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An E. Bernard.

Die Olivenbäume hier, das wäre etwas für Dich, lieber Freund. Ich hatte in diesem Jahre kein Glück damit, aber ich habe sicher vor, darauf zurückzukommen. Es ist feines Silber auf orangefarbenem oder veilchenblauem Boden, unter dem weiten, blauen Himmel. Ich habe Olivenbäume von gewissen Malern gesehen, von mir übrigens auch, die das garnicht wiedergaben. Es ist der reine Corot, dieses Silbergrau, und ist vor allen Dingen noch garnicht gemalt worden, während verschiedene Künstler zum Beispiel mit Apfelbäumen und mit Weiden schon Erfolg gehabt haben. Dann existieren auch relativ wenig Felder mit Weingärten, die doch von so wechselnder Schönheit sind. Es giebt hier also noch genug für mich zu basteln.

Weisst Du, etwas hat mir riesig leid gethan, in der Ausstellung nicht gesehen zu haben: eine Serie von Wohnhäusern aller Länder, wie ich glaube, von Charnier organisiert? Könntest Du mir wohl, da Du es doch sicher gesehen hast, eine Idee und hauptsächlich eine Farbenskizze von dem primitiven ägyptischen Hause geben? Es ist sicherlich ganz einfach: ein viereckiger Block auf einer Terrasse, aber ich möchte zu gern die Farbe wissen. In einem Artikel las ich, dass es blau, rot und gelb war: Ist es Dir aufgefallen? bitte, vergiss nicht mich darüber zu informieren … Ich für mein Teil kenne als Architektur nichts Herrlicheres als die Bauernhütte mit ihrem bemoosten Strohdach, mit ihrem von Rauch geschwärzten Herde. Du siehst also, dass ich sehr anspruchsvoll bin. In einem Illustrationswerk habe ich eine Skizze von alten mexikanischen Häusern gesehen, wie mir scheint, auch sehr primitiv und schön. Ach, wenn man nur Alles von damals wüsste und die Menschen malen könnte, die darin gelebt haben – das könnte so schön wie Milletsche Bilder wirken. Schliesslich, was man jetzt noch wirklich sicheres weiss, ist doch Millet. Vielleicht nicht für die Farbe, aber als Charakter, als Inhalt, als etwas, in dem ein fester Glaube steckt …

Ich hoffe, Du wirst dir wieder meine Bilder ansehen, wenn ich im November meine Herbststudien schicke; lasse mich, wenn möglich, wissen, was Du aus der Bretagne mitgebracht hast, denn mir liegt daran, zu hören, was Du selbst für Deine besten Sachen hältst. Und dann schreibe ich auch bald wieder.

Ich arbeite an einem grossen Bilde: ein Steinbruch. Eigentlich ganz dasselbe Motiv wie die Studie mit dem gelben Baum, die ich von Dir habe: die unteren Massen zweier mächtiger Felsen, die eine dünne Wasserader durchfliesst; einen dritten Berg, der den Steinbruch abschliesst, sieht man im Hintergrund. Solche Motive sind von verführerischer Melancholie, und dann ist es amüsant, in recht wilden Gegenden zu malen, wo man die Staffelei im Gestein vergraben muss, damit Einem der Wind nicht Alles umweht.

Hier die Beschreibung eines Bildes, das ich eben vor mir stehen habe (eine Ansicht des Parkes, der zu der Nerven-Heilanstalt gehört, in der ich jetzt bin): zu rechter Hand eine graue Terrasse, ein Stück Mauer, einige abgeblühte Rosenbüsche, links der Parkboden (englisch-rot), ein von der Sonne verbranntes Terrain, das mit herabgefallenen Fichtennadeln besät ist. Der Rand des Parkes ist mit hohen Fichten bepflanzt, deren Stämme und Äste englischrot sind, und deren Grün durch eine Nüance von Schwarz noch schmerzlicher wirkt. Diese Bäume heben sich von dem Abendhimmel ab, dessen gelber Grund von violetten Streifen durchquert wird; weiter oben geht das Gelb in Rosa, dann in Grün über. Eine niedrige Mauer – auch englischrot – sperrt die Aussicht und wird nur an einer Stelle von einem violetten und ockergelben Hügelchen überragt. Der erste Baum ist ein riesiger Stamm, der vom Blitz getroffen und gespalten ist; ein seitlicher Zweig nur ragt noch hoch in die Luft und lässt eine Flut von dunkelgrünen Nadeln herabrieseln. Dieser düstere Riese – ein besiegter Held – den man wie ein lebendes Wesen betrachten kann, kontrastiert mit dem blassen Lächeln einer späten Rose an dem Gebüsch, das ihm gegenüber hinwelkt, unter den Fichten einsame steinerne Bänke und dunkler Buchsbaum. Der Himmel spiegelt sich gelb – nach einem Regenguss – in einer Wasserlache. In einem Sonnenstrahl – dem letzten Reflex – steigert sich das dunkle Ocker bis zu glühendem Orange – schwarze Figuren schleichen noch hin und wieder zwischen den Stämmen umher. Du kannst dir denken, dass diese Kombination von Englischrot, von dem durch Grau verdüsterten Grün, von schwarzen Strichen, die die Konturen zeichnen, ein wenig jenes Angstgefühl hervorruft, an dem oft manche meiner Unglücksgenossen leiden. Und das Motiv des grossen, vom Blitze gespaltenen Baumes, das kränkliche Lächeln jener letzten Herbstblüte, in Grün und Rosa, verstärken diesen Eindruck. Ein anderes Bild stellt einen Sonnenaufgang über einem Feld mit jungem Getreide dar, die sich verjüngenden Linien der Furchen steigen im Bilde bis zu einer Mauer und einer Reihe von lila Hügeln an – das Feld ist violett und gelbgrün. Die weissglühende Sonne ist von einer grossen gelben Aureole umgeben. In diesem Bilde habe ich, im Gegensatz zum anderen, versucht, Ruhe und grossen Frieden auszudrücken. Ich beschreibe Dir diese beiden Bilder, um Dir wieder zu zeigen, dass man die Impression des Angstgefühls auch geben kann, ohne gleich geradenwegs auf das historische Gethsemane loszusteuern, und um ein tröstliches und sanftes Motiv zu bringen, man nicht die Personen aus der Bergpredigt darstellen muss. Fraglos ist es brav und richtig, sich von der Bibel rühren zu lassen, aber die moderne Wirklichkeit hat so von uns Besitz ergriffen, dass, wenn wir selbst davon abstrahieren wollen, um die alten Tage wieder in unseren Gedanken aufleben zu lassen, die Ereignisse unseres Lebens uns aus dergleichen Überlegungen reissen und unsere eigenen Abenteuer erfüllen uns wieder mit den persönlichen Sensationen: Freude, Ärger, Leiden, Zorn oder Lächeln. Mein Gott, die Bibel! Millet ist in seiner Kindheit ganz damit erzogen worden und las überhaupt nichts anderes; und doch machte er niemals oder fast nie wirklich biblische Bilder.

Corot hat einen Christus im Olivenhain, mit dem Stern der Hirten gemalt, göttlich schön; in seinem Werke fühlt man Homer, Virgil, Äschylos und Sophokles und manchmal auch etwas wie das Evangelium; aber wie diskret, denn immer überwiegen die modernen Sensationen, die allen möglich und allen gemeinsam sind. – Wenn auch die Malerei hassenswert und in unserer Zeit gar zu mühselig ist, so muss gerade darum der, der dies Handwerk trotzdem wählt und es mit Eifer betreibt, ein Mensch voller Pflichttreue und Festigkeit sein. Die Gesellschaft macht uns manchmal unsere Existenz recht jämmerlich und daher kommt auch unser Unvermögen und die Unvollkommenheit unserer Arbeit. Ich glaube, auch Gauguin leidet sehr darunter und kann sich nicht so entwickeln, wie es in ihm liegt. Ich leide darunter, dass mir absolut die Modelle fehlen. Dafür giebt es aber hier schöne Landschaftsmotive …

Hast Du eine Studie von mir gesehen mit einem kleinen Schnitter, einem gelben Getreidefeld und gelber Sonne? Obwohl nicht gelöst – habe ich darin wenigstens die Teufelsfrage des Gelb angegriffen. Ich spreche von der pastos gemalten Studie, die ich direkt nach der Natur gemacht habe, nicht von der Wiederholung, die in Diagonalen gemalt und in der die Wirkung sehr abgeschwächt ist. Ich wollte das in reinem Schwefelgelb malen.

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