisations-Unternehmungen verwendet, so hütet er sich doch weislich, England zu verlassen, denn das viel Geduld und Hingebung erfordernde Ansiedlerleben ist keineswegs nach seinem Geschmacke. Er überläßt sein Patent käuflich an Andere, vergißt aber nicht, sich ein Fünftel der späteren Einkünfte der Kolonie verschreiben zu lassen, da er von der Nutzlosigkeit eigener Anstrengung überzeugt ist.

Gleichzeitig rüstet Raleigh Schiffe aus gegen die spanischen Besitzungen; er betheiligt sich persönlich an den Kämpfen, welche England von der unbezwinglichen Armada befreit, dann unterstützt er die Ansprüche des Priors de Crato auf den Thron von Portugal. Kurz nach der Heimkehr nach England fällt er bei seiner königlichen Herrin in Ungnade, und bald nach seiner Entlassung aus dem Kerker, wonach er auf seinem Schlosse in Sherborne internirt ward, entwirft er den Plan zu seiner Fahrt nach Guyana. Für ihn erscheint das als ein Riesenunternehmen, dessen wunderbare Erfolge die Augen der ganzen Welt auf ihn lenken und ihm auch die Gunst der Souveränin wieder zuwenden müßten. Wie sollte auch die Entdeckung und Eroberung des Eldorado, jenes Landes, wo, nach Orellana, die Tempel mit wirklichen Goldplatten gedeckt und selbst die gewöhnlichsten Geräthe aus diesem Metalle verfertigt sind, wo man auf kostbaren Steinen hinwandelt – wie sollte das »nicht mehr Ruhm einbringen, so lauten die eigenen Worte Raleigh's in seinem Berichte, als die Thaten Cortez' in Mexico oder Pizarro's in Peru? Wer das vollbracht, dem gehören mehr Städte, Völker und Schätze als der König von Spanien, der Sultan von Marokko oder irgend welcher Kaiser sein nennt!« Wir erwähnten schon früher der von Orellana im Jahre 1539 ausgestreuten Fabeln, welche noch Veranlassung zu manchen anderen geben sollten. Humboldt klärt uns über ihren eigentlichen Ursprung auf durch eine Schilderung der Natur des Bodens und der Felsen, welche den zwischen dem Rio Essequibo und dem Rio Vanco gelegenen Parima-See umgeben. »Diese Felsen, schreibt der berühmte Reisende, bestehen aus Glimmerschiefer und schillerndem Talk und glänzen in den Strahlen der Tropensonne inmitten einer spiegelnden Wasserfläche wider.« So erklären sich jene Kuppeln aus massivem Gold, jene Obelisken aus Silber und die Wunderdinge alle, welche der enthusiastische und großprahlerische Sinn der Spanier diese scheinbar sehen ließ. Glaubte Raleigh wohl selbst an das Vorhandensein jener Stadt aus Gold, an deren Eroberung er so viel setzen wollte? War er wirklich davon überzeugt oder unterlag er nicht vielmehr den ruhmgierigen Illusionen seines überreizten Gehirns? Hierüber giebt es zwar keine Gewißheit; unbestreitbar steht aber fest, daß, nach Philarete Chaslers' eigenen Worten, »als er sich einschiffte, Niemand seinen Versprechungen glaubte, daß man seine Uebertreibungen als solche erkannte und vielmehr die endlichen Folgen einer, von einem so wagehalsigen und bezüglich seiner Moralität mehr als zweifelhaften Manne geleiteten Expedition wirklich fürchtete«.

Inzwischen schien es, als ob Raleigh für diesen Plan Alles wohl vorgesehen und auch die nothwendigen Studien nicht vernachlässigt hätte. Er sprach nicht allein von der Natur und dem Boden Guyanas, seinen Erzeugnissen und Bewohnern mit unerschütterlicher Sicherheit, sondern hatte auch dafür gesorgt, auf seine Kosten ein von Kapitän Whiddon befehligtes Schiff vorauszusenden, das der Flotte den Weg bahnen sollte, die er selbst nach den Ufern des Orinoco zu führen gedachte. Freilich bemühte er sich, die dem ganzen Unternehmen sehr ungünstigen Berichte, welche er von seinem Emissär erhielt, vor der Oeffentlichkeit zu verschweigen. Am 9. Februar 1595 ging er selbst von Plymouth unter Segel mit einer kleinen Flotte von fünf Schiffen und hundert Soldaten, ohne die Seeleute, Officiere und Freiwilligen zu rechnen. Nach viertägigem Aufenthalt in Fortaventura, einer der Kanarien, wo er Holz und Wasser faßte, legte er bei Teneriffa an, um hier mit dem Kapitän Brereton zusammenzutreffen. Nachdem er diesen acht Tage vergeblich erwartet, segelte Raleigh nach Trinidad ab, wo er Whiddon schon fand. Die Insel Trinidad wurde damals von Don Antonio de Berreo verwaltet, der selbst über Guyana genaue Erkundigungen eingezogen hatte. Er sah die Ankunft der Engländer nicht eben mit Vergnügen und sendete sofort nach Cumana und der Insel Marguerita, um Truppen zusammenzuziehen, mit denen er jene angreifen wollte. Gleichzeitig verbot er den Indianern und Spaniern bei Todesstrafe, mit den Engländern irgend welche Verbindungen anzuknüpfen. Raleigh, der hiervon Nachricht erhielt, beschloß jenem zuvorzukommen. Mit Eintritt der Nacht ging er mit hundert Bewaffneten heimlich an's Land, bemächtigte sich ohne Schwertstreich der Stadt St. Joseph, welche die Indianer in Brand setzten, und ließ Berreo nebst anderen hervorragenden Personen nach seinem Schiffe bringen. Gleichzeitig trafen die Kapitäne Georges Gifford und Knynin, von denen er an der Küste Spaniens getrennt worden war, wieder ein. Nun brach er geraden Weges nach dem Orinoco zu auf, drang in die Bai des Capuri ein mit einer großen Galeere und drei, von hundert Soldaten und Matrosen bemannten Booten, wand sich durch das fast undurchdringliche Gewirr von Inseln und Kanälen, das deren Mündung bildet, und fuhr den Fluß auf eine Strecke von hundertzehn Meilen hinauf. Die Erzählungen Raleigh's über seinen Zug sind so fabelhafter Art, er häuft mit der Ungezwungenheit eines nach den Ufern der Themse verpflanzten Gascogners so viel Lügen zusammen, daß man versucht ist, seinen ganzen Bericht unter die erfundenen Reisen zu rechnen. Einige Spanier, welche die Stadt Manoa, hier Eldorado genannt, gesehen hatten, erzählten ihm, sagt er, daß diese an Größe und Reichthümern alle Städte der Welt übertreffe, ebenso wie Alles, was den Conquistadoren in Amerika jemals vor Augen gekommen war. »Hier giebt es, fährt er fort, keinen Winter, einen gesunden und fruchtbaren Boden, Wild und Geflügel aller Art in Ueberfluß; prächtige Vögel erfüllen die Luft mit noch nie gehörtem Gesang, daß es ein wahres Concert war. Mein Kapitän, den ich ausgeschickt hatte, um nach Bergwerken zu forschen, fand reiche Gold- und Silberminen; da er als einziges Instrument aber nur seinen Degen besaß, konnte er von den Metallen nichts losbrechen, um sie an Ort und Stelle näher zu prüfen, und brachte deshalb nur mehrere lose Stücke mit, welche erst später untersucht werden sollten. Ein Spanier aus Caracas nannte die betreffende Mine » Madre de Oro« (Mutter des Goldes).« Raleigh scheint indeß recht gut gefühlt zu haben, daß man seine Uebertreibungen wohl erkennen möge, und fügte deshalb hinzu: »Man wird vielleicht glauben, daß mich eine falsche, trügerische Illusion getäuscht habe; warum sollte ich aber eine so beschwerliche Fahrt unternommen haben, wenn ich nicht die Ueberzeugung gehabt hätte, daß es auf Erden kein goldreicheres Land gebe als Guyana? Whiddon und Milechappe, unser Wundarzt, brachten mehrere Steine, welche den Saphiren ungemein ähnlich aussahen. Ich zeigte diese Steine einigen Anwohnern des Orinoco vor, die mir versicherten, daß von solchen Steinen ein ganzer Berg vorhanden sei.« Ein alter Cazike von hundertzehn Jahren, der jedoch ohne Ermüdung noch zehn Meilen zurückzulegen vermochte, kam, ihn zu besuchen, rühmte ihm die große Macht des Herrschers von Manoa und überzeugte ihn, daß seine Kräfte dagegen unzureichend seien. Er schilderte ihm dieses Volk als sehr civilisirte Leute, welche Kleider trugen und große Reichthümer, vorzüglich an Goldplatten, besaßen; endlich sprach er ihm auch von einem Berg aus reinem Gold. Raleigh wollte denselben natürlich aufsuchen, leider befand er sich aber zur Zeit halb unter Wasser gesetzt. »Er hatte die Gestalt eines Thurmes und schien mir eher weiß als gelb. Ein von ihm herabstürzender, während der Regenzeit besonders angeschwollener Bergstrom verursachte ein furchtbares Geräusch, das unsere Leute vollständig betäubte. Ich erinnerte mich der Beschreibung, welche mir Berreo von dem Glanze der Diamanten und kostbarer, in verschiedenen Theilen des Landes zerstreuten Steine geliefert hatte. Wohl hegte ich über den Werth derselben einige Zweifel; immerhin setzte mich jedoch ihre außerordentliche Weiße in Erstaunen. Nach einer kurzen Ruhe am Ufer des Vinicapara und einem Besuche in dem Dorfe des Caziken, versprach mir Letzterer, mich auf einem Umwege nach dem Fuße jenes Berges zu geleiten; angesichts der unüberwindlichen Schwierigkeiten, die uns entgegentraten, zog ich es aber vor, nach der Mündung des Cumana zurückzukehren, wo die Caziken aus der Nachbarschaft zusammen gekommen waren und zahlreiche, aus selteneren Landeserzeugnissen bestehende Geschenke brachten.« Wir verschonen unsere Leser mit der Beschreibung jener, die gewöhnliche Menschengröße dreimal übertreffenden Volksstämme, jene Cyclopen, d. h. Eingebornen, welche die Augen auf den Schultern, den Mund auf der Brust hatten und denen die Haare mitten auf dem Rücken gewachsen waren – lauter ganz ernsthaft vorgetragene Behauptungen, welche dem Berichte Raleigh's freilich mehr den Stempel eines Feenmärchens aufdrücken. Beim Durchlesen desselben glaubt man weit eher ein Blatt aus Tausend und eine Nacht vor sich zu haben.

Wenn wir alle diese Schilderungen einer krankhaft erhitzten Phantasie beiseite lassen, welcher Nutzen für die Geographie bleibt dann noch übrig? Nichts, oder doch fast nichts. Jedenfalls war es nicht der Mühe werth, diese phantastische Expedition mit so großem Geräusch, mit einem solchen Aufwand an Reclame anzukündigen, auf welche eigentlich doch nur das Wort des Fabeldichters Anwendung finden kann:

Da denk' ich an einen Dichterling,
Der sagt: Den Kampf ich jetzt besing'
Zwischen Titanen und dem Donnergotte!
Versprochen ist's viel – doch was giebt's geschwind? –
Nichts weiter als Wind.


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