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20. Kapitel. Auf der Flucht

Es war merkwürdig still am nächsten Tage in Villa Daheim, die sonst von lauten, fröhlichen Kinderstimmen widerzuhallen pflegte. Bis auf Annemarie, Kurt und Klein-Annekathrein war das Haus kinderleer geworden. Aus allen Zimmern, aus allen Ecken, ja selbst draußen im Garten gähnte einem eine bedrückende Stille entgegen.

Doktors Nesthäkchen, das sonst für ein halbes Dutzend Radau machen konnte, wagte in dieser ungewohnten Ruhe heute gar nicht zu lachen, zu singen und zu springen. Sonderbar beklommen war es Annemarie zumute. Nicht einmal die Erinnerung an das gestrige schöne Kinderfest vermochte diese ungewohnte Stimmung zu zerstreuen.

Was war bloß schuld daran? Daß Miß John heute morgen ganz plötzlich nach England abgedampft war, konnte wohl nicht der Grund sein. Auch daß Fräulein Mahldorf, die ihre Heimat in Ostpreußen hatte, zwei Stunden später ebenfalls zu ihrer Mutter nach Hause reiste, ging Annemarie doch nicht so schrecklich nahe.

Nein, die sorgenvollen Mienen und das leise Flüstern und Beraten von Frau Kapitän und Tante Lenchen wirkten wohl so beklemmend. Und auch, daß die Dörthe immerzu nach der Post geschickt wurde, ob denn inzwischen noch kein Telegramm gekommen sei von den Eltern der noch anwesenden Kinder, war aufregend. Zu jedem Dampfer ging Tante Lenchen mit Annemarie zum Strand hinunter, sie glaubte bestimmt, Herr oder Frau Doktor Braun würde selbst ihr Töchterchen abholen.

Ach – Annemaries Mutter ahnte in ihrem englischen Landaufenthalt gar nicht, daß die Kriegsgefahr für Deutschland so nahe war. Und Doktor Braun machte gerade eine mehrtägige Hochtour mit seinen Jungen. Bis in die Gletscherwelt hinauf flatterten die aufregenden Kriegsnachrichten nicht.

Auch der Strand, an dem vor zwei Tagen regstes Badeleben geherrscht, lag heute wie ausgestorben da. Nur vereinzelte Familien sonnten sich noch in dem weißen Sande: nur wenige Kinder panschten und spielten noch am Wasser. Die rotweißen Strandkörbe standen verlassen und langweilten sich.

Nein, war das heute mopsig! Kurt hatte grade seine Liegekur und las in seinem neuen Märchenbuch. Annekathrein, die sich gestern beim Kinderfest einen Schnupfen geholt hatte, sollte im windgeschützten Garten in der Sonne bleiben. So war Doktors Nesthäkchen ganz allein am Strande. Und das sollte nun alle Tage so sein, bis Mutti kam und sie mit nach Haus nahm? Nee, dafür dankte die Annemarie. Sie fand es jetzt gar nicht mehr lustig an der Nordsee.

Vielleicht war es im Garten hübscher. Da arbeitete Mutter Antje, mit der sie sich unterhalten konnte, und auch mit Annekathrein konnte sie dort spielen. Denn Tante Lenchen, die sie zum Strande begleitet hatte, war heute gar nicht zu einer Unterhaltung aufgelegt, die antwortete immer bloß »hm«, wenn Annemarie sie etwas fragte. Und dann las sie immerzu ihre ollen Zeitungen und machte dazu ernste Augen. Oder aber sie sprach mit irgendeinem Bekannten, dann wurde ihr Gesicht noch sorgenvoller.

Tante Lenchen war es durchaus recht, daß Annemarie bat, zu Hause im Garten spielen zu können. Sie wollte noch mal mit ihrer Schwester sprechen, ob es nicht doch ratsam sei, keine Depesche mehr abzuwarten und den nächsten Dampfer am Nachmittag mit den drei Kindern zu benutzen.

Während die Damen hin und her überlegten, und doch zu keinem Entschluß kommen konnten, halfen Annemarie und Klein-Annekathrein Mutter Antje beim Bohnenpflücken.

»Glauben Sie, daß Krieg wird, Mutter Antje?« fragte Doktors Nesthäkchen, das nun allmählich auch vom Kriegsfieber ergriffen ward, die Alte.

»Ih, man jo nicht, dat wär' jo slimm, nee, dat glöw' ick (glaube ich) ganz un gor nich, un wat oll Vadder Hinrich is, der glöwt dat ok nich,« meinte die Alte.

Na also! Warum reisten denn bloß alle Leute ab? Modder Antje und Vadder Hinrich waren doch schon so alt, die mußten das doch wissen!

Am Nachmittag ging Tante Lenchen mit Annemarie baden. Die Badezeiten wechselten täglich mit der Flut. Eine seltsame, schwefelgelbe Beleuchtung lag über dem Meer, gelbbraun rollten die Wogen daher.

Sie waren die einzigen im Wasser – kein Mensch weit und breit zu erblicken.

»Sieh mal, Kind, dort hinten am Horizont, taucht wieder das schwarze Torpedoboot auf, das ich euch schon öfters gezeigt – siehst du – dort, das ist ein Kriegsschiff,« Tante Lenchen wies über das schäumende Meer.

Die in den Wellen herumplätschernde Annemarie, der es in dem vereinsamten Damenbad etwas ungemütlich war, blickte in die angegebene Richtung.

»Tante Lenchen – Tante Lenchen – das Torpedoboot ist eben untergegangen – es ist spurlos in den Wellen versunken,« rief die Kleine aufgeregt.

Tatsächlich – das eben noch deutlich sichtbare schmale Schiff war plötzlich wie von den Wassern verschlungen.

»Dann ist es sicher ein Unterseeboot gewesen, Annemarie, das untertauchen und stundenlang unter dem Wasser, ohne daß man es sieht, dahinfahren kann. Als Waffe im Seekriege hat man die Unterseeboote erfunden, Gott gebe, daß wir sie nicht gebrauchen!«

»Tante Lenchen, ich graule mich – ich will raus aus dem Wasser,« Doktors Nesthäkchen wurde es mit einem Male ganz unheimlich zumute. Alles was Fräulein Julchen vom Quallenkönig auf dem Meeresgrunde erzählt, ward plötzlich wieder in Annemarie lebendig.

Tante Lenchen war einverstanden. Sie hatte heute auch keine rechte Freude am Bade.

Als die beiden wieder die Wandelbahn betraten, kam ihnen oben am Friesenhäuschen eine bekannte Kapitänsfamilie entgegen.

»Wissen Sie es schon, Fräulein Petersen,« rief man ihnen schon von weitem entgegen, »über Deutschland ist der Kriegszustand verhängt!«

»Barmherziger Himmel – Gott schütze unser Vaterland und uns alle!« Tante Lenchen murmelte es mit erbleichenden Lippen.

Angstvoll klammerte sich Annemarie an ihre Hand.

Da aber kam wieder Leben in die vor Schreck versagenden Glieder der jungen Dame.

»Ich muß sofort zur Landungsbrücke und hören, wann das nächste Schiff abgeht. Jetzt dürfen wir nicht länger zögern. Ich werde den Eltern telegraphieren, daß wir euch heimbringen, Annemarie.«

»Aber Vater und Mutti sind doch gar nicht in Berlin, und Mutter Antje sagt doch, es gibt bestimmt keinen Krieg,« vergeblich rief es Annemarie hinter der die hohen Steinkreppen zum Strande herabhastenden Tante Lenchen her.

»Morgen früh um halb neun geht das nächste Schiff erst«, wurde ihnen an der Dampferstation als Bescheid.

Bis dahin konnte man mit allem fertig werden. Wieder ging es im Trab die Treppen hinauf zur Post. Dieselbe war von Menschen umdrängt: das ahnte man ja gar nicht, daß überhaupt noch so viele in Wittdün geblieben waren. Ein jeder gab dringende Telegramme in die Heimat auf. Auch Tante Lenchen setzte die Eltern der drei Kinder davon in Kenntnis, daß dieselben morgen zu Hause eintreffen würden.

Etwas beruhigter ging sie nun mit ihrer kleinen Schutzbefohlenen nach Villa Daheim zurück, wo Frau Kapitän Clarsen noch gar keine Ahnung von dem geplanten schnellen Aufbruch hatte. Aber auch sie sah die Notwendigkeit jetzt ein.

In fliegender Eile wurden die Koffer alle gepackt. Annemarie half, so gut sie konnte, durch Zureichen der Sachen. Heimlich aber wunderte sie sich über Tante Lenchen, die sonst ärgerlich war, wenn ihre Zöglinge nicht Ordnung hielten. Heute warf sie selbst alles, wie es gerade kam, in den süßen kleinen Reisekoffer von Annemarie. Nur schnell – man mußte das Gepäck noch am Abend aufgeben.

Endlich konnte oll Vadder Hinrich sämtliche Koffer auf Schubkarren zur Dampferstation hinunterbefördern. Tante Lenchen ging mit, um Fahrkarten zu lösen. Doktors Nesthäkchen, ihr getreuer Schatten heute, hinterdrein.

Während Tante Lenchen Fahrkarten nahm, hörte Annemarie, die ihre Augen und Ohren überall hatte, das Telephon anläuten.

»Also letzter Dampfer heute nacht um halb zwei, morgen werden keine Schiffe mehr abgelassen,« deutlich vernahm sie, wie der Beamte die Meldung wiederholte.

»Tante Lenchen,« Annemarie zupfte sie erregt am Blusenärmel, »wir können morgen früh nicht fahren, es geht kein Schiff mehr. Heute nacht geht das letzte, hat der Mann eben gesagt – aber da schlafen wir doch!«

»Hast du dich auch nicht verhört, Annemarie, hat er auch nicht morgen mittag um halb zwei gemeint?« forschte die Dame in größter Aufregung.

»Nee – nee – ich hab's deutlich gehört, aber Sie können ihn ja lieber selbst noch mal fragen.

Das tat Tante Lenchen denn auch. Es stimmte – nachts um halb zwei ging der letzte Dampfer nach dem Festlande. Von morgen an hatte die Regierung alle Schiffe beschlagnahmt.

»Was machen wir denn nun bloß, Tante Lenchen – müssen wir nun für immer in Wittdün bleiben?« Doktors Nesthäkchen war das Weinen nahe.

»Wir müssen unbedingt heute nacht fort – wenn wir nach Hause kommen, essen wir sofort Abendbrot, und ihr legt euch schlafen. Um halb zwölf müßt ihr schon wieder aufstehen«, setzte Tante Lenchen der mit ihr um die Wette der Villa zujagenden Annemarie auseinander.

»Ach, du heiliger Bimbam, wenn ich nun nicht aufwache? Dann muß ich ja allein hier bleiben – – –«

»Ich wecke dich schon zurzeit, Herzchen«, beruhigte Tante Lenchen das aufgeregte Kind. Aber sie selbst war nicht viel ruhiger.

Keins der Kinder konnte heute Abendbrot essen vor lauter Unruhe. Dabei gab es die beliebte rote Grütze. Frau Kapitän schickte die drei sofort ins Bett, aber es dauerte lange, bis die kindlichen Gemüter sich soweit beruhigt hatten, um Schlummer zu finden.

»Also heute schlafe ich das letztemal auf Wittdün – lieber Gott, laß mich bloß nicht verschlafen – ach du Himmel, ich hab' ja ganz vergessen, Mutter Antje und Vadder Hinrich Lebewohl zu sagen – also drei Stück Handgepäck habe ich: Mein Täschchen, mein Regenschirmchen und meine Gerda« – und da schlief Doktors Nesthäkchen endlich.

Inzwischen trafen die beiden Damen die letzten Vorbereitungen zur Reise. Sie füllten die Frühstückstaschen der Kinder mit belegten Broten und die Strandeimer mit Bananen. Da keins Abendbrot gegessen hatte, würden sie sicher unterwegs Hunger bekommen. Auch in ihre eigenen Handtaschen packten die Damen harte Eier, kalten Braten, Obst und eine Flasche Milch. Wer konnte denn wissen, ob sie auf der Reise etwas zu essen bekamen. Dann mußte das Haus versorgt werden. Die beiden Mädchen, Dörthe und Line, gingen nach dem Dorfe Nebel zu ihren Eltern zurück. Modder Antje und Vadder Hinrich blieben im Friesenhäuschen und hatten ein Auge auf Villa und Garten. Denn Frau Kapitän und Tante Lenchen beabsichtigten während der Kriegsdauer bei ihrem Bruder, der ein Gut in Pommern hatte, Aufenthalt zu nehmen. Keiner konnte wissen, wie lange sie ihrem lieben Hause am Nordseestrand fernbleiben mußten – vielleicht monatelang.

Die beiden Damen begaben sich gar nicht mehr zur Ruhe. Um halb zwölf weckten sie die Kinder. Das war ein schweres Stück Arbeit. Kurt allerdings war gleich wach, aber Annemarie konnte sich gar nicht ermuntern. Sie bat flehentlich, sie doch bloß noch ein bißchen schlafen zu lassen. Aber das ging heute nicht. Klein-Annekathrein weinte sogar vor Müdigkeit.

»Ihr könnt euch Zeit lassen, und noch ganz in Ruhe Kakao trinken«, sagte Frau Kapitän zu Annemarie, die, nachdem sie die erste Müdigkeit überwunden, nach kurzer Zeit in Hut und Mantel mit ihren drei Handgepäckstücken unten erschien.

Da wurde an die Tür gepocht. Es war oll Vadder Hinrich.

»Fru Kaptän,« selbst der Alte hatte seine gleichmütige Ruhe heute nicht ganz, »ick wollt man seggen (sagen), dat de Landungsbrück' unten all swart (schon schwarz) von Menschens is. Un wenn de Fru Kaptän allüwerall (überhaupt) noch mitkummt, denn möten Se 'n büschen fixing tau maken (müssen Sie ein bißchen fix zumachen)!«

»Fort – wie wir gehen und stehen – habt ihr euer Handgepäck, Kinder – Gott befohlen, Line und Dörthe. – Annemarie, du hast ja deinen Bananeneimer stehen lassen. – Vadder Hinrich, Sie fahren wohl den Kurt im Rollstuhl zur Landungsbrücke hinunter – nur schnell, schnell –« da schlug auch schon die Tür von Villa Daheim hinter den Davoneilenden zu.

An der Gartenpforte erwartete sie Mutter Antje, trotz der mitternächtigen Stunde. Die treue Alte ließ es sich nicht nehmen, die beiden Damen und ihre kleinen Freunde zur Abfahrtsstelle zu begleiten. Sie belud sich mit sämtlichem Handgepäck.

Es war eine wunderbare Mondnacht. In lichtgrünem Schimmer glänzte das Meer, flüssiges Silber goß der Mond über die leichtbewegte See. Annemarie war noch nie zu so später Stunde draußen gewesen. Wie gespenstisch die weißen Dünen im Mondenschein aussahen, ordentlich geisterhaft. Wieder mußte Annemarie an die Wittdüner Sage von Silberhärchen denken.

Aber sie hatte nicht viel Zeit, solchen Gedanken nachzuhängen. In rasender Eile ging es hinunter zur Landungsbrücke. Die wimmelte bereits von Menschen, Kindern und Gepäckstücken. Wo kamen bloß all die Leute noch her, es waren doch schon so viele abgereist?!

Kurt wurde aus dem Rollstuhl gehoben. Vor Aufregung konnte er keinen Schritt gehen.

»Laten Se man, ick trag' ihn 'n büschen nach vorn, bes (bis) an de Spitz von de Landungsbrück', Fru Kaptän«, Vadder Hinrich bahnte sich einen Weg durch die Menschenflut. Die ließ den gelähmten Knaben auf dem Arm des Lotsen und die weißhaarige Frau Kapitän auch gutwillig durch, sie kamen ganz nach vorn.

Vor Tante Lenchen aber und den beiden kleinen Mädchen an ihrer Seite schloß sich die Menschenmauer wieder, sie wurden von der Frau Kapitän getrennt.

Wenn sie bloß alle mitkamen!

In wunderbarer Schöne stieg die Morgensonne aus den östlichen Meeresfluten, wie ein rosenroter Ball hing sie über dem weißen Wellengischt. Aber keiner hatte heute Augen für dieses herrliche Schauspiel. Alles spähte nur nach dem Schiff aus, das bereits in Sicht war.

Annemarie hakte ihren Bananeneimer und ihre Puppe auf dem Arm, Tasche und Schirm wollte ihr Mutter Antje später auf das Schiff reichen.

»Tante Lenchen, sehen Sie bloß, da kommt die Inselbahn noch mit tausend Menschen an, lieber Gott, wie sollen die bloß alle auf das Schiff hinaufgehen!« rief Annemarie ängstlich. »Aber wenn wir mit der Königin Luise fahren, dann holt mich bestimmt mein Freund, der Matrose Willem.«

Das Schiff legte an, es war nicht die Königin Luise. Die Menschenmassen drängten nach vorn. Jeder sah, daß das Schiff kaum die Hälfte fassen konnte, und keiner wollte zurückbleiben. Klein-Annekathrein fing an zu weinen, sie wurde beinahe zerquetscht. Tante Lenchen nahm das Kind auf den Arm.

»Bleibe dicht an meiner Seite, Annemarie«, rief sie.

Ja, das war leichter gesagt, als getan.

In wahnsinniger Aufregung stürmte die Menschenmenge zum Schiff. Annemarie wurde von Tante Lenchens Seite gerissen und rückwärts aus der Landungsbrücke herausgedrängt.

»Ich fall' ins Wasser – ich falle ja ins Wasser«, Doktors Nesthäkchen schrie wie am Spieß.

»Aber seien Sie doch vernünftig, meine Herrschaften, Sie können doch das brüllende Kind mit dem Bananeneimer nicht ins Meer stoßen«, rief ein Herr empört.

Nein, Annemarie fiel nicht ins Wasser, aber jemand anders lag plötzlich in den Meeresfluten – Puppe Gerda. Die war Annemarie bei dem furchtbaren Gedränge aus dem Arm gerissen worden.

»Meine Puppe – meine Gerda –« Doktors Nesthäkchen brüllte noch viel lauter.

Doch wer kümmerte sich in diesen Augenblicken, wo jeder nur an sich selbst dachte, um eine ins Meer gefallene Puppe?

»Das brüllende Kind mit dem Bananeneimer« aber faßten plötzlich starke Arme. Vadder Hinrich, »der Helfer in des Sturmes Not«, hob die schreiende Annemarie in die Höhe und bahnte sich mit ihr durch all die Drängenden hindurch einen Weg zum Schiff.

Gott sei Dank – sie waren oben. Neben Frau Kapitän und Tante Lenchen stand sie unter einer Unmenge von schreienden und rufenden Menschen, unter Tausenden von Gepäckstücken.

Vadder Hinrich und Modder Antje reichten das Handgepäck der Frau Kapitän hinauf und winkten dem in See stechenden Schiff die letzten Grüße nach. Die Landungsbrücke war noch immer schwarz von Zurückgebliebenen. Wie mochten die heimbefördert werden?

Mit feuchten Augen sah die weißhaarige Frau den Strand, an dem sie eine segensreiche Tätigkeit gefunden, mehr und mehr entschwinden. Bitterlicher aber weinte Doktors Nesthäkchen um ihre ertrunkene Gerda, mit der noch ihre Kinder und Kindeskinder einst spielen sollten. Würde der Quallenkönig die arme Gerda holen?

Das war das erste Opfer, das der Krieg von Doktors Nesthäkchen forderte.


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