Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Weitere Briefe an seinen Bruder.

Heute Morgen habe ich an einem Obstgarten mit blühenden Pflaumenbäumen gearbeitet; plötzlich kam ein heftiger Windstoss, der eine Stimmung brachte, die ich hier noch nie bemerkt hatte und die sich ab und zu wiederholte. Von Zeit zu Zeit brach die Sonne durch, die die kleinen weissen Blüten glitzern liess: es war zu schön! Mein Freund, der Däne, kam hinzu, und auf die Gefahr hin, bei jedem Windstoss die ganze Bescheerung auf der Erde zu sehen, malte ich weiter. In dieser weissen Beleuchtung ist sehr viel gelb, blau und lila, der Himmel ist weiss und blau. Aber was wird man von der Ausführung sagen, wenn man so im Freien arbeitet? Nachträglich habe ich recht bedauert, dass ich mir nicht Farben beim braven Tanguy bestellt habe; ich hätte zwar keinerlei Vorteil davon, aber es ist ein zu komisches Kerlchen! Ich denke noch oft an ihn, vergiss nicht, ihn von mir zu grüssen, wenn Du ihn siehst, und sage ihm, wenn er Bilder für sein Schaufenster haben möchte, könne er welche haben und zwar von den besten.

Ach, mir scheint es mehr und mehr, dass die Menschen die Wurzel alles Lebens sind, und wenn es auch ewig ein melancholisches Gefühl bleibt, nicht im wirklichen Leben zu stehen (insofern als es richtiger wäre, in lebendigem Fleische als in Farbe oder Thon zu arbeiten, insofern als man lieber Kinder machen als Kunst oder Kunsthandel treiben sollte), so fühlt man doch wenigstens, dass man lebt, wenn man bedenkt, dass man Freunde unter solchen hat, die auch nicht im wirklichen Leben stehen; und ebenso wie bei den Herzen der Menschen, so muss man auch bei den Geschäften Freundschaften erobern oder wieder beleben. Da man übrigens in Sachen des Impressionismus für den Ausgang kaum mehr zu fürchten hat und unserer Seite der Sieg gesichert ist, muss man sich auch anständig benehmen und alles muss in Ruhe erledigt werden.

*

Du hattest Recht, beim Farbenhändler doch den Geraniumlack zu bestellen, den ich soeben erhalten habe. Alle Farben, die der Impressionismus in Mode gebracht hat, verlieren leicht etwas von ihrer Stärke. Daher soll man sie kühn recht grell auftragen, die Zeit wird sie schon mehr als nötig dämpfen.

Keine der Farben, die ich bestellt habe: 3 Chrom (Orange, Gelb, Zitron), Preussischblau, Smaragdgrün, Veronesergrün etc. finden sich auf der Palette der holländischen Maler Maris, Mauve und Israels. Hingegen waren sie auf Delacroix' Palette, welcher eine Leidenschaft für die beiden verpöntesten Farben – Zitronengelb und Preussischblau – hatte und das aus guten Gründen, denn es scheint mir, er hat gerade Herrliches mit diesem Zitrongelb und Blau geschaffen.

Unwillkürlich stelle ich mir Marat als Aequivalent der Xantippe im moralischen Sinne (wenn auch mächtiger) vor; jene Frau mit der verbitterten Liebe bleibt ja trotz allem eine rührende Figur.

*

Ich arbeite jetzt an zwei Bildern, von denen ich Wiederholungen machen wollte. Der rosa Pfirsichbaum macht mir am meisten zu schaffen.

Du siehst wohl, dass die drei Obstgärten mehr oder minder zusammengehören. Ich male jetzt auch an einem kleinen Birnbaum in Hochformat, der von zwei Bildern in Breitformat flankiert werden soll. Das wären also zusammen sechs Bilder von blühenden Obstgärten; hoffentlich kommen noch drei andere, zusammengehörige hinzu: Ich möchte gern diese Serie von neun Bildern beieinander haben. Nichts hindert uns, die neun Bilder von diesem Jahre als ersten Entwurf für eine endgültige, viel grössere Dekoration anzusehen, die nach genau denselben Motiven im nächsten Jahre zur selben Zeit ausgeführt werden müsse.

*

Meine Zeichnungen sind mit einem Schilfrohr gemacht, das wie ein Gänsekiel gestutzt ist. Ich denke eine Serie von ihnen zu machen und hoffe, dass sie besser als die beiden ersten werden. Dies ist eine Methode, die ich schon damals in Holland probiert habe, dort hatte ich aber kein so gutes Rohr wie hier.

Erinnerst Du Dich, dass wir vor meiner Abreise darüber gesprochen haben, dass bei Gelegenheit der Weltausstellung Bonguerau, Lefèbvre, Benjamin-Constant und die ganze Clique sich bei Boussod beschweren und darauf bestehen werden, dass das Haus B. (das erste der Welt) rein und treu an den Prinzipien der höchsten und allein seligmachenden Kunst (natürlich ihren Bildern) festhalten müsse? Was auch daraus folgt, man muss sehr auf dem qui vive sein, denn es wäre mehr als peinlich, wenn Du Dich mit diesen Herren verzanktest. Wenn man aus dem Gefängnis kommt, nachdem man lange darin war, giebt es Augenblicke, wo man sich nach dem Gefängnis sehnt, weil man nicht mehr recht Bescheid weiss in der Freiheit (so genannt wahrscheinlich, weil die aufreibende Jagd nach dem täglichen Brot einem nicht einen Moment der Freiheit lässt).

Aber dies alles weisst Du selber ebenso gut, und manches wirst Du eben ungern aufgeben müssen, um anderes zu erreichen.

*

Nicht wahr, Daumier ist in den Beaux-Arts ausgestellt, und Gavarni? Ein Glück für Daumier, weniger für die Ausstellung. Wie ist denn das neue Buch über Daumier »L'homme et l'oevre«?

Ich hoffe, nach deinen Vermutungen, dass T. binnen kurzem nach Paris kommt. Das wäre ein rechtes Glück bei den Verhältnissen, von denen Du schriebst, jetzt, wo alle auf den Hund sind und es ihnen elend geht.

Vielleicht wäre es leichter, einige Bilderhändler und Amateurs ins Einvernehmen zu bringen, Impressionistenbilder zu kaufen, als die Künstler selbst dazu zu bringen, den Erlös der verkauften Bilder unter sich zu teilen. Und doch könnten die Künstler gar nichts Besseres thun, als zusammenzuhalten, ihre Bilder der Genossenschaft zu geben, den Verkaufspreis zu teilen, wenigstens insoweit, dass die Gesellschaft ihren Mitgliedern Arbeits- und Existenzmöglichkeit garantiert. Degas, Claude Monet, Renoir, Sisley, C. Pissaro müssten die Initiative ergreifen und sagen: Wir fünf geben jeder 10 Bilder (oder noch besser, wir steuern jeder im Werte von 10 000 Francs bei, welchen Wert die Sachverständigen bestimmen müssten, z. B. T. und Du, die die Gesellschaft anstellen würde, und diese Sachverständigen müssten ebenfalls ein Kapital in Bildern einlegen). Ausserdem verpflichten wir uns, jährlich einen Beitrag im Werte von so und soviel beizusteuern. – Und wir laden euch alle, Seurat, Gauguin, Guillaumin, ein, euch uns anzuschliessen, eure Bilder werden von derselben Jury auf ihren Wert geschätzt.

Dadurch würden »die grossen Impressionisten vom grossen Boulevard« ihren Prestige bewahren, und die anderen könnten ihnen nicht vorwerfen, dass sie für sich allein die Vorteile eines Rufes geniessen, den sie in erster Linie zweifellos ihren persönlichen Leistungen und ihrem individuellen Genie verdanken – der aber in zweiter Linie vergrössert, befestigt und erhalten wird durch ein Regiment von Künstlern, welche bisher in dauernder Geldklemme arbeiten. Es ist nur zu wünschen, dass aus der Sache etwas wird und dass T. und Du als Sachverständige gewählt werdet (zusammen mit Pottier eventuell). Du bist doch gewiss auch der Meinung, dass, wenn T. sich mit Dir zusammenthut, Ihr beide Boussod und Valadon bereden könnt, einen Kredit für die notwendigen Ankäufe zu gewähren; aber es ist eilig, sonst würden euch andere Händler zuvorkommen.

Hier haben sehr viele Motive ganz denselben Charakter wie in Holland: der Unterschied liegt nur in der Farbe. Ueberall ein Schwefelgelb, das der Sonnenbrand erzeugt, dabei ein Grün und ein Blau von einer Intensität! Ich muss sagen, die wenigen Landschaften von Cézanne, die ich kenne, geben es ausgezeichnet wieder; schade nur, dass ich nicht mehr davon gesehen habe.

*

Ich glaube, dass ich im ganzen genommen hier wie ein Arbeiter und nicht wie ein verweichlichter Fremder lebe, der zu seinem Vergnügen herumreist, und es hiesse keine Energie besitzen, wenn ich mich wie ein solcher ausnützen liesse. Ich fange an, ein Atelier einzurichten, welches hiesigen Malern oder den Kameraden dienen könnte, wenn sie herkommen.

*

Ich glaube, dass Du bald Freundschaft mit meinem Dänen schliessen wirst; er ist klug und hat Herz und hat wahrscheinlich erst seit kurzem zu malen angefangen. Benutze doch einen Sonntag, um seine Bekanntschaft zu machen.

Kennst Du G.'s Gesichtsausdruck, wenn er die Lippen zusammendrückt und sagt: »keine Frauen?« Das gäbe einen schönen Degas-Kopf. Es lässt sich aber nichts dagegen sagen, denn den ganzen Tag geistig arbeiten, rechnen, nachdenken und Geschäfte überlegen, ist schon an und für sich genug für die Nerven.

*

In dem vollen Künstlerleben taucht immer wieder die Sehnsucht nach dem wirklichen Leben, das das unerfüllbare Ideal bleibt, auf; und es fehlt oft genug der Wunsch, sich ganz der Kunst hinzugeben, mit immer frischer Kraft. Man fühlt sich eben als Droschkengaul, und man weiss, dass man sich immer vor denselben Wagen spannen muss und möchte doch so gern auf der Wiese leben, in der Sonne, am Fluss, auf dem Lande mit anderen ebenso freien und lebenstrotzenden Gäulen. Und vielleicht kommt daher die Herzkrankheit, was mich nicht wundern sollte. Man lehnt sich nicht auf, aber man resigniert auch nicht, man ist eben krank, es wird nicht von selbst vorübergehen und es giebt auch kein Heilmittel dagegen. Ich weiss eigentlich nicht, wer diesen Zustand »einen Anfall von Sterben und Unsterblichkeit« genannt hat.

*

Die Karre, die man zieht, muss Leuten nützlich sein, die man nicht kennt. Wenn wir an die neue Kunst und an die Künstler der Zukunft glauben, täuscht uns unsere Vorahnung nicht. Der gute Vater Corot sagte kurz vor seinem Tode: »Ich habe diese Nacht im Traum Landschaften mit rosafarbenen Himmeln gesehen.« Und sind nicht nun in den impressionistischen Landschaften rosa und sogar gelbe und grüne Himmel? Dies nur, um zu beweisen, dass man manches für die Zukunft vorahnt, was dann wirklich eintritt. Wir stehen nun aber noch nicht am Rande des Grabes und fühlen, dass die Kunst grösser und länger als unser Leben ist. Wir fühlen uns nicht sterben, aber wir fühlen uns gering und um ein Glied in der Künstlerkette zu sein, zahlen wir einen harten Preis der Jugend, der Gesundheit, der Freiheit, die wir nicht mehr geniessen, als der arme Droschkengaul, der die Leute, die den Frühling geniessen wollen, in die freie Natur hinauszieht. Jene Hoffnung Puvis de Chavannes' soll und muss sich verwirklichen: es giebt eine Zukunftskunst und sie muss so schön und jung sein, dass, wenn wir ihr jetzt unsere eigene Jugend opfern, wir an Lebensfreude und Frieden gewinnen müssen.

*

Ich sehe nicht schwarz in die Zukunft, aber ich sehe sie voller Schwierigkeiten, und manchmal frage ich mich, ob sie nicht stärker sein werden, als ich. Das kommt hauptsächlich in den Augenblicken körperlicher Schwäche, und gerade in der letzten Woche litt ich an so mörderlichen Zahnschmerzen, dass ich notgedrungen Zeit verlor. Trotzdem habe ich Dir soeben eine Rolle kleiner Federzeichnungen geschickt, ich glaube ein Dutzend, aus denen Du ersehen kannst, dass, wenn ich auch zu malen aufgehört habe, ich nicht aufgehört habe, zu arbeiten. Du wirst unter ihnen eine flüchtige Skizze auf gelbem Papier finden: Eine Rasenfläche auf dem Platz am Eingang der Stadt, und im Hintergrunde ein Haus, dessen rechten Flügel (4 Zimmer oder vielmehr 2 Zimmer und 2 Kammern) ich gemietet habe. Das Haus ist aussen gelb angestrichen, innen geweisst und liegt in voller Sonne, ich habe es für 15 Francs monatlich gemietet.

*

Wenn, wie ich überzeugt bin, unsere Hoffnung uns nicht täuscht, und die Impressionisten-Bilder im Preise steigen werden, müsste man viele machen und sie nicht zu billig verkaufen. Ein Grund mehr, um die Qualität sorgfältig zu behandeln und keine Zeit zu verlieren. Dann, in einigen Jahren, sehe ich die Möglichkeit, das ausgegebene Kapital, wenn nicht als Geld, so doch als Wertobjekt in unseren Händen zu halten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Natur hier wie gemacht dazu ist, um farbig zu malen, und daher ist es mehr als wahrscheinlich, dass ich mich von hier nicht fortrühren werde.

Raffaëli hat Edmond de Goncourts Porträt gemalt, das muss doch schön sein, nicht wahr?

Ich möchte einige japanische Nippes an den Wänden anbringen.

*

Du wirst schöne Sachen bei Claude Monet sehen und daher das, was ich Dir sende, im Vergleich schlecht finden. Ich bin jetzt unzufrieden mit mir und mit meiner Arbeit, aber ich sehe die Möglichkeit, in der Folge Besseres zu machen, und ich hoffe, später werden andere Künstler in diesem schönen Lande erstehen, die eine Kunst schaffen werden, wie die Japaner es bei sich gethan haben, und darauf hinzuarbeiten, ist schon nicht schlecht.

Ich glaube bestimmt, dass ich immer die hiesige Natur lieben werde; es geht einem wie mit der japanischen Kunst: liebt man sie einmal, so kommt man nicht mehr davon los.

*

Das Atelier ist hier zu sehr en vue, als dass, meiner Meinung nach, meine Installation irgend ein Weibsbild reizen könnte, und eine Unterrocks-Krise könnte zu leicht zu einem festen Verhältnis führen. Mir scheint es übrigens, als ob die Sitten hier viel weniger unmenschlich und wider die Natur sind, als in Paris. Aber mit meinem Temperament unsolide leben und arbeiten, das liesse sich nicht vereinbaren, und unter den gegebenen Umständen muss man sich damit begnügen, Bilder zu machen, was noch nicht das wahre Glück und Leben ist. Aber schliesslich: selbst das künstlerische Leben, obgleich wir wissen, dass es ein künstliches ist, erscheint mir noch so kräftig und lebendig, dass man undankbar wäre, wenn man damit nicht zufrieden wäre.

Mir scheint immer, als ob die Herren B. und V. sich gar nicht um die gute Meinung der Künstler kümmern. Aber, offen gesagt, fand ich die Nachricht schlecht und mir brach wider Willen dabei ein wenig der Angstschweiss aus; ich habe all diese Tage daran gedacht; denn diese Unterhaltung mit den betreffenden Herren ist doch bis zu einem gewissen Grade ein Symptom dafür, dass der Impressionismus nicht genug einschlägt.

Was mich betrifft, habe ich sofort aufgehört, Bilder zu malen und an einer Serie Federzeichnungen weitergearbeitet, denn ich hab' mir gesagt: ein Zank mit diesen Herren könnte weniger Ausgaben meinerseits wünschenswert für Dich machen. Ich hänge nicht so sehr an meinen Bildern und werde sie ohne Murren lassen, da ich glücklicherweise nicht zu jenen gehöre, die nur Bilder als Kunstwerke schätzen. Da ich im Gegenteil glaube, dass ein Kunstwerk sich auch mit weniger Geld herstellen lässt, habe ich eine Serie Federzeichnungen begonnen.

*

Weisst Du, was ich im ganzen von den Mädchen in Arles denke, von deren Schönheit man soviel spricht? Gewiss sind sie wirklich reizend; aber sie sind sicher nicht mehr das, was sie früher gewesen sein müssen. Und da ihre Rasse im Verfall ist, gleichen sie jetzt weit eher Mignard als Mantegna. Immerhin sind sie schön, sogar sehr schön (ich spreche hier nur vom romanischen Typus, der etwas langweilig und banal ist) und es giebt ausnahmsweise Frauen, wie Renoir und Fragonard sie malt, und solche, die man gar nicht in die bisherige Malerei einreihen kann. Von all diesen Gesichtspunkten betrachtet, wäre es das Beste, hier Frauen- und Kinderporträts zu malen. Aber – dazu fühle ich mich nicht ausersehen; dazu bin ich nicht genug »Bel-Ami«. Aber ich wäre riesig glücklich, wenn dieser Bel-Ami des Südens (Monticelli war es nicht, bereitete ihn aber vor, und ich fühle, dass er in der Luft liegt, wenn ich selbst es auch nicht bin) ich wäre riesig glücklich, sage ich, wenn in der Malerei ein Künstler käme, wie Guy de Maupassant in der Litteratur, der die schönen Menschen und Dinge hier fröhlich malen würde. Was mich anbetrifft, werde ich arbeiten und hier und da wird von meiner Arbeit etwas bleiben; aber wer wird so Menschen malen wie Claude Monet Landschaften? Trotzdem – Du musst es ebenso wie ich fühlen – liegt es in der Luft. Rodin? Er ist kein Kolorist, er ist nicht der Maler der Zukunft. Das muss ein Kolorist sein, wie noch keiner war. Manet hat ihn vorbereitet, aber Du weisst, dass die Impressionisten schon kräftigere Farben gehabt haben als Manet. Diesen Zukunftsmaler kann ich mir nicht in einem Leben wie das meine vorstellen: er dürfte nicht in kleine Restaurants gehen, falsche Zähne haben und Zuavenkneipen besuchen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass alles dies in einer späteren Generation kommen wird. Und wir müssen in dieser Richtung alles thun was uns möglich ist, ohne zu zweifeln und ohne zu straucheln.

*

Ich habe eben wieder »Au Bonheur des Dames« von Zola gelesen und finde es von Mal zu Mal schöner.

Ich schreibe Dir heute nochmal, weil ich, als ich die Rechnung in meinem Gasthof bezahlen wollte, wieder einmal konstatierte, dass ich ausgeräubert worden bin. Ich habe einen Ausgleich vorgeschlagen, der indessen nicht angenommen wurde, und als ich meine Sachen nehmen wollte, haben sie es nicht erlaubt. Schon gut, sagte ich, wir wollen beim Friedensrichter weiter darüber sprechen (wo ich vielleicht Unrecht bekomme). Nur muss ich jetzt genug Geld zurückbehalten, falls ich Unrecht bekomme: 67,40 Francs, statt 40 Francs, die ich schuldig bin. – Was mich oft traurig stimmt ist, dass es teurer ist als ich gerechnet hatte, und dass ich nicht mit demselben Geld auskomme wie die Kameraden in der Bretagne. Jetzt, wo ich mich besser fühle, halte ich mich trotzdem nicht für besiegt. Du hast schliesslich noch nichts von meinen Arbeiten hier gesehen, und ich habe schon viel Geld ausgegeben. Daher schicke ich Dir eine Kiste mit allen Arbeiten, die ich habe, mit Ausnahme einiger zerstörter Studien. Ich habe nicht alle signiert, ein Dutzend sind ohne Keilrahmen, vierzehn sind im Keilrahmen. Eines ist eine kleine Landschaft mit einem weissen, roten und grünen Häuschen und daneben eine Zypresse. Davon hast Du die Zeichnung und ich habe es ganz im Atelier gemalt. Das wird Dir beweisen, dass ich Dir nach allen Zeichnungen, wenn Du es wünschest, kleine Bilder machen könnte.

Wenn Du von der Sendung das Beste beiseite legen und die Bilder als Abschlagszahlung dessen, was ich Dir schulde, betrachten willst, so könnte ich an dem Tage, an dem ich Dir 10 000 Francs in Bildern abgezahlt hätte, weit ruhiger sein. Das Geld, das schon in früheren Jahren ausgezahlt wurde, muss, wenigstens in Wertobjekten, wieder in unsere Hände kommen. Ich bin zwar noch weit davon entfernt, fühle aber, dass in dieser Natur hier alles Nötige liegt, um Gutes zu schaffen; es läge also nur an mir, wenn es mir nicht gelingen sollte. Du erzähltest mir selbst einmal, dass Mauve in einem einzigen Monat für 6000 Francs Aquarelle gemalt und verkauft hätte, es giebt also solche Glücksfälle, und trotz aller momentanen Sorgen sehe ich auch für mich eine solche Möglichkeit.

In meiner Sendung sind: der rosafarbene Obstgarten auf grober Leinwand, der weisse Obstgarten in Breitformat und die Brücke. Es scheint mir, als ob diese drei später im Werte steigen könnten. Und etwa 50 solcher Bilder würden uns dafür entschädigen, dass wir vorher zu wenig Glück hatten. Nimm diese drei Bilder für Deine Sammlung und verkaufe sie nicht, denn später wird gewiss ein jedes davon mit 500 Francs bezahlt werden, und haben wir erst 50 solcher Bilder zusammen, werde ich erleichtert aufatmen.

*


 << zurück weiter >>