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Nanni Volpe

Nanni Volpe hatte seine schönsten Jahre damit verbracht, sich möglichst viel zusammenzuscharren. Ein schlauer Bauernkopf, ein paar breite Schultern, auf denen er dreißig Jahre lang in der glühendsten Sonnenhitze und im strömendsten Regen bei kärglicher Kost den Karst trug. Wenn die andern jungen Burschen seines Alters den Schürzen nachliefen oder im Wirtshaus hockten, dann trug er, wie er zu sagen pflegte, »Stroh in sein Nest.« Heute hatte er sich ein Stückchen Wiese erarbeitet, morgen ein paar Ziegelsteine für sein Häuschen. Im Schweiße seines Angesichts mühsam erworbenes und vom Munde abgespartes Brot, das sich in Erde und Stein verwandelte! Als das Nest endlich fertig war, da war Nanni Volpe fünfzig Jahre alt, abgerackert und abgearbeitet. Aber er hatte neben dem Häuschen Wiesen, Felder und einen kleinen Weinberg, und Haus, Hof und Scheuer waren wohl bestellt. Wenn er Sonntags auf den Marktplatz herunterkam, in seinem blauen Festtagsgewand, dann wichen ihm alle ehrerbietig aus, besonders die Witwen und die Jungfrauen, denn sie wußten, daß er jetzt, wo er sein Haus in Ordnung hatte, auch eine Hausfrau brauchte.

Er sagte nicht nein; ja, er dachte sogar selbst daran. Aber er beeilte sich gar nicht, denn er war gewohnt, sich nach der Decke zu strecken. Eine Witwe wollte er nicht; denn die werfen Einem bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihren »Ersten« vor; ein allzu junges grünes Mädel auch nicht, um nicht, wie er sagte, »bald zu jenen Ehemännern zu gehören, die keine Ausnahmen sind.« Er hatte seine Augen auf die Tochter der Gevatterin Nunzia, genannt die Zwergin, geworfen, ein ruhiges Mädchen aus der Nachbarschaft, das immer am Spinnrocken saß, das man nie am Fenster sah, nicht einmal Sonntags, und das bis zu ihrem achtundzwanzigsten Jahre auch nicht die kleinste Bekanntschaft gemacht hatte. Und was die Mitgift betraf, nun, da mußte er schon ein Auge zudrücken und sich mit dem Gedanken trösten, daß er eben für zwei gearbeitet hatte. Die Nunzia war's zufrieden, und das Mädchen sagte weder ja noch nein, aber es mußte wohl auch zufrieden sein. Nur waren da einige böse Zungen, die ihr nachzischelten: »Stille Wasser sind tief« oder »Diesmal frißt die Gans den Fuchs«!

Zu Ostern endlich kam es zur Aussprache. Das Getreide stand hoch, die Oliven waren reif, und Nanni Volpe hatte eben die letzte Rate an die Mühle gezahlt. Es war also in jeder Beziehung ein günstiger Augenblick. – Er zog sein blaues Feiertagsgewand an und ging zur Gevatterin Nunzia, der Zwergin. Die Tochter stand hinter der Küchentür und lauschte. Und als ihre Mutter sie rief, erschien sie ganz rot im Gesicht, die Haare geglättet, den Strickstrumpf in der Hand und den Kopf herabgesenkt bis auf die Brust.

»Raffaela, hier ist der Meier Nanni, der dich zur Frau will,« sagte die Mutter.

Das junge Mädchen blieb gesenkten Hauptes stehen und fuhr fort, den Strumpf zu stricken, wobei ihre Brust sich hob und senkte. Meier Nanni fügte hinzu: »Nun möchten wir auch gern Eure Meinung hören.«

Da kam die Mutter ihrer Tochter zu Hilfe.

»Ich für mein Teil bin einverstanden.«

Und Raffaela schlug ihre sanften Blauaugen auf und antwortete: »Wenn Ihr einverstanden seid, Mutter, dann bin ich es auch.«

Die Hochzeit wurde nicht allzu lärmend begangen, denn Gevatter Nanni Volpe war kein Freund von Flausen und wußte, daß man hundert Centesimi zusammenscharren mußte, um zu einer Lira zu kommen. Deshalb wurden bloß die engsten Verwandten geladen und die nächsten Nachbarn; und es gab Leckereien und Weißwein. Unter den Gästen befanden sich auch diejenigen, die Anspruch auf die Erbschaft nach Nanni Volpe gehabt haben würden, arme Teufel, die sich die Taschen mit Naschwerk anfüllten und die Braut mit mißgünstigen und gehässigen Blicken ansahen und sie am liebsten mit Haut und Haar verschlungen hätten. Die spielte aber schon in ihrem Kleid aus Wolle und Seide, den Schmuck um den Hals, die Hausfrau, indem sie die Gäste bewirtete und für jeden, ob Freund, ob Feind, ein Lächeln und ein freundliches Wort hatte. Und Nanni Volpe rieb sich seelenvergnügt die Hände und sagte sich im stillen: »Wenn das nicht eine gute Gattin wird, dann gibt es keine Heiligen und kein Paradies mehr!«

Und Carmine, sein entfernter Vetter, der ihn Onkel nannte, aus Liebe zu seinem Gelde, und der jetzt auch ihr gegenüber, die ihm sein Erbteil raubte, zuvorkommend sein mußte, sagte der neuen Tante bei jeder Handvoll Süßigkeiten, die er verschlang: »Eine so schöne Tante zu bekommen! … Ich wollte, ich stäke in der Haut des Onkels, heute Nacht. Ich gäbe gern die Jahre dafür hin, um die ich jünger bin als er!«

Als alle fortgegangen waren und die Türe geschlossen war, führte Gevatter Nanni die Braut im Hause herum, zeigte ihr die Stuben, die Scheuer, den Stall und alles, was er sein Hab und Gut nennen durfte. Dann stellte er das Licht auf die Kommode und sagte ihr: »Jetzt bist du die Herrin.«

Raffaela, die Bescheid wußte, weil ihre Mutter sie in alles genau eingeweiht hatte, schloß ihren Schmuck in die Lade ein und das Kleid aus Wolle und Seide in den Schrank, und so wie sie nun im Unterröckchen dastand, tat sie die Schlüssel in einen Bund zusammen und steckte sie unter das Kopfkissen. Ihr Mann nickte ihr zustimmend zu und sagte: »Sehr gut. So gefällst du mir …«

* * *

Carmine hatte gar bald kapiert, woher der Wind wehte, und er hatte sich an die Tante herangemacht, um ihr dies und jenes herauszulocken, was er im rauhen Winter in Hof und Küche gebrauchen konnte.

»Habt Ihr denn ein Herz von Stein, daß Ihr Euere armen Verwandten Hungers sterben lassen wollt? Bei so viel Gottessegen im Hause! Wenn Ihr nur wollt, dann wird der Onkel nicht nein sagen.«

»Was kann ich denn da tun? Du weißt doch, daß er der Herr im Hause ist.«

Dann ein anderesmal: »Wenn ihr wenigstens Kinder hättet, dann würde ich nichts sagen! Aber was wollt ihr mit allen diesen Gaben Gottes anfangen, wenn ihr einmal nicht mehr sein werdet, ihr beide?«

»Wenn wir keine Kinder haben, so ist dies eben der Wille Gottes.«

Der böse Bursche kratzte sich hinter den Ohren und sah die Tante mit seinen Katzenaugen von der Seite an. Eines Tages nahm er sich ein Herz und, um ihr schön zu tun, sagte er: »So bildhübsch und jung wie Ihr seid; und doch schenkt Euch der liebe Gott keine Kinder! Schade, wirklich schade!«

»Was kümmert das dich!?«

Carmine überlegte einen Augenblick, und dann erwiderte er, sich die Hände reibend: »Aber den Onkel sollte es kümmern! O, wenn ich der Onkel wäre, da solltet Ihr sehen! …«

»Wirst du wohl schweigen, gottloser Junge! Oder ich erzähle dem Onkel, was für Reden du führst!«

»Habt Ihr also den Fiasko Wein oder nicht?«

»Ja, aber nur, um dich endlich los zu werden. Daß du aber dem Onkel ja nichts sagst!«

Carmine wußte nun, welche Saiten er berühren mußte, wenn er etwas erreichen wollte. Und so raunte er ihr zu: »Ihr seid schön wie der Tag! Ihr seid begehrenswert wie ein Schatz. Der liebe Gott tut sehr unrecht daran, gerade demjenigen die süße Frucht zu überlassen, der keine Zähne mehr zum Beißen hat.«

Raffaela wurde blaß und rot vor Neid und Wut; sie zankte ihn aus wie einen dummen Jungen und dann steckte sie ihm irgend etwas zu, nur damit er ihr aus den Augen gehe. Einmal aber gab sie ihm sogar eine Maulschelle.

»Schlagt nur zu,« sagte Carmine; »von Euren süßen Händen geschlagen zu werden, tut wohl!«

»Komm mir nicht mehr in die Nähe! Und führe mich nicht fortwährend in Versuchung. Ich bin jedesmal gezwungen, es dem Beichtvater zu sagen.«

»Was ist denn Schlimmes dabei, wenn ich Euch besuche. Ich bin ja doch Euer Neffe.«

»Nein, nein, die Leute könnten leicht Böses reden, wenn sie dich immer hier bei mir sehen. Und dann will ich es auch nicht.«

»Ich will Euch bloß sehen. Mehr verlange ich nicht von Euch. Ihr habt mich behext. Ist das meine Schuld?«

Eines Tages, während der Ernte, als Carmine den Weizen in der Scheune aufspeichern half und Raffaela mit glühenden Wangen im Unterjäckchen dastand und ihm leuchtete, da packte er sie plötzlich, brutal wie er war, bei den Haaren, und wollte sie nicht loslassen, wie sehr sie ihm auch mit ihren Holzpantinen gegen die Schienbeine trat und ihm mit ihren Nägeln das Gesicht zerkratzte.

»Bei allen Heiligen!« keuchte Carmine halb besinnungslos; »diesmal entgeht Ihr mir nicht!«

Raffaela, ganz zerzaust, ganz wirr und wild, kroch auf allen Vieren und tastete auf dem Boden umher, um die Laterne zu suchen, die ihren Händen entfallen und erloschen war, und stammelte mit feuchten Lippen: »Nun hab' ich deinethalben Öl vergossen. Jetzt wird ein Unglück geschehen!«

* * *

Nanni Volpe hatte sich bei der Maisernte während eines andauernden heftigen Regenwetters ein bösartiges Wechselfieber zugezogen. Und so wanderte ein gut Teil seiner Ersparnisse in die Hände des Arztes und des Apothekers. Raffaela, die Ärmste, hatte sich während dieser Zeit einen Platz im Himmel verdient. Den ganzen Tag über war sie, gemeinsam mit dem Neffen, vollauf beschäftigt, ihrem Manne heilsame Tränke zu kochen und Medizinen herzurichten. Er lag wie blödsinnig im Bette, die Decke bis über die Ohren, und dachte unaufhörlich an das viele Geld, das zum Teufel ging, und an seine Geschäfte, die von Diesem und Jenem besorgt wurden. Die Männer aßen und tranken sicherlich auf seine Kosten und lungerten müßig auf der Tenne umher, jetzt, wo er die Arbeit nicht überwachen konnte; und im Hof, auf den Feldern und im Weinberge fehlte es zweifellos an allen Ecken und Enden und wurde viel beiseite geschafft. Nachts träumte er von Dieben und Betrügern und fuhr oft jählings aus dem Schlafe empor, den kalten Schweiß auf der Stirn. Einmal schien es ihm auch, als hörte er Lärm in der Stube nebenan, und er sprang im Hemd aus dem Bette, die Flinte in der Hand. Tatsächlich sah er zwei Füße, die hinauseilten, und Raffaela im Nachtgewand, die dem Flüchtigen keuchend verschiedene Gegenstände nachwarf.

»Zu Hilfe! Diebe! Mörder!« hub Nanni Volpe zu schreien an und stocherte mit dem Flintenlauf unter dem Tische herum.

»Tötet mich nicht, ich bin ja Euer Blutsverwandter,« stammelte Carmine, der schreckensbleich und mit schlotternden Knieen vor ihm stand. Und Raffaela, die in Todesangst das Kreuz machte, hauchte: »Ich wußte ja, daß das vergossene Öl Unheil bringt!«

Dann, als Raffaela den mehr toten als lebendigen Carmine halb angezogen zur Türe hinausgedrängt hatte, machte sie sich bei ihrem Manne zu schaffen, gab ihm die Tropfen ein und den Chinawein, um ihn wieder zu sich zu bringen, wärmte ihm mit der Wärmflasche die Füße, hüllte ihn gut in die Bettdecke ein und sagte: »Ich weiß wirklich nicht, wie der Junge da hereingekommen war. Ich hatte ihn wohl bei anbrechendem Abend gebeten, mir ein wenig behilflich zu sein beim Wäscheordnen; aber ich dachte, er sei schon längst fortgegangen.«

Nanni, der von der Krankheit und vom vielen Liegen im Bette weicher gestimmt worden war, ließ Raffaela gewähren und ließ sie reden. Aber in seinem schlauen Bauernschädel ging da unter der Decke doch etwas vor, und er dachte ganz ernstlich darüber nach, wie er wohl aus diesem Sumpfe herauskommen könne, ohne die Stiefel darin zurücklassen zu müssen.

»Höre mal,« sagte er seiner Frau, als es Tag geworden war, »ich habe daran gedacht, Testament zu machen.«

»Was für dumme Geschichten sind das wieder! Wie kann man nur von solchen Dingen reden!«

»Nein, nein, mein Kind. Ich stehe mit einem Fuße im Grabe. Ich habe mich mein ganzes Leben lang abgerackert, um mir mein Hab und Gut zusammenzuscharren, und ich will Ordnung machen, bevor ich gehe.«

»Ja, was kommt Euch denn in den Sinn?«

»Sei nur ganz beruhigt. Du kennst doch das Sprichwort: Die Seele geht, Hab und Gut bleibt?«

»Der liebe Gott wird Euch lohnen, was Ihr an mir Gutes getan habt und was Ihr noch Gutes tut,« antwortete Raffaela gerührt. »Ihr habt mich blank zur Frau genommen wie ein Waisenkind, und ich habe Euch immer geachtet wie meinen Vater.«

»Ja, ja, ich weiß es,« nickte er; und der Zipfel der Nachtmütze nickte mit.

Dann verlangte er auch zu beichten und das heilige Abendmahl einzunehmen, um in Frieden ins bessere Jenseits eingehen zu können, wenn es dem Herrn gefallen sollte, ihn abzuberufen. Er ließ sogar seinen Neffen kommen und sagte ihm: »Weshalb bist du davongelaufen? Hattest du Furcht vor deinem leiblichen Oheim?«

Carmine stand da wie vor den Kopf geschlagen und wußte nichts zu erwidern und scharrte bald mit dem einen Bein, bald mit dem andern auf dem Boden, die Mütze verlegen zwischen den Händen drehend.

»Setz deine Mütze auf,« sagte Onkel Nanni; »denn hier bist du zu Hause und kannst ein- und ausgehen, wann es dir beliebt. Ja, es wird sogar besser sein, du bist hier so viel als möglich, damit du deine Interessen besser im Auge behältst.«

Und da der Bursche die Augen weit aufriß und wie blödsinnig dreinschaute, fügte Nanni hinzu: »Ja, ja, geh nur zum Notar und frag ihn, was für ein Testament ich gemacht habe, du Undankbarer! Die Seele gehört Gott, und Hab und Gut demjenigen, der es verdient.«

Da sprang Raffaela auf wie eine Furie und rief: »Die Seele gehört dem Teufel! Ihr handelt ja wie ein Dieb! Jawohl, wie ein Dieb! Weshalb hab' ich Euch denn geheiratet?«

»Das ist etwas ganz anderes,« antwortete Nanni, während er sich wieder ins Bett legte. »Das gehört überhaupt nicht ins Testament.«

»Oho!« rief Carmine, der sich der Tante in den Weg stellte, da sie sich mit zusammengekrallten Fingern auf den Onkel stürzen wollte. »Oho! Das fehlte auch noch, daß Ihr meinen guten Onkel berührt! Zurück, oder ich dreh' Euch den Kragen um wie einem Huhn!«

Raffaela verließ wütend das Haus und schwur, ihren Mann vor Gericht laden zu lassen, um dort ihre Rechte geltend zu machen; ihr Mann sei so schlecht, daß er verdiente, einsam und verlassen zu sterben wie ein Hund.

»Macht Euch nichts daraus!« sagte Carmine, der Neffe. »Wenn Ihr wollt, bleibe ich hier, um Euch zu pflegen; ich bin ja doch Blut von Euerem Blute.«

»Bravo!« sagte Nanni. »Und behalte nur auch deine eigenen Interessen im Auge.«

Im Hause ihrer Mutter aber wurde Raffaela aufgenommen wie ein Hund, der aus einem fremden Napf fressen will.

»Hast du denn nicht jetzt dein eigenes Heim? Bist du denn nicht verheiratet? Was willst du also hier?«

Sie wollte wenigstens die Alimente von ihrem Manne. Aber Nanni Volpe wußte im Gesetzbuch besser Bescheid als ein Advokat.

»Hab' ich sie denn aus dem Hause hinausgeworfen?« antwortete er dem Richter. »Die Tür ist ja offen, und wenn sie zurückkehren will, steht es ihr frei.«

Carmine sagte ihm, er tue ein großes Unrecht daran, sich die Frau wieder ins Haus zu nehmen bei dem Haß, den sie gegen ihn habe; und es sei zu befürchten, daß sie ihm eines Tages Gift ins Essen geben werde, um ihn loszuwerden.

»Nein, nein,« antwortete der Onkel, mit seinem überlegenen Lächeln; »das Testament ist zu deinen Gunsten abgefaßt, und wenn sie mich vergiftet, gewinnt sie nichts dadurch. Im Gegenteil!«

Er kratzte sich den Kopf und dachte nach, ob er alles sagen sollte, doch behielt er es bei sich und lachte still in sich hinein.

Raffaela kehrte nun in das Haus zurück, gefügig wie ein Lamm. Ihre Mutter und die anderen Verwandten begleiteten sie. »Es ist nichts,« hieß es; »das sind Dinge, die in jeder Ehe vorkommen. Jetzt ist wieder Frieden, und Ihr werdet sehen, wie Euere Frau sich Euere Liebe wieder neu erwerben wird, Gevatter Nanni.«

»Ich habe ihr nichts genommen,« erwiderte Nanni Volpe, »und ich will ihr auch nichts nehmen, wenn sie sich danach aufführt.«

* * *

Raffaela tat alles Erdenkliche, um ihren Mann wieder milde zu stimmen; sie war so liebevoll und zärtlich, daß man sie kaum wiederzuerkennen vermochte; sie wich nicht von seiner Seite und hegte und pflegte ihn und erfüllte ihm jeden Wunsch, den sie ihm von den Augen ablesen konnte.

Der Alte sagte ihr: »Gut so, gut so. Denn wenn es das Unglück wollte, daß mir etwas passierte, ehe ich Zeit gehabt, ein neues Testament zu machen, dann wäre es um so schlimmer für dich.«

Und er ließ sich hätscheln und kajolieren und in Baumwolle wickeln und fühlte sich dabei wohl wie ein Pascha.

»Späterhin,« sagte er oft, »wenn der liebe Gott mir Zeit läßt, will ich ein neues Testament machen. Ich habe mein Lebtag gearbeitet; ich habe mich geplagt und geschunden wie ein Vieh, aber jetzt hab' ich den Lohn. Es kommt immer nur darauf an, sich diesen Lohn auf kluge Weise zu verdienen.«

Der einzige Verdruß, der ihm noch blieb bei all der Glückseligkeit, waren die fortwährenden Streitigkeiten zwischen Carmine und Raffaela. Es gab der Zänkereien und Schlägereien den ganzen lieben Tag; und er konnte nicht einmal aufstehen, um die Beiden zu beruhigen.

Manchmal erschien Raffaela ganz zerzaust, wutschnaubend und mit blutender Nase, und sie sagte, auf die Schrammen und Beulen deutend:

»Seht nur, was mir der Schuft wieder getan hat!«

»Aber, Carmine, was hast du denn deiner Tante getan, du Spitzbube!?«

»Warum werft Ihr ihn nicht zum Tempel hinaus, diesen Tagedieb?«

»Nun, ein Mann muß ja doch im Hause sein, jetzt, wo ich ans Bett gefesselt bin.«

»Ihr werdet schon sehen: eines Tages befördert er Euch plötzlich ins Jenseits, ehe Ihr Zeit gehabt, ein neues Testament zu machen. Er gibt Euch Gift ein, so wahr ein Gott ist!«

»Ja, wozu bist denn du da, wenn du mich nicht behütest und gleichzeitig deine Interessen im Auge behältst?!«

Carmine rieb sich inzwischen vergnügt die Hände, denn der Onkel kam nicht dazu, ein neues Testament zu machen, und das alte war ja zu seinen Gunsten abgefaßt; und Nanni Volpe schützte fortwährend seinen Zustand vor, der sich immer schlimmer gestaltete und ihn hinderte, sich mit dem Testament zu beschäftigen. Und Raffaela, die sah, wie er von Tag zu Tag elender und bleicher und gespensterhafter wurde unter seiner baumwollenen Nachtmütze, ward grün und gelb vor Galle und kam ebenfalls arg herab. Eines Tages konnte sie nicht mehr an sich halten, und während Carmine dem Onkel mit der einen Hand den Löffel zum Munde führte und ihm mit der andern den Kopf stützte, platzte sie heraus: »Ihr tut gut daran, Euch Euern Neffen warm zu halten, Ihr wißt ja nicht, welche Schmach er Euch angetan!«

Carmine wollte ihr den Leuchter und den Napf ins Gesicht werfen, doch der Alte nickte zwei-, dreimal mit dem Kopf, wobei die Zipfelmütze mitwackelte, und sagte: »Ich weiß, ich weiß.« –

So schlummerte er sanft hinüber, gepflegt und gehegt wie ein Fürst …

Als Carmine die Raffaela aus dem Hause jagen wollte, da er doch jetzt alleiniger Herr sein mußte, ließen sie das Testament öffnen, und nun sahen sie erst, wie schlau Nanni Volpe gewesen, der seinen Neffen, sein Weib und die ganze Welt zum Narren gehabt hatte. Sein ganzes Hab und Gut hatte er dem Krankenhause vermacht; und nun lagen sich Neffe und Tante in Gegenwart des Notars ganz ernstlich in den Haaren. – – – – – – – – – –


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