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[Nachwort]

Die vorstehenden Denkwürdigkeiten hat Leonora Christina während ihrer langen Gefangenschaft allmälich aufgezeichnet; nur die wenigen Zeilen, welche sich auf ihre Freilassung beziehen, sind später geschrieben. Das Manuscript ist überaus gut erhalten. Am schönsten ist der älteste Theil; er scheint mit einer Dinte geschrieben, welche Leonora Christina, wie aus ihren Aufzeichnungen hervorgeht, selbst aus Bier und Kerzenruß bereitete. Dort sind die Schriftzüge schwarz und glänzend, als wären sie mit chinesischer Farbe gemacht, und das Papier ist von ihnen nicht angegriffen. In diesem Theile ist die Schrift besonders elegant; man erkennt fast die Freude an wohlgearteten Buchstaben. Später kommt eine andere Dinte zur Anwendung; die Schrift hat eine braune Farbe, steht aber scharf und klar auf dem Papier, das hier ebenfalls nicht angegriffen erscheint. Allmälich wird die Dinte ätzender, sie schlägt durch und das Manuscript nimmt eine braune Farbe an. Der Schluß ist in dieser Beziehung am schlimmsten und läßt sich nur mit Mühe lesen.

Correcturen kommen selten vor; die meisten sind später gemacht, wie man aus der Farbe der Dinte erkennt. Sie bezwecken meistens nur eine Verstellung von Wörtern, oder Aenderungen von Tages- und Jahreszahlen in Folge der langen Dauer der Gefangenschaft, auf welche bei Beginn der Aufzeichnungen nicht gerechnet war. Von Zerstreutheit während des Schreibens ist fast nirgends eine Spur zu merken.

Das sorgfältig paginirte Manuscript zählt 248 Seiten, außerdem acht Blätter Vorrede an die Kinder, vier Blätter Bemerkungen über Persönlichkeiten und vier Blätter Anhang. Die einzelnen Quartbogen sind mit glänzendem, offenbar selbstgesponnenem Zwirn in einer Weise aneinandergeheftet, die einige Fertigkeit im Buchbinden verräth; wie man sich erinnern wird, hatte Leonora eine Zeit lang in ihrem Gefängniß die Wittwe eines Buchbinders als Dienerin. Der Umschlag ist verloren gegangen; drei purpurfarbene Pergamentstreifen festigen den Rücken. Alles ist hübsch rechtwinkelig, und aus der ganzen Zusammenfügung erkennt man die Hand der ordnungsliebenden Frau.

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Die Schwierigkeiten, welche sich einer Uebersetzung von Leonora Christinens Schilderung ihrer Gefangenschaft entgegenstellten, schienen anfangs so erheblich, daß ich mich kaum entschließen konnte, sie zu unternehmen. Abgesehen davon, daß die Wiedergabe der originalen Darstellungsweise in moderner Schreibart fast unthunlich schien, ward die Aufgabe dadurch verwickelt, daß Leonora Christina alle Personen, von welchen sie Gespräche anführt, in deren Muttersprache reden läßt, Viele darunter in dem Hochdeutsch, wie man es damals in Copenhagen sprach, und in dem Plattdeutsch von Holstein und Schleswig. Diese Gespräche in modernes Deutsch zu verkehren, wäre wol schade gewesen; ließ man sie dagegen in ihrer Ursprünglichkeit mitten in der Sprache von heutzutag, so hätten sie nur störend gewirkt und die ganze Darstellung wäre von vornherein eine unruhige geworden.

Aus diesen Mißlichkeiten herauszukommen, blieb kein anderer Weg, als die Wahl einer Schreibart, wie sie durch das im Original vorkommende Deutsch gewissermaßen selbst geboten war. In gleicher Weise habe ich mich auch nach der Orthographie der Handschrift gerichtet, theils um das Gepräge der Zeit nicht zu verwischen, theils um das Charakteristische der vielfachen Inconsequenzen in der Schreibweise und der falsch geschriebenen Fremdwörter festhalten zu können. Ein anderer Grund für die Annäherung an eine veraltete Schreibweise lag in der Derbheit mancher im Original vorkommenden Ausdrücke, die doch kaum abgeschwächt werden konnten, aber mitten im modernen Hochdeutsch wol verletzend gewirkt hätten. Es läßt sich ohne Zweifel manches gegen die gewählte Schreibart sagen, doch war ich nach bester Einsicht überzeugt, daß eine Uebersetzung nur in der angegebenen Weise möglich sei. Mein Bestreben war, den anmuthigen Ton des Originals und die liebenswürdige Einfalt der Darstellung festzuhalten und so dem deutschen Leser das schöne Bild Leonora Christinens möglichst getreu zu überliefern.

Ich habe in der Uebersetzung, wenn es nöthig war, auch Redensarten angewendet, die nur im Norden landläufig sind, hin und wieder auch Ausdrücke, wie der Däne sie gebraucht, wenn er deutsch spricht; doch glaube ich darin nie so weit gegangen zu sein, daß durch deren Anwendung dem Süddeutschen das Verständniß erschwert würde.

Am Schluß des Manuscripts befinden sich auf unpaginirten Blättern zwei kleine naive Beiträge zur Naturgeschichte der Seidenraupen und der Flöhe. Da sie nach Abschluß der Erzählung den Leser wieder mitten in dieselbe hinein versetzen und sie sich auf Begebenheiten der Jahre 1666 und 1682 beziehen, so habe ich sie an die Stellen gebracht, für welche sie von der Verfasserin eigentlich bestimmt waren, wo sie jedoch ihrer Ausdehnung wegen im Manuscript keinen Raum finden konnten. Sie befinden sich in den Fußnoten hier und hier.

 

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Die Kinder des Reichskanzlers Jacob Ulfeldt, Herrn zu Ulfeldtsholm, Egeskov und Urup, und Frau Brigitte Brockenhuus waren elf Söhne und sechs Töchter, nämlich:

1. Knud Ulfeldt, Christian's IV. Oberschenk, Herr zu Hellerup auf Fühnen. Seine erste Frau war Anna Lykke, Kay Rantzow's zu Rantzowholms Wittwe. Seine zweite Frau war Christine Lützow, welche mit der sächsischen Prinzessin Magdalena Sybilla nach Dänemark gekommen war. Er war nur sechs Wochen mit ihr vermählt; denn da er in der Seeschlacht bei Fehmarn, in welcher Christian IV. das eine Auge verlor, von demselben Splitter, der den König traf, am Bein verwundet ward, ließ er sich, während er im Bette lag, mit ihr trauen und starb sechs Wochen darauf.

2. Jacob Ulfeldt war verlobt mit Kay Rantzow's und Frau Anna Lykke's Tochter Sophia Rantzow. Er fiel im dreißigjährigen Kriege.

3. Frants Ulfeldt wurde von Kaiser Ferdinand II. in den Reichsgrafenstand erhoben und mit einer Grafschaft in Deutschland belehnt. Er starb zu Wien protestantisch. Von der Pracht, die er entfaltete, wird unter anderem erzählt, daß er zwölf seiner Pferde mit goldenen Ketten aufzäumte. Er war mit des Reichsadmiralen Claus Daas' Tochter verlobt, starb aber vor der Hochzeit. i

4. Peder Ulfeldt reiste in's Ausland mit fünfen seiner Brüder und starb gleich nach der Rückkehr.

5. Lars Ulfeldt, Herr zu Urup und Egeskov. Er bekam Jacob Ulfeldt's hinterlassene Braut Sophia Rantzow zur Frau, mit welcher er vier Kinder hatte, die bald starben. Er war der gelehrteste unter allen seinen Brüdern. Unter Christian IV. ging er als Gesandter an den Hof Jacob's I. von England. Friedrich II. von Dänemark belehnte ihn 1648 mit Stiernholm. Wie beliebt Lars Ulfeldt bei diesem König war, ist daraus zu ersehen, daß er, während Friedrich gegen alle anderen Mitglieder der Ulfeldt'schen Familie einen schweren Groll hegte, diesem doch seine Neigung nicht entzog. Uebrigens war sein Bruder Corfitz ihm nicht sehr zugethan; so lange dieser in der Fülle seiner Macht stand, ließ er ihn nicht recht emporkommen. Nach dem Tode seiner ersten Frau, verheirathete er sich mit Elise Parsberg, mit welcher er sechs Söhne und zwei Töchter hatte.

6. Corfitz Ulfeldt, Reichshofmeister, war mit Leonora Christina, Christian's IV. Tochter, vermählt, mit welcher er zehn Kinder hatte.

7. Flemming Ulfeldt, Lehensmann zu Halssted-Kloster in Laaland. Seine Frau war Anna Elisabeth von Greven; mit ihr hatte er sechs Kinder. Seine zweite Frau war Anna Magdalena Kruse, mit welcher er drei Kinder zeugte.

8. Ebbe Ulfeldt, Herr zu Egeskov. Seine Frau war Mette Grubbe. Er hatte keine Kinder.

9. Eyler Ulfeldt, ein angesehener und gelehrter Mann, war Gesandter in Spanien. Er fiel in der Seeschlacht bei Fehmarn an der Seite Christian's IV., und wird erzählt, daß man nach seinem Tode ihm nur mit Mühe das Schwert aus der Hand winden konnte. Er war verlobt mit Anna Sehsted, Tochter des Kanzlers Christen Thomaesen Sehsted.

10. Mogens Ulfeldt, verlobt mit Oluf Parsberg's Tochter Ellen, starb in Paris.

11. Tyge Ulfeldt starb jung im Hause der Eltern.

12. Anna Ulfeldt, verheirathet mit Oberst Paul Rammel, Bruder von Henrik Rammel, Christian's IV. Hofmeister.

13. Elsebed Ulfeldt, verheirathet mit Jasper Friis, hatte drei Söhne und sieben Töchter.

14. Karen Ulfeldt, verheirathet mit Oluf Brockenhuus, Schloßherr auf Copenhagens Schloß, hatte einen Sohn und zwei Töchter.

15. Dorothea Ulfeldt starb jung im Hause der Eltern.

16. Birgitta Ulfeldt, vermählt mit Otto Kruse zu Egholm, welcher sie schlecht behandelte, so daß sie von ihm fortging und lange Zeit in Holland lebte.

17. Maria Ulfeldt, verheirathet mit Axel Arentfeld zu Basnaes.

(Ludwig Holberg, Danmarks Riges Historie.)


Die Kinder Christian's IV. und Kirsten Munk's, Gräfin zu Schleswig-Holstein, Frau zu Taasinge, Boller, Ellensborg, Rosenvold, Lundegaard, Veilegaard, Bellinge, Tybrond und Thuröe:

1. Graf Waldemar Christian, Herr zu Taasing, der eine wichtige Stellung in Dänemark einnahm.

2. Graf Friedrich Christian, geboren 1625, starb 1627.

3. Drei Söhne, welche todt zur Welt kamen.

4. Anna Catharina, geboren auf dem Schloß Frederiksborg 1618, war verlobt mit dem Reichshofmeister Frands Rantzow, welcher im Schloßgraben von Rosenborg ertrank. Sie starb darüber vor Trauer 1633.

5. Sophia Elisabeth war zuerst mit Graf Christian Pentz, Statthalter in Holstein, vermählt, dann mit Holger Vind, der sie nach dem Sturz Ulfeldt's verließ, worüber sie so erbittert war, daß sie ihm sein Bildniß zurückschickte, aus welchem sie die Augen ausgestochen hatte. Sie starb zugleich mit ihrer Mutter 1658 und liegt neben ihr in der St. Knuds-Kirche zu Odense begraben.

6. Leonora Christina, geboren auf dem Schloß Frederiksborg am 22. Juli 1621.

7. Elisabeth Augusta, vermählt mit Hans Lindenow zu Ivernaes, starb während der Belagerung Copenhagens 1659.

8. Christiana, vermählt mit Hannibal Sehsted.

9. Hedevig oder Helvig, ein Zwilling mit Christiana, war verheirathet mit Ebbe Ulfeldt.

10. Maria Catharina, geboren 1628, starb im selben Jahr.

11. Dorothea Elisabeth, die der König nicht als sein rechtes Kind anerkennen wollte und deren Geburt Anlaß zu der Intrigue gegen Kirsten Munk gab. Sie ging 1645 in ein Kloster zu Cöln und ließ sich Isabella a Jesu Maria nennen; daselbst starb sie 1687.

(Ludwig Holberg, Danmarks Riges Historie.)

siehe Bildunterschrift

Die Kinder des Grafen Corfitz Ulfeldt und Leonora Christinens waren folgende:

1. Anna Catharina, vermählt mit Cassetta, Corfitz Ulfeldt's Oberstallmeister, wurde nach ihres Mannes Tod römisch-katholisch.

2. Christian, der Fuchs erdolchte, wurde Abbé.

3. Jacob starb jung.

4. Ludwig starb in Candien, wo er mit einer Mine in die Luft flog.

5. Leo starb jung.

6. Corfitz verheirathete sich mit einer französischen Gräfin.

7. Mogens starb jung.

8. Ellen Kirstine wurde reformirt und starb in Hessen. Von ihr wird erzählt, daß sie mit ihrer Schwester Leonora Sophia zu Friedrich's III. Zeit maskirt in einen Garten ging und der Königin Sophia Amalia eine Bittschrift zu Gunsten ihrer gefangenen Mutter überreichte. Doch dies ward übel aufgenommen, und sie mußten beide fortreisen. Die nachfolgende Königin Charlotte Amalie nahm sie jedoch in ihren Schutz.

9. Leonora Sophia heirathete Lave Beck in Schonen zur Zeit als ihre Mutter gefangen saß.

10. Leon ward kaiserlicher General.

(Ludwig Holberg, Danmarks Riges Historie.)

 

siehe Bildunterschrift

 

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Ueber Leonora Christina sagt Holberg (Aus Danmarks Riges Historie, III. Bd. in's Deutsche übersetzt) Folgendes:

Sie ward mit großem Fleiße erzogen, so daß sie außer denen Frauenzimmer-Sachen unterschiedliche Sprachen und Künste lernete, nämlich teutsch und französch, item Musique, Rechnen-Kunst, Reiten und dergleichen anderes, worinnen sie sowol durch ihren Fleiß, wie ihre natürliche Capacitet dermaßen zunahm, daß sie sich unter allen ihren Geschwistern distinguirte und dafür vom Könige am meisten geliebt wurde. Als sie 15 Jahre alt war, hielt sie am 9. Octobr. Anno 1636 Hochzeit mit Corfitz Ulfeld, damals Ritter und Statthalter in Copenhagen.

Nachdem sie mit Corfitz Ulfeld verheirathet war, vertrieb sie sich die Zeit mit verschiedenen Exercitien, entweder zeichnete sie oder übte sich in Musik auf der Harfe, Flöte etc., divertirte sich auch mit Jagd und Ballspiel. Als sie 21 Jahre alt war, begann sie die Lateinsche Sprache zu lernen, in welcher Doct. Otto Sperling der Aeltere ihr Lehrmeister war. Sie lernete damals auch italiensch, worin ihr Mann sie unterwies, und lernte sie das eine wie das andere mit unglaublicher Schnelligkeit. Sperling der Jüngere bezeuget, sie sey von der Capacitet gewesen, daß sie zu gleicher Zeit einen Psalm singen, einen andern schreiben und während dessen auf Alles, was im Hause verrichtet wurde, Acht geben konnte. Sie ging mit Ulfeld auf seine meisten Gesandschaften, wie nach Holland Anno 1646, und gleich darauf nach Frankreich; aber nach Engeland reisete sie allein, und darauf nach Holland wieder mit ihrem Herrn 1649, auf welchen Reisen sowol wie auf den folgenden sie die Welt kennen lernte, sich sogar in Staats-Sachen Kenntniß erwarb, und vermöge ihres Verstandes und ihrer Wissenschaft bei Fremden zu Ansehen gelangte.

Die spanische Sprache begann sie zu erlernen, als sie sich in Stralsund aufhielt, und zeigte ihr Mann ihr zuweilen, wenn er Gelegenheit hatte, die Grundlage dazu, so daß sie im folgenden Jahr so weit darin gekommen war, daß sie Anno 1654 ein kleines spanisches Buch, genannt Matthias de los Royos, in das dänische übersetzte. Ihre Fertigkeit im französchen ersieht man aus ihrer Uebersetzung eines Theiles des Romans, genannt Cleopatre, und im teutschen aus den verschiedenen zierlichen teutschen Versen, die sie gemacht hat, und ließ sie besondere Proben ihrer Capacitet und Wohlredenheit sehen, als sie für dem Gericht zu Malmöe Ulfeld's Sache agirte.

Dies mag genung über ihren natürlichen Verstand und ihre Wissenschaft geredet sein; was ihr Leben angeht, so ist es eine Kette von eitel Elend. Bevor sie mit Corfitz Ulfeld vermählet war, speisete sie täglich mit den anderen Kindern und deren Hofmeisterinn Karen Sehsted, Hannibal Sehsted's Schwester, an des Königs Tafel. Sie führten auch sämmtlich mit der Mutter den Titel Gräfinnen von Schleswig-Holstein und waren mit ihr in den öffentlichen Kirchen-Gebeten gleich nach den Königlichen Prinzen und Prinzessinnen angeführt. Als die Mutter 1630 in Ungnade fiel, wurde ihr jener Titel genommen, und befohlen, daß sie Frau Kirstine zu Boller genannt werden sollte; aber ich finde nicht, daß des Königs Liebe zu den Kindern sich dabei vermindert hätte, ausgenommen zu der letzten Tochter, Dorothea Isabella, deren Geburt dem König verdächtig war, weßhalb er sie in ein Kloster außer Landes schickte; man sieht im Gegentheil, daß sie alle wie früher in Achtung und Ansehen standen, so lange Höchstbemeldter König lebte, insonderheit Graf Waldemar und Leonora Christina; aber sobald Fridericus 3. auf den Thron kam, begann ihre Sonne sich ziemlich zu verdunkeln, und war es kein kleiner Donner-Schlag vor diese hochherzige Dame, daß in der ersten Zeit der Königin Sophia Amalia ihr verboten wurde, mit ihrer Carosse in den Schloß-Hof zu fahren, wie zuvor geschehen war. Sie participirte seitdem an allen Verdrießlichkeiten, in welche Corfitz Ulfeld sich stürzte. – –

Frau Kirsten Munk starb zur Zeit, als Corfitz Ulfeld mit seiner Gemalin im höchsten Ansehen stand und durch den Frieden von Roeskilde retablirt worden war, weßhalb sie auch mit großem Staat und einem ansehnlichen Comitat begraben wurde. Ihre Leiche ward nach Odense geführt, wo sie vor der Stadt von dem ganzen Adel entgegengenommen und unter der anwesenden Kinder und Kindes-Kinder Presence begraben wurde, welche alle in weißen Kleidern erschienen. Als sie in den letzten Zügen lag, gestattete der König, daß sein Hof- Medicus Doct. Janus Juris ihr aufwarten durfte. Ihre Leichen-Predigt wurde von Mag. Christian Sommer, Pfarrer zu Boller, gehalten, und, sintemalen die Schweden damals noch auf Seeland waren, ging Admiral Wrangels Hof-Prädicant später hinauf und hielt eine teutsche Leichen-Predigt. Corfitz Ulfeld soll bei dieser Gelegenheit selbst nicht gegenwärtig gewesen sein, obwol ich sehe, daß er zusammen mit Hanns Lindenou, Hannibal Sehsted und Ebbe Ulfeld die Invitations-Briefe zu ihrem Begräbniß unterzeichnet hat, und ist es merkwürdig, daß er allein dort sich den Titel Graf zu Sölvisborg beilegt. Eleonorae Christinae Verdrießlichkeiten begannen von der Zeit erst recht anzugehen, denn, da sie mit sonderer Beständigkeit ihrem Herrn zugethan war, so participirte sie auch an allen seinen Mißgeschicken.

Bevor Ulfeld's gefährlicher Anschlag gegen das Reich an das Tageslicht kam, ward sie nach England geschickt, um eine Summe Geldes zu fordern, die Ulfeld dem König Carl 2. während seiner Landflüchtigkeit vorgestreckt hatte, aber anstatt einer Bezahlung wurde sie auf Verlangen des dänischen Ministers von Höchstbemeldtem König arrestirt. Der Arrest geschah zu Dower am 9. Julii 1663, wie Madame Ulfeld in ihren hinterlassenen Schriften selbst bezeuget. Der dänische Minister ersuchte ferner, daß sie extradirt werden dürfe, dessen Carl 2. sich wol öffentlich weigerte, doch unter der Hand gelobte, daß es jenem nicht allein frei stehen solle, sich ihrer Person, wenn sie aus der Festung ginge, zu bemächtigen, sondern daß er sogar selbst Gelegenheit dazu bieten wolle. Es dauerte nicht lange, bis man Gelegenheit dazu fand, denn sie ward gleich darauf ergriffen und nach Copenhagen geführt, wo sie am 8. Augusti desselbigen Jahres arrivirte und in den Blauen Thurm gesetzt wurde. König Carl 2. entging so der Bezahlung seiner Schuld, doch nicht der Nachrede des Volkes, welches mit den schwärzesten Farben diese seine Aufführung gegen eine fremde hoch-adelige Dame, die ihm in seiner Noth die Hand gereicht hatte, maleten, und kann diese That dazu dienen, all das Böse, so man über ihn schreibt, zu verificiren.

König Friderik dagegen hatte Recht, sich der Person dieser ambitieusen Dame zu bemächtigen, zumal da sie in Verdacht stand, Mitwisserin der Anschläge Ulfeld's zu sein.

Sobald sie nach Copenhagen kam, ward sie auf das Schloß geführt, wo Königin Sophia Amalia ihr die Kleider abnehmen ließ und ihre Juwelen und Perlen nahm. Darauf wurde sie am 8. Augusti in den Blauen Thurm gebracht, wo sie durch viele Jahre sitzen blieb. Dort verfertigte sie viel künstliches mit ihren Händen, unter anderem einen Becher von Thon, auf 3 Knöpfen stehend, mit einem Deckel darauf, und schrieb auf den Boden etliche Worte, welche sie König Friderik insinuiren wollte, was auch bei folgender Gelegenheit geschah. Der König fragte einmal den Schloß-Präsidenten Liebknaegt, womit sie sich am Tage beschäftige, worauf er antwortete: Sie verfertigt Becher. Als nun der König selbige Becher zu sehen verlangte und sie genau besichtigt hatte, merkte er, was auf dem Boden stand und sagte zu dem Präsidenten: sie ist klüger als du. Aber ihre Gefangenschaft wurde deswegen nicht gelindert; konnte auch nicht geschehen, so lange Königin Sophia Amalia lebte, sintemalen Höchstbemeldte Königin gegen die Ulfeld'sche Familie sonderlich irritiret war, und es war nicht leicht, wieder aus ihrer Ungnade zu kommen.

Unter anderem Merkwürdigen, das von dieser berühmten Dame erzählt wird, ist, daß sie durch Transfusion mit ihres Mannes Blut, welche auf ihrem Arm geschah, eine solche Sympathie zuwege gebracht hatte, daß sie in ihres Herrn Abwesenheit fühlen konnte, was ihm widerfuhr, so daß, als das Gerücht von Ulfeld's Tod umlief, sie unterschiedliche Male im Gefängnisse versicherte, daß nichts wahres daran sei; doch endlich, als er im Jahre 1664 mit Tode abging, sagte sie es dem Könige gleich, bevor jemand Kunde davon hatte. Daß dieses passiret sei, testiren noch lebende Leute, die sie gekannt haben, wiewol nicht kraft der Sympathie durch Transfusion des Blutes, was Madame Ulfeld selbst in Abrede stellt, zusammen mit vielem andern, das in gedruckten Büchern sowol über sie wie über ihren Herrn zu finden ist.

Auf diese Weise blieb sie in einer harten Gefangenschaft nicht allein unter König Friderik's Regierung, sondern auch lange darüber hinaus, hatte kein Messer, statt dessen ein Stück Bein, und kein anderes Licht, als das eines Fensters hoch an der Wand, so geöffnet wurde, um den Rauch hinauszulassen, sintemalen kein Rohr an dem Ofen war. Die letzte regierende Königin Charlotta Amalia faßte gleich Mitleid zu dieser illustren Gefangenen und wünschte deren Freiheit, obwol sie ihr dieselbe wegen der Königin-Wittib nicht gleich verschaffen konnte, so daß sie nach ihrer eigenen Aussage 23 Jahre gefangen blieb. Sie verfertigte inzwischen viel Künstliches, das sie der regierenden Königin presentiren ließ, unter anderem einen Beutel, auf welchem mit Perlen nachfolgender teutscher Vers brodiret war:

Deine Gnade, deine Güte
Tröstet Hertze und Gemüthe
    Gönne mir auch den Gewinn.
Reich mir deine Gnaden-Hände
Löse mich von meinen Bänden
    Gnaden-reiche Königinn.

Wodurch sie gleich gewann, daß sie ein größeres Fenster erhielt, item einen Windofen.

Endlich kam sie in dem Jahre 1685 wieder auf freien Fuß, was sie selbst auf der Altar-Decke, so sie dem Mariboe Kloster schenkte, mit folgenden Worten bezeugte: ›König Christian 5. mein allergnädigster Erb-König, sah in Gnade auf meine lange und unschuldige, 22jährige Gefangenschaft, gab mir nicht allein die Freiheit 1685 am 19. Maji, sondern erzeigte mir auch viele Wohlthaten. Gott segne Seine Königl. Majestät und das ganze Königliche Erb-Haus.‹ Den 19. Maji 1686. Zum Schluß standen die Worte: ›Dieses habe ich verfertigt ohne Glas in meines Alters fast 63. Jahr. Gott allein sei die Ehre.‹ Sobald sie aus ihrem Arrest kam, zog sie zu ihrer Schwester-Tochter, Fräulein Lindenow, in das Haus am Canal, das zunächst des Pfarrers Residentz bei Holmens-Kirche ist. Aber blieb dort nur 3 Tage, da die ganze Stadt hinstürmte, sie zu sehen; begab sich darauf nach Uterslöf, wo sie bis Michaelis verblieb, dann gab der König ihr Mariboe, damit sie darauf wohne, sammt einer jährlichen Pension von 1500 Rdlr.

Sie hat verschiedene Verse gemacht, welche zeigen, daß sie zu den besten dänischen Poëten jener Zeit gerechnet werden kann; hat auch ein Werk über einige berühmten Damen verfaßt; und bezeugt Otto Sperling der jüngere, welcher ihr selbst bei diesem Werk zur Hand gegangen ist, daß es den Titel Der Heldinnen Zier führte. Unter ihren vielen Gedichten ist ein sonderlich merkwürdiges, das einen alten Hund, Cavalier genannt, behandelt. Selbiger alte Hund wurde, weil ihn ein Marder gebissen hatte, auf der Königin Sophiae Amaliae Befehl zur Gräfin in's Gefängniß geschickt, damit diese ihn curire, was sie auch that; über diesen alten Hund machte sie ein artiges dänisches Poëma, in welchem sie ihn darstellt, als einen der sein Glück und veränderliches Schicksal bei Hofe erzählet, und welchen Lohn er später empfing, und spielte sie damit auf ihren Gemal an, der so oft in unterschiedlichen Gefahren und Beschwerden dem Reich zu Nutz und Hülfe gewesen und nach ihrer Meinung davor schlecht war belohnt worden. Dieser künstliche Vers beginnt wie folgt:

Das Alte gilt vor nichts, es wird sogar verachtet,
War es auch Gold und Geld; man stets nach neuem trachtet.

Obenbemeldter Sperling bezeugt auch, daß sie eine Comoedie zusammensetzte, die sie 1688 am 27. Febr. in ihrem eigenen Hause vor sich spielen ließ.

Als sie nach Mariboe Kloster gekommen war, sendete sie Botschaft an ihre älteste Tochter Anna Catharina, so in Flandern wohnete und Viglii de Cassettes hinterlassene Wittib war. Selbige Frau glich der Mutter an Verstand am meisten, war wohl studiret und in allen schönen Wissenschaften erfahren.

Endlich starb diese illustre Dame im Jahr 1698 den 16. Martii in einem hohen Alter, und wurde am 6. Aprilis desselbigen Jahres in Mariboes Kirche begraben. Sie war eine der berühmtesten Frauenzimmer im vorigen Seculo, sowol von wegen ihres Scharfsinnes und ihrer Gelehrsamkeit, als wegen der großen Avantures, die sie hatte; wenn sie in ihrem Wohlstand sich von Ambition verleiten ließ, so expierirte sie diese Sünde durch drei Gefangenschaften, von welchen die dritte und härteste 23 Jahre währte.

Ob sie Mitwisserin des letzten gefährlichen Anschlages war, den Corfitz Ulfeld gegen König und Reich im Sinne hatte, kann keiner vor gewiß sagen. Doch scheint dies sie am meisten graviret zu haben. Wol kann keiner bestreiten, daß ja die Pflicht und Liebe, so man seinem Könige und Vater-Lande schuldet, größer ist als die eine Gattin ihrem Manne schuldet; doch muß man dabei auch bekennen, daß die heroïsche Tugend, den eigenen Gatten aus Affection vor das Vater-Land zu verrathen, in unseren Zeiten rar und fast unbekannt ist. Die beständige und anhaltende Ungnade, mit welcher Königin Sophia Amalia die Gräfin Ulfeld verfolgte, scheint andere particuliere Ursachen gehabt zu haben, welche ihre eigene Person angingen und fürnehmlich in der Gräfin Verachtung bestanden, die sie gegen die Königin sowol vor wie nach der Krönung sehen ließ. Hiezu kann unter anderem eine curieuse und bisher unbekannte Historie als Beweis dienen, die mir darüber communiciret worden ist. Unter verschiedenen Virtuosi und Künstlern, so König Friderik unterhielt, war auch ein Sachse mit Namen Caspar Herberg, der von wegen seiner Wissenschaft in Chymie, Müntz-Wesen und Goldarbeiten gemeiniglich Kunst Caspar genannt ward, und wurde er nicht anders vom Könige selbst genannt, wie aus unterschiedlichen eigenhändigen Briefen Friderici 3. zu sehen ist, welche keine andere Ueberschrift tragen als diese, nämlich: Kunst Caspar zu Händen. Dieser Kunst Caspar, der im Anfang von des Königs Regierung in Lyngbye wohnte, das anderthalb Meilen von Copenhagen liegt, hatte in Commissis, der Königin Sophiae Amaliae Krone zu verfertigen, welche zu dem bevorstehenden Krönungs-Fest sollte gebraucht werden. Fräulein Eleonora fand sich etliche Tage zuvor, da sie durch Lyngbye reisete, in Caspars Haus ein und begehrte die Krone zu sehen. Als die Krone ihr gebracht war, setzte sie selbige auf ihren Kopf, als ob sie sehen wollte, wie sie ihr parirte; doch fiel sie ihr vom Kopf nieder auf die Erde und kam zu Schaden, so daß ein großer Stein, der darinnen saß, entzwei ging. Ob Madame Ulfeld dies fürsätzlich that, ist etwas, das ich nicht vor gewiß sagen kann. Sicher ist jedenfalls, daß ihre frühere Aufführung nur Anlaß zu Verdacht geben konnte. Kunst Caspar ließ den König strax heimlich davon in Kenntniß setzen. Doch Seine Majestät, welcher damals vonnöthen hielt, mit dem mächtigen Ulfeld'schen Haus in gutem Verhältniß zu bleiben, befahl Kunst Caspar, davon zu schweigen, und in aller Stille die Krone wieder zurechtzumachen. Diese curieuse Historie habe ich anzuführen vonnöthen gehalten, um zu zeigen, daß Königin Sophia Amalia gegen Fräulein Eleonora nicht ohne Grund solche Bitterkeit faßte, obwol man zugestehen muß, daß diese zu weit poussiret ward.

 

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